Kommt es zur Wohnungsnot?

Deswegen habe ich mich ja auch so lobend über die 2 Zimmer-130 Quadratmeter-Lofts geäußert.

Habe ich nie gesagt.

Naja, Ich empfinde es als etwas irritierend, dass Du die Situation in Berlin als so dramatisch empfindest, dass Du den Begriff „Wohnungsnot“ darauf anwendest. Die Situation, die heute in Berlin herrscht, gibt es in westdeutschen Großstädten schon seit über 30 Jahren.

Ich habe in den frühen 90ern Massenbesichtigungen mit 20-30 Leuten in noch bewohnten Mietwohnungen mitgemacht. Ich habe am Ende 1994 eine 26 qm-Wohnung für 630 Mark Kaltmiete bezogen - also 12,38 Euro/qm -, die weder besonders komfortabel noch besonders gut gelegen noch besonders schalldicht oder sonst irgendwie besonders war, wenn man davon absieht, dass im Winter mal die Leitungen einfroren, weil die durch die Lüftungsschächte gelegt worden waren.

2015 annoncierte ich meine Wohnung in Düsseldorf. Groß, neu, modern, schön geschnitten, beste Lage, 300 qm Garten zur Alleinbenutzung. Die Wohnung war 12 Stunden nach Veröffentlichung weg, nachdem ich vier Interessenten in der Wohnung hatte. Ich hatte darüber hinaus noch wenigstens 40 weitere Anfragen.

2018 oder 2019 organisierte ich den Verkauf der völlig verranzten Bude meines Schwiegervaters. Ich setzte den Preis 20% über dem an, was ein Makler zuvor vorgeschlagen hatte. Nach zwei Tagen hatte ich >50 Anfragen und nach sieben Besichtigungen drei Interessenten, die fest zugesagt hatten. Ich erhielt Anrufe von Leuten, die mir ungefragt 5000 Euro mehr anboten, um die Wohnung - ohne Besichtigung - dennoch kaufen zu können. Und wir reden hier von Mönchengladbach. Nicht gerade die Perle unter den deutschen Großstädten.

Dieses ständige Mimimi aus Berlin gepaart mit dem Wahn, lokale Probleme (und darunter auch dieses) mit völlig ungeeigneten Maßnahmen bekämpfen zu wollen, entlockt mir nur noch ein müdes Lächeln.

Natürlich kannst Du die dort aktuelle, für westdeutsche Städte aber völlig normale Situation als Wohnungsnot bezeichnen, nur lautet die Antwort auf die Frage, ob es zu einer Wohnungsnot kommen wird, unverändert „nein“. Denn dann hätten wir sie bereits schon und zwar seit Jahrzehnten.

Das halte ich aber weiterhin für eine nicht zutreffende Interpretation der Lage.

Stimmt, das könnte man ändern, wenn man die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen abschafft.

Da gab es in Deutschland ja auch eine Immobileinkrise die bis in die 2000 Jahre ging. Da wurden (ja auch in Berlin) Gebäude zurück gebaut, da der Rückbau günstiger war als der Leerstand. Die Preise der Vermietung waren sehr weit unten. Derzeit erleben wir halt, dass der Markt die verlorenen Jahre aufholt. kann man schön sehen wenn man die Mietpreisindex mit der Inflation zusammen legt. Da sieht man gut, dass Miete real immer billiger wird. (leider ist diese Reihe im Bild etwas Kurz, seit den 90igern wäre aufschlussreicher)

Die Krise der Baubranche begann mit dem Ende des (natürlich auch politisch getriebenen) Baubooms 1995 und dauerte bis etwa 2005 an. Die Wohnungsmärkte entwickelten sich im großen und ganzen etwas besser, d.h. die Mieten stiegen so ab 1997 wieder deutlich an. In Berlin begann diese Entwicklung etwas später - natürlich auch getrieben durch den Umzug von Teilen der Regierung von Bonn nach Berlin und dann des Bundestages 1999.

