Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben (und ich wundere
mich, dass du es kannst), denn die Koalitionsverhandlungen
wurden ja hinter verschlossenen Türen geführt.
Das Ergebnis der Gespräche ist allgemein bekannt: Die FDP
spielt nicht mit, die CDU spielt nicht mit, beide unternehmen
aber auch selber keinen eigenen Versuch eine
Minderheitsregierung zu bilden oder irgendeine andere Lösung
zu finden.
Der Dissens unser beider Aussagen ist dir hoffentlich klar! Du betrachtest lediglich das Ergebnis und glaubst, daraus ableiten zu können, das es keine tauglichen Versuche gegeben hat, eine Regierung zu finden. Mir ging es darum, dass wir nicht wissen, wie die Verhandlungen im Einzelnen ausgesehen haben und was genau zum Scheitern geführt oder beigetragen hat.
Darüber kann man sich sehr wohl das Urteil erlauben, nämlich
dass sich alle anderen aus der Verantwortung stehlen und
einfach nichts tun. Wieso das nicht beleuchtet wird, aber alle
auf Frau Kraft herumhaken wundert mich sehr.
Wie bereits erwähnt, wage ich kein Urteil darüber abzugeben, ob alle anderen sich diskussionslos der Verantwortung entzogen haben. Auf Basis der derzeitigen politischen Verhältnisse im NRW-Landtag und im Bundesrat kann das Verhalten von Frau Kraft aber sehr wohl beurteilt und auch gerügt werden.
Um das zu verdeutlichen, wage ich mal eine Prognose:
Mit der Regierungsbildung wird die rot-grüne Koalition ja auch in den Bundesrat einziehen. Das ändert die Stimmenverhältnisse dort auf eine Weise, die es möglich macht alle zustimmungspflichtigen Gesetzesvorlagen aus dem Bundestag zu blockieren. Ergo werden gesetzgebende Verfahren verlangsamt oder sogar völlig blockiert. Das damit einhergehende Lamentieren und die Schieberei des Schwarzen Peters kann man sich schon jetzt in allen Farben ausmalen.
Im NRW-Landtag sieht es dabei noch viel schlimmer aus. Aufgrund der Minderheitsregierung und der allseits herrschenden Parteidiktion (nebenbei bemerkt in meinen Augen zutiefst verfassungsfeindlich) wird vor allem hier die Gesetzgebung erheblich beeinträchtigt. Verabschiedet wird dann in noch geringerem Maße als sonst üblich was notwendig erscheint. Stattdessen wird auf-Teufel-komm-raus populistisch agiert, damit man bei der nächsten Wahl bei seiner angepeilten Klientel gut da steht. Das geht eine Zeitlang gut bis sich nichts mehr bewegt und man dann zu dem Ergebnis kommt, dass jetzt mal Neuwahlen angesagt sind.
Dass sie versucht Regierungsverantwortung zu bekommen kann man
ihr nicht vorwerfen, es ist schließlich das Ziel eines jeden
Politikers und jeder Politikerin. In diesem speziellen Fall
geht es auch um eine Verstärkung des Bundesrates, also ein
weiterer Grund, wieso man der SPD nicht vorwerfen kann, dass
sie in NRW versucht vorwärts zu kommen.
Aus oben genannten Gründen kann man das nicht nur sondern ich tue es explizit. Das Oberste Ziel eines Politikers hat nicht zu sein, Regierungsverantwortung zu erlangen, sondern dem deutschen Volk zu dienen (siehe Amtseid). Aus oben genannten Gründen hat Frau Kraft dem deutschen Volk einen Bärendienst erwiesen und dafür wird sie meines Erachtens zu Recht gerügt.
Gruß
Hermann