Kritik an Kants Einteilung der schönen Künste?

Hallo,
mich würde mal interessieren, wer wo in neuerer Zeit fundamentale Kritik an Kants Einteilung der schönen Künste (Kritik der Urteilskraft § 51) und v.a. an der anschließenden Hierarchie (Kritik der Urteilskraft § 53) geübt hat.
Gruß,
lynndinn

Weiß das denn keiner von euch…
oder ist das kein Thema, wenn die Klassiker unter den Philosophen behaupten, die Lyrik wäre im Kanon der Künste höher einzuschätzen als die Musik oder die Malerei usw. (Jedenfalls Platon, Kant und Hegel. Für Schopenhauer schien die Musik der Favorit zu sein)? Bin ich denn der erste, der diese geschichtlich wohl verständliche aber heute völlig absurde Wertestaffelung bescheuert finde?
Bitte gebt mir Hinweise. Ich bin Laie und kann jetzt nicht das gesamte Philosophie-Regal in der Stadtbücherei durchackern, um eine Antwort zu finden. Ich brauche sie aber dringend, - also ihr Philosophen: kommt herunter von eurem Turm und erklärt es mir mal.
Danke.

oder ist das kein Thema, wenn die Klassiker unter den
Philosophen behaupten, die Lyrik wäre im Kanon der Künste
höher einzuschätzen als die Musik oder die Malerei usw.
(Jedenfalls Platon, Kant und Hegel. Für Schopenhauer schien
die Musik der Favorit zu sein)?

In diesem Falle sehe ich es genauso wie die von dir als Beispiele angeführten Philosophen. Musik bildet allerdings ein starkes Gegenargument. Aber kategorisieren kann man immer nach dem eigenen Gusto, da gibt es keine „objektive“ Methode mit einem Messen und Wiegen.

Bin ich denn der erste, der
diese geschichtlich wohl verständliche aber heute völlig
absurde Wertestaffelung bescheuert finde?

Wie gesagt, ich finde sie nicht bescheuert, weil ich ähnlich kategorisiere, aber das kann man denn halten, wie bekanntlich die Dachdecker.

Bitte gebt mir Hinweise. Ich bin Laie und kann jetzt nicht das
gesamte Philosophie-Regal in der Stadtbücherei durchackern, um
eine Antwort zu finden. Ich brauche sie aber dringend,

Ich bin bezogen auf deine gestellte Frage nicht Experte und kann sie nicht beantworten. Allerdings ist die Kategorie einer stringenten Trennung zwischen URTEIL (auch Überzeugungen und Wertesysteme bzw. Weltanschauungen) sowie MOTIVATION (Wünsche, Bedürfnisse, Interessen, Gefühle, Existenzgrundlagen etc.) trotz David Humes und Immanuel Kants T kategorische Trennung zwischen Gefühl und Vernunft nach neuen philosophischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen unhaltbar, d. h. falsch.

ihr Philosophen: kommt herunter von eurem Turm und erklärt es
mir mal.

„Gugel“ doch mal speziell zur Beantwortung deiner Frage im Internet. Ansonsten empfehle ich zur Überwindung der Humeschen und Kantschen kategorischen Trennung von Urteilskraft und Motivation als Wille z. B. Abraham Maslow „Psychologie des Seins“, Daniel Golman „Emotionale Intelligenz“, Antonio Damasios „Descartes Irrtum“, Sabine Döring „Philosophie der Gefühle“, Ken Wilber „Spektrum des Bewusstseins“.

CJW

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Hallo Claus,
vielen Dank für deine Antwort.

Aber kategorisieren kann man immer nach
dem eigenen Gusto, da gibt es keine „objektive“ Methode mit
einem Messen und Wiegen.

aber das kann man denn halten, wie bekanntlich

die Dachdecker.

