Kurs in Gewaltprävention

Hallo,
ich war kürzlich beruflich am Rhein unterwegs und hab in einem überfüllten Regionalzug etwas ähnliches erlebt, wie hier in dem Artikel bei einem Gewaltpräventionskurs geübt wird:

…Dann kommt der Moment, als der Rucksack fliegt. Der Junge mit der teuren Nerdbrille soll Jacob bitten, das Gepäckstück vom Nebensitz zu räumen, um dort selbst Platz nehmen zu können. Als der ihn zweimal abblitzen lässt, löst der Junge seine Aufgabe rustikal. Müller wird laut, und Jacob muss erst mal aufstehen und tief durchatmen. „Sowas haben wir noch nie erlebt“, sagt Müller…Mit der gefühlten Lautstärke eines Martinshorns brüllt die Kriminalhauptkommissarin: „Halt!“ Der Schüler mit der schwarzen Designerbrille hat soeben zornig einen Rucksack durch den Klassenraum geschleudert. Es ist das Gegenteil der Reaktion, die Beamtin Ines Müller bei ihrem gut dreistündigen Kurs über Gewaltprävention erzielen wollte.

Bei mir waren es in der Bahn zwei Bänke, die durch einen Tisch getrennt waren. Der Zug war voll. Viele Leute standen; ich auch, mit Gepäck. Ich bat eine junge Frau einen vermeintliche Geigenkoffer neben ihr (Sie Gang, Koffer am Fenster) wegzunehmen, damit ich mich setzen könnte. Sie verwies an den tatsächlichen Besitzer gegenüber des Tischs. Ein junger Mann, neben ihm noch eine junge Frau.
Der belehrte mich erstmal, dass das „keine Geige, sondern ein Saxophon sei“. Er könne es nicht wegnehmen, denn dann würde es im Gang stehen und das sei verboten.
Verboten war aber offenbar nicht, dass ich und alle anderen Leute da standen mit unserem Gepäck. Normalerweise hätte ich die Situation so gelöst wie der Schüler oben (am liebsten hätte ich sie dem Bengel über seinem Kopf zerschlagen), jedoch war die Situation unklar. Ich wusste nicht, ob die junge Frau neben dem Kasten mit dem Pärchen ein Trio bildet, so dass ich notfalls auch erstmal gewaltsam über sie hätte rüber klettern müssen, um auf den Sitz zu gelangen. Mit dem ganzen Reisevolk ringsrum wäre so eine BruteForceAttacke sicherlich auch von Nachteil gewesen. Ich wollte auch meine Reise fortsetzen und nicht auf irgendeiner Wache vernommen werden.
Wegen des vollbesetzten Zuges ließ ich es bei einem mündlichen Protest bewenden und hasse mich noch heute dafür :rage:.
Noch ehe der Fahrkartenkontrolleur durchkam, füllte sich der Zug soweit, dass der Typ den Platz nicht mehr sperren konnte und sein Instrument auf den Schoß nahm. Ich stand jedoch dann natürlich weiter weg und hatte nichts mehr davon.
Wie hätte ich mich verhalten sollen?

Gruß
rakete

1 Like

Ich weiß nur wie ich mich verhalten hätte. Das willst du aber nicht wirklich wissen. :triumph:

Hmmm…

Saxophonkoffer greifen und dem Mann mit den Worten „Es ist aber nicht verboten wenn sie den auf den Schoss nehmen“ geben und wahlweise dazu aus den Beförderungsbedingungen der Bahn zitieren (die er mit Benutzung des Zuges akzeptiert hat):

„Jeder Reisende darf nur einen Sitzplatz belegen.“

https://www.bahn.de/p/view/mdb/bahnintern/agb/gesamt2016/mdb_234038_befoerderungsbedingungen_03_11_2016.pdf , S. 20, 6.1

Tief durchatmen und realisieren, dass eben nicht alles so läuft wie es sollte.

Hallo rakete,

ma´ gut so. Du hast dich ganz passabel ´geschlagen´. Bravo. Sieger nach Punkten. Das Hausrecht der Bahn, ich meine die Beförderungsbedingungen legt einzig und allein der Schaffner aus. Selbst Polizisten können nur dann reglementierend einschreitend, wenn sie der Schaffner drum ausdrücklich bittet. Ansonsten bleibt einem Polizisten nur zu ermahnen und zu appellieren.

Du wandtest, ohne es zu wissen, die Lehre des Aikido an. Die Königs-Disziplin aller Kampfsportarten. Bezweckt wird, sich selbst (und andere) zu schützen, ohne den Aggressor zu verletzen.

Die rechtliche Seite ist die, dass niemand einen Sitzplatzanspruch hat. Nicht einmal ich als Polizist. Es war somit durchaus begründet bzw. nachvollziehbar, das er Dir den Platz nicht anbot. Zudem hättest Du Dir den Vorwurf der Körperverletzung zugezogen.

