Lehrer ohne Staatsexamen?

Hallo zusammen,

ich habe gehört, dass (zumindest in Nordrhein-Westfalen) aufgrund von Lehrermangel Quereinsteiger gesucht werden. Im Klartext: Auch wer kein Lehramtsstudium mit Abschluss Staatsexamen hat, sondern „nur“ einen Magister beispielsweise in Germanistik, kann (Deutsch-) Lehrer im Angestelltenverhältnis werden. Ist da was dran? An wen muss man sich dazu wenden? Wer erkennt den M.A. als „kleine Staatsexamen“ an?

Gruß

Boris

Hallo Boris.
Sowas hab ich auch schon gehört und ich kenne eine Diätassistentin, die jetzt technische Lehrerin an einer Berufsschule ist. Ruf beim Schulamt an und frag einfach nach.
Fragen kostet nichts.
Gruß
R.

Bankrotterklärung des Dt.Schulsystems(semiofftopic
Ganz unabhängig von deiner Frage, Boris, klingt diese Nachricht, die sich vielleicht noch bewahrheiten muss in meinen Ohren an eine Bankrotterklärung des Deutschen Schulsystems. Da sitzen bundesweit tausende arbeitsloser Lehrer auf der Strasse oder notgedrungen in einem anderen Beruf, weil sie wegen eines alten, überholten, konservativen System keinen Job bekommen haben und aufgrund der Länderhoheit, die einen Wechsel in ein anderes BL schwer oder gar nicht zulässt, länderübergreifende keine Chance haben in einem anderen BL eine Stelle zu bekommen…

Die Tatsache, dass die unfähigen Bildungspolitiker aus einem angeblichen „Lehrermangel“ (Heer der arbeitslosen Lehrer ist wohl vergessen worden) nicht-pädagogisch ausgebildete Quereinsteiger einstellen wollen, obwohl es genügend andere Lehrer auf der Strasse gibt , macht mich stinksauer!

Pisa 2003 kommt! Und dann kommen diese Politiker zur Welt… es ist Zeit, dass das ganze Schulsystem in Deutschland endlich von Grund auf reformiert und modernisiert wird…

Die BL sollten endlich mal über die Grenzen schauen und ihre unglaubliche Arroganz ablegen.

Wütende Grüsse

Matthias

Hallo Matthias,

mag ja alles ein wenig so sein, wie Du meinst… Meine Mutter hatte jedenfalls vor 30 Jahren keine Probleme, von BW nach BY zu wechseln.

Fakt bleibt aber weiterhin, dass es wenig nutzt, tausende arbeitslose Deutschlehrer greifbar zu haben, wenn man Mathematiklehrer sucht. Und besser ein Dipl.-Mathematiker, der unterrichtet, als eine ausgefallene Stunde.

Grüße
Jürgen

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Hi, Matthias,

das ist aber kein ganz so neues System. An meiner Schule war auch der Chemielehrer eigentlich kein Lehrer, sondern Dipl-Chemiker. Und der Musiklehrer ebenfalls. Es gab halt für die Fächer niemanden sonst.

Aber merkwürdig kommt mir das schon vor, alldieweil es doch inzwischen - zumindest in BW, soviel ich weiß - sogar einen NC aufs Referendariat für Lehrer gibt. Ich weiß, dass man an berufsbildenden Schulen z. B. für einige Fächer Lehrer werden kann, ohne etwas auf Lehramt studiert zu haben, Kochen z. B.

An Gymnasien kommt mir das etwas merkwürdig vor. Wenn ich auch sagen muss, dass sich während meiner Studienzet das Lehramtsstudium in Sprachen nur insofern vom Magisterstudium unterschied, dass die Lehramtsanwärter zwei Sprachkurse mehr machen mussten und einen Landeskundekurs. Pädagogik gabs da auch keine…

Gruß, die Elbin

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Hi, Boris,

um welche Schulart handelt es sich dabei? Es gibt Schulen, für die du nicht unbedingt ein Lehramtsstudium brauchst, z. B. berufsbildende Schulen, je nach Fach. Ansonsten siehe meine Antwort weiter unten.

Gruß, die Elbin

Hallo, Boris!

Ja, du kannst auch ohne Staatsexamen in den Schuldienst übernommen werden. Das Verfahren ist folgendermaßen: Das jew. Regierungspräsidium schreibt (inzwischen meist auch online) die zu besetzenden Stellen aus. Ist eine Stelle für den sog. Quereinstieg geöffnet, wird das in der Ausschreibung vermerkt. Dann kann man sich auch als Nicht-Lehrer auf die Stelle bewerben. Es folgt das ganz normale Procedere, daß auch Lehrer in einem Bewerbungsverfahren durchlaufen. Wenn eine Schule dich gerne einstellen möchte, prüft der RP, ob die formalrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind; diese sind von Fach zu Fach und von Schule zu Schule unterschiedlich. Was aber in allen Fällen gefordert wird, ist ein Hochschulstudium - es kann also nicht jeder Hans-Franz jetzt Lehrer werden. *g* Soweit so gut. Wenn du alle Voraussetzungen erfüllst, bekommst du einen befristeten Arbeitsvertrag für ein Jahr. In dieser Zeit wirst du an einem Tag in der Woche vom Unterricht freigestellt und besuchst eine Fortbildung. Am Ende des Jahres mußt du eine Prüfung ablegen, die dem 2. Staatsexamen entspricht. Wird diese Prüfung bestanden, kannst du mit einem unbefristeten Vertrag in den Schuldienst übernommen werden.

