Kompetenzorientiertes Lernen - Was ist das?

Hallo,
was versteht man unter kompetenzorientiertem Lernen?
Worin bestehen die Unterschiede zu dem Lernen aus den 70er-90er-Jahren?
Warum hat man hier Änderungen vorgenommen?

Herzlichen Dank für Info
Bigdata

Es gibt ständig Änderungen, um auf die veränderte, immer komplexer werdende Umwelt und Gesellschaft zu reagieren.
„Früher“ stand das Faktenlernen im Mittelpunkt - der Lehrer gibt das Wissen in seinem Fach weiter, Ziel ist Wissenserwerb in einem bestimmten Umfang für dieses Fach.
Heute geht man davon aus, dass fachbezogenes Faktenwissen nicht ausreicht. Man spricht von einer „Handlungskompetenz“, die komplex aus verschiedenen Kompetenzbereichen zusammengesetzt ist.
Ich habe mal ein Beispiel rausgesucht von Brandenburg:


Ab Seite 8: Ziel des Lernens: Handlungskompetenz
werden 4 verschiedene Kompetenzfelder beschrieben.
Der Ansatz ist viel weiter gefasst als früher und beinhaltet komplexe Vernetzung von Wissen und fächerübergreifende Behandlung von Themen.

Beatrix

Vielen Dank, Beatrix. Sehr wertvoll.
Da werde ich mal eine Mind-Map machen.
Das lernen die Kinder ja auch schon (ältere Herrschaften mögen das noch für eine fernöstliche
Mahlzeit halten).
Mein Eindruck ist allerdings: Gefährlich. Da rutscht man schnell in die Beliebigkeit ab.
Viele Eltern können damit nichts anfangen. Schwer in Klassenarbeiten zu prüfen.
Die Eltern können auch schlecht darauf vorbereiten.
Einstufung: Gut gemeint von den Ministerien.
Aber die Schüler wissen am Ende der Schulzeit kaum etwas oder haben alles vergessen.
Faktenwissen aus Büchern ist - in the long run - besser.
Oder anders gewendet: Stelle man sich mal vor, man müsste für den eigenen Betrieb eine
Fachkraft suchen. Da helfen generische Kompetenzen nicht, nur Faktenwissen.
…irgendwie liegt die Wahrheit zwischen dem kompetenzorientierten und dem faktenbezogenen Wissen.

BigData

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Das ist mE zu kurz gegriffen. Ja, es ist toll, wenn man einen MA bekommt, der x Dinge kennt, und z.B. sofort aus dem ff weiß, welche Schraube er für welchen Zweck aus dem Kasten holen muss. Aber wenn es nicht mehr um Schrauben sondern um Dinge geht, die einer schnelleren Entwicklung und Technologie-Ablösung unterliegen, dann ist so jemand schnell aufgeschmissen, wenn er nur Tabellen auswendig gelernt hat, und nicht weiß, was dahinter steckt, und sich daher nicht für neue Technologien die notwendigen Dinge selbst ableiten kann. Da kommt eine neue Anforderung daher, die jenseits der Tabellen liegt, da gibt es einen neuen Werkstoff für den keine Tabellen vorliegen, …

Z.B. kenne ich jede Menge Leute die bei einer sich ankündigenden neuen Betriebssystem- oder Software-Version sofort das große „P“ in den Augen haben, weil sie nur rein mechanisch in der Lage sind bestimmte auswendig gelernte Bedienschritte durchzuführen, aber überhaupt nicht wissen, was da eigentlich passiert, wie dies zusammenhängt, und wonach ein User Interface konzipiert worden ist. Jemand der um die Zusammenhänge weiß, findet sich hingegen ziemlich schnell und problemlos auch auf einem ganz anderen OS mit eigener Oberfläche mit Software eines anderen Herstellers zurecht. Da zeigt sich dann eben die Methodenkompetenz.

Früher war es tatsächlich so, dass einerseits die Halbwertszeit des Wissens deutlich länger war, und dies lag andererseits insbesondere auch daran, weil die Technologiesprünge nicht so gewaltig waren. Von der mechanischen Schreibmaschine auf das erste elektrische Modell mit Typenhebel, dann auf den Kugelkopf und schließlich auf das Typenrad füllte ein ganzes Sekretärinnenleben aus, ohne dass sich dabei grundsätzliche Dinge an dem was man mit so einem Gerät machen konnte, und wie man seine Grundfunktionen bedienen musste, geändert hätte.

Wenn ich so überlege, dass ich tatsächlich auch noch mit einer mechanischen Schreibmaschine Bekanntschaft gemacht habe, Kugelkopf und Typenrad im Vorbeiflug gesehen habe, während ich schon als Schüler unter CP/M mit jeder Menge -Codes und -Sequenzen mit Wordstar und Co. erste Erfahrungen gesammelt habe, und dann über WordPerfect unter DOS, VMS, TOS und Windows zur inzwischen x. Word-Version gekommen bin, und noch 15 Jahre Berufsleben vor mir habe, dann ist das schon eine ganz andere Hausnummer. Und da ist dann Methodenkompetenz gefordert, wenn man nicht bei jedem Technologie-Wechsel erst mal sechs Wochen Schulbank drücken will.

Hallo Wiz,

in diesem Zusammenhang denke ich ab und zu an die vielböse Mengenlehre, die bei uns in der gymnasialen Unterstufe herumgeisterte und den unschätzbaren Vorteil hatte, dass niemand von den Eltern sich helfend oder sonst in irgendeiner Weise einmischen konnte, so dass man wohl oder übel selber klarkriegen musste, worum es da ging.

