Kontakt mit den Verstorbenen - Verbot laut Bibel?

Hallo Elimelech

die Vorstellung, dass JHWH der einzig existente Gott ist
entstand sehr wahrscheinlich erst in der Exilszeit (587-538
v.Chr).

Woraus wird dieses geschlossen? Wird hierbei die These
angewendet, dass die heute vorliegenden Quellen erst spät
verfasst wurden bzw. angepasst wurden?

Ja. Diese These stützt sich auf archäologische Funde und exegetische, sowie bibelkundliche Betrachtungen der Texte. Es würde zu lange dauern, die Zuschreibung bestimmter Texte in eine bestimmte Zeit zu belegen… (da kann ich dir aber einschlägige Literatur empfehlen, wenn du willst)

Wenn nicht, dann findet sich nämlich durch den ganzen Tanach
diese Vorstellung verbreitet und in jedem Gedanken dort
wieder. Alleine schon die Namen G’ttes, vieler Formulierungen
und die ganze Grammatik legen nichts anderes nah.

Texte, die z.B. in der Exilszeit geschrieben wurden fügte man damals in andere (oder ältere) Texte ein, wie man zum Beispiel an der Sintfluterzählung erkennen kann. Das Deuteronomium („debarim“?) ist ja auch später entstanden. Oder der Schöpfungsgedanke: große Teile stammen ebenfalls aus der Exilszeit und wurden in die Tora eingefügt, weil man (im Gegensatz zu heute) damals glaubte, dass alles, was alt ist richtig/wichtig/gut sein muss. (ohne Wertung meinerseits!!)

Kann es sein, dass hier schon nicht mehr mit den
Orginalquellen, sondern mit Übersetzungen etc. gearbeitet
wird? Dann geht natürlich obiges Wissen komplett verloren.

Soweit ich weiß, wurde hier auf die Originalquellen (soweit vorhanden) zurückgegriffen.

Zuvor war JHWH lediglich der Gott des Volkes Israel, was ja
andere Götter nicht ausschloss - eher das Gegenteil vermuten
lässt.

Dem widerspricht der Tanach völlig.

Das ist sicher schwierig anzuerkennen (besonders als orthodoxer Jude) und ich bin selbst ja auch der Meinung, dass die Wissenschaft noch weit entfernt von der Wahrheit ist. Aber in den Religionswissenschaften wird heute (!) gelehrt, dass JHWH wahrscheinlich ein Wetterott (hwj: „wehen“) einer kleinen Gruppe bei Ägypten war. Daher kam wohl auch die engere Verbindung zum persischen Himmelsgott „Ahura Mazda“, die einen toleranten Umgang und letztlich die Heimkehr nach Israel förderte.

Selbst wenn dieses so war, ändert das nichts an der Aussage des Tanach. Der Mensch musste Gottes Größe erst erkennen lernen.

Kann es sein, dass hier nicht beachtet wird, zwischen dem was
G’tt dazu sagt und wie Menschen die Sache sehen? Denn im
ganzen Tanach ist das sauber getrennt und wenn hier von
anderen Götzen die Rede ist, dann eben immer genau in dieser
Form.

Natürlich wird dies beachtet! Gottes Werk ist gut und fehlerfrei. Der Mensch macht Fehler (selbst wenn er es gut meint). Hosea berichtet eindrucksvoll von falschen Kulten in Dan und Bet-El. Die Menschen glaubten in diesen Städten fest daran, dass sie mit ihren „Götzen“ (Stierbilder) JHWH ehren.

Der Tempel, so wie er im Tanach eingeführt wurde, hatte im
Judentum davor schon eine ganze andere Stellung und deswegen
folgt obiger Schluss daraus nicht. Noch kenne ich eine Quelle
welche diese These belegen würde.

Diese „ganz andere Stellung“ möchte ich von dir noch etwas näher beschrieben haben. Ich habe das Gefühl, dass wir das Gleiche meinen. Der jüdische Tempel muss ja eine andere Stellung, als andere gehabt haben. Sonst hätte das israelische Volk ihren Gott als unterlegen angesehen, was ja nicht so war.

Ich merke langsam, dass es hier um reine Spekulationen geht,
die alleine darauf beruhen, dass alles immer gleich sein muss.
Wie dem auch sei, könntest Du nur kurz umreissen, wie man zu
diesen Theorien kommt und wodurch man meint diese belegen zu
können?

