Vermutlich zeige ich ähnliche
Verhaltensweisen, die ich selbst bloß wahrzunehmen nicht fähig
bin, das mag ja sein, hier geht es mir aber darum, etwas Licht
ins Dunkel zu bringen.
Was meinst Du mit „ähnliche Verhaltensweisen“? Ähnlich zu was
oder zu wem?
Ähnlich zu den Verhaltensweisen, die ich nicht verstehe, aber ohne, dass ich es merke, selbst zeige. Wer weiß?
Jeder hat ja, wie ich oben schon schrieb, eine besondere
Wahrnehmung seiner Umwelt, weshalb man solche Äußerungen auf
keines von beiden beziehen muss, vielmehr haben entsprechende
Persönlichkeiten vielleicht eine ganz andere Weltanschauung,
die einem verschlossen bleibt und innerhalb derer diese
Äußerungen sogar belanglos sind - unter Umständen, weil sie
auf Lob und gute Worte gar nicht angewiesen sind, da sie oder
so fähig wären, ihre Ziele zu erreichen?
Es fällt mir schwer, zu verstehen, was du hier mit „solche
Äußerungen“ meinst und was mitz „beiden“ gemeint ist…
vermutlich die beiden ursprünglichen Anschauungen. Davon gehe
ich jetzt mal aus.
So ist es.
Ja, es handelt sich um eine andere art der Wahrnehmung
(Weltanschauung wäre mir jetzt zu hoch gegriffen). Und
innerhalb ihrer Welt ist es tatsächlich so, dass sie gewisse
Dinge aqls normal empfinden, die andere nicht als normal
empfinden. Wir alle unterschieden uns in unserem DEnken und
Empfinden voneinander, in jeder Beziehung. Nicht nur, wenn es
um Mathe und Fremdsprachen geht. Und jeder findet zuerst
einmal das als normal, was er immer macht, was ihm leicht
fällt und was er gerne tut. An das, was andere als normal
empfinden, müssen wir uns erst gewöhnen - und das fällt uns
besonders dann schwer, wenn wir in Konkurrenz stehen und wenn
das Tun des anderen uns beeinflusst. Lass mich eine Situation
erfinden: Du findest vielleicht, es ist nicht normal, gut in
Fremdsprachen zu sein. Du kannst es nicht verstehen, warum
jemand anderes das kann, und mit weniger Aufwand bessere
Ergebnisse erzielt als Du. Darauf kannst du verschieden
reagieren - mit Gleichgültigkeit, mit Neid, mit Konkurrenz,
mit Bewunderung, mit Anbiederung, … Aber das ändert alles
nichts daran, dass für den anderen seine Erfolge in dem
Bereich genauso normal sind wie für Dich deine geringen
Erfolge.
Ob jemand auf Lob angewiesen ist oder nicht, hat nichts damit
zu tun, ob er auf einem bestimmten Gebiet gut ist oder nicht.
Die beiden Dinge haben grundsätzlich einmal nichts miteinander
zu tun. Ob und wieviel Lonb man wann braucht, hängt davon ab,
wie man als Mensch motiviert ist. Intrinsische Motivation
bedeutet, man ist aus sih selbst heraus motiviert. Man tut
etwas, weil es spaß macht, weil man sich interessiert. Dann
bringt das tun selbst Freude, egaql, was andere davon denken.
Das andere ist die extrinsische Motivation. Das heißt, man tut
etwaqs, weil man gelobt wird, weil man etwas dafür bekommt,
weil es jemand befiehlt, weil man damit gefallen will, etc.
Dabei ist es weniger wichtig, was man tut, es zählt nur, wofür
man es tut. Jeder von uns ist mal intrinsisch und mal
extrinsisch motiviert. Hobbies sind eher intrinsisch, die
Arbeit oft extrinsisch (Einkommen erzielen), im Idealfall mit
hohem Anteil intrinsisch (ich tue etwas, das ich gerne tue).
Menschen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Motivation:
manche sind eher extrinsisch motiviert - im Extremfall können
die nichts alleine machen, alles muss man sagen, sie brauchen
ständig Lob und Ermunterung, etc. Wieder andere sind eher
intrinsisch motiviert, die arbeiten alleine vor sich hin und
lassen sich durch nichts stören.