Aufgrund privater Kontakte nach Berlin war ich damals relativ nah dran. Der Bestand an Wohnungen war Mitte der 90er schon etwas gruselig; dementsprechend niedrig waren die Preise - auch für eigentlich gute (aber schlecht erhaltene) Immobilien in guter Lage. Es war halt alles etwas renovierungsbedürftig, weswegen ich mich - natürlich auch wegen der großen Entfernung zu meinem Wohnsitz - dagegen entschied, etwas von dem zu kaufen, was mir damals alles angetragen wurde. Von Jugendstilvillen über bereits in diverse Wohnungen aufgeteilte Villen bis hin zu Altbauwohnungen im dritten Hinterhof hinten links war echt alles dabei.

Die Mieten waren auch entsprechend niedrig, so dass ich nachvollziehen kann, wenn sich jemand über die seitdem deutlich gestiegenen Mieten aufregt. Das Maß des Meckerns wird aber eben auch dadurch bestimmt, dass man übersieht, dass man nun gerade mal in der Liga von Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Hamburg angekommen ist, aber eben in der Bundeshauptstadt wohnt.

Und das Maß der Arroganz, des Zynismus und der fehlenden Empathie für die Befindlichkeiten anderer Menschen in solchen Argumenten erkannt man, wenn man das Meckern ein wenig mit Zahlen unterfüttert. Wenn man 4 der 5 einkommenstärksten Städte mit dem auf Platz 9 vergleich und das Plus von etwa einem Viertel außer acht lässt (Statista, oder wenn man das Verhälnis Mietpreis zum Einkommen außer acht lässt (Immobilo) kann man schon mal auf die Idee kommen, dass in Berlin aus nichtigen Gründen gemeckert wird.

Aber Berlin ist ja Sitz der Regierung, der Parlements und verschiedener Ministerien und Behörden geworden. Allerdings hatten die von diesem Wandel maßgeblich und dauerhaft betroffenen bei der Entscheidung keine direkt Mitsprache. Also auch das kein wirkliches Argument für die, die jetzt eine Wohnung in Berlin suchen.

Entgegen der landläufigen Meinung besteht Düsseldorf nicht nur aus Villenvierteln und in Frankfurt wohnen nicht nur hochbezahlte Investmentbanker in neuen Wohntürmen mit Blick auf den Main. Auch die Menschen in Garath und Lierenfeld müssen feststellen, dass ihr Leben teurer wird und die Mieten steigen, und die gehören ganz sicher nicht zu den einkommenstärksten Menschen in Deutschland. Deren Mieten steigen trotzdem dem allgemeinen Trend entsprechend.

Als wenn die Menschen in Flingern, Bilk oder Derendorf jemand gefragt hätte, ob Sie Luxus-Lofts, Wohntürme oder Neubaugebiete in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft haben wollen, die natürlich zum Anstieg der Mieten und Preise in der Gastronomie geführt haben.

In Berlin ist jetzt schlicht und ergreifend das normale Leben eingekehrt. Den Zustand und die Entwicklung in anderen Städten und in Berlin muss man nicht schön finden, aber Berlin erleidet da gerade kein Einzelschicksal, sondern holt nur eine Entwicklung nach, von der es Jahrzehnte verschont blieb.

Ich könnte es fast amüsant finden, wie Du Deine kleine Blase der Mittelschicht verteidigst, versuchst, alles zu relativieren, Dir alles schön zu reden oder gar zu leugnen. Hauptsache, es kratzt niemand an Deiner Utopie einer perfekten Welt, dass es praktisch allen gut geht, solange es irgendwo auf der Welt jemandem noch schlechter geht. Wenn es nicht so traurig wäre, dass die Realität für andere Menschen nicht nur die rosarote Brille bereit hält.

Ich werde in Zukunft nur noch Deine Fachbeiträge zum Bankenwesen lesen. Für Deine Fachkenntnis auf diesem Gebiet achte ich Dich. Doch Deine Anmerkungen zur sozialen Lage in Deutschland werde ich nicht mehr weiter beachten.