Um gute Quellen werde ich mich bemühen. Ich habe hier ein gutes Buch dazu liegen, möchte aber noch weitere Quellen sammeln. Dazu brauch ich aber noch etwas Zeit. Ich habe hier keine Spekulationen meinerseits angebracht. All diese Thesen sind in der Religionswissenschaft und Archäologie anerkannt und ausreichend belegt. Dass gewisse Dinge im Laufe der Zeit anders gesehen werden, halte ich für selbstverständlich. Dafür liegen der Wissenschaft zu wenig Informationen vor.

Scholem,
vastitas

Das israelische Volk
hatte dann aber, durch recht komplexe Theorien
(Schöpfungstheorie), ihren Gott als den einzig möglichen
erkannt und somit alle anderen Völker als Werkzeug ihres
Gottes verstanden, die benutzt wurden um das Fehlverhalten des
israelischen Volkes zu bestrafen…

öööaaargs bitte das „israelitische volk“. das israelische volk gibts erst seit 48, und es wird für fehlverhalten nicht von JHWH sondern durch die UNO bestraft :smile:

gruß
dataf0x

hallo,

öööaaargs bitte das „israelitische volk“. das israelische volk
gibts erst seit 48, und es wird für fehlverhalten nicht von
JHWH sondern durch die UNO bestraft :smile:

jaa, ich weiß!!! ich weiß immer nicht, was ich anstelle des israelischen Volkes schreiben soll.
Ich verwende die Bezeichnung „israelisches Volk“ als eine Glaubensgemeinschaft… nicht im Sinne der Aufklärung und Staatstheorien der Neuzeit.

gruß
vastitas

Ich verwende die Bezeichnung „israelisches Volk“ als eine
Glaubensgemeinschaft… nicht im Sinne der Aufklärung und
Staatstheorien der Neuzeit.

das israelische volk besteht zu 20% aus nichtjuden. sein regierungschef heißt z.z. scharon und sein finanzminister ist vor 3 tagenm zurückgetreten.

mit „israelitisch“ meint man meistens ein antikes volk. israeliten assoziiere ich mit wüste, zelten und langen gewändern, bibelfilmen, stämmen und eseltreibern.

wenn du allerdings juden meinst, warum schreibst du es dann nicht?

gruß
dataf0x

BS"D

Hallo vasitas.

Ja. Diese These stützt sich auf archäologische Funde und
exegetische, sowie bibelkundliche Betrachtungen der Texte.

Okay, das kenne ich wieder und dann kann ich dieses dort einordnen.

Texte, die z.B. in der Exilszeit geschrieben wurden fügte man
damals in andere (oder ältere) Texte ein, wie man zum Beispiel
an der Sintfluterzählung erkennen kann.

Das Problem an dieser Theorie ist, dass diese sich selbstfindet. Wenn also erst einmal angenommen wurde, dass ein Text in dieser Form entstanden ist, kann dieses auch an fast jedem Text gezeigt werden. Ein ähnliches Dilemma wie beim Bibel-Code.

Das ist sicher schwierig anzuerkennen (besonders als
orthodoxer Jude) und ich bin selbst ja auch der Meinung, dass
die Wissenschaft noch weit entfernt von der Wahrheit ist.

Der Frage habe ich für mich so eigentlich nie gestellt, sondern ich fand diese Theorien nie sehr schlüssig und bin immer sehr schnell auf Missverständnisse etc. gestossen. So etwas bring einem eine Theorie nicht gerade näher :wink: Ganz im Gegensatz zu den Lehren im Judentum hierzu, welche immer in sich schlüssig waren und mit diesen „Bruchstellen“ keine Probleme hatten.

Diese „ganz andere Stellung“ möchte ich von dir noch etwas
näher beschrieben haben. Ich habe das Gefühl, dass wir das
Gleiche meinen. Der jüdische Tempel muss ja eine andere
Stellung, als andere gehabt haben. Sonst hätte das israelische
Volk ihren Gott als unterlegen angesehen, was ja nicht so war.

Ich muss hier aber zugeben, dass ich mich in dem anderen nicht so gut auskenne. Aber mein Eindruck war bislang, dass haSchem im Tanach dem Menschen ganz anders entgegen tritt, als jeder andere Götze. Somindest so wie ich diese ganze Götter bislang verstanden habe, haben diese keine direkte Beziehung zu den Menschen, leben nebenan.

Dadurch bekommen Opfer und Tempel hier auch andere Stellungen, wobei ich erst einmal etwas darüber nachdenken muss, um den konkreten Unterschied benennen zu können. Mh… Götzentempel sind immer für den Menschen da, es geht darum, dass durch irgend ein Dienst dort, es dem Menschen besser gehen soll. Der Tempel im Judentum ist für haSchem da, es geht darum eine nähere Beziehung zu ihm aufzubauen, dass zu tun, was er will und dieses hierdurch zu bezeugen. Aus diesem Grund ist es zwar eine Tragödie das er zerstört wurde, macht es schwerer, aber dadurch verlagert sich dieser Zweck einfach nur auf anderes, wo dieses im Judentum (auch vorher schon) genauso möglich ist.

