Leitkultur des Kulturrats

Ich bekomme nicht auf die Reihe, was dieser Herr Zimmermann zu vermitteln versucht. Die Seite Drei des Interviews lässt mich ratlos zurück.

Die protestantische Ethik, die sich auch im Arbeitseifer äußert, ist eine der deutlichsten Ausdrucksformen unserer Kultur. Bei uns gehört Arbeit zum Menschsein dazu…Deshalb kann Integration nur gelingen, wenn wir die Zuwanderer in Arbeit bringen. Nur dann gehören sie zu unserer Gesellschaft

Arbeit macht frei?
Integration = Arbeitsmarktintegration und alles ist gut?
Was meint er mit protestantische Ethik?

Kulturelle Integration ist eine Aufgabe nicht nur für Migranten, sondern für alle Menschen in diesem Land. Deshalb müssen auch Anhänger der AfD und von Pegida wieder das Gefühl zu bekommen, dass sie dazugehören.

Zu was? Zu ihrem Land?
Oder zu einem diffusen Wertekanon einer politischen pseudointellegenten Elite?

Darf man auch stolz sein auf die deutsche Kultur?
Zimmermann: Selbstverständlich. Man sollte es sogar.

Von welcher Kultur spricht dieser (Zimmer)Mann eigentlich?
Wie und Was ist Grundlage, und weshalb soll es geändert werden?

Versteht ihr den Mann?
Ist er ein Rechter?

Franz

Ich würde diesen Zimmermann als ziemlich bornierten, rechtsgerichteten Hetzer einschätzen. Allein schon die Haltung, „wir“ hätten durch irgendeine Ethik (mehr) Arbeitseifer als andere, bringt mir die Hutschnur fast zum Platzen.
Wahrscheinlich hockt er den ganzen Tag in seinem Kulturrat, umgeben von lauter seeeeehr intelligenten Gesprächspartnern, theorisiert und philosophiert über die Menschen und die Welt, die er schon längst nicht mehr „live“ gesehen hat.

Wenn er nämlich durch die Gassen ginge, würde er feststellen, dass es immer weniger durch den Menschen zu verrichtende Arbeit gibt, mittels der seiner Meinung nach ausschließlich „Integration gelingt“. Ihm würde auffallen, dass gerade alte Leute sehr arm sind, dass viele Läden leerstehen, es aber an bezahlbarem Wohnraum mangelt. Wenn das alles „Ausdruck unserer Kultur“ ist, möchte ich nicht zu diesem "Kultur"kreis gehören!

Hi,

nein, ich verstehe ihn nicht.

Die protestantische Ethik, die sich auch im Arbeitseifer äußert, ist eine der deutlichsten Ausdrucksformen unserer Kultur. Bei uns gehört Arbeit zum Menschsein dazu. Das ist schlimm für die, die keine Arbeit haben oder nicht arbeiten können.

äußert er beispielsweise, lässt das dann aber so stehen, als ob es unabänderlich wäre.

Sicherlich hat die protestantische Arbeitsethik Deutschland geprägt, aber eben nicht nur positiv. Die Würde eines Menschen darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob er am Erwerbsleben teilnehmen kann.

Dass bezahlte Arbeit für die Integration arbeitsfähiger Flüchtlinge und Migranten wichtig ist oder wäre, wird wohl niemand bestreiten. Ich bin allerdings der Ansicht, dass vor der Integration (gerade auch in den Arbeitsmarkt) über das Bleiberecht entschieden werden muss.

FG myrtillus

Nie den Namensgeber des Max-Weber-Platzes gelesen?
Absoluter Klassiker, der sämtlichen Erstsemesterstudenten in den Kultur- und Sozialwissenschaften kalt serviert wird:

Nach dem Interview würde ich eher sagen, er ist ein furchtbarer Schwätzer.
Aber das gehört vermutlich zu den Kernkompetenzen eines Kulturgeschäftsführers :wink:

Gruß
F.

Was für ein Quatsch.

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Das solltest du etwas genauer begründen. Er sagt jedenfalls einige richtige Dinge. Alles von dem, was er sagt, würde ich zwar nicht unterschreiben, aber bloß weil jemand eine abweichende Meinung hat, muss man ihn nicht gleich als „Schwätzer“ abtun.

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Der von Max Weber in seiner „Protestantischen Ethik“ postulierte Zusammenhang zwischen Protestantismus und Kapitalismus ist, worauf Weber unmissverständlich hinweist, nicht unmittelbar in der protestantischen Lehre angelegt, sondern rein äußerlicher Natur: Durch ihre Forderung nach Verzicht auf weltlichen Luxus begünstigt diese Ethik das Investment erwirtschafteter Gewinne in das Unternehmen statt in ´verschwenderische´ Lebensführung und optimiert so die ökonomische Effektivität. Zumindest bis Anfang des 20. Jh. wurde das in den kapitalistischen Ländern auch weitgehend praktiziert.

Da konstruierst du einen Pappkameraden, denn keiner hat behauptet oder auch nur angedeutet, dass Menschenwürde nur von aktiver Arbeit abhängig ist.