Du bist doch derjenige, der sich selbst und allen anderen weismachen möchte, dass es den Menschen in Berlin schlechter geht als nahezu allen anderen, während ich Dir versuche klarzumachen, dass die Situation nicht schlechter ist als woanders, sie hat sich nur schnell auf das in den westdeutschen Großstädten schon lange bekannte Niveau verschlechtert.

Ich hatte schon andere Gelegenheiten, in denen ich den Eindruck hatte, dass Berliner ein ganz stark ausgeprägtes Bedürfnis haben, etwas besonderes zu sein und irgendwie nicht damit klarkommen, dass sie nun eine Groß- bzw. Hauptstadt unter vielen sind und keiner mehr fragt, wie es mit der Mauer und den Transitstrecken ist, ob sie Angst vor den Russen haben oder einer erneuten Blockade.

Dass Berlin nun Bundeshauptstadt und inzwischen auch als touristisches Ziel attraktiv ist, wird selten mit Stolz vorgetragen. Stattdessen seit Jahren ständiges Mimimi. Wir sind so arm, unsere S-Bahn ist kacke, die ganzen Reichen nehmen uns die halbe Stadt weg, die Stadt ist voller Touristen und dann noch die Mieten. Mimimi. Mal abgesehen von den S-Bahnen sind die Probleme die gleichen wie in Wien, London, Paris, Hamburg, München oder eben auch in Düsseldorf. Nur ist man dort stolz und in Berlin halt ständig dieses „mimimi“.

Ich frage mich, woher das kommt. Geht das auf Wowereits „arm aber sexy“ zurück? So nach dem Motto: auch, wenn die Lage schlecht ist, Hauptsache wir sind wenigstens darin etwas besonderes? Wir sind arm, können aber nix dafür? Wir sind besonders gut im nicht besonders gut sein?
Dietmar Wischmeyer - Wowereit’s Berlin - Satire Gipfel 10.10.2011 - YouTube

Wie gesagt: vor knapp 30 Jahren Massentermine mit 20-30 Personen in der noch bewohnten Wohnung. Vor gut 20 Jahren schon Bewerbungsmappen für Wohnungen bspw. in Frankfurt und Düsseldorf. Zu meinen Studienzeiten Mitte der 90er gab es in etlichen Städten Studienanfänger, die teilweise zwei Jahre auf einen Platz im Wohnheim warteten und so lange bei Freunden wohnten, weil kleine Wohnungen nicht zu bekommen bzw. aus dem Budget nicht zu bezahlen waren.

Dass ich heute privilegiert bin, ist mir bekannt. Mal abgesehen davon, dass dieses Privileg auf 30 Jahre Ausbildung und Arbeit zurückgeht und mir nicht in den Schoß gefallen ist, ist es nicht so, dass ich a) meine eigene Vergangenheit vergessen hätte und b) die Augen und Ohren nicht offenhielte. Nicht jeder Mensch, den ich kenne, wohnt hier im Neubauviertel und hat 2 Kinder, Küche, Diele, Bad.

Ich habe nicht über die soziale Lage in Deutschland geschrieben, sondern darüber, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt in Berlin ähnlich ist wie in anderen westdeutschen Großstädten, nur dass sie in letzteren schon seit wenigstens 30 Jahren so ist wie sie in den letzten rd. 15 Jahren in Berlin geworden ist.

Wenn Du mir nicht glaubst, dann mach doch mal eine Suche bei Immoscout und wenn Dir Düsseldorf zu überkandidelt ist und Du da nur reiche Menschen vermutest, dann nimm Neuss oder Bonn oder meinetwegen auch Wuppertal. Probiere es doch spaßeshalber mal mit Mietwohnungen zum Beispiel zwischen 500 und 600 Euro aus und vergleiche die Zahl und die Art der Ergebnisse mit denen aus Berlin. Über das Ergebnis brauchst Du auch nicht zu berichten.

Mir fehlt die Kraft, mich mit Deinen Whataboutisms, Verdrehungen, Vergleichen, Relativierungen und Deinem mangelnden Leseverständnis auseinander zu setzen.