Da bin ich entschieden anderer Meinung. Die Philosophen haben ihre Theorien, also auch das Kategorisieren (und Gewichten!) nicht nach der Dachdeckermethode entwickelt, sondern nach - geschichtlich bedingten - Kriterien. Für unser Beispiel heißt das: Kant (Dichtkunst „erweitert das Gemüt dadurch, dass sie die Einbildungskraft in Freiheit setzt“; oder: die Tonkunst „nicht, wie die Poesie, etwas zum Nachdenken übrig lässt“; oder: „Außerdem hängt der Nusik ein gewisser Mangel an Urbanität an“) und Hegel („Zurückziehung des geistigen Inhalts aus dem sinnlichen Material“ bei der Poesie) gingen, wenn man es von heutiger Sicht (also z.B. nach Gadamer) beurteilt, von einem einseitigen Vestehensbegriff aus, der sich aus den Naturwissenschaften ableitete. Gadamer hat das ja, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in „Wahrheit und Methode“ deutlich widerlegt, in dem er für die Geisteswisseschaften, besonders für die Künste, eine andere grundsätzliche Methode entwickelte, also v.a. den „hermeneutischen Zirkel“. Gadamer zerschlägt in meinen Augen die unheilvolle Dichotomie in „geistig“ / „sinnlich“. Aber ich habe bei ihm (noch nicht) eine Zurückweisung der Kantschen Wertehierarchie zwischen den Künsten gefunden, was ja eigentlich die Konsequenz von Gadamers Anschauungen wäre. Auch bei Hilde Domin („Wozu Lyrik heute“) bin ich diesbezüglich nicht fündig geworden.

Allerdings ist die Kategorie einer
stringenten Trennung zwischen URTEIL (auch Überzeugungen und
Wertesysteme bzw. Weltanschauungen) sowie MOTIVATION (Wünsche,
Bedürfnisse, Interessen, Gefühle, Existenzgrundlagen etc.)
trotz David Humes und Immanuel Kants T kategorische Trennung
zwischen Gefühl und Vernunft nach neuen philosophischen und
wissenschaftlichen Erkenntnissen unhaltbar, d. h. falsch.

Ja, eben. Aber welche „neuen“ Erkenntnisse sind das denn? Namen? Quellen? Zitate?

„Gugel“ doch mal speziell zur Beantwortung deiner Frage im
Internet.

Das mit dem Googeln ist bei bestimmten Fragen, das kenne ich aus meinem eigenen Spezialgebiet, der Musikgeschichte, eben so ein Ding. Du kannst alles und nichts finden, v.a. kann Google ja nie eine wissenschaftlich fundierte Einschätzumg und Gewichtung der Beiträge leisten. Da ist es doch angemessener, sich an den Suchfilter „echter Mensch“ zu wenden, also an Experten wie hier im Forum :smile:)

Ansonsten empfehle ich zur Überwindung der Humeschen

und Kantschen kategorischen Trennung von Urteilskraft und
Motivation als Wille z. B. Abraham Maslow „Psychologie des
Seins“, Daniel Golman „Emotionale Intelligenz“, Antonio
Damasios „Descartes Irrtum“, Sabine Döring „Philosophie der
Gefühle“, Ken Wilber „Spektrum des Bewusstseins“.

Danke für die Hinweise. Werde ich mal reinriechen. Aber das ist ja genau das, was ich vermeiden wollte: Durchackern von Bücherregalen. Genauere Hinweise bzw. eine Gewichtung der Abhandlungen könntest du nicht nennen? Geht da jemand wirklich konkret auf Kant und Hegel ein?
Gruß,
lynndinn

offtopic

oder ist das kein Thema, wenn die Klassiker unter den Philosophen behaupten

Nicht jeder der 2 oder 3 hier noch mitlesenden professionellen Philosophen ist zugleich ein Experte sämtlicher Publikationen der heutigen Rezeption der KdU.

Bin ich denn der erste, der diese geschichtlich wohl verständliche aber heute völlig absurde Wertestaffelung bescheuert finde?

  1. Wo nimmst du es her, daß es sich um eine Staffelung des Wertes handelt?
  2. Wenn du die kantische Einteilung der Künste für „völlig absurd“ hältst, wäre es sinnvoll, deine Argumente dafür zu outen. Vielleicht fällt einem dann sogar ein Autor ein, der ähnlich argumentiert.
  3. der Ausdruck „bescheuert“ kickt dich eh aus jeder philosphischen Diskussion raus.

eine Antwort zu finden. Ich brauche sie aber dringend

Vorschlag: Wende dich per Mail an einen Spezialisten, z.B. an
Otfried Höffe oder z.B.
Lutger Schwarte

also ihr Philosophen: kommt herunter von eurem Turm

siehe Pkt. 3.

Gruß
Metapher

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Neo-Existentialismus

Gadamer
zerschlägt in meinen Augen die unheilvolle Dichotomie in
„geistig“ / „sinnlich“.

Das sehe ich auch so, allerdings nach meinem Wissen nicht auf Kant bezogen, sondern auf Husserl.

