Hallo,
Dies so zu formulieren ist zu unpräzise, zu missverständlich, und …
… so ausgedrückt auch nicht ganz richtig, weil darin unberücksichtigt bleibt, worin das (später so bezeichnete) Leib-Seele Problem (besser: Körper-Geist-Problem) eigentlich besteht.
Dazu kurz etwas ausgeholt: Wenn man (wie Hegel es tut) Philosophiegeschichte interpretiert als Geschichte der Theorien des Absoluten - Beispiel Parmenides „to einai“ (das Sein), Platon „die Idee(n)“ (insbesondere die Idee des Guten), Plotin „Unum“ (das Eine) usw. Dann bringt Descartes einen neuen Ansatz: Er setzt zwei Absoluta: die „res cogitans“ und die „res extensa“.
Ganz neu war auch dieser Gegensatz zweier Grundprizipien, statt nur eines einzigen, nicht (Aristoteles hatte in seinen „peri physeos“-Vorlesungen bewiesen, daß ein „Prinzip“ immer nur „Eines“ sein kann): Aristoteles setzt jedoch in seiner Abhandlung über den vierfachen Grund bereits die causa materialis („hyle“) der causa formalis („eidos“ bzw. „morphe“) entgegen. Philo (der aus Alexandria) spricht von einem „kosmos noetos“ (etwa „Welt des Denkens“) im Gegensatz zu einem „kosmos aisthetos“ (etwa „Welt des Wahrnehmbaren“). Generell wird in der geamten (!) antiken (hellenistischen) und spätantiken Philosophie das Sichtbare dem Unsichtbaren entgegengesetzt. Das spiegelt sich unter anderem sogar in dem ersten großen Entwurf eines christlichen Glaubensbekenntnisses wieder (325 n. Chr. auf dem Konzil von Nicaea). Die Autoren waren allesamt auf der Höhe der Philosophie ihrer Zeit, also der nachaopostolischen Spätantike!:
Πιστεύομεν εἰς ἕνα Θεόν … πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν …
„Wir glauben an den einen Gott … Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren ….“
Geist und Materie bzw. Geist/Seele und Körper sind also durchgängig als Gegensatz aufgefasst worden. Die sehr verschiedenen Konzeptionen und Terminologien zähle ich hier nicht auf. Auch nicht ggf. andersartige Grundkonzeptionen in außereuropäischen (persischen, indischen, chinesischen) Philosophien, die hier jetzt nichts zu suchen haben.
Descartes hatte nun (ebenso wie Spinoza und Leibniz) nach der scholastischen Philosophie mit der Blütezeit der formalen Logik und den neuen Verfahren der „Quaestiones“ (dialogische Techniken des Fragestellens und der Herausforderung des Antwortens) und nach der zwischeenzeitlichen enormen Wirkung eines Cusanus (Nikolaus von Kues) (mit revolutionären Arten der Argumentation) ein herausragendes Fundament auf ganz neue Weise Fragestellungen nachzugehen und sie „auf den Punkt“ zu bringen:
Mit der neuen „Metapohysik“ einer dualen Theorie des Absoluten entstand aber nun eine Problem: Der Mensch hat mit seiner Körperlichkeit („le corps“) einerseits und andererseits seinen geistigen/seelischen Vermögen („l’esprit“ bzw. „l’âme“) an beiden Grundprinzipien Anteil: sowohl an der res cogitans als auch an der res extensa. Aber: Das sind beides Absoluta! Das Absolute hat aber per def. keine Beziehung, und erst recht keine Wechselbeziehung, zu anderem als es selbst. Da aber im Menschen ganz ohne Zweifel das Denken, das Geistige, das Kognitive (also die res cogitans) Wirkung auf das Materielle, das Körperliche ausüben kann (z.B… ich habe einen Gedanken und schreibe ihn mit der Hand auf, oder ich spreche ihn mit dem Mund aus) und auch umgekehrt das Körperliche (also die res extensa) auf das Kognitive (z.B. man sieht die Gestirne und entwickelt astronomische Theorien darüber), entsteht die Frage, wie denn das überhaupt möglich sein kann: Ich fassa das gerne in die saloppe Form „Woher weiß mein Gehirn, was ich denke?“
Und diese Fragestellung aufzuwerfen, Lösungsmöglichkeiten zu suchen, kann man Descartes als Verdienst anrechnen. Auch wenn ihm eine Beantwortung ja letztlich nicht gelungen ist: Sie ist - über eine Unmenge zwischnzeitlicher Lösungsansätze (interaktionismus, Okkasionalismus … verschiedene Anötze des Monismus usw.) bis heute eins der Hauptprobleme der sog. „Philosophy of Mind“. Gotthard Günther „Das Bewußtsein der Maschine“, 1963, steigt in das Prolem ein, und es entwickelt seit den 1980ern ein neues kognitives Biotop in der Frage, ob „künstliche Intelligenz“ Bewußtsein entwicklen könne …
„was eine Seele ist“: Besser zu formulieren: Welche Art von Seelenbegriff hier ein Rolle spielen sollte. Spielt aber kene Rolle. Denn das Geist-Körper-Problem umfasst das Gesamtpaket geistig-seelischer Aktivitäten. Zu dieser Zeit kursierende Seelenbegriffe in philophischen Konzeptionen haben natürlich im Wesentlichen die Subjektivität des „Gefühlsleben“ im Hintergrund. Der christliche Seelenbegriff, der sich erst in der Spätantike (u.a. Augustinus, Boethius) und Mittelalter (u.a. spanische und deutsche sog. „Mystik“) entwickelt hat, hat mit dieser Fragestellung nichts zu tun. Er entwickelt sich aus dem Helllenismus, aber vor allem aus Platon bzw, dem von Platon präsentierten Sokrates. Bei Aristoteles hat „psyche“ eine ganz andere Bedeutung. Im christlichen „Neuen Testament“ gibt es diesen Begriff gar nicht: Auch hier hat „psyche“ eine völlig andere Konzeption. In der jüdischen Theologie gibt es drei verschiedene Begriffe, die mit der christlichen „Seele“ gar nichts zu tun haben, aber je nach Kontext manchmal mit „Seele“ übersetzt werden. In den germanischen Religionen finden sich fünf verschiedenen „Seelen“-Begriffe, in der antiken persichen Religion (Zarathushtra, Avesta) acht Begriffe, in der ägyptischen sechs, im nordost-sibirischen Schamanismus und imantiken China mindestens zwei usw. Alles Begriffe bzw. Konzeptionen, die mit „Seele“ meist lediglich formal wiedergegeben werden, aber inhaltlich mit der spätantiken Seele des Christentums nicht vergleichbar sind.
Jedenfalls hat „was eine Seele ist“ mit der Abhandlung des Descartes in den „Meditationes“ absolut nichts zu tun.
Fun Fact: Es gibt von Augustinus eine umfangreiche (Kampf-)Schrift, als virtueller Dialog abgehandelt. „Über die Größe der Seele“ („De Quantitate Animae“, ca 390 n. Chr.) in der er einen Gegner, der behauptet, die Anima habe eine räumliche Ausdehnung, argumentativ zur Schnecke macht …
Gruß
Metapher