Scholem,
Eli

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mit „israelitisch“ meint man meistens ein antikes volk.
israeliten assoziiere ich mit wüste, zelten und langen
gewändern, bibelfilmen, stämmen und eseltreibern.

wenn du allerdings juden meinst, warum schreibst du es dann
nicht?

Ab wann gibt es denn Juden und wen bezeichnet der Begriff ursprünglich?
Heißen die Bewohner des Nordreichs Israel nach der Trennung des Salomonischen Reiches weiter „Israeliten“ und die Bewohner des Südreichs Juda „Juden“? Oder entsteht die Bezeichnung in Babylon? Oder geben sich ursprünglich diese Bezeichnung die nach den Reformen zum 2. Tempel Zugelassenen?
fragt
Oranier

Israeliten und Judaer
Hi oranier,

Ab wann gibt es denn Juden und wen bezeichnet der Begriff ursprünglich?

Bis weit in die nachexilische Zeit war die Selbstbezeichnung Jude (hebr. jehudi, griech. ioudaios) beschränkt auf die Einwohner Judaeas. Die ursprünglichen Provinzen des durch David geeinigten Reiches - Judaea, Moab, Edom und Israel (mit Galiläa und Samaria) - existierten in dieser Form dann natürlich nicht mehr. Aber die generelle Selbstbezeichnung der israelitischen Stämme war dennoch „Israeliten“ und „Hebräer“.

Die Babylonier hatten aber bei der Zerstörung Jerusalems (das in Judaea lag) eben die jüdische Oberschicht nach Babylon verschleppt. Dort hatte diese nach Auftrag des Persers Kyros weite Teile der Torah niedergeschrieben, die dann nach der Befreiung und Rückehr nach Judäa von Kyros als deren Gesetzbuch definiert wurde (446 durch Esra erneuert).

In der Auseinandersetzung mit den im Heimatland zurückgebliebenen Hebräern behielten die Judäer - nun durch babylonisches und persisches Gedankengut geprägt - politisch die Oberhand über die anderen israelitischen Stämme, deren kultisches Verhalten in der Zwischenzeit von neuem mit Einflüssen der anderen semitischen Völker (Kanaanäer, Syrer …) durchmischt war (wie vor dem Exil ja auch, vor allem durch die Eroberung Israels durch die Assyrer ca. 200 Jahre vorher).

Damit hing es zusammen, daß nach und nach alle Einwohner dieses Gebietes (von den Griechen palaistine genannt, das ursprünglich aber nur das Gebiet der Philister, hebr. peleschet, bezeichnete) nach den Judäern benannt wurden: ioudaioi von den Griechen, iudaei von den Römern. Die anderen Nationen scherten sich wenig um die inneren Gebietsdifferenzen.

Dennoch blieben die inner"israelitischen" Differenzen zwischen den Juden (in Judaea, speziell denen in Jerusalem) und den Israeliten (Samaritaner und Galiäer, die eigene aramäische Dialekte sprachen) bis zur Zerstörung Jerusalems durch die Römer bestehen. Das muß vor allem berücksichtigt werden, wenn in den neutestamentlichen Texten polemisch gegen „Judaeer“ geschrieben wird. Denn die Autoren waren nur im internationalen Sprachgebrauch „Juden“, aber im eigenen Sprachgebrauch waren sie (und die Mitglieder der frühen Gemeinden) keineswegs alle Judaer, sondern auch Samaritaner und Galiäer - ebenso wie die Probanden großenteils: Jesus war in diesem Sinne z.B. kein Jude, sondern Galiäer).

Zu dieser Problematik hatte ich hier mal Näheres ausgeführt:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Gruß

Metapher

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Hallo Metapher,
eine fulminante Antwort auf eine enfache Begriffsfrage, danke!
Nun, je ausführlicher die Erklärung, umso mehr Anhaltspunkte für weitere Fragen. Deshalb zusätzlich folgende Fragen (wenn du und andere mögen):

Hi oranier,

Ab wann gibt es denn Juden und wen bezeichnet der Begriff ursprünglich?

Bis weit in die nachexilische Zeit war die Selbstbezeichnung
Jude (hebr. jehudi, griech. ioudaios) beschränkt
auf die Einwohner Judaeas.