Ansonsten empfehle ich zur Überwindung der Humeschen

und Kantschen kategorischen Trennung von Urteilskraft und
Motivation als Wille z. B. Abraham Maslow „Psychologie des
Seins“, Daniel Golman „Emotionale Intelligenz“, Antonio
Damasios „Descartes Irrtum“, Sabine Döring „Philosophie der
Gefühle“, Ken Wilber „Spektrum des Bewusstseins“.

Danke für die Hinweise. Werde ich mal reinriechen. Aber das
ist ja genau das, was ich vermeiden wollte: Durchackern von
Bücherregalen. Genauere Hinweise bzw. eine Gewichtung der
Abhandlungen könntest du nicht nennen? Geht da jemand wirklich
konkret auf Kant und Hegel ein?

Was heißt konkret? Die von dir bemerkte Spaltung in Geist und Sinne ist in der Tradition der westlichen Philosophie ca. 2500 Jahre alt und wurde erst durch die Humanistische Psychologie gegenüber der Black-Box-Psychologie des Behaviorismus und gegenüber der Freudschen Psychoanalyse radikal in Frage gestellt und überwunden. Maslow, der amerikanische Begründer der Humanistischen Psychologie erwähnt in dem benannten Werk den deutschen Philosophen Kant nicht ein einziges Mal, dafür aber die deutschen Existenzphilosophen Nietzsche, Jaspers und Heidegger. Genau auf deren Philosophie aber noch mehr auf die amerikanischen Transzendentalisten begründete Professor Maslow seine Humanistische Psychologie. Der US-Psychologe Goleman erwähnt Kant ebenfalls mit keinem Wort, dafür kritisiert er Sigmund Freud als Gegner.

In Sabine Döhrings Werk werden alle von dir gemeinten Philosophen behandelt, vor allem Kant! Und der Amerikaner Ken Wilber geht auf Kant in oben erwähntem Werk nur ein einziges Mal ein, auf Sigmund Freud hingegen viele Male sowie ebenfalls auf die europäischen Existenzphilosophen. Bei der Existenzphilosophie solltest du ansetzen meines Erachtens, weil es hierfür ganz neue Strömungen gibt als Neo-Existentialismus.

Unter dem letzterwähnten Begriff kannst du ja mal googeln, mehr kann ich dir leider nicht sagen, weil dieses Thema eine Komplexität von, wie gesagt, ca. 2500 Jahren aufweist (Platons Gleichnis eines Streitwagens, in dem der Lenker den Verstand symbolisiert und die Pferde die wilde ungezügelter Naturkraft, auf die man notfalls einpeitschen muss, um sie zu bändigen, ist eines der eindrucksvollsten Beispiele. Gerade auch im Management-Training lehrt man Managern immer noch, man müsse „den inneren Schweinehund bekämpfen“. Kriegsphilosophen a´la Clausewitz & Co. argumentieren genauso).

CJW

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Nicht jeder der 2 oder 3 hier noch mitlesenden professionellen
Philosophen ist zugleich ein Experte sämtlicher Publikationen
der heutigen Rezeption der KdU.

Ich hatte gehofft, es gäbe einen herausragenden.

  1. Wo nimmst du es her, daß es sich um eine Staffelung des
    Wertes handelt?

Kant § 53 1. Satz. Hegel Vorlesungen über die Ästhetik III, 3. Kapitel: Die Poesie, Einleitung

  1. der Ausdruck „bescheuert“ kickt dich eh aus jeder

philosphischen Diskussion raus.

Du hast Recht, das nehme ich zurück. Das ist schlechter Stil, war aber nicht bös gemeint.

Vorschlag: Wende dich per Mail an einen Spezialisten, z.B. an
Otfried Höffe oder z.B.
Lutger Schwarte

Danke für den Tipp, werd´s versuchen.
Gruß,
lynndinn

Gadamer
zerschlägt in meinen Augen die unheilvolle Dichotomie in
„geistig“ / „sinnlich“.

Das sehe ich auch so, allerdings nach meinem Wissen nicht auf
Kant bezogen, sondern auf Husserl.

Ich bin in keiner Weise Fachmann, aber wenn ich das richtig sehe, widmet Gadamer in „Wahrheit und Methode“ gleich sein 2. Kapitel „Kants Lehre von Geschmack und Genie“, wo er meiner Meinung nach mit dem naturwissenschaftlichen Ansatz Kants abrechnet. Was Husserl angeht, so betont er im gleichen Kapitel dessen erkenntnistheoretische Funktion des Begriffs „Erlebnis“, und das scheint mir schon deutlich auf Gadamers Linie zu liegen (wie ich überhaupt meine, Gadamer ist ein Schüler Heideggers und damit auch Husserls).