Das oben beschriebene Verfahren gilt für alle weiterbildenden Schulen sowie berufsbildende Schulen, Berufskollegs etc. An einem Berufskollegs bekommst du als Angestellter BAT II bezahlt, die Gehaltsstufen an den weiterbildenden Schulen kenne ich nicht. Im Einzelfall ist bis zum 45. Lebensjahr sogar noch eine Verbeamtung möglich.

Schöne Grüße vom
Sams

Hallo Matthias und andere.

Natürlich gibt es viele arbeitslose Lehrer. Natürlich ist gerade den Grundschullehrern auch bekannt, dass sie sich in der Sek I bewerben können (das würde ich nicht „Quereinsteiger“ nennen). Aber wie viele trauen sich denn überhaupt eine Bewerbung zu schreiben? Klar kann man dann leicht jammern, dass es keine Stellen gibt. Flexibilität ist wohl die Grundlage, um einen Job zu bekommen, du bist z.B in die Schweiz gegangen. Aber wer nicht Flexibel ist, soll auch nicht jammern.
Es gibt auch das „Heer der arbeitslosen Lehrer“, klar. Es gibt auch das Heer der arbeitslosen KFZ-Mechaniker oder der arbeitslosen Krankenschwestern. Wenn aber kein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht, wird auch keiner KFZ-Mechaniker oder Krankenschwestern einstellen. Arbeitgeber sind auch kein Sozialverein. Und wenn es zu viele Deutschlehrer gibt, werden keine Deutschlehrer eingestellt. Gibt es zu wenig naturwissenschaftliche Lehrer müssen di irgendwie beschafft werden.
Wenn jemand eine bessere Lösung hat als die, die zur Zeit praktiziert wird… Ganz taub sind die Bildungsminister und Politiker (hoffentlich, obwohl es oft so aussieht!!!) nicht.
Liebe Grüße, in der Hoffnung auf Besserung,
Aragorn

Servus Matthias und alle, die geantwortet haben !

Als ehemals Betroffener von mir ein paar stützende Argumente (natürlich Einzelfall aber dennoch m.E. exemplarisch).
1.) Wechsel in ein anderes Bundesland.
Habe in NRW 1. und 2. Staatsexamen gemacht (Rel. + De SEK I + II) und dann beim Kultusminister in Baden Würtemberg nachgefragt, wie’s denn dort so mit der Lehrerei aussieht. Die Antwort: Für das erste Staatsexamen müßte ich vermutlich (nach genauer Prüfung meiner Unterlagen) den einen oder anderen Schein nachmachen, für das zweite Staatsexamen müßte ich auf jeden Fall die komplette 2-jährige Lehrerausbildung noch einmal absolvieren (!!!). Soweit zu dem Punkt, wenn man 'mal flexibel sein möchte.
2.) Lehrermangel
In meiner Referendariatszeit (Dez. 89 - Dez. 91) gab es in „meiner“ Schule (c.a. 700 Schüler) ab dem Schuljahr 91/92 (außer mir) keinen einzigen Lehrer für ev. Rel SEK II und nur einen für SEK I, der sich diese Qualifikation in einem Fortbildungslehrgang erworben hat. Was hat man gemacht? Man hat von einer anderen Schule einen Lehrer für einige Stunden abgezogen, der dann an 2 Tagen in der Woche bei uns tätig war (im Sinne eines angewandten Vulgärsozialismus: „Du hast einen Mantel und ich keinen. Gib mir Deinen, damit ich auch einen habe!“).
Was habe ich gemacht?

  • Oben erwähnten SEK I Kollegen informiert, der daraufhin mit dem zuständigen Fachleiter beim RP Köln gesprochen hat mit u.a. dem Argument: „Es kann doch nicht sein, daß ich mit meinem ‚Schnellerhitzungskurs‘ das ganze SEK I Spektrum abdecken soll, derweil notwendige und erfolgreiche Kollegen in die Arbeitslosigkeit examiniert werden!“ Ergebnis: negativ!
  • Ich habe das evangelische Kirchenamt informiert und auf die Situation hingewiesen. Ergebnis: Ein freundlicher Brief, der das Bedauerliche der Situation dokumentiert, aber sonst keinen Handlungsspielraum sieht.
  • Ich habe meine Landtagsabgeordnete angeschrieben, die mir in zwei Antwortschreiben bestätigt hat, daß sie alles versucht hat und sogar mit dem Kultusminister persönlich gesprochen hat. Ergebnis: negativ!
    Soweit zu dem Hinweis, daß wenn man bei den verantwortlichen Positionen vorstellig wird, dort auch eine entsprechende Reaktion erwarten kann.
    Ich kann die Wut von Matthias nachvollziehen!
    Grüße aus Wien (dort bin ich auch nicht Lehrer)
    Helmut

Hallo Helmut!
Klar, ich gebe dir völlig Recht! Das ist ein Armutszeugnis der Bildungspolitik. Ich meinte nur die Grundschullehrer, die nicht den Mut haben sich in der Sek I zu bewerben. Davon kenne ich Einige und die jammern gerne rum und sind neidisch auf diejenigen, die eine feste Stelle in der Sek I bekommen haben. Das meinte ich mit unflexibel.
In (nicht nur) deinem Fall: Da kann ich jede Wut verstehen, keine Frage.
Gruß,
Aragorn.