Leistungsfähigkeit Schienenverkehr - etwas o.t

Hallo zusammen,
ich suchte eigentlich eine Rubrik für Verkehr oder noch besser Eisenbahn. In ermangelung einer solchen wende ich mich an die übergeordnete Wissenschaft, die sich auch mit den dinglichen Grundlangen und Auswirkungen von Infrastruktur beschäftigt. Also euch Geografen.

Ich bin auf die Aussage gestoßen, dass eine zweigleisige elektrifizierte Bahnstrecke nicht sehr leistungsfähig ist, da sie mit bis zu 400 Zügen pro Tag weitgehen ausgelastet sei.

Da stecken für mich zwei Haken drin.

Wie beurteilt man die Leistungsfähigkeit einer Bahnstrecke?
Die Auslastung ist ja kaum ein Kriterium, denn auch eine superleistungsfähige strecke kann ja ausgelastet sein bzw. eine völlig marode kann auch total unausgelastet sein.

Ist 400 Züge auf einer solchen Strecke viel?
Das ist immerhin fast ein Zug alle 3,5 Minuten.

Danke für eure Mühe
Werner

Hallo,

Ich bin auf die Aussage gestoßen, dass eine zweigleisige
elektrifizierte Bahnstrecke nicht sehr leistungsfähig ist, da
sie mit bis zu 400 Zügen pro Tag weitgehen ausgelastet sei.

Also 200 Züge in jede Richtung?

Was soll da als Vergleich dienen?

Da stecken für mich zwei Haken drin.
1.
Wie beurteilt man die Leistungsfähigkeit einer Bahnstrecke?

Ich würde sagen, die Menge an Waren (Nach Masse oder Volumen)
oder Anzahl Personen ist relevant.

Wenn auf einer Streck am Tag 100 Güterzüge mit je 80 Wagons fahren,
sind das 8.000 Wagons.
Bei angenommen 60 Tonnen pro Wagon werden bis zu 480.000 Tonnen Mat. bewegt.
Das ist natürlich schon extrem viel, aber es ist technisch prinzipiell möglich

Wollte man das auf einer Autobahn mit großen 20 Tonner-LKW + 20 Tonner Anhänger transportieren, bräuchte man ca. 12.000 Stück mit 12.000 Fahrern.

Das wären auf einer Fahrspur aller 7,2 Sekunden ein Fahrzeug ununterbrochen ganze 24h am Tag.
Das ist aber praktisch aber nicht möglich, wenn man Baustelle, Unfälle und Behinderungen durch andere Fahrzeuge mit berücksichtigt.

Praktisch ist also eine gut organisierte und gut ausgelastete Bahnstrecke weit
leistungsfähiger als jedes andere mir bekannte Transportmedium.
Gruß Uwi

Die Auslastung ist ja kaum ein Kriterium, denn auch eine
superleistungsfähige strecke kann ja ausgelastet sein bzw.
eine völlig marode kann auch total unausgelastet sein.

Ja und?

Ist 400 Züge auf einer solchen Strecke viel?
Das ist immerhin fast ein Zug alle 3,5 Minuten.

Danke für eure Mühe
Werner

Hi
400 Züge ist ziemlich viel.
Die Bahnstrecke München Augsburg als eine der meistbefahrendsten Strecken in D hat 300 Züge/Tag, die auf 4 Gleisen laufen. Die Aufteilung auf mehr wurde wegen der Geschwindigkeitsunterschiede er einzelnen Zugarten notwendig.

Eine gut ausgelastete, 2 Spurige bahnlinie ist ziemlich effizient, sowohl im Personentransport (siehe z.B. Stammstrecke München) als auch im Gütertransport. Die Theoretisch mögliche Effizienz leidet, wenn Züge mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf der Strecke laufen müssen. (Schnelle ICE und langsame Güterzüge z.B.)

LG
Mike

Hallo Werner,

Wie beurteilt man die Leistungsfähigkeit einer Bahnstrecke?
Die Auslastung ist ja kaum ein Kriterium, denn auch eine
superleistungsfähige strecke kann ja ausgelastet sein bzw.
eine völlig marode kann auch total unausgelastet sein.

Das kommt von der, für einen sicheren Betrieb nötigen, Technik.

