unkämmbarer Igel
Hi,
deine Frage berührt das in der Mathematik bekannte „Problem des (un)kämmbaren Igels“. Es lautet in metaphorischer Ausdrucksweise: „Jeder stetig gekämmte Igel hat mindestens einen Glatzpunkt“. Dabei steht „Igel“ hier für einen 3-dimensionalen „Voll-Igel“ und es bedeutet: Wenn man auf einer Kugeloberfläche aufrechtstehende Haare glattkämmen will, gibt es mindestens 1 Stelle, an der das Haar nicht glattliegen kann.
Mathematisch formuliert entsprechen die Haare einem Vektorfeld, und der Satz lautet dann: „Jedes glatte Vektorfeld auf einer Sphäre Sn gerader Dimension für n ≥ 2 hat mindestens eine Nullstelle.“
Bei einer Rotation kann man jedem Punkt der Sphäre einen Vektor zuordnen, so daß man ein Vektorfeld hat. Und eine Nullstelle entspricht dann einem Pol der Rotation.
In diesem Zustand müssten sich wohl alle Punkte auf einer Kugeloberfläche gleich schnell bewegen.
Ja, aber daß das nicht geht bei einer Kugeloberfläche (= Sphäre S2) im 3-dim euklidischen Raum (= R3), bei einer Kreislinie S1 in der Fläche R2 aber sehr wohl, ist beweisbar. Und bei der Sphäre S3 einer 4-dimensionalen Kugel im R4 geht es wieder.
Allgemein gilt das sogar für alle Sphären (also Kugeloberflächen) S2n-1 (also mit ungerader Dimension), die in einem R2n (also mit gerader Dimension) rotieren. Die „Achse“ A, also die Menge derjenigen Punkte, die bei der Rotation mit sich selbst identisch bleiben (auch bei der Rotation der jeweiligen Vollkugel), ist immer eine An-2: Beim Kreis also ein A0, ein Punkt, bei der Kugel ein A1, eine Linie, und bei der 4-dim Kugel mit der 3-dim Sphäre eine A2, eine Fläche (womit deine letzte Frage beantwortet wäre).
Der Beweis wurde zuerst 1912 von dem holländischen Mathematiker Jan Brower gebracht. Danach gab es noch andere. Die Beweise sind allerdings nicht ganz simpel, sie kommen alle aus den mathematischen Gebieten der Differentialtopologie, der Differentialgeometrie (Beweis von Milner) und der algebraischen Topologie (Beweis mit dem Satz von Poincaré-Hopf).
Bei den Beweisen spielt unter anderem die Euler-Charakteristik χ eine Rolle. Für n-Sphären gilt immer
χ(Sn) = 1 + (-1)n.
χ(Sn) ist also immer 0 oder 2. Polfreie Rotationen, also solche, bei denen sich alle Punkte bewegen) gibt es also bei n-Sphären mit χ(Sn) = 0, und Pole bei n-Sphären mit χ(Sn) =2.
Kleiner Zusatz: Die Bestimmung „mindestens 1“ Nullstelle (bei Rotation = „Pol“) besagt, daß es auch Rotationen mit mehr als 2 komplemantären Polen (wie im R3 gibt. So kann z.B. die S4 im R5 zwei (feststehende) Rotationsachsen haben (also 2x2 komplementäre Pole), um die sie gleichzeitig rotiert.
Gruß
Metapher