Auf dieser Basis käme es massenweise zu Bleiberechtsgenehmigungen ohne eine nachfolgende Integration. Erstens sind die meisten Flüchtlinge für den deutschen Arbeitsmarkt fachlich völlig oder weitgehend ungeeignet (siehe Link unten), zweitens bedeutet ´Integration´ auch ethische Integration, d.h. Integration in unser menschenrechtliches Wertesystem. Auch damit sieht es bei den meisten Flüchtlingen ganz schlecht aus.

Ok, kann ich kurz begründen.

Der Schwätzer-Eindruck rührt daher, dass er sicherlich einige Aussagen tätigt, die mir korrekt erscheinen, diese aber so dermaßen kulturalistisch verbrämt, dass es mir fast a bissl peinlich wurde beim Lesen.
Um „abweichende Meinung“ gehts mir dabei also gar nicht, sondern um die Art und Weise der Argumentation.
Z.B. dass es für Integration wichtig ist, dass ich die Leute arbeiten und durch Arbeit Geld verdienen lasse statt sie überlang in Lager festzuhalten und gönnerhaft mit Taschengeld auszustatten, ist eine Binsensweisheit. Da brauch ich nicht mit der „protestantische Ethik“ einen kulturalistischen Überbau drauf setzen, außer ich bin halt so ein Kulturdienstleister, der solches Posing als ‚Wichtigkeitsnachweis‘ benötigt.
(und als studierter Philosoph bin ich sicherlich nicht generell anti-intellektuell eingestellt)

Gruß
F.

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Bis auf den ersten Satz stimme ich Dir zu. Zimmermann ist gewiss nicht „borniert“. Obwohl Zimmermann nur die ´hellen´ Seiten der Deutschen Kultur zu beleuchten scheint. Die Aufgabe des Kulturratsvorsitzenden und der Mitarbeiter*innen ist die, die Deutsche Kultur im Sinne von Johann Wolfgang von Goethe als ANGEBOT zur Weltkultur darzustellen, OHNE sie als BEITRAG oder als DIKTAT zu glorifizieren.

Grüße mki

Hallo,

Olaf Zimmermann ist, soweit es sich an dem Zeit-Interviews ablesen lässt, absolut integer.

Die Grundlage seines Denkens ist Toleranz-nicht-zum-Schaden-anderer.

Das Interview im Gesamtzusammenhang gesehen lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass es ihm an Integrität fehlen könnte.

Die Deutsche Kultur versteht Zimmermann lediglich als ein ANGEBOT für eine Weltkultur. Ist also niemals anmaßend gemeint. Die Deutsche Kultur stellt er sich als Pfeiler für Menschenrechte usw. gegenüber absolutistisch oder totalitaristisch geprägte Kulturen vor. Recht so.

Arbeit gehört Weltweit zum Menschsein dazu. Aber nicht im völkischen Sinn. Sondern als Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Der protestantische „Arbeitseifer“ scheint mir tatsächlich sehr unglücklich formuliert zu sein. Habe ich so bislang noch nicht gesehen. Ob die Katholen fauler sind als die Protestanten? Vielleicht hat er recht.

Dazugehören zur Deutschen Identität sollen lediglich die Anhänger von Pegida und AfD, nicht diese Organisationen. Und das sehe ich auch so.

Dass man auf die Deutsche Kultur stolz sein „sollte“ halte ich für übertrieben. Würde mich schon freuen wenn man es könnte. @Morgan_le_Fay hat recht. Das geht nicht solange

diese Missstände bestehen.

Grüße mki

Zustimmung!

Grüße mki

Das ist schon ein differenzierterer Kommentar. Ich möchte zugunsten Zimmermanns aber einwenden, dass er auf einer Ebene argumentiert, die auch islamische Werte (wenn man diese so nennen mag) thematisch involviert. Als engagierter Protestant, der er nun einmal ist (siehe Wikipedia), liegt es für ihn natürlich nahe, gegen diese Werte die Werte auszuspielen, denen er als Protestant am nächsten steht, und dazu gehört eben auch die Arbeitsethik des Calvinismus. Bekanntlich waren es gerade die französischen Calvinisten (Hugenotten, meine Vorfahren), die nach ihrer Vertreibung aus Frankreich durch Louis XIV. in ihren europäischen Refugien jene Werte verbreiteten und zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung Europas entscheidend beitrugen. Hugenotten gründeten auch die modernen Freimaurerorden, die ebenfalls die calvinistische Arbeitsethik favorisierten und übrigens entscheidend an den Revolutionen in den USA und Frankreich beteiligt waren.

Zurück zu Zimmermann: Auf den HInweis auf die calvinistische Ethik kann er in seiner Argumentation einfach nicht verzichten, wenn er den Werten der z.Zt. (leider) wichtigsten Weltreligion etwas potentiell (und wohl auch faktisch) Überlegenes entgegenstellen möchte.