Zum gelöschten Artikel, in dem stand, ich drehte Dir die Worte im Munde herum:

D: „Wird es eine Wohnungsnot in Deutschland geben?“
P: „Es gibt schon eine in Berlin.“
C: „Die Leute wollen immer mehr Platz.“
P: „Großfamilien werden wieder in Erdlöchern wohnen und an Diphterie sterben.“
C: „Das habe ich nicht gesagt. Man muss nur nicht immer mehr Raum wollen. Im übrigen könnten wir mal in andere Länder schauen und unser Verhalten anpassen.“
P: „Du leugnest, dass es Armut gibt.“
C: „Habe ich nie gesagt und die Situation in Berlin ist jedenfalls nicht schlimmer als sie schon lange in westdeutschen Großstädten ist.“
P: „In Berlin ist es aber schlimmer, weil da die Einkommen niedriger sind.“
C: „Berliner verstehen sich schon sehr auf’s Jammern. In Berlin ist die Lage nicht schlimmer als seit Jahrzehnten in westdeutschen Großstädten.“
P: „Du verdrehst mir die Worte im Munde.“
C: :roll_eyes:

Es ist doch so: wenn Du der Ansicht bist, dass in Berlin Wohnungsnot herrscht, kannst Du auf meiner Basis die Ansicht vertreten, dass Wohnungsnot in Deutschland weit verbreitet ist. Ich sehe das anders, weil ich den Wohnungsmarkt seit etwa 30 Jahren ganz gut kenne. Eventuell kam es für die Berliner einfach in den letzten 10 Jahren oder so einfach zu plötzlich, dass sich der Markt auf ein normales Maß entwickelte und vielleicht war man als Berliner auch ein bisschen verwöhnter als es die Großstädter im Westen sind und waren. Was „Not“ ist, ist eben auch eine Frage der Leidensfähigkeit und dessen, was man gewohnt ist.

Was es unbestritten gibt, ist ein Mangel an günstigem Wohnraum, wobei das auch schon wieder viel zu vage formuliert ist. Besser ist wohl zu sagen, dass die Mieten schon sehr stark angestiegen sind. Das ist das Ergebnis einer Entwicklung, die ihren Ursprung in der Regulierung, in der Rechtsprechung, in der Gesetzgebung und anderen, politisch dominierten Bereichen hat. Einer Entwicklung, die schon Mitte der 90er absehbar war und vor der auch lange gewarnt wurde.

Und so endet es, wie es recht schnell begann: Herabsetzung der Person bzw. der Persönlichkeit. Finde ich konzeptionell schwierig, wird aber leider immer mehr zum Standard.

Und neben dieser Diskussionskultur hast Du auch die der selektiven Wahrnehmung und Verkürzung gut übernommen, wie man am Eingang Deines Beitrages gut erkennen kann. Danke für den Einblick in Deine Denke.

Man kann nur hoffen, dass hier Niemand mitliest, der von Obdachlosigkeit bedroht oder sogar betroffen ist, während hier mit Dach überm Kopf und (halb)vollem Kühlschrank und Klo über Begrifflichkeiten der Wohnungsnot gestritten wird.

Das ist schon zynisch, sorry.

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Nur, weil Dir nicht gefällt, was ich schreibe und wie ich es schreibe, darfst Du mich als Person angreifen? Verstehe ich das so richtig?

Mein letzter Beitrag zu diesem Thema:

Die Reaktionen auf die Eingangsfrage begannen mit einem Kardinalfehler - pauschalen, einfachen Antworten in einem sehr komplexem Thema. Ja, diesen Schuh ziehe ich mir an, weil unter anderem von mir eine simple Antwort kam.

Statt dessen hätte man als erstes die Begrifflichkeit der „Wohnungsnot“ klären müssen, wie man am weiteren Verlauf der Diskussion sieht. Die Definition sollte klare Kennzahlen nennen, an denen man die Gültigkeit des Begriffs festmachen kann.

Dann hätte man nach Argumenten suchen können, ob die Voraussetzungen, auf die man sich in Schritt eins geeinigt hat, in Deutschland ingesamt oder an einem oder mehreren Orten erfüllt sind.