Heißen nicht der Stamm, die Provinz und dann das Südreich „Juda“, und „Judäa“ das Gebiet erst ab hellenistisch-römischer Zeit?

Die ursprünglichen Provinzen des
durch David geeinigten Reiches - Judaea, Moab, Edom und Israel
(mit Galiläa und Samaria) - existierten in dieser Form dann
natürlich nicht mehr. Aber die generelle Selbstbezeichnung der
israelitischen Stämme war dennoch „Israeliten“ und
„Hebräer“.

Sin die Bezeichnungen synonym?

Die Babylonier hatten aber bei der Zerstörung Jerusalems (das
in Judaea lag) eben die jüdische Oberschicht nach
Babylon verschleppt. Dort hatte diese nach Auftrag des Persers
Kyros weite Teile der Torah niedergeschrieben, die dann nach
der Befreiung und Rückehr nach Judäa von Kyros als deren
Gesetzbuch definiert wurde (446 durch Esra erneuert).

In der Auseinandersetzung mit den im Heimatland
zurückgebliebenen Hebräern behielten die Judäer - nun durch
babylonisches und persisches Gedankengut geprägt - politisch
die Oberhand über die anderen israelitischen Stämme, deren
kultisches Verhalten in der Zwischenzeit von neuem mit
Einflüssen der anderen semitischen Völker (Kanaanäer, Syrer
…) durchmischt war (wie vor dem Exil ja auch, vor allem
durch die Eroberung Israels durch die Assyrer ca. 200 Jahre
vorher).

Damit hing es zusammen, daß nach und nach alle Einwohner
dieses Gebietes (von den Griechen palaistine genannt,
das ursprünglich aber nur das Gebiet der Philister, hebr.
peleschet, bezeichnete) nach den Judäern benannt
wurden: ioudaioi von den Griechen, iudaei von
den Römern. Die anderen Nationen scherten sich wenig um die
inneren Gebietsdifferenzen.

Dennoch blieben die inner"israelitischen" Differenzen zwischen
den Juden (in Judaea, speziell denen in Jerusalem) und den
Israeliten (Samaritaner und Galiäer, die eigene aramäische
Dialekte sprachen) bis zur Zerstörung Jerusalems durch die
Römer bestehen.

Waren die Differenzen auch kultisch-religiös, gab es also, wie ich meine gelesen zu haben, Einschränkungen beim Zugang zum Tempel?

Zu dieser Problematik hatte ich hier mal Näheres ausgeführt:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Das wäre sozusagen ein eigenes Kapitel:
Du schreibst da, der Johannes-Evangelist sei Jude gewesen und richte sich an ein jüdisches Publikum.
Richtet er sich nicht eher an ein griechisches, wie die Logos-Reflexion zu Beginn und andere Merkmale (weniger Rekurs auf die Propheten als die Synoptiker?) vermuten lassen könnten?

Grüße
Oranier

Denn die Autoren waren nur im
internationalen Sprachgebrauch „Juden“, aber im eigenen
Sprachgebrauch waren sie (und die Mitglieder der frühen
Gemeinden) keineswegs alle Judaer, sondern auch Samaritaner
und Galiäer - ebenso wie die Probanden großenteils: Jesus war
in diesem Sinne z.B. kein Jude, sondern Galiäer).

könnte man also prägnant zusammenfassen: der spätere christliche antijudaismus beruht auf einem lesefehler?

gruß
dataf0x

Entstehung des Monotheismus
Hallo,

wenn ich euren Disput richtig interpretiere, eröffnet sich hier eine Differenz zwischen eher an AT-Theologen orientierten und eher an jüdischer Interpretation orientierten Theorien über die Entstehung des Monotheismus.

Ich hatte es schon einmal kurz als Frage/These gepostet:
Entsteht der Monotheismus nicht eigentlich Mitte des 14.Jhd. v.u.Z. im Pharaonenreich mit dem Aton-Kult, der nach Echnaton wieder verboten wird?

Ich habe vor längerer Zeit den interessanten Vatermord-Text von Freud gelesen (Der Mann Moses und die monotheistische Religion), in dem er den Nachweis zu führen versucht, dass die überlieferte Moses-Gestalt eigentlich zwei historische Figuren vereinigt, einen semitischen Stammesführer und einen ägyptischen Hofbeamten Echnatons, der als Anhänger des verbotenen Aton-Kults sich mit der JHWE-Schar verbündet, sie anführt und mit ihr gemeinsam nach Süden zieht und in diesem Zuge seinen monotheistischen Glauben in der religiösen Vorstellung der JHWE-Schar verankert.

Frage an euch und alle religionsgeschichtlich Bewanderten:
Spielt diese Theorie in den Forschungen, auf die ihr euch bezieht eine Rolle oder wird sie, wenn überhaupt berücksichtigt, als abwegig angesehen?

Hat eurer Auffassung nach die zeitweilige frühe Herausbildung monothesistischer Gottesvorstellung in Ägypten einen Einfluss auf Israel und die Juden genommen, oder spielte sie sich sozusagen von denen unbemerkt im großen Nachbarreich ab?

Ich habe gerade interessehalber bei ebay auf ein Buch: Jan Assmann, Moses der Ägypter geboten, das dort aber unter „Esoterik“ läuft. Kennt das jemand, und was ist davon zu halten?

Grüße
Oranier

Denn die Autoren waren nur im
internationalen Sprachgebrauch „Juden“, aber im eigenen
Sprachgebrauch waren sie (und die Mitglieder der frühen
Gemeinden) keineswegs alle Judaer, sondern auch Samaritaner
und Galiäer - ebenso wie die Probanden großenteils: Jesus war
in diesem Sinne z.B. kein Jude, sondern Galiäer).

könnte man also prägnant zusammenfassen: der spätere
christliche antijudaismus beruht auf einem lesefehler?

Der spätere christliche Antijudaismus beginnt m.E. erst nach der Jahrtausendwende mit den Kreuzzügen und ist ursächlich nicht exegetisch, sondern politisch bedingt.

Grüße
Oranier

ist ursächlich
nicht exegetisch, sondern politisch bedingt.

aber eine bestimmte exegese ist doch die conditio sine qua non oder etwa nicht? wenn alle gewußt hätten, daß der neue testament ursprünglich eine innerisraelitische keilerei beschreibt, hätte man doch kaum mit dem sager „die juden haben den herren getötet“ stimmung machen können.

gruß
dataf0x

aber eine bestimmte exegese ist doch die conditio sine qua non oder etwa nicht?

Ganz sicher ist das so. Allerdings ist wohl nicht sicher, daß ein Antijudaismus ursprüngluc eine christliche Erfindung ist, die ihren Ursprung in der Jesus-Dramatik hatte: Ein Antijudaismus war bereits lange vorher z.B. in Alexandria vorhanden (mir ist gerade die Quelle dieser Kenntnis nicht zugänglich).

Ziemlich sicher ist die Entwicklung aber im Rom der Kaiserzeit. Und daran ist wohl der Auftritt des Paulus in Rom nicht ganz unschuldig. In Rom aber machte man mit dem Ausdruck „Jude“ keinen Unterschied der innerjüdischen Differenzen (wie oben schon erwähnt).

Und es kommt dazu, daß nach der Zerstörung des Tempels, der Zerstreuung der Einwohner und dem Verbot, die Stadt Jerusalem zu betreten, die Pharisäer die Bewahrer jüdischer Tradition blieben.

Die christliche Polemik aber richtete sich ja zunächst nicht gegen die jüdische Religion als solche und generell. Wie ich in
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
beschrieb, läßt sich zumindest aus dem Johannes-Evangelium deutlich entnehemen, gegen wen sich der Vorwurf und die Polemik richtete und wer da mit „Ioudaioi“ gemeint war. „Jude“ war zunächst der Inbegriff derjenigen Leute jüdischen Glaubens, die den Galiläer Jesus nicht als Messias (an)erkennen wollten.

Sämtliche Schüler des Jesus, und Paulus und die Autoren der NT-Texte waren doch alle selbst jüdischen Glaubens. Wie sollten sie denn dann „die Juden“ in ihrer Gesamtheit gemeint haben!

Ich halte deinen wirklich prägnanten Ausdruck „Lesefehler“ für gar nicht sehr fernliegend: Es war immer schon unklar, ob mit „iudaeus“ die gesamte palästinische Bevölkerung gemeint war, egal, ob sie sich selbst „Israeliten“, „Hebräer“, „jehudi“ nannten, egal ob es eine ethnische, religiöse oder politische Konnotation hatte. Die Repräsentanten des Judentums waren allenthalben die parischim, und die waren nicht nur im Visier der frühen Christen, sondern vorher schon anderer mediterraner Strömungen.

Es war danach tatsächlich eine innerjüdische Keilerei. Warum sonst soll in den frühesten Gemeinden die Frage heftig diskutiert worden sein, ob jemand, der Christ werden wolle, auch Jude sein bzw. vorher Jude werden müsse?

wenn alle gewußt hätten, daß der neue
testament ursprünglich eine innerisraelitische keilerei
beschreibt, hätte man doch kaum mit dem sager „die juden haben
den herren getötet“ stimmung machen können.