War ein Versehen :sunglasses:
Tablet ist manchmal schwierig und eigenwillig.
Es sollte ein :+1: werden, der Widersprüche wegen.

ist ein solcher. Für einen Protestanten.

Für mich.

Franz

Da muss man natürlich differenzieren. Arbeit als Selbstverwirklichung ist ein hehres, aber nur sehr selten realisiertes Ideal, und zwar so selten, dass es als allgemeingültiges Ideal in der modernen Arbeitswelt überhaupt keinen Sinn macht. Die Selbstverwirklichung wird vielmehr in Tätigkeiten in der Freizeit gesucht. Das entspricht dann auch mehr der katholischen als der calvinistischen Vorstellungswelt. Letztere ist äußerst rigide und sieht in der Arbeit gerade kein Mittel der Selbstverwirklichung, sondern einen Maßstab für die ´Gnade Gottes´, d.h. wer Erfolg hat, ist von ´Gott´ begünstigt. Das hat in der Praxis den Kapitalismus sehr gefördert, allerdings auch die Ausbeutung Schwächerer, da Altruismus nicht zu den calvinistischen Werten gehört. Zum Glück hatte der Calvinismus in Gestalt wichtiger Freimaurer im 18. Jh. die Arbeitsethik mit neuartigen menschenrechtlichen Ideen verbunden (entstanden im Kampf gegen eine unterdrückerische katholische Kirche), was entscheidend zu den menschenrechtlichen Programmen des späten 18. Jh. beitrug.

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die Entscheidung über Asylanträge bzw. die Anerkennung als Flüchtling kann und soll nicht von den angeblichen Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarktes abhängig gemacht werden.

Integrationsmaßnahmen kosten Geld und können nicht allen in vollem Umfang angeboten werden. Sie sollen daher nach meiner Auffassung denjenigen vorbehalten sein, über deren Bleiberecht bereits positiv entschieden wurde, auch um die Verfahren nicht ohne Not zu verkomplizieren („jetzt hat er gerade eine berufliche Bildungsmaßnahme begonnen und soll abgeschoben werden“).

Der protestantische ´Arbeitseifer´ ist eine Formulierung, die mich bei Olaf Zimmermann stört.

Die BRD ist ein Land, dessen Ressource eingentlich Bildung ist.

Dazu hat er garnichts gesagt, meine ich.

Im Bildungsbereich soll Deutschland gerade nicht sehr vorbildlich sein.

Grüße mki

Es ist nicht der Calvinismus, der dem Islam „überlegen“ ist, sondern es schlicht der Liberalismus-Kapitalismus, der wie ein schwarzes Loch alles einsogt und seit Jahrhunderten alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige … entweiht.

Eine Marx/Max [Weber]-Konfrontation über diese Frage (Webers These von der „Protestantischen Ethik“ ist ja direkt gegen Marx’ Überbau-These gerichtet gewesen) gern bei Gelegenheit im Philosophie-Brett.

Gruß
F.

abgesehen davon, dass Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland zumindest zur Zeit nicht überwiegend in Lagern festgehalten werden, sondern relativ zügig über die Gemeinden verteilt werden, beantwortet der Artikel trotz aller Schwatzhaftigkeit nicht die Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt: Warum nämlich die Asyl- und Anerkennungsverfahren sich teilweise jahrelang hinziehen und nicht zügig abgearbeitet werden. Hier, bei der Verfahrensdurchführung, wäre durchaus ein wenig protestantischer Arbeitseifer angebracht :wink:

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Max Weber sieht in der calvinitischen Prädestinationslehre den entscheidenden Impuls für die Entstehung des Kapitalismus.

Die Prädestinationslehre besagt (unter anderem), dass jedem Menschen vorausbestimmt ist, ob er im Himmel oder in der Hölle endet. Sichtbares Zeichen im diesseitigen Leben ist (auch) der materielle Erfolg. So wird das Streben nach weltlichem Besitz wesentlicher Bestandteil eines gottgefälligen Lebens.

Schärfer noch als Weber hat Horkheimer diese Entwicklung dargestellt.

Auszug aus Max Horkheimer. Vernunft und Selbsterhaltung (1942):

"Der Protestantismus war die stärkste Macht zur Ausbreitung der kalten, rationalen Individualität. Vorher wurde im Bild des Kreuzes das Zeichen zugleich noch als Marterwerkzeug sinnlich unmittelbar angeschaut. Die protestantische Religiosität aber ist bilderfeindlich. Sie hat das Marterwerkzeug als unvertilgbaren Antrieb in die Seele des Menschen gesenkt, unter dem er nun die Werkzeuge der Aneigung von Arbeit und Lebensraum produziert. Die schlechte Verehrung der Dinge ist gebrochen und das Kreuz verinnerlicht, aber die Weltlichkeit, die dafür erstand, ist nun erst recht von den Dingen abhängig. Anstelle der Werke um der Seligkeit willen trat d as Werk um des Werkes, der Profit um des Profits, die Herrschaft um der Herrschaft willen ; die ganze Welt wurde zum bloßen Material.

http://www.ibim.de/epol/2-4.htm

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

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