Zuerst einmal wird die Strecke in Segmente unterteilt, die so genannten Blöcke.
In einem solchen Block, darf sich immer nur ein einzelner Zug aufhalten.
An den Blockgrenzen hat man Achsenzähler, fährt ein Zug in den Block ein, werden die Achsen gezählt und der Block gilt als belegt. Wenn der Zug den Block verlässt, wird der Achszähler subtrahiert. Geht dabei der Achszähler nicht auf Null, ist wohl ein Wagon liegen geblieben und der Block bleibt belegt.

Vor der Blockgrenze steht ein Signal, welches anzeigt ob in den Block eingefahren werden darf oder nicht. Dieses Signal muss aber so weit vor der Blockgrenze platziert werden, dass ein Zug auf alle Fällen noch vor der Blockgrenze anhalten kann.
Wie beim Auto setzt sich die Anhaltestrecke aus Reaktionszeit und Bremsweg zusammen, aber ein Zug hat da etwas andere Dimensionen. Für einen normalen Zug musst du für den Bremsweg schon so 1.5-2km einrechnen und die Reaktionszeit ist diejenige des Zugsicherungssystems. Bei den älteren Systemen geht erst ein Alarm los und der Zugführer kann noch eingreifen, bis die Bremsung automatisch ausgelöst wird.

Da kommt also einiges an Strecke zusammen und du kannst die Blockgrösse nicht beliebig klein machen, bzw. wenn der Block zu klein wird, musst du mit der maximalen Geschwindigkeit runter!

Das Vorsignal habe ich mal weggelassen, das macht das ganze nur noch komplizierter :wink:

Dann kommt noch, dass Güter- und Personenzüge andere Spitzengeschwindigkeiten haben, also die Block-Durchfahrtszeit, je nach Zug-Typ unterschiedlich ist.

Wie man sehen kann, spielt die Zugslänge eine untergeordnete Rolle.
Bei 100kmh verlängert sich die Block-Durchfahrtszeit pro 100m Zuglänge um 3.6s.

Wenn du das Ganze jetzt komplett optimierst, bringt dir schon ein einzelner, etwas langsamerer Zug, die ganze Strecke durcheinander, der bremst dann alle dahinter liegenden Züge auch aus!

Bei Personenzügen geschieht das recht schnell, da kann es schon genügen, wenn ein ganzer Turnverein in den Zug einsteigt und deine geplante Haltezeit wird schon überschritten.

Ist 400 Züge auf einer solchen Strecke viel?
Das ist immerhin fast ein Zug alle 3,5 Minuten.

Das ist sehr viel und ein theoretischer Wert.
Praktisch brauchst du etwas Pufferzeit, z.B. um verspätete Züge dazwischen zu schieben. Wenn diese fehlt, bricht bei der kleinsten Störung das ganze System zusammen.

Das kennt man z.B. vom IC(E)-Netz. Da die Züge den Anschluss garantieren, wirkt sich die Verspätung eines einzelnen Zuges auf das ganze Streckennetz aus. Zudem addieren sich dann die Verspätungen oft über den ganzen Tag auch noch.

MfG Peter(TOO)

Zuerst einmal wird die Strecke in Segmente unterteilt, die so
genannten Blöcke.
In einem solchen Block, darf sich immer nur ein einzelner Zug
aufhalten.
An den Blockgrenzen hat man Achsenzähler, fährt ein Zug in den
Block ein, werden die Achsen gezählt und der Block gilt als
belegt. Wenn der Zug den Block verlässt, wird der Achszähler
subtrahiert. Geht dabei der Achszähler nicht auf Null, ist
wohl ein Wagon liegen geblieben und der Block bleibt belegt.

Soweit richtig

Vor der Blockgrenze steht ein Signal, welches anzeigt ob in
den Block eingefahren werden darf oder nicht. Dieses Signal
muss aber so weit vor der Blockgrenze platziert werden, dass
ein Zug auf alle Fällen noch vor der Blockgrenze anhalten
kann.

Falsch, das Signal steht direkt an der Grenze der Blöcke. Wenn ein Zug ein Signal unberechtigt überfährt, steht er generell im nächsten Block

Wie beim Auto setzt sich die Anhaltestrecke aus Reaktionszeit
und Bremsweg zusammen, aber ein Zug hat da etwas andere
Dimensionen. Für einen normalen Zug musst du für den Bremsweg
schon so 1.5-2km einrechnen und die Reaktionszeit ist
diejenige des Zugsicherungssystems. Bei den älteren Systemen
geht erst ein Alarm los und der Zugführer kann noch
eingreifen, bis die Bremsung automatisch ausgelöst wird.

