Guido Knopp
Hallo Rainer,
‚Seriosität‘ im Kontext von Geschichtsschreibung ist nicht alleine eine Frage korrekter Fakten. Das ist lediglich die Grundbedingung, nicht einmal die halbe Miete. Mit korrekten Fakten lügt es sich am erfolgreichsten.
Seriosität in der Geschichtsschreibung ist nicht minder eine Frage der Auswahl der Fakten - was wird dargestellt, was wird verschwiegen, wie werden die dargestellten Fakten gewichtet. Beim Geschichtsfernsehen, insbesondere dem à la Knopp, gewinnt ein weiteres Element starke Bedeutung: die ästhetischen Mittel, mit denen die selektierten Fakten dargestellt werden.
Was Herr Knopp mit seinen Fernsehfilmen betreibt, ist in seinen (leider seltenen) besten Passagen Dokumentation, ansonsten bestenfalls Infotainment, schlimmstenfalls Geschichtspornographie. Das Problematische an der Arbeitsweise Knopps ist, dass er das dokumentarische Material als ästhetisches Versatzstück einer mediengerecht unterhaltsamen Geschichtsinszenierung verwendet und es damit im wissenschaftlichen Sinne entwertet. Hemmungslose (manchem Laien nicht immer erkennbare) Vermengung von Dokumentarischem mit ‚Spielszenen‘, emotionale Aufladung dokumentarischen Materials mit Musik, bewusste Verfremdung von Originalmaterial (z.B. Zeitlupeneffekte, schnitttechnische Bearbeitung) - um nur drei auffällige Beispiele zu nennen. Das dramaturgische Element dominiert das inhaltliche, die Inszenierung die Dokumentation. Das liegt an den Zwängen des Mediums, denen sich Knopp bedingungslos unterwirft - wissenschaftliche Dokumentation bringt nun einmal keine Einschaltquoten. Knopp ist kein Aufklärer; er fördert und vertieft nicht das Geschichtsverständnis der Masse (im Sinne Ortegas), vielmehr inszeniert er es affirmativ. Das ist die Ursache seines ‚Erfolges‘. Soviel zum ‚wie‘ der Darstellung.
Was das Faktische, also die Auswahl und Gewichtung angeht, so stellt Knopp in der Summe nicht dar, er karikiert. Um das mit einer Metapher zu verdeutlichen: jedes Bild, das ein Historiker malt, ist notwendig ein Kompromiss zwischen Detailtreue und Verständlichkeit. Auch hier ein Beispiel: eine akribische Auflistung etwa der Reichtagsmitglieder, die am 23.03.1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, trägt kaum zum Verständnis der Ursachen und Bedingungen von Hitlers Machtergreifung bei. Fakten können bei übertriebener Fülle und Detailgenauigkeit auch Zusammenhänge verdecken und unter schierer Fülle begraben, statt sie aufzudecken, sie bewusst zu machen und damit einem Verstehen von Geschichte den Weg zu bereiten. Je umfassender das Bild sein soll, das ein Historiker zeichnen will, je weitreichender die darzustellenden Zusammenhänge, desto unschärfer wird es im Detail. Das ist schlicht eine Frage des Materialumfangs und seiner Bewältigung. Detailtreue wiederum erfordert daher eine Beschränkung des darzustellenden Themas - und genau das ist es, womit sich heute die meisten Historiker vernünftigerweise bescheiden und ansonsten auf Zusammenarbeit setzen.
Herrn Knopps Bilder nun sind auf eine merkwürdige Weise thematisch ziemlich umfassend, aber trotzdem nicht unscharf - ohne deswegen jedoch genau zu sein. Im diesen Sinne sind es keine Fotografien, keine Gemälde - es sind Holzschnitte. Holzschnitte, die sich alle irgendwie ähneln, weil sie stets mit denselben Klischees erstellt werden.
Ich will das hier nicht weiter ausführen - das Thema Guido Knopp ist eigentlich schon hinreichend öffentlich diskutiert worden. Beispielhaft möchte ich hier auf auf eine Kritik in der Zeit verweisen: http://www.zeit.de/2004/10/Steam_Punk. Bezeichnenderweise stammt sie von einem Theaterkritiker. Eine differenzierte, dreiteilige Darstellung des Themas Geschichtsfernsehen gibt der Historiker Wulf Kansteiner auf den Seiten des Goethe-Instituts: http://www.goethe.de/ges/pok/dos/dos/ern/kug/fuf/dei…. Der dritte Teil beschäftigt sich eingehend mit Guido Knopp.
Freundliche Grüße,
Ralf