Konzeptfussball?

Hallo zusammen,

seit den Tagen von Uwe Rapolder als Trainer von Arminia Bielefeld schreiben manche Sportjournalisten von Konzeptfußball. Habe nie verstanden, was genau das denn sein soll. Scheint mir eher ein Modewort zu sein, daß einer mal geschrieben hat und alle anderen haben es aufgegriffen, ohne sich Gedanlken darüber zu machen.
Na ja, vielleicht kann mich ja hier ein Experte aufklären.
Danke im Voraus.

Hi!

Konzeptfußball
Modewort

Man kann es auch mit „an die Taktik des Trainers halten“ übersetzen.

Beispiele?

  • die griechische Defensiv-Taktik unter Rehagel
  • der Catenaccio (oder auch „Schweizer Riegel“), den die Italiener perfektionierten (und zum Glückwieder abgekommen sind, jedoch von erstgenannten Griechen wieder aufgegriffen wurde)
  • (mal was Positives) der Offensiv-Fußball der Holländer und Russen bei der EM - die Laufwege bei Angriffen/Kontern, Einmal-Berühren-Taktik wurden penibelst eingehalten, sodaß überhaupt der „Offensiv-Fußball“ zustande kam

Grüße,
Tomh

Hi Tomh,

das hat sich immer so angehört, als sei das etwas ganz Revolutionäres. Es ist doch eigentlich normal, daß sich eine Mannschaft an die Taktik hält, die der Trainer vorgibt. Ist das Neue dann das, daß ein ganzer Verein (oder sogar wie bei Holland ein Land) quasi auf eine ganz bestimmte Spielweise ausgerichtet wird?

Philosofische Betrachtung zur Zähmung des Zufalls

Hi!

… f statt ph, weil die Betreffzeile zu kurz ist.

Konzeptfußball

Man kann es auch mit „an die Taktik des Trainers halten“
übersetzen.

Beispiele?

  • die griechische Defensiv-Taktik unter Rehagel
    Offensiv-Fußball der Holländer und
    Russen bei der EM - die Laufwege bei Angriffen/Kontern,
    Einmal-Berühren-Taktik wurden penibelst eingehalten

Ich möchte das weiter binnen-differenzieren, denn es gibt m.E. eigentlich gar keinen Profifußball mehr, den man nicht mit „an die Taktik des Trainers halten“ übersetzen müsste …

Rapolder erklärt hier sehr anschaulich, wie ich finde, was er unter seinem viel wiederholten Begriff „Konzeptfußball“ versteht:
http://www.dsc4ever.de/thread.php?threadid=5508

zentrale Passage aus meiner Sicht:

_Frage: Dazu hat der „kicker“ festgestellt: „In Arminias Spiel ist nichts dem Zufall überlassen.“ Wie genau und präzise sind Lauf- und Ballwege tatsächlich festgelegt?

Rapolder: Absolut präzise. Die Laufwege sind zu 100 Prozent klar; wo der ballführende Spieler den Ball hinspielt, ist dann aber ihm überlassen. Die anderen müssen ihm drei, vier Möglichkeiten anbieten, eben um den Ball schnell spielen zu können._

Der „Konzeptfußball“ im Sinne Rapolders, zumindest auf dieser theoretischen Ebene, ist also eine bestimmte Art der Zähmung des Zufalls (was heißt: dessen Fruchtbarmachung, nicht dessen Ausmerzung), also eine spezifische Art und Weise der Verbindung von vorgegebenem Schema und Geistesblitz, die sich sowohl von den Griechen wie von den Holländern unterscheidet (und von Magath, wie meine Signatur zeigt).


Übrigens, noch eine Passage aus dem Interview:
In dem man den Mut hat, auch Erlebnisfußball zu spielen - und nicht nur aufs Ergebnis schaut. Und in dem man genau das auch seiner Mannschaft beibringt.