Dann hätte man die Frage beantworten können.


Ich habe gerade mal versucht, mich an Punkt eins heranzutasten. Als erstes ploppte bei der Suche nach einer Definition des Begriffs „Wohnungsnot“ der Wikipediaartikel zum „Wohnraummangel“ auf. Link Im Artikel selbst werden dann beide Begrifflichkeiten praktisch synonym ohne Unterscheidung verwendet. Dortige Definition:

Wohnraummangel (auch Wohnungsmangel , Wohnungsnot ) liegt auf dem Wohnungsmarkt vor, wenn das Angebot an Wohnungendeutlich geringer ist als die Nachfrage. Folge ist die Steigerung der Mietpreise bzw. der Kaufpreise für Wohnimmobilien. Gegensatz ist die Situation des Leerstands von Wohnungen.

Die „Wirtschaftswoche“ versuchte im Jahr 2020, mit Zahlen den Mangel, die Not oder gar die Krise (Zitat aus dem Artikel) zu belegen WiWo.

Die synonyme Verwendung beider Begriffe („Wohnungskrise“ habe ich nicht weiter recherchiert) scheint doch Gang und Gäbe zu sein - bei gewinnorientierten Medien aber auch bei den öffentlich rechtlichen. Wenn man sich die Zahl der Suchtreffer ansieht (163 T für „Wohnungsmangel“ und gut 1,5 Mio für „Wohnungsnot“) könnte man auf die Idee kommen, dass der zweite vielleicht einfach nur eine populistische Zuspitzung des sachlicher klingenden ersten ist.

Soweit also zur Definition des Begriffes und einer äußerst schwierigen Trennmöglichkeit.


Wie sehen nun die Kennzahlen aus, an denen man den „Wohnraummangel“/ die „Wohnungsnot“ festmacht?

Eingangs des Wikipediaartikels gibt es die recht einfache Definition: Mangel ist, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Zur Verdeutlichung wird der Leerstand als Gegenteil genannt.

Am Endes Wiki-Artikels wird noch ein weiteres Indiz für Wohnraummangel angeführt: der Verhältnis des Wachstums der Bevölkerungszahl zur Anzahl der neu gebauten Wohnungen.

Die Wirtschaftswoche benennt ebenfalls Kennzahlen, die auf eine Verschärfung oder Lockerung der Wohnraumsituation hindeuten. Wie bei Wiki wird der Mietpreis als Indiz angeführt und auf den Mietspiegel als Maßstab verwiesen.


Also, Definition und ein paar wichtige, leicht recherchierbare Kennzahlen haben wir:

Dass es derzeit an vielen Orten einen Mangel an Wohnraum gibt und sich die Zahl der Städte und Gemeinden, an denen es einen veritablen Leerstand gibt, in Grenzen hält, will sicher niemand bestreiten. Ich erlaube mir auf den Beitrag von @anon44275120 zu verweisen, der eine Karte des „Deutschlandatlas“ zum Thema verlinkt hat.

Ebenso unstrittig, und leicht belegbar, scheint es zu sein, nachzuweisen, dass in vielen Ballungszentren der Mietpreis laut Mietspiegel mit kleinen Abwärtsbewegungen hauptsächlich einen Aufwärtstrend verzeichnet.

In der erwähnten Tabelle bei Wiki zum Verhältnis Bevölkerungsentwicklung / neu gebaute Wohnungen ist ersichtlich, dass es viele Großstädte gibt, bei denen es ein Missverhältnis gibt. Die Bevölkerungszahl der Städte steigt schneller, als neuer Wohnraum geschaffen wird.

