Verwirrung der Gefühle Teil II
Hi Ines
sorry, es ist etwas lang geworden - aber es ist ja auch wichtig …
bin verheiratet und hab einen Geliebten und kann mich nicht
entscheiden wo mich mein Herz mehr zieht.
Das sieht zunächst so aus wie ein Konflikt zwischen zwei Männern, für den es als solchen reichlich Erfahrungswerte gibt. Aber es ist wohl ein Konflikt ganz anderer Art:
Der David durchleuchtet mich, fordert mich, sucht in mir,
der Nikolai lässt mich so sein wie ich bin
Eine treffliche Beschreibung! Der Knackpunkt für abertausende von Seitensprungproblemen!
Der Spruch „er/sie mimmt mich wie ich bin“ ist immer nur scheinbar ein Gütesiegel für eine Beziehung. Mindestens für Menschen, die - wie du - leidenschaftlich sind und sich tief bewegen lassen können, ist er fast immer zugleich ein Alarmzeichen und sehr oft sogar das Todesurteil für die Beziehung. Ein Ausspruch, der Napoleon zugeschrieben wird: „Eine Frau verläßt einen Mann nicht, weil er sie betrügt, sondern - weil er sie langweilt“.
Wir suchen das Herausgefordertwerden in Liebesbeziehungen - es ist die Basis für jede Erotik.
Aber!
Mir scheint dein Konflikt gar nicht so sehr der zwischen zwei Männern zu sein.
So wie du sehr anschaulich von deinen verschiedenen Gefühlen sprichst, scheinst du sie zu erleben als etwas, dem du „wehrlos ausgeliefert“ seist und „das ist mir einfach passiert“. Gefühle sind etwas bei dir, in die du „hineingezogen“ wirst, etwas, das dir passiert, etwas das man mit dir macht: „Wenn er mich umarmt, dann zergehe ich vor Glück …“
und die Tiefe deiner Leidenschaftlichkeit deutet sich darin an, daß du sie wie Schmerz erlebst:
ich vermisse ihn so sehr dass es körperlich weh tut.
und genau dasselbe erlebst du mit den momentanen situativen Konsequenzen:
Es ist alles so verwirrend und ich bin auch körperlich richtig krank geworden.
Es fängt an - und hört auf, ohne daß du selbst dabei aktiv wirst:
Mein Mann war bis vor einem Jahr meine größte Liebe. Auch in sexueller Hinsicht war ich … mit ihm sehr glücklich.
… und dann geschieht etwas mit dir, das du „nicht gesucht“ hast - und schwupps ist diese Liebes- und Glücksgefühl nicht mehr das größte, sondern nur noch „auch noch“.
Seit ich David kenne, habe ich keine Lust mehr auf Nikolai, weil mir der David den Himmel auf Erden schenkt.
Wichtig für deine innere Bewegtheit ist also das Maß der Lust, das man dir bringt. Lust ist der Wegweiser für deine Handlungen.
Nein, nicht mißverstehen! Damit will ich keinerlei moralische Bewertung andeuten, die sowieso in der Betrachtung von Gefühlen nichts zu suchen hat (es gibt keine unmoralischen Gefühle!). Aber diese Weise deines Erlebens steht mit einer anderen Art deines eigenen Erlebens im Konflikt: Es gibt nämlich noch etwas anderes, daß deine Handlungen steuert
Jetzt habe ich mit beiden keinen Kontakt mehr, damit ich mir klar werden kann über meine Gefühle, und leide fürchterlich.
Das hört sich so an, als habest du dir selbst eine träumliche Distanz und Abstinenz verordnet. Wenn das so ist, dann hast du jetzt im Unterschied zu vorher, etwas aktiv mit deinen Gefühlen gemacht. Aber auch das ändert nichts an der wie Schmerz erlebten Intensität der Gefühle. Nur, daß es jetzt die Konfliktspannung ist, die dich bewegt und nicht die direkte Lust:
Es ist alles so verwirrend und ich bin auch körperlich richtig
krank geworden. Kann nicht schlafen, trinke viel, rauche
Kette, weine nur noch, kann nicht arbeiten, am liebsten würde
ich sterben.
Jetzt aber kommt die andere Seite von dem, was ich als deinen eigentlichen Konflikt vermute:
… weiss aber dass ich damit beiden weh tue und weiss auch dass ich mich entscheiden MUSS.
Deinen Schmerz (1. den der Lust, 2. den des Konfliktes) willst du anderen nicht zumuten (fast hätte ich an dieser Stelle „gönnen“ geschrieben). Und du bist auch hierin rein passiv : Wer sagt denn, daß du dich entscheiden mußt?? Es könnte doch auch vielmehr die Frage sein, ob du dich entscheiden willst!!