Wesentliche

sehe ich da nicht so sehr.

Schöne Grüße

MM

Ein bisschen stimme ich Dir zu. Das Problem ist, die Balance zu finden und trotz der vielen Sozial- und Methodenkompetenzen das Faktenwissen nicht zu vernachlässigen. Ganz ohne geht es dann nämlich doch nicht…

Beatrix

Es geht ja auch nicht um ein „entweder oder“, sondern darum, wieviel Fachwissen wie fundiert wird. Früher wurde viel Fachwissen ohne Hintergründe und Zusammenhänge in die Kopfe gequetscht, und damit hatte man zwar viel Fachwissen auf einem gewissen Stand erworben, konnte sich selbst aber mangels Methodenkenntnissen nichts herleiten, was über dieses auswendig gelernte Wissen hinaus ging, wenn man nicht von Hause aus ein recht analytischer Mensch war.

Heute wird das Fachwissen eher exemplarisch vermittelt, dafür aber eben auch die Methodenkompetenz, wie man sich selbst Dinge herleiten kann. Damit ist man dann in der Lage sich auch bei wechselnden Anforderungen sehr schnell selbst zusätzliches Fachwissen aufzubauen, und auch zu guten pragmatischen Lösungen zu kommen, die hinreichend exakt und gleichzeitig schnell gefunden werden können. Denn es ist ja ein riesiger Unterschied, ob man im Falle des Falles einfach nur „ins Blaue schießt“, oder sich sagt, dass man zwar keine exakte Lösung hat, aber zumindest das Zusammenspiel diverser Parameter überblickt, grundsätzliche Größenordnungen kennt, und damit zu einer über den Daumen gepeilten Lösung kommt, die einen ordentlichen Sicherheitszuschlag enthält, und daher gefahrlos umsetzbar ist.

Heute wird das Fachwissen eher exemplarisch vermittelt, dafür aber eben auch die Methodenkompetenz, wie man sich selbst Dinge herleiten kann.
Obiges ist ein Zitat

Nun ja. Man versucht es zumindest. Irgendwie verstehe ich das grundsätzlich alles nicht so richtig. Das ständige reformieren der Reform und treiben von neuen Sauen durchs Dorf. Natürlich müssen Lehrpläne dem Lauf der Zeit immer wieder angepasst werden, darum geht es hier ja inhaltlich gar nicht.

Da werden neue Begriffe als Ei des Kolumbus hingestellt, nun ist es halt „Kompetenzorientierung“…
Man weiß ziemlich genau, dass unabhängig von vielen gehypten Faktoren der Lernerfolg von der Lehrerpersönlichkeit abhängt.
Ich warte noch auf die Reform, die dort ansetzt.

Ich habe zur Zeit viel Kontakt zu 18-20 jährigen (überwiegend Realschüler, tw. Mittelschule m-Zweig, tw. Abitur bzw. Fachabitur) Was mit bei denen fehlt, ist: - eigenständiges denken und arbeiten - Altruismus, soziales Denken und Handeln - Rechtschreibung - Allgemeinbildung (quer durch alle Fachgebiete). Eine Formel U=R*I nach I auflösen können vielleicht 10%. Da hilft auch keine Kompetenzorientierung, das muss man lernen, üben und anwenden.

Es gibt auch viel, was die meisten dieser jungen Leute sehr gut können: Computer bedienen, vor allem Word und Power Point. Screenshots aus dem Internet erstellen und einfügen können eigentlich alle :-). Brav ihr Soll erfüllen auch alle, und das ist ja nicht nur negativ. Die Fixierung auf Leistung und Noten wiederum erscheint mir manchmal krankhaft zu sein. Ungesund, der Burn Out wartet schon…

Ich denke, von den Schülern wird heute allerhand neues erwartet. Logischer Weise fällt dabei hinten was runter, das sagt nur immer keiner ehrlich. Man müsste auch mal Dinge streichen, nicht nur neues dazu addieren.

Nachdenkliche Grüße
Bufo

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Hallo Kröte,

jo, *dick unterstreich*.

Ich finde den Ansatz der Kompetenzorientierung zwar durchaus richtig, aber das ganze eignet sich auch bestens, um es mit furchtbar viel Geschwurbel aufzublasen.
Man hat ja immer beides, Fachwissen und Methodenwissen, ganz kann man das gar nicht trennen. Die Grundschulkinder lernen nicht nur, dass 2+2=4 ist, sondern sie lernen auch, wie man 2+3 rechnet. Und auch in meiner Schulzeit haben wir gelernt, wie man vorgeht, um einen Text zu analysieren oder zu übersetzen.

„Kompetenzorientiertes Lernen“ sollte eigentlich auch heißen, bei den Schülern anzusetzen: Was haben sie am Ende einer Stunde gelernt? Was können sie? Nicht: Was hat der Lehrer/ die Lehrerin gemacht? Idealerweise gibt es einen Zusammenhang zwischen beidem…

Das beobachte ich schon an Jugendlichen, dass sie sehr darauf getrimmt sind, Erwartungen zu erfüllen. Eigentlich schließt sich hier der Kreis: Persönlichkeitsbildung. Nicht als super Extra-Projekt, sondern als durchgehende Haltung.

(Und andererseits staune ich immer wieder, wie gut und souverän sie auch vor vielen Menschen auftreten und sprechen können - da haben sie uns damals wirklich was voraus!)

Manchmal denke ich, die Kinder bräuchten vor allem mehr Selbstverständlichkeit und Zutrauen und weniger hohe Erwartungen an die Kinder und an die Schule. Nicht nur die Kinder, auch wir Erwachsene.

Lieben Gruß,

Jule

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