Bei der Reichsgründung 1870/71 war die Frage „mit oder ohne Österreich“?
„Mit Österreich“ hätte bedeutet, dass Heilige Römische Reich Deutscher Nation wiederzubeleben, und es hätte die Kräfteverhältnisse stark nach Süden verschoben. Ebenso das Selbstverständnis der Einwohner.
Mit der „kleindeutschen“ Lösung war Preußen führend bei der Reichsgründung und auch dominierend in Bezug auf Fläche und Bevölkerung.
Die eher südlich verortete gemütliche Art, einen Staat zu betreiben, wurde so verdrängt zu Gunsten der „preußisch-protestantischen en Tugenden“ wie Effizienz, Pflichtbewußtsein und dem Selbstverständnis des Bürgers als „Diener des Staates“.
Damit entstand ein zweites politisches Gegensatzpaar. Zu dem bisherigen Dualismus „Liberal vs Konservativ“ kam nun noch der Gegensatz zwischen jenen, die die Gründung des Deutschen Reiches in dieser Form begrüßten und denen, die eine großdeutsche Lösung gewollt hatten.
Diese „preußische Atmosphäre“ hatte zur Folge, dass Linksliberale, Sozialdemokraten und Zentrum mit dem Staat nicht kompatibel waren. Es war kaum denkbar, dass Mitglieder dieser politischen Strömungen Regierungsverantwortung übernehmen. Damit hatte sich in 50 Jahren (1870-1918) in diesen Parteien eine Struktur ausgebildet, die ausschließlich auf Opposition und „Gegenhalten“ ausgerichtet war. Entsprechend fehlte zu Beginn der Weimarer Republik diesen Parteien das Handwerkszeug zum kraftvollen Regieren und Gestalten dieses neuen Staatsgebildes.
KHK