Hallo,
natürlich wäre es schön, wenn man irgendwo im Internet eine Rede finden könnte, die 100 % auf die entsprechende Situation passen würde. Da das aber eher unwahrscheinlich ist, helfen ein paar Grundlagen, mit denen man selbst eine passende Rede erstellen kann:
1. Redeziel festlegen
Wichtig ist, daß man sich bereits zu Beginn der Arbeit darüber klar wird, was man eigentlich erreichen will. Will man das Publikum z. B. belustigen, fesseln, aufrütteln, betroffen machen, Aufmerksamkeit auf etwas lenken, Informationen geben oder nur ablenken? Hat man das Ziel erst definiert, stellt das den roten Faden dar, an denen man die weitere Arbeit orientieren muß.
2. Publikum vor Augen führen
Der Punkt wird auch leicht unterschätzt. Man kann eine herrliche Rede vorbereiten, die nur so von genialen Wortspielen strotzt, wenn z. B. das einfach strukturierte Publikum sie nicht versteht, entsteht beim Publikum Langeweile, beim Redner möglicherweise ein Trauma und vielleicht langfristig das Aus einer möglichen Rednerkarriere.
Beispiel: Man vergleicht das Leben eines Jubilars mit dem Betriebssystem „Windows 95“. Das Publikum besteht zu 90 % aus Rentnern, die nicht die geringste Idee haben, was ein Betriebssystem überhaupt ist.
Also immer vor Augen führen, wer das Publikum ist (Alter, Geschlecht, Fachpublikum, Familie, Gruppenzugehörigkeit - kennen sich die Gäste untereinander? -, etwaige Meinungsführer). So kann man auch Zustimmung und Ablehnung einkalkulieren. Z. B. Der Hinweis auf den hohen HSV-Sieg vom letzten Samstag bei vielen HSV-Anhängern im Publikum sichert hohe Zustimmung oder ein paar zurecht gelegte Verbalkonter für Onkel Heinz, der sich gerne durch unqualifizierte Zwischenrufe bemerkbar macht, nimmt ihm den Wind aus den Segeln. Im Idealfall ist der Redner so emphatisch, daß er schon bei der Redeerstellung nachempfinden kann, wie bestimmte Redeteile von den Zuhörern empfunden werden.
3. Stoffsammlung
Schon bevor man die ersten Zeilen schreibt, sollte man sich ein paar Tage zuvor innerlich mit den Thema auseinandersetzen. Je mehr Aspekte man sammelt, um so besser. Später kann man eine Auswahl treffen und Einzelaspekte beschreiben.
Grundzutaten für eine gute Rede sind treffliche Zitate aus Literatur, Wissenschaft, Religion, Musik, Gesellschaft, Mode, etc., die dann möglichst beiläufig eingesetzt werden.
Man sollte also Zitatensammlungen gründlich durchforsten, auch Beispiele aus dem täglichen Leben der Zuhörer verwenden, ein Blick in die Massenmedien werfen und vielleicht schon mal für spätere Gelegenheiten gelungene Aphorismen sammeln.
Beispiel: 50. Geburtstag der Mutter, welche historischen Ereignisse fanden am Geburtstag statt, welche Stationen im Leben sollten besonders erwähnt werden, welche Leidenschaften, Hobbys hat der Jubilar, welche berühmte Persönlichkeiten wurden am gleichen Ort oder zur gleichen Zeit geboren, welche Charaktereigenschaften beschreiben den Jubilar und, welche Zitate passen dazu?
Mutter mal gerne Bilder, es ist keine hohe Kunst, macht ihr aber Spaß, ergo könnte man zu diesem Abschnitt wie folgt vorgehen: „Johann Wolfgang von Goethe schrieb: „Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.“ Recht hat er, auch ich bin immer sprachlos, wenn ich Mutters Bilder sehe.“
4. Gliederung
In der Gliederung wird nun eine Auswahl aus der Stoffsammlung getroffen. Es gibt eine Einleitung, einen Hauptteil und einen Schluß.
Wie könnte das z. B. bei einer Festrede zu einem Geburtstag aussehen:
A: Einleitung
Anrede "Liebe Jubilarin, liebe Gäste …
Vorstellung „Ich bin sozusagen die Frucht deiner Lenden und so obliegt es mir …“
Stimmungsauflockerung „Oswald Kolle sagte einmal: Jeder ist so alt, wie er sich (an-)fühlt und du, das habe ich gerade bei der Umarmung feststellen können, fühlst dich ganz prächtig an …“
Nennung des Themas „Dies ist eine Laudatio und sie soll zeigen, warum so viele Gäste aus allen Teilen der Welt herbei geeilt sind, um …“
Redeziel: „Mutter hat eine besondere Ehrung in Form ein Rede verdient, weil …“
Hier sollte man kurz und bündig eine Anekdote, eine ungewöhnliche Theorie oder Geschichte einfügen. Z. B. wie die Aborigines in Australien feiern, nämlich dann, wenn man sich signifikant weiter entwickelt hat und nicht, weil sich der Geburtstag jährlich wiederholt. Das könnte dann der rote Faden für den Hauptteil sein, nämlich, wie sich Mutter über die Jahre entwickelt hat
B. Hauptteil
Vergangenheit: „Wie war Mutter, was hat sich ereignet?“
Gegenwart „Wie ist Mutter heute?“
Aussagen von Bekannten, Eigene Beispiele und ein paar passende Vergleiche „Mutter ist wie Dresden, sie wurde zerbombt und doch erstrahlt sie heute im prunkvollen Glanz alter Zeiten, als hätte es die Schrecken der Vergangenheiten nie gegeben“, ggf. auch gegnerische Meinungen vorwegnehmen und widerlegen „Manche sagen … aber …“ (nicht zu lang!)
Zukunft Beschreibung des idealen Zustandes
C: Schluß
Eine kurze Zusammenfassung, die Aufforderung, sich im Sinne des Redeziels zu verhalten, z. B. „Laßt uns Mutter einen schönen Tag erleben“, Publikum für die geschenkte Aufmerksamkeit danken.
So eine eigene Rede ist durch nichts zu ersetzen, was man irgendwo als Vordruck finden kann. Selbst, wenn sie nicht so ganz professionell erscheinen mag, weil die Formulierungen natürlich durch die eigene Ausdrucksfähigkeit beschränkt wird. Aber die vielen persönlichen Beispiele und die Treffsicherheit von Zitaten zu Personen und Ereignissen machen letztlich den Erfolg der Rede aus.
Gutes Gelingen!
Klaus