Kurzfristig Zwangsurlaub möglich?

Behörden & Recht Arbeitsrecht
#1

Guten Tag,
wir stellen uns folgenden Sachverhalt vor:

Arbeitnehmerin (A) ist als Teilzeitkraft bei einem Optiker (O) beschäftigt und hat für die erste Woche der Herbstferien NRW bereits zu Beginn des Jahres Urlaub beantragt und diesen auch genehmigt bekommen.

Nun wird das kleine Geschäft durch eine größete Kette übernommen, so dass der (O) Franchisenehmer wird.

In der ersten Woche der Herbstferien (also im geplanten Urlaub der A) findet eine neue Softwareeinführung statt, an der (A) teilnehmen soll.
Ab der zweiten Ferienwoche wird das Geschäft für ca. 3 Wochen wegen Umbauarbeiten geschlossen. Es wird seitens (O) angeordnet, dass die Mitarbeiter (auch (A)) unbezahlten Urlaub nehmen müssen, bzw. Urlaubstage dafür verlorengehen.

Nun meine Frage: Kann (O) seinen Mitarbeitern diesen (unbezahlten) Urlaub über einen so langen Zeitraum „aufzwingen“ bzw. anordnen, dass dafür Urlaubstage vom „Urlaubskonto“ gehen? Wie sieht es mit der ersten Ferienwoche aus (Urlaubsverwehrung)?

Ich wünsche einen schönen Tag.
Vielen Dank

#2

Hallo,

nachweislich (hoffentlich schriftlich) genehmigter Urlaub kann nur in absoluten Notsituationen widerrufen werden. Eine planbare Software-Umstellung gehört idR nicht dazu.

Der AG kann nicht einseitig unbezahlten Urlaub anordnen. Er könnte lediglich eine Art „Betriebsferien“ anordnen. Dabei darf er einen Teil der Urlaubsansprüche der AN verplanen. Allerdings muß er dann diese Betriebsferien so rechtzeitig ankündigen, daß die AN diese in ihrer Urlaubsplanung berücksichtigen können.

Wenn aber die AN wegen bereits geplantem und genehmigtem Urlaub nicht mehr ausreichend Urlaub haben, um diese Betriebsferien zu überbrücken, ist der AG grundsätzlich im sog. „Annahmeverzug“ gem. § 615 BGB
http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__615.html
Der AG muß den AN auch dann entlohnen, wenn der AG vom AN keine Arbeitsleistung fordert.

Da dies aber von den konkreten Einzelfallumständen abhängig ist, solltest Du die Angelegenheit schnellstmöglich durch einen Fachmenschen vor Ort (Fachanwalt für Arbeitsrecht) prüfen lassen und bis dahin keinerlei Zusagen ggü. dem AG machen. Hoffentlich hast Du nicht am Rechtsschutz gespart.

Mittelfristig solltest Du Dich nach einem neuen AG umschauen, denn ein AG, der bei diesem Anlass derart versucht, seine AN über den Tisch zu ziehen, wird erfahrungsgemäß auch bei anderen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nicht rechtstreu agieren.

Ich gehe mal davon aus, daß es in Eurem Laden keinen BR gibt.

&Tschüß
Wolfgang

#4

Hallo Wolfgang,

velen lieben Dank für die schnelle und sehr ausführliche Antwort. Darüber habe ich mich sehr gefreut.