Ländliche Thermen in Oberschwaben und Nordschwarzwald
Servus,
sowohl Staffelstein als auch Bad Kissingen sind recht ländlich gelegene kleine Städtlein.
Wenn Du es noch ein bissle rustikaler haben möchtest (und nicht salz- sondern schwefelbetont), gehst Du nach Oberschwaben, nach Bad Saulgau. Saulgau hat ein paar hundert Jahre lang geschlafen, seit es nicht mehr vorderösterreichischer Verwaltungssitz ist (Maria Theresia steht da heute noch zwischen Seelen, Krautköpfen und Suppenhennen auf dem Marktplatz), und ist erst aufgewacht, als man dort Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nach Öl gebohrt hat. Öl hat man keines gefunden, aber heißes Wasser, und wegen des dicken Meißels, der da zur Prospektion niedergebracht worden war, kann man jetzt mit dem heißen Wasser richtig aasen: Im Januar blühen die Krokusse im Park, durch den ein Bächlein mit heißem Wasser fließt, und bei der Therme hat es außerhalb der Halle große Becken im Freien. Mir gefällt die Sonnenhoftherme sehr gut, weil das Publikum dort zu einem großen Teil aus Leuten von der Gegend besteht: Bauern, Dachdecker, Zimmerleute, Hausfrauen, Krankenpfleger und -schwestern - Lauter Leute, die sich im Lauf eines Lebens das Kreuz kaputtgeschafft haben und jetzt das heiße Schwefelwasser brauchen können.
Wenn Du es in Saulgau ganz ländlich haben willst, gehst Du in Quartier in den Oberamer Hof etwa drei Kilometer vom Ort weg: Da schauen sozusagen die Pferde beim Fenster zur Gaststube herein, der Most auf dem Tisch kommt von den Apfelbäumen hinter dem Hof und am Freitag wird das Backhäuslein angeheizt zum Dinnetebacken. Man muss sich halt den Tagesablauf ein bissle einteilen da, weil mit frisch gewärmtem und entspanntem Rücken direkt aus der Therme, dem Dampfbad oder der Sauna die drei Kilometer zum Oberamer Hof hinaus auf Teerstraße oder befestigtem Feldweg nicht unbedingt das Beste sind, gleich ob man das zu Fuß oder mit dem Fahrrad macht.
Eine Einschränkung: Saulgau ist für Leute, die nicht wie ich von Geburt wegen in das schwäbische Oberland vernarrt sind, außerhalb von Juli und September unter Umständen gewöhnungsbedürftig, weil es da oben fast immer von irgendwoher bläst und ganz niederschlagsfreie Tage nicht gar so häufig sind. Mir gefallen die dampfenden, tropfenden, dunklen Fichtenwälder, aber ich kann es gut verstehen, wenn sie nicht jedem gefallen. Wenn man dann allerdings auf der Atzenberger Höhe einen Föntag erwischt, die ganze Alpengirlande hinter dem See zum Greifen nahe liegt und die Seele nach Oberitalien fliegen möchte, ist das schon zur Versöhnung mit den Unbilden der Welt geeignet.
Als ein ganz kleines, ländliches Badeidyll habe ich noch Bad Wildbad im Nordschwarzwald zu bieten: Dort gibt es zwei Thermen, eine mit dem Charme des ausgehenden 19. Jahrhunderts und eine praktische, moderne aus den 1960er Jahren; außerdem eine Standseilbahn zu den ersten Schwarzwaldhöhen hinauf, die an dieser Stelle schroff zum Enztal hin abfallen, einen Bus zum Wildsee und der Hohloh samt Aussichtsturm und Wildpark, einige Forellenteiche entlang der Enz und auch sonst viel Auslauf. In Wildbad ist die Gästekarte gleichzeitig Freifahrschein für die Straßenbahn nach Pforzheim und die Busse in der Umgebung.
Schöne Grüße
MM