Genau so ist es. Aber im Rom ging es um die politische Lobby und die Konkurrenz mit den dort vorherrschenden relgiösen Strömungen (Mithras und andere Mysterienulte - Isis, Demeter, Dionysos), denen insbesondere die politische Oberschicht anhing.

Gruß

Metapher

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Israeliten, Judaer und Johannes
Hi oranier,

eine fulminante Antwort auf eine enfache Begriffsfrage, danke!

oups - danke für das feedback! :wink:

Heißen nicht der Stamm, die Provinz und dann das Südreich
„Juda“, und „Judäa“ das Gebiet erst ab hellenistisch-römischer Zeit?

Nein, den Stamm „Juda“ (einer der 12 Söhne Jakobs (= Israel) gab e schon immer und das gebiet wurde mindestens bereits im davidischen Königreich so bezeichnet.

Aber die generelle Selbstbezeichnung der
israelitischen Stämme war dennoch „Israeliten“ und
„Hebräer“.

Sind die Bezeichnungen synonym?

Vermutlich ja. In ägyptischen Dokumenten werden die aus dem Westen einwandernden Stämme „habiru“ erwähnt. Möglich, daß damit eine Gruppe von Stämmen gemeint war. Die Bezeichnung „Israeliten“ meint dagegen bereits eine Religionsgemeinschaft, nämlich die, die eine „Gott der Väter“ kultisch verehrt. Mit den „Vätern“ ist Abrahan, Isaak und Jakob gemeint, dessen Initiationsname „Israel“ war.

Waren die Differenzen auch kultisch-religiös, gab es also, wie
ich meine gelesen zu haben, Einschränkungen beim Zugang zum Tempel?

Es gab kultisch-religiöse Differenzen zwischen parischim („Pharisäer“), sadduzim („Sadduzäer“), den grammateis („Schriftgelehrte“, die man so viel ich weiß, nicht genau identifizieren kann), und den Essenern. Auch politische Strömungen wie z.B. die Zeloten, die die Römer aus dem Land haben wollten und das davidische Reich wiederherstellen wollten. Daher auch teilweise die Erwartung, daß Jesus genau das anstrebte. Es gibt die Vermutung, daß Judas, der Sohn des Iskariot, zu ihnen gehörte und daher enttäuscht war, als er merkte, daß Jesus genau das nicht beabsichtigte.

Und es gab die Polemik zwischen Judäern, Samaritanern und Galiläern
Davon zeugt z.B. Joh.4.9. Die samaritanische Frau am Brunnen, die Jesus für einen Judäer hält, wundert sich „Wieso sprichst du, eine Jude, mich, eine Samaritanerin, an … Denn die Juden verkehren doch nicht mit den Samaritanern“

Du schreibst da, der Johannes-Evangelist sei Jude gewesen und
richte sich an ein jüdisches Publikum.
Richtet er sich nicht eher an ein griechisches, wie die
Logos-Reflexion zu Beginn und andere Merkmale (weniger Rekurs
auf die Propheten als die Synoptiker?) vermuten lassen könnten?

Uff, ja, eine schwierige Frage, zu der eine Antwort sehr weit ausholen müßte. Ja, ein ude mit erheblicher griechischer Bildung (wovon die enorme subtile Beherrschung der griechischen Sprache zeugt), und sehr vertraut mit griechischen Strömungen der Zeit, sowohl philosophischen als aus mysterienkultischen. Die Begriffe „logos“ und „pneuma“ weisen auf die Stoa sowie (wegen der göttlichen Konnotation) auf orphische Kulte hin. Andere Ausdrücke, durch die sich dieser Text besonders auszeichnet („ewiges Leben“, „Reich Gottes“, der „Geist“ als Begleiter, „auf- und niedersteigen“) weisen auf Kontakte mit zarathustrischen und frühen ägyptisch-gnostischen Bewegungen. Ich halte die frühere Auffassung, daß es sich um eine Person aus dem Schülerkreis des Philo Judäus in Alexandria handelt, für sehr wahrscheinlich. Auch, daß es Philo Judäus selbst sein könnte (wenn der Autor selbst der ist, der im Text als „den Jesus liebte“ bezeichnet wird) hat einiges für sich.

Gruß

Metapher

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Moses, Aton, Amun und jhwh
Hi oranier,

Ich hatte es schon einmal kurz als Frage/These gepostet:
Entsteht der Monotheismus nicht eigentlich Mitte des 14.Jhd.
v.u.Z. im Pharaonenreich mit dem Aton-Kult, der nach Echnaton
wieder verboten wird?

