Ich poste das mal in einem neuen Threat, vielleicht gibts ja Widerspruch.
Hi BM,
ich finde Deinen Artikel gut, aber ich sehe Deine Begeisterung für das WEIL SIE ES WILL ein bisschen kritisch.
Klar ist es super, wenn jemand nur durch seinen Willen etwas erreicht.
Klar ist es super, sich anzustrengen, um seine Träume zu erfüllen.
Klar träumen wir auch den amerikanischen Traum, in dem das Zimmermädchen Prinzessin und der Tellerwäscher Milliardär und der mit der Hackfresse Opernstar wird.
WEIL SIE ES WOLLEN.
Dazu gibt es aber ein sehr rennomiertes Gegenkonzept: Das Bildungsideal vom aufgeklärten und emanzipierten Menschen. Der seine Ziele durch sein Wollen, ja, aber auch durch seine Bildung und seinen freien Geist erreicht, nicht nur durch Bücken und Buckeln. Dieses Bildungsideal soll ich als Lehrerin den Kindern in der Schule vermitteln. Dass sie als Berufswunsch eben nicht „Popstar“ oder „Topmodel“ angeben, dass sie nicht davon ausgehen können, mit einem Hauptschulabschluss mehr als 1500 netto aufs Konto zu kriegen, dass sie sich anstrengen sollen, sich um ihre Kompetenzen und Fähigkeiten, ihre Ressourcenverfügbarkeit und ihre Soft Skills zu fördern, dass sie schön Abi und ein Studium machen sollen, um der Gesellschaft zu dienen und den alten Humboldt Ehre machen sollen, wir haben ja so wenig Studenten und so wenig Fachkräfte.
So der Auftrag. Ich scheitere daran. Weil mein persönlicher Lebensweg diesen Empfehlungen widerspricht:
Ich bin Bildungsgewinnerin. Habe ein tolles Abi gemacht, ein feines Studium generale mit sehr guten Noten abgeschlossen, habe danach 3 Jahre lang „in der Wirtschaft das richtige Leben kennengelernt“ (damit meine ich keine Kneipe) und mache jetzt das Referendariat für das Lehramt an Gymnasien. Ich bin genau die, die die Gesellschaft braucht. Nach der sich alle die Finger lecken. Der langersehnte, hochqualifizierte Nachwuchs. Dachte ich.
IRRTUM!
Meine Ausbildung im Ref ist lächerlich im Niveau, unschaffbar im Workload, intransparent und verlogen im Umgang miteinander. Mein Stundenlohn liegt bei 6,30 €, jeden Tag fahre ich 60 km eine Strecke zur Arbeit, weil ich mir den Umzug ins Rhein-Main-Gebiet nicht leisten kann. In diesem Examensdurchgang sind 50% der Referendare durchgefallen. Die anderen wissen zwei Wochen vor Halbjahresende immer noch nicht, ob und wo in Hessen sie eine Stelle bekommen. Wir Referendare werden gerne zu Vertretungsstunden herangezogen, weil wir billiger sind als die U±Kräfte.
Ich weiß, vor allem die älteren Kollegen werden sagen: „Halte durch, es sind nur noch fünf Monate, dann hast Du alles hinter dir.“ oder „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“.
Ja, aber ich hätte nicht gedacht, dass meine Lehrjahre dauern, bis ich 30 bin! Und stellt Euch vor, das ist bei allen klassischen akademischen Berufen so!
Verglichen mit meiner Schwägerin, die in meinem Alter schon 14 (!) Jahre Geld als Fremdsprachensekretärin verdient hat, bin ich Bildungsverliererin!
Es gibt ihn nicht, den amerikanischen Traum. Die Bildungsideale, die unsere Gesellschaft sich auf die Fahnen schreibt, gelten auch nicht. All das ist das Opium des Volkes, das voller Hoffnung auf die glorreiche Zukunft die größten Zumutungen hinnimmt und weiter buckelt. In Deutschland hat man nicht Erfolg, weil man es will, sondern weil man ihn erbt.
So oder so.
Resümiert alt und weise:
Mira