Richtig war in jedem Fall, den Fahrgast mit seinem unachtsamen Verhalten zu konfrontieren. Dass er sich ebenso anmaßen kann wie Du, die Beförderungsbedingungen auszulegen, aber dass in Spitzenzeiten es sich eigentlich gehört, Verständnis zu zeigen, wenn jemand ebenfalls nach einem Sitzplatz sucht.

Okay. Nicht mehr. Das wirkt. Glaub mir. Lange dauerte es offenkundig ja nicht mehr bis er den Platz für einen anderen Fahrgast räumte, Wie auch immer. Als Sieger bist Du hervorgegangen.

Gratuliere!

Grüße mki

Die Methode, die ich in einem vergleichbaren Fall mal anwandte, geht leider nicht mehr, seit sich im ICE die Fenster nicht mehr öffnen lassen…

Das hatte ich erwogen und vielleicht machen sollen, auch wenn ich den Platz nicht genommen hätte. Unklar war ja, ob sich die am Gang sitzende Frau kämpferisch solidarisch verhält und ich am Ende das ganze Abteil Zeuge der Eskalation werden ließe.

War mir auch klar, doch das wollte ich nicht mit Fautrecht erzwingen. Das gerade wurmt mich ja so.

Gruß
rakete

Der Musikheini zieht aber so keine Lehre daraus. Ein paar Maulschellen wären nicht fein, aber dann hätte er sich vielleicht die Beförderungsbedingungen mal für später durchgelesen.
Aber wie gesagt: zuviele Augen. Gewalt wäre auch gar nicht nötig, wenn sich die leute nur mhr solidarisieren würden. Wenn ich Unterstützung gespürt hätte, hätte ich mich für eine gewaltlose Eskalation entschieden (Tute runterwerfen und Platz notfalls gegen den Widerstand der Sitznachbarn einnehmen, durch vorbeizwängen).
Gruß
rakete

1 Like

Aber auch dass niemand ein Anrecht darauf hat sein Musikinstrument auf einem Sitzplatz mitreisen zu lassen.

Gesten im Bus:

Ich, mit vollem Rucksack, bin vorne eingestiegen, kam gerade mal so rein aber der Rucksack war noch zwischen der Tür. Vor mir zwei Damen, welche den Weg versperrten.
Der Bus sollte eigentlich gerade abfahren.
Nach einiger Zeit machte ich dann: „Tüüt tüüt“.
Die eine Dame hat dann etwas rumgemotzt: „Was tüüt tüüt?“, hat dann aber aufgeschlossen und ich konnte dann auch richtig rein.

Mein nächstes Argument wäre dann Gewesen: „So lange ich hier stehe, geht die Türe nicht zu und wenn die nicht zu geht, kann der Bus nicht fahren“, war aber dann nicht nötig.

Bei dieser Buslinie gibt es noch ein weiteres Phänomen:
Der Bus kommt von weiter her, fährt dann aber vom Bahnhof noch 4 Stationen bis zur Endhaltestelle. Ich muss an der Endhaltestelle raus.
Normalerweise kommt der Bus 5-6 Minuten vor der Bahn an und fährt 5-6 Minuten nach der Bahn ab. In den Stosszeiten kommt der Bus aber meistens erst nach der Bahn an.
Wenn der Bus am Bahnhof ankommt ist er fast leer und alle stürzen sich auf die Sitzplätze. Die nächste Haltestelle wird meistens ausgelassen und an der zweiten ist man nach 1-2 Minuten. Dort steigen dann 70-80% der Leute aus. Bis zur Endhaltestelle braucht der Bus dann noch 3-4 Minuten.

MfG Peter(TOO)

That is it. :neutral_face:

Niemand hat ein Anrecht ÜBERHAUPT. Lediglich einen Anspruch auf Beförderung von A nach B. Unter welchen Umständen bleibt dem Schaffner überlassen, wie er mit Hilfe der Hausordnung für entspannte Stimmung sorgt.

Wenn die Fahrgäste sich nicht beim Schaffner beschweren (sofern er in der Nähe ist) passiert gar nichts.

Solche Situationen zu regeln, bleibt prinzipiell den Fahrgästen überlassen. Man geht davon aus, dass sie ja schon geschäftsfähig sind und dem entsprechend vernünftig.

In der Regel hängt bei niemandem davon das weitere Leben ab.

Grüße mki

Das gilt nicht immer, weil der Busfahrer entscheidet. Der Bus fährt auf jeden Fall los. Mit oder ohne den Streitparteien. Meist bleibt nur eine Streitpartei zurück.

Grüße mki

Der Busfahrer entscheidet, dass er den Beförderungsanspruch eines Fahrgastes mit gültigem Fahrausweis trotz vorhandener Plätze nicht erfüllt? Klar, kann er machen. Indem er diesen Fahrgast dann rauschubst?