Dazu ist die Zeitdifferenz zur wahrscheinlichen Moseszeit um 1200 zu groß. Und es widerspricht vor allem inhaltlich dem durch Moses eingeführten neuen Kult. Ich hatte das hier vor längerer Zeit mal irgendwo näher ausgeführt:

Amenophis IV hat mit Aton ja nur einen der bereits seit Urzeiten vorhandenen (Sonnen-)Götter isoliert als allein gültigen ansetzen wollen, also im Grunde auch nur eine Monolatrie bzw. einen Henotheismus versucht.

Zum Freudschen Mann Moses: Immer wieder gibt es solche Hypothesen, Moses mit dem Aton-Kult bzw Echnaton in Verbindung zu bringen. Ich halte das für irrig - nicht nur wegen der Zeitspanne.

Der jhwh-Kult, bzw. der ganze neukonzipierte Gottesbegriff, hat ohne Zweifel seinen Ursprung in einem semitischen Kontext. Wo vastitat das her hat, daß jhwh vom Wortstamm her eine Quelle in Ägypten habe, ist mir ein Rätsel, ich kenne keine religionswissenschatliche Theorie, die das vertritt, obwohl die Herkunft des Namens sehr umstritten ist. Die wahrscheinlichste Lösung ist die, von der die Torah selbst berichtet: Es handelt sich um einen midianitischen Berg-Feuer-Wetter-Gott, in dessen Namen sich eine semitische (und häufiger zu findende) Wurzel "hjj oder „hwj“ unbekannter Bedeutung verbirgt. Man weiß nicht einmal genau, welches der tatsächliche Name ist: Es kann auch sein, daß die Kurzformen je, jo, jahu, jah sogar die ursprünglichen sind. Die Assoziation an das Verb hjj „sein“ („Ich bin der ‚Ich bin‘“) ist ohne Zweifel später zugesetzte Volksetymologie.

Interessant ist jeoch die neue Konzeption (die sich ja lückenlos an die ältere El- bzw Elohim-Konzeption anschließt!) selbst, wenn man nach Vorbildern in Ägypten sucht. Sie führt nämlich gerade NICHT zum Aton -kult, sondern viel mehr zum Amun , der zur Zeit Echnatons ein „Volksgott“ war und dessen kultische Verehrung Echnaton gerade unterbinden wollte!

Die immer schon in Ägypten vorhandene Konzeption „Aton“ ist von Echnaton kaum verändert worden, es ist der alte Sonnenkult, der hier von einer Macht-Elite oktroyiert wurde, während das Volk nach wie vor dem (ebenfalls sonnigen) Re’ seine Dienste erwies, und zwar in der synkretistischen Form des Amun-Re’.

Der Jahwe-Kult ist aber davon weit entfernt, ein Sonnengott zu sein.

Kurt Sethe („Amun und die acht Urgötter von Hermopolis“. Abhandl. der preuss. Akad. d. Wissenschaften, 1929) trug interessante Argumente vor, daß vielmehr dieser Volksgott Amun das Vorbild für jhwh gewesen sein könnte (auch wenn einige Komponenten eben, wie gesagt, nach Midian weisen, vor allem der Name.

Dazu einige Beispiele aus dem Amun-Kult in Hermopolis und in Theben:
In den Prozessionen wird eine leere(!) Barke aus Holz mitgetragen. Bezeichnungen für Amun:
„lebenspendender Geist“
„Windschöpfer“
„Hauch des Lebens in der Nase aller Dinge“
„Lufthauch, der bleibt unter dem Himmelsgewöbe“
„der Unsichtbar“
„der Verborgene“ (amun von imn abgeleitet)
„der seine Gestalt verbirgt“
„der, dessen Gestalt man nicht kennt“
„der seinen Namen verbirgt vor seinen Kindern“
„der das Licht erzeugt, um die Finsternis zu vertreiben“
und viele Aussagen mehr …

Sowohl der jhwh der Sinaierzählung, als auch der eloah und die ruah elohim der Genesis 1.1-2.4 finden sich komplett in den Konzeptionen der sog. Götter-Achtheit von Hermopolis und Theben.

Gruß

Metapher

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Halo Metapher,
danke für die informative Antwort!
Da bekommt man ja richtig Lust, sich nochmals intensiver mit der Materie zu befassen.
Grüße
Oranier

Hallo Vastitas,

es gibt ja andere, die ebenfalls diesen Artikel lesen und bei
denen kann ich nicht immer davon ausgehen, dass sie die
Entwicklung des Monotheismus im Judentum auf Abruf bereit im
Kopf haben.

