Hallo Michael,
wer materiellen Schaden anrichten will, macht das vergleichsweise gefahrlos für sich selbst aus der Luft. Afghanistan hat keine materiellen Werte. Das Land ist nach Jahrzehnten Krieg ein einziger Trümmerhaufen und ohnehin eines der ärmsten Länder der Erde. Dort kann man aus der Luft nicht mehr viel kaputt machen. Man kann das Land aus der Luft mit geeigneten Kampfstoffen verseuchen und dauerhaft bis zur Unbewohnbarkeit schädigen. Es ist wohl inzwischen nebensächlich, ob Ben Laden wirklich der Verantwortliche ist, man wird ihn jedenfalls im Gebirge aus der Luft nie finden. Also wird es ablaufen wie immer: Flächenbombardement und anschschließend Bodentruppen. An diesem Punkt angekommen haben wir die ersten zig tausend tote Zivilisten. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Die Kollateralschäden werden niemanden stören, nicht in USA und nicht in Europa.
Der Gegner hat keine Waffen, nur uraltes amerikanisches Zeug und einen Haufen Schrott, den die Russen auf ihrem Rückzug stehen und liegen ließen. So ein Gegner verkriecht sich in den Bergen, unerreichbar für Fahrzeuge und Panzer. Das läuft immer so, nur Militärs werden das wohl nie kapieren. Auch stets das Gleiche: Die Menschen sind arm, haben nichts zu verlieren, sie rücken näher zusammen, solidarisieren sich. Einziges verbleibendes, aber wirkungsvolles Mittel: Terror. Gegen Terror von Leuten, die das eigene Leben einsetzen, ist kein Kraut gewachsen.
Von Völkerrecht und Moral will ich nicht reden. Es interessiert eh niemanden. Aber nur die hemdsärmelig-naive Denkweise von Cowboys kann Soldaten in so ein sinnloses Abenteuer schicken. Auch vorhersehbar: Die toten Zivilisten sind das Zählen nicht wert. Waren Kinder darunter und es wird ruchbar, wird zunächst dementiert bis sich herausstellt, daß sich die Kinder in der Terroristenausbildung befanden. Ein Teil der amerikanischen Soldaten kommen im Leichensack nach Hause. Sie werden an stramm stehenden Uniformträgern vorbeigetragen, Nationalhymne, Rede des Präsidenten, Dank des Vaterlandes usw., zig-fache Wiederholung auf allen, auch deutschen Fernsehsendern, damit auch jeder weiß, wie sich die Amerikaner für unsere Freiheit aufopfern.
Darüber vergehen ein paar Jahre, an den Krisenherden und natürlich am Terrorproblem ändert sich nichts.
So läuft es, wenn es „gut“ läuft. Wenn es weniger gut läuft, werden Massenvernichtungswaffen eingesetzt und das nicht nur in Afghanistan. Diese Gefahr besteht durchaus, weil sich Herr Bush viel zu weit aus dem Fenster gelehnt und mit der Vernichtung des Terrorpotenzials Unmögliches versprach. Er steht unter Erfolgsdruck. Die amerikanische Öffentlichkeit will emotional aufgewühlt Spektakuläres am Fernsehschirm geboten bekommen.
Es könnte (nur Theorie) auch sehr gut laufen. Das setzt allerdings veraus, daß sich ein paar Politiker, die sich in ihrer tief gebückten Haltung mit dem Unterkiefer in der Schleimspur bewegen, so daß nur noch leises Blubbern zu hören ist, gerade machen, Tacheles reden, die Gefolgschaft für völkerrechtswidrige Abenteuer verweigern.
Höre ich höhnisches Lachen? Doch, das geht tatsächlich. Amerika bezieht seine Machtstellung zum großen Teil aus der devoten Haltung insbesondere deutscher Politiker. In Europa bricht nichts zusammen, wenn Herr Bush vorübergehend verschnupft reagiert. Aber vielen Millionen könnte berechtigte Kriegsangst genommen werden.
Gruß
Wolfgang