HmJooooah. Aber nicht schubsen! Der Busfahrer müsste die Polizei hinzurufen. Die zeigt dem Fahrgast das Arsenal, über das sie verfügt, um die Entscheidung des Busfahrers (Rauswurf) durchzusetzen. Sehr oft überzeugt das den Wütenden und er setzt liebend gern einen Schritt wieder zurück. Wenn nicht, werden Handschellen angelegt und ab auf die Wache hm, hm, hm…

Grüße mki

Hier in Berlin fahre ich Strecken, wo der Bus an Schulen vorkeikommt. Morgens fahren Einsetzer, d.h. Busse sind zwar voll, aber pünktlich. Nach Schulschluss kann das drastisch anders sein. Fahrpläne werden so schlecht eingehalten, dass es scheint, als wenn ganze Busse ausgefallen sind. Viele fahren prpppenvoll mit Jugendlichen gefüllt an den Haltestellen vorbei. Oder man kapituliert freiwillig, damit man nicht das von dir beschriebene Problem mit der Tür bekommt.
Gruß
rakete

Ein Problem mit der Lesekompetenz?

Er kann bitten, dass die Leute etwas aufschliessen und Platz machen oder Passagiere wegen Überfüllung an der Haltestelle stehen lassen.
Aber wenn der Busfahrer mit offener Tür los fährt macht er sich hier strafbar! Das kann in manchen Bananenrepubliken anders sein, da dürfen dann auch Passagiere auf dem Dach befördert werden.

Hatten wir hier auf dieser Linie auch schon.
Die Tür war kaputt, was der Fahrer wusste und auch schon ein Ersatzfahrzeug geordert hatte. Er wollte aber noch vom Bahnhof zur Endstation fahren.
Der Bus war mehr als voll, unterwegs ging dann die Tür auf und einer ist während der Fahrt fast rausgefallen. Der fast Gefallene rief dann im ersten Schock ein paar nicht so nette Worte quer durch den Bus dem Fahrer zu.
Der Fahrer fühlte sich beleidigt und forderte die Polizei an. Die traf dann auch hier an der Endstation ein.
Da der Fahrer auf seiner Anzeige bestand, bestand die Polizei auch darauf den Fahrer anzuzeigen, weil er wissentlich mit dem defekten Bus gefahren ist.
Die Polizei hätte ein Auge zugedrückt, wenn der Fahrer nicht auf seiner Anzeige bestanden hätte.

Ich habe das direkt mitbekommen, da ich auf den Ersatzbus warten musste.
Ich weiss nicht wie das dann weiter ging (Gericht), aber den Fahrer habe ich nach diesem Tag nie mehr gesehen …

MfG Peter(TOO)

1 Like

Du fährst ausgesprochen selten mit Öffentlichen, nicht wahr?

Hallo raketenbasis,

im Nachhinein fällt einem immer etwas ein, ich weiß…
Also fällt mir im Nachhinein ein:
Den netten Mann -

freundlich fragen, ob er für sein Instrument auch einen Platz gekauft hat, weil es ihm ja viel wert sei und er doch die Beförderungsbedingungen der Bahn, die er mit Benutzung des Zuges akzeptiert hat, wonach jeder Reisende nur einen Sitzplatz belegen belegen darf.
Überraschungsmoment, weil sein Instrument hervorgehoben wird? Den folgenden (SItzplatz)Satz wird er vielleicht nicht so schnell realisieren. Du hast zwar deswegen noch immer keinen Sitzplatz, er aber dafür eine Erinnerung, die vielleicht nachwirkt!

So nebenbei:
Ein junger Mann, der ein Cello im Zug transportierte, hat die 1. Klasse bezahlt, damit ein zweiter Platz für sein Instrument zur Verfügung stand.
Das alles in der WESTBAHN auf der Strecke von Salzburg nach Wien…

Gruß
dafy

Ich versuche aus dieser Frage eine Koversation in die Gänge zu bringen . Geht aber nicht, weil ich mir nicht denken kann, wie Du darauf kommst. Ich bin der ÖPNV-Silver-Surfer! Dabei habe ich meist ein verchromtes Faltrad, mit dem ich um die Leute herum zirkele. Ich hetze über die Bahnsteige hin und her, um den nächste Anschluss nicht zu verpassen. Mein Birdy, so nenne ich mein Faltrad, ist wegen der kompakten Abmessungen sehr wendig und agil. Ich finde damit noch in der kleinsten zugestellten Lücke Platz. Dann kommt es immer mal vor, dass ich bewundernt auf mein Faltrad angesprochen werde. Was mich jedes mal zu einem Grinsen veranlasst und ich den Zurückbleibenden noch kurz durch die sich schließende Fahrgasttür freundlich zuwinke. Hey, es ist immer wieder eine kleines Abenteuer mit dem Personennahverkehr im Berufsverkehr unterwegs zu sein!

Grüße mki