Vielleicht ist das ein letzter, zur Karikatur gewordener, Nachruf auf Menottis unvergessene Konzeption des „linken Fußballs“:

Menotti verabscheut die Rechten und den Fußball, den sie spielen: „Beim rechten Fußball wird viel von Opfern und Arbeit geredet. Er wirft den Blick nur auf das Resultat, er degradiert die Spieler zu Söldnern des Punktgewinns.“ Der linke Fußball hingegen, den Menotti als Gegenkonzept immer wieder auf den grünen Rasen zu bringen versuchte, „feiert die Intelligenz, er schaut auf die Mittel, mit denen das Ziel erreicht wird, er fördert die Fantasie.“ … „Ein Tor sollte nur ein weiterer Pass ins Netz sein“, so das Credo von Menotti. Berühmt wurde er als Verfechter eines fantasievollen, intelligenten Offensiv- und Kombinations-Fußballs. „Menottistas“ werden diejenigen in Argentinien genannt, die in einer attraktiven Spielweise den Schlüssel zum Erfolg sehen.
http://fdcl-berlin.de/?id=779

Man darf, wie so oft geschehen, den linken Fußball nicht als Taktik-los verstehen, und auch nicht als grundsätzlich nicht am Ergebnis orientiert. Menotti wurde damit Weltmeister - das war kein Versehen.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð €


„Eine schöne Kombination auf dem Fußballplatz ergibt sich nicht einfach so. Schönheit ist die Abwesenheit von Zufällen.“ (Magath)_

Hi!

Es ist doch eigentlich normal, daß sich eine
Mannschaft an die Taktik hält, die der Trainer vorgibt.

Es geht nicht nur um die Taktik, sondern auch, dass gewisse Laufwege/Spielzüge/Anweisungen penibelst eingehalten werden (bei den Griechen z.B. dass nur der Stürmer die Mittellinie „ankratzen“ darf :wink:

Ist
das Neue dann das, daß ein ganzer Verein (oder sogar wie bei
Holland ein Land) quasi auf eine ganz bestimmte Spielweise
ausgerichtet wird?

So in die Richtung - und kaum, dass die Holländer eine andere Taktik wählten, bekamen sie eine auf den Kopf von den Russen, diese wiederum änderten gg. Spanien die Taktik, und bekamen auch wieder eine rüber …

Beispiel für „Konzeptfußball“ war Hollands 2:0 gegen Italien: Diesen Konter hätten sie wahrscheinlich mit geschlossenen Augen spielen können - und er hätte genauso geendet …

Grüße,
Tomh

Hi!

also eine spezifische Art und Weise der

Verbindung von vorgegebenem Schema und Geistesblitz, die sich
sowohl von den Griechen wie von den Holländern unterscheidet

mMn war DAS genau das Konzept der Holländer (während der EM), aber auch der Griechen (aus defensiver Sichtweise)

_> In dem man den Mut hat, auch Erlebnisfußball zu

spielen - und nicht nur aufs Ergebnis schaut. Und in dem man
genau das auch seiner Mannschaft beibringt._

Widerspricht sich Rapolder hier nicht? Einerseits steigt eine Mannschaft mit Konzeptfußball NICHT ab, andrerseits wird nicht _nur_ auf das Ergebnis geschaut???

Vielleicht ist das ein letzter, zur Karikatur gewordener,
Nachruf auf Menottis unvergessene Konzeption des „linken
Fußballs“:

Mit dem Konzeptfußball hat sich dann also der rechte mit dem linken Fußball „vermischt“???

(Und ja: Ich kannte diese Aussagen von Menotti-Trainergott bereits)

„Eine schöne Kombination auf dem Fußballplatz ergibt sich
nicht einfach so. Schönheit ist die Abwesenheit von Zufällen.“
(Magath)

Magath und Fußball paßt für mich schon seit Jahren nicht zusammen …

Grüße,
Tomh

PS: Fußball ist die einfachste Sache der Welt

K.-Fußball ist mehr als nur „eine Taktik des Trainers anwenden“,
sonst würde man Trainern wie Schaaf, Hitzfeld, Daum, die nicht gerade als "konzeptfußballtrainer gelten, die Anwendung einer Taktik absprechen, was Blödsinn ist.

K.-Fußball als Begriff wurde kreiert, als zweitklassige Mannschaften wie Bielefeld oder damals Ulm Erfolg hatten und jeder sich fragte wie man ohne viele Kohle erfolgreich spielen kann.