Bei meiner Recherche fand ich dann noch eine wissenschaftliche Ausarbeitung von 2020, veröffentlicht vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Link Dort heißt es eingangs:

Eine allgemeine Wohnungsnot für die ganze Bevölkerung lässt sich in der Bundesrepublik nicht feststel- len. Aber sie zeigt sich räumlich und sozial polarisiert. Ins- besondere in den Ballungszentren und den umliegenden Agglomerationsräumen, aber auch in Universitätsstädten fehlt es an Wohnraum (Waltersbacher/Schürt 2018: 40), und zwar für untere und mittlere Einkommensgruppen. Für sie wird es zunehmend schwieriger, Wohnraum zu fin- den, dessen Kosten noch einen auskömmlichen Anteil des Haushaltseinkommens zum Lebensunterhalt übrig lassen, der für sie also in diesem Sinne „bezahlbar“ ist. Deutlich zeigt sich dies im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2017: Die Wohnkostenbelastung spreizt sich immer weiter und liegt bei den unteren Einkommensgruppen derzeit weit über den als „bezahlbar“ erachteten 30 %

Nachdem die Geschichte der Wohnungspolitik und des Mangels seit der Kaiserzeit betrachtet wird, fassen die Autoren am Ende des Artikels zusammen:

Um stabile gesellschaftliche Schichtungen zu erhalten, werden wohnungspolitische Interventionen jenseits des Markts lediglich dann als notwendig erachtet, wenn absolute oder teilmarktbezogene Wohnungsnot ein Maß erreicht haben, das eben jene gesellschaftliche Stabilität gefährdet und gesellschaftliche Bewegungen und Auseinandersetzungen politische Kompromisse erzwingen […] – so wie dies just in der Legislaturperiode 2013 bis 2017 wieder geschah. Eine dauerhafte Lösung der Wohnungsfrage würde es erfordern, dieses grundlegende Verständnis von Wohnungspolitik zu überdenken.

Einstweilen geschieht dies vor allem auf kommunaler Ebene – dort, wo die sozialen Versorgungsengpässe unmittelbar sichtbar werden und soziale Bewegungen seit Jahren auf die Sicherung des Rechts auf Wohnen pochen. Trotz staatlich verordneter Austeritätspolitiken suchen zahlreiche Kommunen Wege, durch Planungsrecht, Rekommunalisierung von Wohnraum oder Wohnungsunternehmen oder durch den Ankauf kommunaler Grundstücke wohnungspolitische Handlungsfähigkeit wieder herzustellen und diese in die Stadtentwicklungspolitik zu integrieren […]. Dass dies angesichts kommunaler Defizite ohne bundes- und landespolitische Unterstützung in hinreichendem Maß gelingt, darf bezweifelt werden. Gleichwohl ist es ein wesentlicher Baustein zur Lösung der Wohnungsfrage.


Man könnte also zusammenfassen:

1.) An vielen veröffentlichten Stellen werden die Worte Mangel und Not synonym verwendet. Als Kennzahl für Mangel / Not werden die Mietpreisentwicklung, das Verhältnis Bevölkerungsentwicklung / Zuwachs an Wohnungen sowie das Verhältnis Angebot / Nachfrage (Respektive Leerstand) angeführt.

2.) Wenn man diese Marker als maßgeblich betrachtet, gibt es in einigen lokal und auf Einkommensschichten begrenzten Bereichen einen Wohnungsmangel. Einen absoluten, deutschlandweiten Mangel scheint es dagegen nicht zu geben.

3.) Eine weitere Zuspitzung des relativen Mangels scheint nach Meinung einiger Wissenschaftler und Journalisten abwendbar, allerdings wird in vielen Veröffentlichungen befürchtet, dass der politische Wille, bzw. die Kraft derzeit nicht vorhanden ist.


Damit will ich den Kreis schließen und die Eingangsfrage erneut beantworten:

Es gibt derzeit bereits eine lokal und sozial begrenzte Wohnungsnot. Und es steht zu befürchten, dass sich diese, wiederum begrenzt auf Teilmengen in Ort und Schicht, weiter verschärfen wird, weil sich eine grundlegende Änderung der Wohnungspolitik in Deutschland derzeit nicht abzeichnet. Wobei die in der Eingangsfrage genannten Gründe offenbar nur einen kleinen Teil zur wahrscheinlichen Verschärfung beitragen werden.

Schönen Abend
Pierre

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