Was heißt konkret? Die von dir bemerkte Spaltung in Geist und
Sinne ist in der Tradition der westlichen Philosophie ca. 2500
Jahre alt und wurde erst durch die Humanistische Psychologie
gegenüber der Black-Box-Psychologie des Behaviorismus und
gegenüber der Freudschen Psychoanalyse radikal in Frage
gestellt und überwunden. Maslow, der amerikanische Begründer
der Humanistischen Psychologie erwähnt in dem benannten Werk
den deutschen Philosophen Kant nicht ein einziges Mal, dafür
aber die deutschen Existenzphilosophen Nietzsche, Jaspers und
Heidegger. Genau auf deren Philosophie aber noch mehr auf die
amerikanischen Transzendentalisten begründete Professor Maslow
seine Humanistische Psychologie. Der US-Psychologe Goleman
erwähnt Kant ebenfalls mit keinem Wort, dafür kritisiert er
Sigmund Freud als Gegner.

Ganz herzlichen Dank für diese Ausführungen. Das klingt interessant, das werde ich weiterverfolgen.

In Sabine Döhrings Werk werden alle von dir gemeinten
Philosophen behandelt, vor allem Kant!

Das ist das Werk, was ich mir zuerst besorgen werde.

Bei der
Existenzphilosophie solltest du ansetzen meines Erachtens,
weil es hierfür ganz neue Strömungen gibt als
Neo-Existentialismus.

Gut. Danke. Auch Neuland für mich.

Gruß,
lynndinn

Hi,

Kant § 53 1. Satz.

„… behauptet … den obersten Rang.“

Rang = Wert? Bin mir nicht sicher, ob K. das hier so meint.

Hegel Vorlesungen über die Ästhetik III, 3. Kapitel: Die Poesie, Einleitung

„… die Totalität, welche die Extreme … auf einer höheren Stufe … in sich sich vereinigt.“

„Stufe“ ist ein Terminus der dialektischen Logik. Das hat mit „Wert“ nichts zu tun. Auf der dritten Stufe ist der Widerspruch der Momente (oder das Auseinander der Extreme, wie im Fall einer Totalität), die auf der zweiten Stufe noch dirimiert sind, „aufgehoben“.

werd´s versuchen.

Viel Erfolg beim Kontaktaufnehmen wünscht

Metapher

Gadamer
zerschlägt in meinen Augen die unheilvolle Dichotomie in
„geistig“ / „sinnlich“.

Das sehe ich auch so, allerdings nach meinem Wissen nicht auf
Kant bezogen, sondern auf Husserl.

Ich bin in keiner Weise Fachmann, aber wenn ich das richtig
sehe, widmet Gadamer in „Wahrheit und Methode“ gleich sein 2.
Kapitel „Kants Lehre von Geschmack und Genie“, wo er meiner
Meinung nach mit dem naturwissenschaftlichen Ansatz Kants
abrechnet. Was Husserl angeht, so betont er im gleichen
Kapitel dessen erkenntnistheoretische Funktion des Begriffs
„Erlebnis“, und das scheint mir schon deutlich auf Gadamers
Linie zu liegen (wie ich überhaupt meine, Gadamer ist ein
Schüler Heideggers und damit auch Husserls).

Natürlich ist das so, ich bezog mich aber nicht auf „Wahrheit und Methode“, sondern auf das „Philosophische Lesebuch“, wo Gadamer zum Abschluss seine Beziehung zu Husserl kurz darlegt als auch seine Unterscheidung, allerdings eher in einem flüchtigen Nebensatz. Da geht es so viel ich mich erinnere um den Unterschied zu der Beschreibung einer Tasse Kaffee. Gadamer argumentiert so, dass diese nur dann von persönlichem Interesse sei, wenn eine Person sie ergreift. Ich weiß diese kurze Passage aber im Detail nicht mehr genau.

CJW

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Noch ein Hinweis
Sollte diese erwähnte kurze Passage mit der Tasse Kaffee genau so oder zumindest sinngemäß nachzuweisen sein (ich bin zu faul, dies zu recherchieren!), dann wäre es nicht nur ein wesentlicher Unterschied zur Methode von Kant und dem Neukantismus, sondern auch zu Husserl. Und das macht das Beispiel mit der Tasse Kaffe denn auch für mich sehr spannend, weil die Methode von Husserl des „objektiven Abschattens“ in der Welt der Phänomene von Gadamer nicht nur rein geistig (Phylosophy of Mind) anzusehen wäre, sondern auch sinnlich(Kaffee hat ja bekanntlich den Nutzen, ihn zu genießen!), sondern die Sinne zum Geist dazugehörig gedacht werden müssen und nicht von ihm getrennt.

