Lat. 'eum' -> dialekt 'eam'

Hallo,

in einigen österreichischen und tw süddeutschen Mundart- und dialekt-formen wird der Akkusativ „ihn“ bzw „ihnen“ als „eam“ ausgesprochen. Da sich in regionalen mundarten viele althochdeutsche und lateinische Worte erhalten haben liegt die Frage nahe, ob das „eam“ vom lateinischen „eum“ abzuleiten ist.

Gibts hier Thesen, die das belegen oder widerlegen können?

hg,

Peter

Hallo, Peter,

es ist völlig unnötig und nachgeradezu abwegig zur Erklärung der Dialektformen „eam, eana, eis, eink“ den Umweg über das Latein zu gehen.
Die zweite germanische Lautverschiebung reicht dazu aus. Innerhalb dieser wurde aus dem langen î der Diphtong ei, wie in wîp => Weib, lîp => Leib.
Im Oberdeutschen - also den süddeutschen Dialekten - ging die Diphtongierung viel weiter, wie man es an „ihn“ => „eam“, Ihnen => eana" beobachten kann.
Diese weitergehende Diphtongierung wurde bei der Weiterentwicklung vom Mittelhochdeutschen über das Frühhochdeutschen zum Neuhochdeutschen nicht aufgenommen.
In den Dialekten blieb sie erhalten.

Man kann das in einer Sprachgeschichte des Deutschen nachlesen.

Gruß Fritz

Noch ein Beispiel!
Koan Weana sôgt Wien und kein Wiener schreibt Wean!
SCNRFRITZ

Hallo Fritz,

danke für die Erklärung. Was mir immernoch ein Rätsel bleibt ist aber die Verschiebung von „n“ zu „m“ „ihn“ -> „eam“. Kommt das durch Verwechslung des Dativ mit dem Akkusativ zustande oder gibts hier so eine Art Konsonantangleichung ähnlich dem englischen?

nochmaliger Dank,

Peter

Akk vs. Dat im Bairischen

danke für die Erklärung. Was mir immernoch ein Rätsel bleibt
ist aber die Verschiebung von „n“ zu „m“ „ihn“ -> „eam“.

Hallo Peter,
es ist in der Tat so, dass im Bairischen in bestimmten Fällen der Dativ den Akkusativ ersetzt (und umgekehrt).
Ich zitiere aus „Bairische Grammatik von Ludwig Merkle“:

Der Ersatz des Akkusativs durch den falschen Dativ tritt nur beim Personalpronomen ein: aus ihn wird eahm, aus Sie wird eahna.

Warum das so ist, weiß man nicht genau, es gibt aber die Vermutung, dass der Dativ (eahna) einfach höflicher klingt als das „Sie“ und dass analog dazu das „eahm“ statt „ihn“ verwendet wird.

Noch ein Zitat aus dem Buch: (ein Zitat im Buch)

Zu merken ist, daß ein Frauenzimmer von etwas gutem Stande es übel deuten würde, wenn man im Discurse mit ihr im Accusativ das Sie von ihrer Person gebrauchen wollte. Man darf nicht sagen: Mamsell, ich habe Sie gestern gesehen, sondern: ich habe Ihnen gestern gesehen. Das Sie im Accusativ ist nur für Mädchen und Weiber von geringerem Stande. Z.B. Jungfer Köchinn, ich habe Sie gestern gesehen. (so erklärte man das Ende des 18. Jahrhunderts)

Grüße
Uschi

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danke für die Erklärung. Was mir immernoch ein Rätsel bleibt
ist aber die Verschiebung von „n“ zu „m“ „ihn“ -> „eam“.

Hallo, Uschi und Peter,

ich glaube nicht, dass es grammatischer Spekulationen bedarf, um den Wechsel von „n“ zu „m“ zu erklären.

Das ist einfach phonetische Unreinheit, „Maulfaulheit“, die es auch an anderer Stelle reichlich gibt.

So wird „Senf“ zu „Sempf“ oder gar zu „Sempft“, aus „Manfred“ (ihr wisst schon, der Manta-Fahren) „Mampfred“, aus dem „Brenneberger“ ein „Bremberger“ etc.

Achja, und Uschi, wo hast du dieses nette Zitat her?

Gruß Fritz

danke für die Erklärung. Was mir immernoch ein Rätsel bleibt
ist aber die Verschiebung von „n“ zu „m“ „ihn“ -> „eam“.

Lieber Fritz,

ich glaube nicht, dass es grammatischer Spekulationen bedarf,
um den Wechsel von „n“ zu „m“ zu erklären.

Das ist keine Spekulation, sondern ist belegt. Du willst doch nicht im Ernst behaupten, dass etwa zwischen „Eahna“ und „Sie“ nur ein marginaler Ausspracheunterschied besteht?
Außerdem:
„ihn“ wird im Bairischen niemals als [„eahn“] gesprochen. Das wird verkürzt zu „n“.
Beispiel: Host 'n gsegn? (= Hast du ihn gesehen). Betont wird daraus eben dieser falsche Dativ.

Das ist einfach phonetische Unreinheit, „Maulfaulheit“, die es
auch an anderer Stelle reichlich gibt.

Nicht so in diesem Fall.

So wird „Senf“ zu „Sempf“ oder gar zu „Sempft“, aus „Manfred“
(ihr wisst schon, der Manta-Fahren) „Mampfred“, aus dem
„Brenneberger“ ein „Bremberger“ etc.

Das stimmt alles, trifft aber hier nicht zu.

Achja, und Uschi, wo hast du dieses nette Zitat her?

Das nette Zitat habe ich aus dem bereits genannten Buch:
Ludwig Merkle, Bairische Grammatik, München 1975 ISBN 3-88034-127-3 Buch anschauen

Du wirst es nicht glauben, aber dieses Buch hat 200 Seiten und beschreibt die grammatischen Besonderheiten des Bairischen sehr detailliert (und auch recht unterhaltsam).

Grüße
Uschi

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Liebe Uschi,

ich habe wohl vorschnell geantwortet und daher Unsinn geredet.
So wie du es darstellst, ist es richtig!

Das nette Zitat habe ich aus dem bereits genannten Buch:
Ludwig Merkle, Bairische Grammatik, München 1975 ISBN
3-88034-127-3 Buch anschauen

Scheint vergriffen zu sein; schade.

Grüße
Fritz

Danke Fritz und Uschi
Liebe Uschi, lieber Fritz,

ich danke Euch beiden für die umfassenden Erklärungen. Vermutlich könnte nur ein EEG der betreffenden Personen klarheit bringen, weshalb im südlichen Raum (Baiern/Österreich) das „m“ bei „eam“ dem „n“ den Platz gegriffen hatte.

Was sich allerdings jetzt eindeutig geklärt hatte war, daß ich mit meiner These (lat. „eum“) wohl eindeutig ziemlich weit daneben gelegen bin.

mit nochmaligem Dank und herzlichen Grüßen,

Euter Peter