Falsch. Der Bremsweg von Zügen liegt unter 1000m. Das ist der Abstans der zwischen Vorsignal und Hauptsignal liegt. jeder Zug muss also auf dieser Strecke anhalten können. Auf manchen Strecken wird der Weg sogar auf 700m verkürzt. Da muss dann auch der Zug auf dieser Länge anhalten können.
Nur Züge mit Geschwindigkeiten über 160km/h dürfen längere Anhaltewege haben. Da wird dann eine andere Technik verwendet, damit der Zug rechtzeitig vor dem Sigal zum stehen kommt.
Die Signal-Sicherungstechnik ist für die Reaktionszeit irrelevant, diese dient nur als Notsystem, wennd er Lokführer nicht reagiert. Im allgemeinen wird der Zug vom Lokführer gebremst, da dauert die Reaktion eben so lange wie ein Mensch braucht.
Daß erst ein Signal kommt, damit der Lokführer noch reagiern kann, stimmt so auch nicht, das gilt bei einem anderen Sicherungssystem. Bei der Sicherung gegen unberechtigtes Vorbeifahren an Signalen, bremst der Zug sofort.

Da kommt also einiges an Strecke zusammen und du kannst die
Blockgrösse nicht beliebig klein machen, bzw. wenn der Block
zu klein wird, musst du mit der maximalen Geschwindigkeit
runter!

Die Blöcke können so kurz sein, wie der Abstand zwischen Vorsignal und Hauptsignal. Also im Normalfall 1000 Meter, ggf auch 700 Meter. Das ist aber nur selten der Fall, meistens sind die Blöcke länger, weil so kurze Abschnitte nicht benötigt werden, und die ganzen Signale nur Geld kosten.

1 Like

Hi,

Ist 400 Züge auf einer solchen Strecke viel?
Das ist immerhin fast ein Zug alle 3,5 Minuten.

Mehr wird kaum gehen, da, wie einige schon andeuteten, die Züge wegen ihres langen Bremsweges im sog. Raumabstand fahren müssen. Dazu kommen noch unterschiedliche Prioritäten der verschiedenen Zuggattungen:

Der Personennahverkehr geht vor dem Güterverkehr, der Regionalexpreß vor dem Nahverkehr und der IC/EC/ICE vor dem Regionalexpreß. Wenn bleistiftsweise nun ein verspäteter ICE unterwegs ist, muß vor ihm alles andere auf die Seite geräumt werden, soweit möglich (z. B. in Bahnhöfen/Betriebsbahnhöfen). Das hält den gesamten Verkehr auf und führt zu den häufigen Verspätungen, über die sich manche beklagen. Ich bin häufiger auf der zweigleisigen Strecke Nürnberg–Passau unterwegs und sehe fast täglich, daß aus relativ geringem Anlaß viele Folgeverspätungen entstehen.

Gruß S

Hi,

Wenn auf einer Streck am Tag 100 Güterzüge mit je 80 Wagons
fahren,
sind das 8.000 Wagons.

Uff, 80 Wagen? Das gibts vielleicht in Kanada.

Hierzulande darf ein Zug höchstens 700 m plus 40 m (für 2 Triebfahrzeuge) lang sein.

Gruß S

Versucht der Zusammenfassung
Hallo und Danke für die Vielzahl an Infos.
Ich glaube daraus zu entnehmen

  1. 400 Züge auf einer zweigleisigen Strecke ist extrem viel - eigentlich praktisch kaum möglich.

  2. Die Leistungsfähigkeit einer Strecke hängt ab von
    * Blockgrößen (wenig Blöcke heißt wenig Züge gleichzeitig auf der Strecke)
    * Ausweichmöglichkeiten (bei fehlenden Möglichkeiten bremsen langsame Züge alle Folgenden, bzw müssten lange selbst warten bis die Strecke für sie frei ist)
    * Zusammensetzung des Zugverkehrs (je unterschiedlicher die Geschwindigkeiten der Züge, um so häufiger wird es zu Wartezeiten kommen)
    * Technischer Ausstattung (Geschwindigkeitsbeschränkungen, verschiedene Sicherungssysteme)

Wenn ich also zwei Strecken hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit vergleichen wollte, dann bräuchte ich eine Menge Daten zum Analysieren.
Die Zugzahl hilft mir kaum, weil damit nicht gesagt ist, dass die Strecke mit weniger Zügen nicht mehr bewältigen könnte.

Was vergessen?