Die von Kant gewollte Vernunft und Urteilskraft ist doch gar nicht ohne Willen, das heißt ohne eine vorherige MOTIVATION denk- und begründbar, das beweist uns doch heute die Hirnforschung ganz deutlich, denn wenn ich über etwasurteile und ich michdann zum Handeln entscheide aufgrund meiner Vernunft, bin ich doch motiviert dazu und ohne eine MOTIVATION würde ich mich doch auch gar nicht erst entscheiden. Wenn ein Philosoph oder Wissenschaftler ein Interesse an einem Thema hat, kann man seine geistige Tätigkeit nicht von seiner vorausgehenden MOTIVATION trennen, das wäre eine nicht realistische Phänomenologie im Sinne der von Husserl vorausgesetzten Intentionalität.

„In diesem Vortrag möchte ich einige Vorschläge bezüglich der Wichtigkeit und des Wertes der Emotionen und Wünsche für intellektuelle Tätigkeiten machen. Insbesondere möchte ich zeigen, wie Emotionen und Wünsche intellektueller Tätigkeit dienlich und zuträglich sind. Um damit zu beginnen, ist es, denke ich, wichtig anzudeuten, weshalb wir zwei Sichtweisen, eine über die Emotionen und eine über intellektuelle Tätigkeit, verwerfen sollten.“ (Michael Stocker, Professor für ethische und politische Philosophie an der Universität von Syracus, 2004).

CJW

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Philosophy of Mind
.

Dichtkunst, Musik, Malerei
Hi.

Habe erst heute wieder hier reingeguckt.

oder ist das kein Thema, wenn die Klassiker unter den Philosophen behaupten, die Lyrik wäre im Kanon der Künste höher einzuschätzen als die Musik oder die Malerei usw. (Jedenfalls Platon, Kant und Hegel.

Klar ist das ein Thema, und um ehrlich zu sein, finde ich diese These gar nicht mal so falsch (ich begründe das weiter unten). Platon hat übrigens, meines Wissens, nur Helden- und Göttersagen geschätzt bzw. toleriert, andere Genres der Dichtkunst aber nicht.

Für Schopenhauer schien die Musik der Favorit zu sein?

Absolut. Musik symbolisierte für ihn den Weltwillen „an sich“, ohne Vermengung mit Materiellem (Malerei) oder Gedanken (Dichtung). Dieses Argument zählt aber nur mit der Prämisse des Willensparadigmas. In einem idealistischen Paradigma hat die Musik schlechtere Karten.

Für unser Beispiel heißt das: Kant (Dichtkunst „erweitert das Gemüt dadurch, dass sie die Einbildungskraft in Freiheit setzt“; oder: die Tonkunst „nicht, wie die Poesie, etwas zum Nachdenken übrig lässt“…

Das stimmt natürlich, ich sehe nichts Fragwürdiges daran. Dichtkunst (ich zumindest verstehe darunter auch epische Literatur) spricht einen höheren Bewusstseinsbereich im Menschen an als Musik. Letztere appelliert „nur“ an Gefühle, d.h. das strukturierte Tonmaterial löst im Unbewussten resonante Schwingungen aus, die vom Bewusstsein als Gefühl wahrgenommen werden. Das entsprechende Spektrum ist extrem weit. Aber es sind und bleiben nur Gefühle, die das Denken nicht wirklich herausfordern (außer natürlich bei einem Musiker, der auf das Gehörte fachlich reflektiert). Der gewöhnliche Hörer erlangt nicht wirklich Einsicht in geistige Dimensionen oder Zusammenhänge, da der Gefühlsnebel die Sicht behindert.

Über die Musik sagt Kant im § 53:

Wenn man dagegen den Wert der schönen Künste nach der Kultur schätzt, die sie dem Gemüt verschaffen, und die Erweiterung der Vermögen, welche in der Urteilskraft zum Erkenntnisse zusammenkommen müssen, zum Maßstabe nimmt; so hat Musik unter den schönen Künsten sofern den untersten (…) Platz, weil sie bloß mit Empfindungen spielt.

