Kurden (wieder) als Opfer der USA?

Servus,

vor kurzem hat Trump einen vollständigen Abzug der US Truppen aus Syrien binnen 30 Tagen angekündigt. Die stehen hauptsächlich im Nordosten des Landes, wo sie die SDF (die wiederum hauptsächlich aus Kurdischen Einheiten besteht) militärisch und logistisch unterstützen.
Vor ein paar Tagen klang das noch anders und die USA planten, in der Region eine schlagkräftige Armee aufzubauen. Das hatte dann Drohungen aus der Türkei zur Folge, die die kurdischen Einheiten als Terroristen sieht und einen baldigen Angriff in Aussicht stellt.

Die NYT hat dem Thema einen längeren Artikel gewidmet. Die wichtigsten Punkte:

  • Das Pentagon (unter anderem Verteidigungsminister Mattis) ist gegen den Abzug und sprechen von einem Verrat an den kurdischen Verbündeten
  • Es wird eine türkische Offensive befürchtet
  • Hochrangige Republikaner wie Senator Graham sind ebenfalls gegen den Abzug und wurden offenbar im Vorfeld nicht informiert.

Vor kurzem gab es Gespräche zwischen Erdogan und Trump, in deren Folge Ankara behauptete, dass die USA Gülen ausliefern würden. Möglicherweise wurde hier auch der Rückzug beschlossen.

Für mich bleiben nun zwei Fragen: Ziehen die USA den Abzug durch? Nutzen die Türken dann die Gelegenheit, um sich die kurdischen Gebiete im Nordosten Syriens ebenfalls einzuverleiben?

Als die Türkei damals Afrin angriff, machte man hier noch den Gedanken lächerlich, dass weitere kurdische Gebiete zum Ziel werden könnten. Am 14. Jänner begann der türkische Angriff auf Afrin und falls die US ihren Zeitplan einhalten könnte ziemlich genau ein Jahr später der Weg zu den restlichen Kurdengbieten frei sein.

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Ach? Jetzt sollen die Amerikaner also militärisch unterstützen? Klang es nicht immer so, als verbreiteten die Amerikaner mit ihrer Militärpräsenz nicht nur Angst und Schrecken, sorgten für Destabilisierung, seien schuld daran, dass wir hunderttausende Migranten aufnähmen und als verträten sie nur eigene Interessen und seien auf Rohstoffe aus? War das unter den intellektuellen Westeuropäern nicht gängiges Gerede, wenn es um den Irak, Afghanistan usw. ging? Und jetzt plötzlich sind die Amis die Bösen, weil sie abziehen?

„42!“

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klar doch…oder gibt es in Syrien Oel?

Mehr als Rang 31 schaut nicht raus :stuck_out_tongue:

Ich weiß nicht mehr wer das gesagt hat: „Eine Revolution kann man nicht exportieren“ oder ähnlich. Die amis waren immer die Bösen, weil sie „Demokratie“ in verschiedenen Ländern einführen wollten. Meiner Meinung nach kann man in einem Land keine politische Veränderungen erreichen, wenn die Opposition nicht vereint und stark genug ist, das System zu stürzen. Da können ewig ausländische Mächte ihre Truppen stationieren, aber eine echte Änderung wird nicht erreicht. Siehe Irak, Tunesien, usw.

Sehe ich ähnlich, nur ist der Fall in Syrien doch etwas anders. Die SDF (und damit in der Hauptsache die Kurden) waren mehr oder weniger die Bodentruppen der USA im Kampf gegen den IS und sie waren in vielen Schlachten an vorderster Front. Alleine bei der Eroberung von Raqqa starben mehr als 650 Kämpfer. Wie du dieser Karte entnehmen kannst, war die SDF maßgeblich daran beteiligt, den IS in Syrien zurückzudrängen:

Und auch wenn Trump das vielleicht sogar selber glauben mag, dass der IS besiegt ist, wird dir jeder Experte was ganz anderes berichten. Selbst in Trumps Umfeld hat ihm so ziemlich jeder von der Entscheidung abgeraten und der Rücktritt von Verteidigungsminister Mattis ist auch in diesem Zusammenhang zu sehen.

Was wird denn jetzt passieren, wenn die US Truppen Mitte Jänner abgezogen sind? Ich persönlich sehe zwei Möglichkeiten:

  • Die Kurden arrangieren sich mit Assad (und damit dem Iran). Letzterer sitzt dann noch fester in Syrien, als er es jetzt schon mit der Hisbollah ist und du kannst ja mal Israel fragen, wie ihnen dieser Gedanke gefällt.
  • Falls das nicht gelingt wird die Türkei mit ziemlicher Sicherheit ihre Drohungen wahr machen und in die Kurdengebiete einmarschieren. So ein kleiner Krieg ist genau das, was ein Despot wie Erdogan bei innenpolitischen Probleme braucht. Dass die Türkei zu so etwas willens und in der Lage ist, haben sie in Afrin gezeigt, das sie in einem Monat überrannt und dabei ca. 1000 kurdische Kämpfer getötet haben.

Was interessiert uns das? In kurdischen Gefängnissen stecken tausende IS Kämpfer und niemand weiß, was mit denen im Falle eines türkischen Angriffs geschieht.
Wenn die US die Kurden verraten, haben sie in der Region niemanden mehr, auf den sie sich verlassen können und Israel steht ziemlich alleine da.
(Mattis betonte in seinem Kündigungsschreiben, wie wichtig es ist, seine Verbündeten mit Respekt zu behandeln.)

Zu den USA kann man stehen wie man will, aber selbst aus ihrer Sicht ist dieser Abzug so ziemlich das Dümmste, was man in dieser Situation machen kann. Das werden dir hochrangige Militärs und Politiker beider Seiten auch bestätigen.

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Die Washington Post schreibt gestern:

When he spoke to President Trump on the telephone a week ago Friday, Turkish President Recep Tayyip Erdogan’s agenda had not changed from when they met two weeks earlier at the Group of 20 summit in Argentina.

He repeated his inability to understand why the United States was still arming and supporting Syrian Kurdish fighters to conduct a ground war against the Islamic State. […]

The Islamic State, according to Trump himself, had been defeated, Erdogan said. Turkey’s military was strong and could take on any remaining militant pockets. […]

“You know what? It’s yours,” Trump said of Syria. “I’m leaving.”

'nuff said.

Der Mann, der sich in der Trump Administration am besten mit dem Thema auskennen sollte, hat sich genau das Gleiche gedacht:
US-Sondergesandter für Kampf gegen den IS tritt zurück

Aber was weiß der schon und wenigstens freut sich Putin über den Abzug :thumbsup: