Hallo,
Im Gegensatz zum
Christentum ist ‚Glaube‘ im Buddhismus nicht konstitutiv. In
diesem Zusammenhang spricht man von Śraddhā, was sich besser
mit ‚Vertrauen‘ übersetzen lässt. Es ist ein ‚Glaube auf
Vorschuss‘ - dessen Berechtigung sich am Ergebnis
buddhistischer Praxis zu messen hat.
Ja. Aber wo ist denn - FAKTISCH gesehen - der Unterschied?
Ist das nicht offensichtlich? Der Unterschied liegt in der Verifizierbarkeit. Buddhistische Praxis hat sich unmittelbar in Deinem Leben auszuwirken, nicht in einem wie auch immer gearteten Jenseits - was sich bekanntlich einer Überprüfung entzieht.
Ein weiterer, wesentlicher praktischer Unterschied ist der Verweis auf die Eigenverantwortlichkeit. „Es rettet uns kein höh’res Wesen / kein Gott, kein Kaiser noch Tribun / Uns aus dem Elend zu erlösen / können wir nur selber tun.“ (Kein Zitat aus einem Sutra, sondern aus der ‚internationale‘ - passt trotzdem)
Jemand gibt ein Verhalten vor und nennt das Ergebnis das beim
Einhalten erwartet werden darf.
Wird das Verhalten nicht befolgt gibt es als Ergebnis Leid.
Richtig. So wie Deine Mutter zu Dir gesagt hat: „fass die heiße Herdplatte nicht an, das macht Aua“. Daraus wird noch keine Religion. Auch das StGB, das auf demselben Prinzip beruht, ist nicht wirklich ein religiöses Werk …
Hätte Buddha
seinen Schülern zumuten sollen, die selben Irr- und Umwege zu
gehen wie er selbst - darunter 6 Jahre extremster Askese bis
an die Grenze des Hungertodes? Wenn man erst einmal am Ziel
ist, weiss man idR auch den kürzesten Weg dorthin.
Das ist die Frage. Wenn jemand jahrelang auf 1000 verschiedene
Arten Lotto spielt und dann irgendwann einen 6er hat - weiß er
dann den kürzesten Weg zum 6er?
Oder war es nicht gerade sein unbändiges, alles ausfüllendes
Bestreben sich dem Lottospiel zu verschreiben, das ihn dahin
geführt hat?
Du hast ein bemerkenswertes Talent für schiefe Vergleiche. Lotto ist ein reines Glücksspiel, wo das angestrebte Ergebnis bei jedem Versuch ein anderes ist - die Trefferchance mithin bei jedem Versuch gleich groß (bzw. klein) ist. Wenn man hingegen ein fest definiertes Ergebnis (‚Ziel‘) hat, dann kann man sich diesem z.B. mit der Methode ‚trial and error‘ (Versuch und Irrtum) annähern. Fehlgeschlagene Versuche kannst Du zukünftig als Möglichkeit aussondern - das gilt beim Lotto gerade eben nicht. Ob Du immer dieselben Zahlen tippst (denselben Versuch machst) oder jedes Mal andere nimmst, hat keinerlei Auswirkungen auf die Trefferwahrscheinlichkeit.
Im Buddhismus wird oft suggeriert es gäbe „DIE Methode“ die
kausal zur Erleuchtung führt.
Das halte ich für einen Irrtum.
Du unterstellst da ein reichlich grobschlächtiges Verständnis von Kausalität. Nur mal als kleiner Hinweis, wie eine buddhistische philosophische Schule (hier: Yogacara) Kausalität analysiert und klassifiziert: http://books.google.de/books?id=IeiwsT-XqwQC&pg=PA49…
… Es gibt auch andere, z.T. deutlich komplexere Modelle.
Wenn es so wäre, müßte so ziemlich jeder Buddhist früher oder
später die Erleuchtung erlangen.
Die Prämisse dieses Schlusses ist von Dir schlicht untergeschoben. Eben weil es nicht um Glauben, sondern um konkretes Tun geht, ist es völlig unerheblich, ob jemand ‚Buddhist‘ ist (was immer das sein mag). Erheblich ist seine Lebenspraxis.
Aber die Überprüfbarkeit, die Gründe für den Mißerfolg kann
man ja auch hier wunderbar ins Jenseits schieben: Dann stimmts
halt noch nicht mit dem Karma.
Im Buddhismus gibt es kein „Jenseits“. Außerdem ist buddhistische Praxis keine ‚Alles-oder-Nichts-Methode‘. Leidfreiheit lässt sich durchaus auch graduell erfahren - und eben dies ist überprüfbar, unabhängig von der Erfahrung des Erwachens. Was das mit dem ‚karma‘ angeht, so hast Du damit sogar recht - aber nur, weil Buddhisten unter ‚karma‘ etwas anderes verstehen, als Hindus, westliche Esoteriker und anscheinend Du auch. ‚karma‘ im buddhistischen Sinn ist willensbestimmte Handlung, Wirken / Bewirken. Buddha identifizierte sogar explizit den Willen (cetana) mit karma (cetanaham bhikkave kammam vadami).
Es ist nicht so das der Buddhismus eine Art religiöse
Ingeneurswissenschaft ist, die eine Methode liefert die
zwingend zur Erleuchtung führt. Das ist Schade, wird von
vielen Buddhisten aber geglaubt.
Ich denke, Du hast deutlich genug gemacht, wie viel Du von Buddhismus verstehst. Zu wenig für qualifizierte Urteile.
Freundliche Grüße,
Ralf