Ich kann deine Situation so gut nachempfinden. Nur hatte ich damals das Pech, dass sich eine wild gewordene Klassenlehrerin mit Händen und Füßen dagegen sträubte - bis hin zu illegalen Geschichten - dass ich eine weitere Fremdsprache anfangen wollte (bei uns damals Französisch), weil sie mich für sprachlich grundsätzlich unbegabt hielt. Das Ende vom Lied: Ich habe mich irgendwie bis zum nötigen bitteren Ende mit Latein durchgequält, und habe Französisch nur durch Fernsehen (damals war das Internet noch Zukunftsmusik), Kochbücher und Reisen „so nebenbei“ soweit aufgenommen, dass es für den ein oder anderen Einsatzfall reicht. Ein längerer Trip durch Quebec vor drei Jahren klappte jedenfalls selbst in beinharten frankokanadischen Gegenden vollkommen problemlos.
In Englisch galt ich auch als Versager, bis es eine Englisch-AG gab, in der man gerne mal Filme im Original sah, sich die Möglichkeit für einen USA-Aufenthalt bot, es cool war, sich mit der Times oder der Herald Tribune in den Zug zu setzen, um Ruhe vor „netten Reisebekanntschaften“ zu haben. Schade, dass ich mich dann zu nicht mehr als Englisch als P4 getraut habe. Heute habe ich eine Chefin und viele Kollegen, mit denen ich nur auf Englisch kommuniziere, schreibe fließend Verträge auf Englisch, bin gerne mal ganz unproblematisch in GB oder den USA unterwegs, habe mir einen zusätzlichen Empfänger an der Sat-Anlage gegönnt, und sitze Sonntags gerne mal ein zwei Stunden vor Rick Stein und Co, die dann auf BBC2 laufen, …
Was ich damit sagen will: Vielfach bekommen Fremdsprachen eine ganz andere Bedeutung, wenn sie lebendig, brauchbar und in gewisser Weise cool sind, weil man sich damit interessante Dinge erschließen kann, wie bei mir damals die französische Küche. Dann lernen die sich mit Begeisterung und fast von selbst ganz nebenbei. Bei einer lebendigen Sprache kann man wahnsinnig viel durch praktische Nutzung in einem selbst gewählten Interessensgebiet lernen. Heute mit Internet überall ist das noch viel, viel leichter und billiger als damals, und ist das Angebot riesig.
Und insoweit könnte ich mir vorstellen, dass Spanisch bei Dir auch diesen Effekt haben könnte. Zudem fangen da alle mit Dir gleichzeitig bei Null an. Während Du in Latein vermutlich nach all den Jahren soviel Defizite aufgebaut hast, dass Du damit nicht mehr auf den grünen Zweig kommen wirst, hast Du in Spanisch die Chance den Aufbau von Defiziten zu vermeiden. Spanien ist nicht weit weg, und man kann sich da schnell mal im Urlaub etwas erproben, kann einen Austausch machen, oder gönnt sich Sprachferien. Meine Tochter spricht nach zwei Jahren spielerischen Unterricht in der Grundschule und ein paar Reisen nach England und in die USA und aufgrund der Tatsache, dass sie dann auch mal mit vor dem Fernseher sitzt, wenn ich etwas auf BBC schaue, schon recht viel, das sie einfach so nebenbei aufgenommen hat. Bei mir reichte es am Ende der Grundschule gerade mal für die Zahlen von 1 - 12.
Auch darf man nicht vergessen, dass Spanisch längst nicht nur in Spanien gesprochen wird, und man sich damit einen Schlüssel für weit mehr Länder schafft, der auch im Berufsleben eine interessante Zusatzqualifikation ist.
Und hör bloß nicht auf so Sprüche wie: „Was willst Du denn studieren?“ Latein ist mit ganz wenigen Ausnahmen vollkommen out. Fachwörter und Bezeichnungen kann man in jeder beliebigen Fremdsprache auswendig lernen. Bestimmte Schlauschwätzersprüche ebenso. Dazu muss man eine Sprache nicht beherrschen. Wenn Du also nicht gerade Lateinlehrer werden willst, im Jurastudium Rechtsgeschichte machen möchtest, oder einen Hang zur Theologie verspürst, kannst Du auch ohne/mit dem bislang gelernten durchaus glücklich werden. Ich bin in Jura jedenfalls problemlos durchgekommen. Nur im Italienurlaub habe ich dann gelegentlich doch mal wieder feststellen dürfen, dass man den ein oder anderen Brocken mit irgendwo vergrabenen Lateinkenntnissen versteht