Konzeptfußball, nach meinem Verständnis, ist, wenn clevere Trainer wie Rangnick und Rapolder, die sich international weiter gebildet hatten, eine Idee und die Umsetzung derselben als oberstes Prinzip installieren und sich anschließend eine Mannschaft dazu bauen, die diese Prinzipien verinnerlicht hat und deren Mitglieder am Besten so austauschbar sind, dass das „System“ überdauert, auch wenn Speiler wechseln.

Der dazu passende Fußballer-Spruch ist dann meist :der Star ist die Mannschaft.

S-J

Eine weitere wichtige Komponente beim Konzeptfußbal ist neben taktischer Ausrichtung, abgestimmten Laufwegen und Spielzügen auch die Aufstellung der Mannschaft, bzw. des Kaders einer Mannschaft.

So kaufen Trainer, die den sogenannten „Konzeptfußball“ spielen lassen (und ja, natürlich ist das auch ein Modewort), ganz gezielt Spieler mit speziellen Eigenschaften ein. Ein Beisplei für eine solche Maßnahme mag sein, dass Jürgen Klinsmann 2006 Odonkor in die Nationalmannschaft berief, obwohl es auf dieser Position eine Menge technisch bessere oder torgefährlichere Spieler gegeben hatte. Aber Klinsmann wollte für sein Konzept des schnellen Angriffsfußballs unbedingt einen Pfeilschnellen Konterspieler haben.

Hallo!

also eine spezifische Art und Weise der
Verbindung von vorgegebenem Schema und Geistesblitz, die sich
sowohl von den Griechen wie von den Holländern unterscheidet

mMn war DAS genau das Konzept der Holländer
(während der EM), aber auch der Griechen (aus defensiver
Sichtweise)

Wir missverstehen uns:
Ich wollte ja binnendifferenzieren zwischen den verschiedenen Arten des „Konzeptfußballs“, und Rapolders Arminia unterschied sich da offensichtlich von den Griechen und Holländern, wie ja bekanntlich auch die beiden untereinander.
So sehe ich bei den Griechen der EM z.B. diese Rolle des Geistesblitzes (damit meine ich Kreativität) gar nicht, zumindest nicht so, dass er vom Spielkonzept systematisch erzwungen wurde, sondern er ist er hin und wieder trotz des disziplinierten Spielsystems aufgetreten. Diesen ständigen Versuch etwa, mehr als zwei unterschiedliche Anspielstationen herzustellen um die unberechenbare Individualität des ballbesitzenden Spielers ins Spiel zu bringen (das hatte ich ja bei Rapolder zitiert) sehe ich bei den Griechen nicht.
(dass das bei der Arminia in Rapolders Interviews auch besser geklappt hat als aufm Platz ist klar, aber es ist dennoch als konzeptueller Unterschied festzuhalten)

Ich wollte mit meinen Betrachtungen eigentlich auch nur erreichen, dass der Link auf das m.E. verlinkenswerte Interview nicht so nackt dasteht :wink:

Vielleicht ist das ein letzter, zur Karikatur gewordener,
Nachruf auf Menottis unvergessene Konzeption des „linken
Fußballs“:

Mit dem Konzeptfußball hat sich dann also
der rechte mit dem linken Fußball „vermischt“???

Nein, nein, das wollte ich nicht andeuten.

Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es überhaupt Sinn ergibt, außerhalb der speziellen historischen Situation Argentiniens 1978, politische Kategorien auf bloße Spielsysteme anzuwenden.
Aus meiner Sicht vielleicht schon, aber sicher nicht karikaturhaft, wenn man es nur auf „Erfolgsorientierung“ bezieht.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

PS: Fußball ist die einfachste Sache der
Welt

Genau!
„Ein Tor sollte nur ein weiterer Pass ins Netz sein“, so das Credo von Menotti.

OK, aber Spieler danach auszuwählen, ob sie in meine Vorstellung von Fussball passen ist doch nicht wirklich was Neues, oder?

Aber wenn alle Laufwege penibel festgelegt sind, dann kann man zwar Fehler vermeiden beim schnell nach vorne spielen, aber macht das eine Mannschaft auf Dauer nicht sehr ausrechenbar?