Servus,

in Russland sind alle Fernverkehrsstrecken auf Züge bis 1.050 m ausgelegt, auf den Magistralen für Kohle und andere Rohstoffe dürfen es auch noch ein paar hundert Meter mehr sein.

Bis 2010, solange die VR China mit russischem Öl über die Schiene beliefert wurde, fuhren auf der Transsib Ölzüge mit 120 Wagen zu etwa 12 m Länge, zeitweise im Blockabstand einander folgend.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hi,

Bis 2010, solange die VR China mit russischem Öl über die
Schiene beliefert wurde, fuhren auf der Transsib Ölzüge mit
120 Wagen zu etwa 12 m Länge, zeitweise im Blockabstand
einander folgend.

Tja, die haben halt Platz. Ich stelle mir gerade vor, wenn bei uns ein zwei Kilometer langer Zug unterwegs ist und der ICE drängelt – wo stellt man den Güterzug hin? So lange Überholgleise dürften eher selten sein :smile:

Gruß S

Jim, you’d better jump for there’re two locomotives that are going to bump
Servus,

auf ein paar aufmarschrelevanten Bahnen Richtung Westen und Südwesten gab es sowas - ich weiß nicht, was die Strategen darauf transportieren wollten, da sie als fahrleitungsunabhängige „NATO-Reserve“ ja eigentlich bloß Kemptener 218³ und Aulendorfer 50er zur Verfügung hatten, die im Zweifelsfall sogar in der Ebene mit ungefähr sechzig Achsen an ihre Grenzen kamen - das letzte mir bekannte extrem lange Ausweichgleis, ich weiß nicht mehr genau auf welcher Höhe der Bergstraße zwischen Darmstadt und MA-Friedrichsfeld, erst in der Ära Mehdorn dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen, ließ eher an einen dreigleisigen Abschnitt als an ein Ausweichgleis denken - angeblich gab es bis in die 1990er Jahre hinein auf der ZÜ Künstler, die es schafften, einen nicht zu langen Güterzug punktgenau da drauf zu bringen und ihm gleichzeitig über Funk die L-Tafel zu geben, so dass er überholt werden konnte, ohne dass er oder der überholende Zug dabei „versägt“ wurde, weil der Block darauf schon wieder frei war, bis er am Ende des Ausweichgleises ankam. Das kann aber auch eine Legende sein, sozusagen ein wehmütiger Abgesang der letzten Virtuosen der ZÜ, die bis zuletzt davon überzeugt waren, dass sie den Gleiswechselbetrieb im morgendlichen Berufsverkehr, wenn der mit den letzten Nachtgüterzügen zusammenrasselt, besser in die Reihe kriegten als der Rechner, der sie abgelöst hat.

Wie auch immer - klar sehen die Verhältnisse in Ländern mit viel Platz ganz anders aus. Wenn man Platz und billige Kohle genug hat, kann man z.B. auch eine furchtbar ineffiziente, aber riesige Duplex wie den „Big Boy“ Union Pacific X 4000 auf die Schienen stellen, und sie, wenn der Güterzug mal ein paar Kilometer lang ist, zu dritt (zwei vorne, eine in der Mitte des Zuges) dranlassen. Das führt jetzt sehr weit vom Thema, aber vielleicht interessieren Dich oder andere diese Aufnahmen u.a. aus dem Depot Cheyenne der U.P. aus den 1950er Jahren, wo die Big Boys nach rund zehn Jahren Einsatz bereits ihren Schwanengesang anstimmten.

Ja, und wenn der Platz dann mal doch nicht reicht, wendet man die Technik von Casey Jones an. Der wird zwar nicht mehr lebendig davon, aber posthum ist über ihn mehr Ruhm gehäuft worden als über allerhand Generäle.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hi,

so ähnliche Überholmanöver gibt es heute auch, wenn die Verkehrslage es zuläßt: Der Güterzug wird ins Gegengleis geschickt, der Personenzug fährt auf dem Regelgleis vorbei. Oder umgekehrt. Mußte mal am Einfahrsignal ein paar Minuten warten, weil der berühmte Rheingold (mit der 103) auf dem Gegengleis überholte.

Den Film werde ich mir bei Gelegenheit reinziehen. Ich hab noch ein Kleine-Jungen-Buch (Durch die weite Welt, 1971, Bleisatz!), in dem auch ein Artikel über den Big Boy steht.

Jetzt wird’s aber langsam etwas OT.

Gruß S