Die Dichtkunst kann dagegen zum „Übersinnlichen“ erheben und Geistiges vermitteln (§ 53). Sicher nicht in dem Sinne, dass sie mystische Visionen vermittelt, aber in dem Sinne, dass sie vermag, Unsichtbares durch die Kunst einer assoziativen und bilderreichen Sprache sichtbar zu machen. Soll heißen: Dichtkunst hat das Potential, Menschen geistig zu bereichern, Musik hat es nicht.

Ich stimme dem zu als jemand, der selbst Musik und Malerei verkauft (Clubmusik und Fantasyerotik) und auch schreiberisch aktiv ist. Musik spricht fast jeden an, sie ist die am allerwenigsten exklusive Kunst. Es gibt keinen banaleren Satz als „Ich liebe Musik“. Malerei stellt höhere Ansprüche, sie fordert das Denken zum Assoziieren heraus. Hier hat die Malerei sicher seit Anfang des 20. Jh. mit der Kraft des sprachlichen Ausdrucks gleichgezogen. Und doch hat letzterer den entscheidenden Vorteil, dass die Aussagen und die sprachlich induzierten Bilder im Bewusstsein hängen bleiben und es auch lange nach dem Lesen beschäftigen.

Gadamer zerschlägt in meinen Augen die unheilvolle Dichotomie in „geistig“ / „sinnlich“.

Tut er das? Und warum ist diese „unheilvoll“?

Aber ich habe bei ihm (noch nicht) eine Zurückweisung der Kantschen Wertehierarchie zwischen den Künsten gefunden…

Gadamer ist nicht anders als Kant und Hegel ein homme-de-lettre. Warum soll er sein eigenes Medium, die Sprache, mit gefühlvollen, aber intellektuell unverbindlichen Klangspielereien gleichsetzen?

Chan

Literaturvorschläge
Falls die Frage noch aktuell ist, kann ich folgende Bücher empfehlen:

  • Diaconu: Tasten - Riechen - Schmecken: eine Ästhetik der anästhesierten Sinne (2005)

  • Naumann-Beyer: Anatomie der Sinne im Spiegel von Philosophie, Ästhetik, Literatur (2003)

  • Jütte: Geschichte der Sinne (2000)

Ein früher Kritiker der Sinneshierarchie von Kant (die auf einer langen Tradition basiert) war Herder, der den Tastsinn aufwertete (vgl. hierzu etwa Ulrike Zeuch: Umkehr der Sinneshierarchie: Herder und die Aufwertung des Tastsinns seit der frühen Neuzeit).

Viele Grüße!

Einspruch!
Hi Chan

Dichtkunst (ich zumindest verstehe darunter auch epische
Literatur) spricht einen höheren Bewusstseinsbereich im
Menschen an als Musik. Letztere appelliert „nur“ an Gefühle,
d.h. das strukturierte Tonmaterial löst im Unbewussten
resonante Schwingungen aus, die vom Bewusstsein als Gefühl
wahrgenommen werden. Das entsprechende Spektrum ist extrem
weit. Aber es sind und bleiben nur Gefühle, die das Denken
nicht wirklich herausfordern (außer natürlich bei einem
Musiker, der auf das Gehörte fachlich reflektiert).

Da muss ich aber doch vehemment wiedersprechen! Deine Worte und die der zitierten ehrwürdigen Denker zeugen meines Erachtens nur von Wissenslücken.

Musik spricht ebenso Gefühl wie Verstand an wie andere Künste. Dies allerdings nur bei einem Menschen, der emotional aufnahmebereit ist und über entsprechende Erfahrung verfügt (du schreibst ja selber einschränkend vom Musiker, es klingt aber wie eine Ausnahme von der Norm)! Das ist aber bei jeder anderen Kunst so! Eine Theaterstück in russischer Sprache wird bei mir kaum kognitive Prozesse auslösen und ein deutsches Gedicht bei meinem dreijährigen Neffen auch nicht!

Musik hat sehr viel mit Mathematik und Struktur zu tun! Und damit meine ich ausdrücklich nicht lustlose Schüler, die eine Bachfuge nach Umkehrungen und Krebsformen absuchen müssen! Sondern ich meine das, was in meinem Kopf passiert, wenn ich auf dem Sofa liege und ein Mozart-Klavierkonzert lustvoll genieße!

Den Versuch, Künste in eine Rangfolge zu bringen, halte ich angesichts der unglaublichen Komplexität menschlichen künstlerischen Schaffens für sehr naiv, auch wenn meine Worte angesichts eines philosophischen Schwergesichts wie Kant überheblich klingen mögen!

Karl

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