Das mag ja sein, aber danach hat niemand gefragt, und warum beantwortest Du Fragen, die nicht gestellt wurdenß

Viele Grüße

Iris

BS"D

Hallo oranier.

Frage an euch und alle religionsgeschichtlich Bewanderten:
Spielt diese Theorie in den Forschungen, auf die ihr euch
bezieht eine Rolle oder wird sie, wenn überhaupt
berücksichtigt, als abwegig angesehen?

Ich beziehe mich in diesem Sinne ja nicht auf Forschungen, sondern auf Auslegungen der Texte, welche aber alle schon davon ausgehen, dass uns hier die Wahrheit entgegen tritt, eine Wahrheit welche schon vor Schöpfung der Welt vorhanden war.

In diesem Sinn haben alle Theorie die davon ausserhalb liegen, keine grosse Chance auch nur beachtet zu werden. Und gerade Freuds Text wird hier nur belächelt, wegen dem grossen Unwissen darin.

Hat eurer Auffassung nach die zeitweilige frühe Herausbildung
monothesistischer Gottesvorstellung in Ägypten einen Einfluss
auf Israel und die Juden genommen, oder spielte sie sich
sozusagen von denen unbemerkt im großen Nachbarreich ab?

Nach jüdischer Vorstellung gab es zuerst einen Monotheismus und erst als die Menschen sich von G’tt wegbewegten entstanden hier auch andere Vorstellungen. So gesehen müssten man sich eigentlich über den umgekehrten Fall Gedanken machen.

Ich habe gerade interessehalber bei ebay auf ein Buch: Jan
Assmann, Moses der Ägypter geboten, das dort aber unter
„Esoterik“ läuft. Kennt das jemand, und was ist davon zu
halten?

Nein, kenne ich nicht. Es gibt aber im Judentum zahlreiche Midraschim welche sich auch auf die Zeit wo Mosche am Hof des Pharaohs war, beziehen. Unter andere erklärt hier wohl der bekanntest Midrasch, warum Mosche das Sprechen so schwer fiehl.

Er saß als Dreijähriger auf dem Schoss vom Pharaoh und spielte dort und griff hier nach der Krone/Kopfbedeckung. Alle waren entsetzt, weil dieses als mächtiges Zeichen gedeutet wurde. Alle Beraten kamen zusammen und Biliam (der gleiche, welche später versucht das Volk zu verfluchen) schlägt einen Test vor. Mosch wird mit verbunden Augen vor einen Haufen mit Edelsteinen und einen Haufen mit glühenden Kohlen gesetzt. Greift er nach den Edelsteinen müsste er sterben. Zuerst wollte Mosch auch nach den Steinen greifen, aber ein Engel lenkte seine Hand um, so dass der nach einer Kohl griff und diese dann an den Mund führte und sich hier verbrannte.

Wie man an diesem Midrach dann auch sieht, könnte sich die These das Mosche ein Ägypter gewesen sein könnte, nicht durchsetzen. Wir wissen es besser :smile:

Kol tuw,
Eli

Hallo Helena,

wir dürfen für die Seelen beten und sie segnen! Ja wir können ihnen sogar das Evangelium vortragen! Aber wir sollten nicht erwarten, dass uns die Hinübergegangenen gute Dienste erweisen können.

Eine Seele, die hier ihren Leib verlassen hat, wird durch den Übertritt ins Jenseits ja nicht vollkommen, sondern sie ist nach wie vor mit allen Fehlern und Schwächen behaftet wie vorher.

Unser Heil können wir nur bei Gott, unserem Vater im Himmel finden, der selbst, in Jesus, die Erde betrat. Ihn sollen wir lieben, mehr als alles andere auf der Welt, in dem wir seine 10 + 2 Gebote halten. Zusammengefasst kann man sagen, wir sollten demütig werden und liebtätig sein.

Mit der Tonbandstimmenforschung räumen wir unter Umständen den jenseitigen Foppgeistern Macht über uns ein! Also sollten wir die Hände davon lassen.

Die Bibel sagt nicht viel über das Jenseits. Und bei dem was Salomon schreibt sollten wir beachten, dass er zu dieser Zeit schon von Gott abgefallen war.

Herzliche Grüße
Helmut

Israeliten oder Juden
Hallo,

ist es jetzt also richtig, wenn ich von Juden spreche, die in der Exilszeit an den theologischen Entwürfen arbeiteten?

grüße
vastitas