Und ich habe fürchterlich schlechtes Gewissen, weil meine Unentschlossenheit beide zum Wahnsinn treibt, jeder der beiden fordert Ausschließlichkeit.
Ja, die Forderung der anderen auf Ausschließlichkeit wird von dir ganz passiv anerkannt - und deshalb stehst du im Handlungs konflikt. Von einem früheren Gefühls konflikt hattest du nämlich nichts geschrieben - du hattest die Situation über ein ganze Jahr konfliktfrei und lustvoll ausgelebt. Warum aber läßt du dich wohl jetzt passiv von Forderungen quälen? Warum forderst du von den beiden Männern nicht endlich auch etwas! Nämlich daß sie die Situation aushalten, so wie du es auch getan hattest?
Warum sprichst du von Un entschlossen heit, und nicht von Un willig keit, den Handlungskonflikt durch eine Entscheidung des „Kopfes“ zu beenden? Deine Lustsuche ist doch auch eigentlich ein Wille. Warum soll dem weniger Existenzberechtigung zukommen als dem Ausschließlichkeitswillen deiner Männer? Du warst doch auch imstande, zwei Männer zu lieben - warum forderst du von denen nicht auch etwas?
Ich weiss auch nicht ob ich meinem Mann je so nah kommen könnte, wie früher, aber ob ich mit David genau so harmoniere im Alltag, das weiss ich auch nicht.
Natürlich! Das ist eine große Gefahr für solche unterschiedlichen Bedürfnisse: Lust (und Herausgefordertwerden) und Alltag (und "nimmt-mich-wie-ich-bin-Harmonie). Genau deshalb war es vorher auf zwei Männer verteilt. Jetzt aber meinst du, an der Situation etwas ändern zu müssen, weil die beiden Männer streiken. Wenn du es änderst, wirst du nicht mehr weit reisen zu dem einen und zurückkehren zu dem anderen - na und? Du wirst dann mit dem anderen den Alltag bewältigen und harmonie pflegen und mit dem einen die emozionalen Dramen abwickeln - na und?
Vergiß nicht, daß das Ambiente einer Lustbeziehung mit zu dieser Lust gehört: Eine Änderung der Situation kann den Inhalt zerplatzen lassen wie einen Luftballon. Die Entfernung und der Seitensprung-Charakter sind wesentliche Bestandteile dieser Beziehung. Ein Objekt der Sehnsucht ist kein Objekt der Sehnsucht mehr, wenn du es in der Tasche hast.
Das
durchleuchtet mich, fordert mich, sucht in mir
könnte sich dann schnell in Luft auflösen und eine Zeit, es zu testen, hast du nicht.
Und dann wiederum: ohne David kann ich nicht sein, und von
meinem Mann kann ich mich auch nicht trennen. Und da stehe ich
wieder und drehe mich im Kreis.
Ja - trefflich beschrieben. Genieß ihn, den Kreislauf. Und beginne, deinerseits Forderungen zu stellen. Hör auf, alles an der Situation bloß passiv mit die geschehen zu lassen.
Wie es dann weitergeht, das weiß kein Mensch. Aber wie auch immer, wirst du dann wenigsten selbst etwas dazu getan haben. Deine Forderung kann aber im Augenblick nur heißen " Ihr müßt es vorläufig aushalten, denn ich will die Sache nicht per Entscheidung klären".
Vielleicht magst du einmal „Die Frau vom Meer“ von Henrik Ibsen lesen …
Mein Psychologe meinte adss man sich Gefühle, als erwachsener Mensch, rational „abtrainieren“ und „verbieten“ kann. Ich aber, bin meinem Herzen wehrlos ausgeliefert.
Deinen Psychologen kannst du dir in der Pfanne braten. Gefühle - solche Gefühle - lassen sich tatsächlich zum Verschwinden bringen *lach* Es ist ungefähr so einfach wie eine Leiche aus der Welt zu schaffen: Sie läßt sich nicht im Alk ersäufen, sie läßt sich nicht in der Zigarettenkette verrauchen, sie läßt sich nicht in Tränen ersticken, Schlaflosigkeit träumt sie nicht weg und weg"arbeiten" läßt sie sich auch nicht - und „verbieten“ läßt sie sich erst recht nicht - dazu ist das Verbotene viel zu lustvoll …
*traurig, fast wahnsinnig und am Boden zerstört
… aber eine Umkehr tief in dir selbst könnte helfen: gegen das Gebot, nur passiv erleben zu dürfen, gegen das Verbot, nicht aktiv fordern zu dürfen, zu revoltieren! DU DARFST! Herauszufordern, statt nur herausgefordert zu werden, zu wollen, statt nur gewollt zu werden. Und einestages kannst du dann entscheiden. Aber erst, wenn du dich nicht mehr - wie jetzt - zur Entscheidung zwingen läßt.
Viel Glück
Metapher