Aber ob man nun durch das eine oder das andere motiviert ist,
hat nichts mit der Wualität der Arbeit zu tun. Die Tatsdache,
dass ich sehr scharf auf Lob bin, bedeutet nicht, dass ich
meine Arbeit gut mache - es bedeutet nur, dass ich Lob möchte.
Auch intrinsische Motivation bedeutet nicht, dass man gut
arbeitet - man kümmert sich nur nicht um Lob, sondern tut
etwas, für das man sich interessiert.
Und ob man für Lob empfänglich ist, hängt auch davon ab, für
wie lobenswert man seine Leistung hält. Intrinsisch motivierte
Menschen werden weniger auf Lob ansprechen als extrinsisch
motivierte.
Man kann Lob eher akzeptieren, wenn man etwas getan hat, was
man subjektiv als anstrengend empfunden hat. Und es hängt
auch davon ab, wer lobt. Wenn mich meine Schüler lpoben, weil
ich Shakespeare im Original lesen kann, dann fühle ich mich
geschmeichelt, denke mir aber, dass das ja keine Kunst ist,
ich habe es ja studiert. Aber ich freue mich über das Lob.
Wenn mich meine Englischkollegen loben würden, dass ich frei
Englisch spreche, würde ich mir veralbert vorkommen.
Liebe Miezekatze bzw. Franzi, vielen Dank für diese wirklich erhellende Darstellung des wahrscheinlich für den Außenstehenden recht unverständlich gewählten Themas.
Hier möchte ich an den Absatz weiter oben anknüpfen. Wer
fähig ist, mehrere Ziele gleichzeitig überdurchschnittlich und
einfach zu erreichen, besitzt möglicherweise keine Wahrnehmung
mehr dafür, welches Glück es bedeutet, ein Ziel zu erreichen,
wogegen sich der, der in Mittelmäßigkeit und Versagensängsten
schwebt, selbst an die kleinsten Erfolge klammert und somit -
unterbewusst? - auch das ins Interessante stilisiert, was ihn
nicht interessieren mag, jedoch zumindest Ansätze von Erfolg
bietet.
Das ist durchaus so. Aber sich das bewusst machen, dass andere
Leute mit der gleichen Aufgabe anders zurechtkommen, ist eine
Leistung, die etwas größere Reife verlangt als sie ein Schüler
der Unterstufe hat (davon waqr ja ursprünglich die Rede). Und
das betrifft natürlich auch den Mittelmäßigen, der den Könner
lobt und sich wundert, warum das Lob nicht so angenommen wird,
wie er sch das vorstellte. Noch einmal: ein Lob annehmen setzt
ja auch voraqus, dass man eine Anstrengung vollbracht hat.
Wenn ich mich nicht angestrengt habe, dann gibt es auch
nichts, wofür ich gelobt werden muss. (Es gibt sicher auch
Leute, die das anders sehen. Aber ich sehe es exakt so, und
das ist per Zufall identisch mit dem Verhalten, das du nicht
verstehst)
Ich habe das Gefühl, dass solche Reaktionen dich verletzen
(also, jemand kann etwas, was Du nicht kannst. Du lobst ihn,
und er reagiert gleichgültig). Warum?
Vielleicht ist der Eindruck erweckt worden, ich befände mich in der Unterstufe einer Schule. Dem ist - leider, wenn ich lese, dass man es von Leuten in der Unterstufe nicht erwarten könne, sich in die Situation anderer hinein zu versetzen - nicht so. Mittlerweile studiere ich und habe mehrere Schulformen kennen gelernt und überall haben sich bei bestimmten Besseren die gleichen Verhaltensmuster gezeigt. Es mag auch sein, dass meine Wahrnehmung sich auf wenige Gefühlsklötze bezieht, aus denen ich eine größere Gruppe mache, trotzdem konnte ich mich, bis ich diese Frage hier stellte, nicht dem Gedanken erwehren, ich bildete mir das alles bloß ein. Dass es nicht so ist, hast du mir ja bestätigt.
Ichselbst habe sehr schlechte Erfahrungen mit Leistungsanforderungen gemacht, die ich nicht erfüllen konnte. Zunächst wurde ich als Kind für hochintelligent gehalten und dann zu einem Intelligenztest geschickt, zu welchem der Arzt sagte, man solle mir später doch besser nicht die Oberstufe zumuten. Danach folgte eine recht turbulente Zeit zu Beginn der Mittelstufe, die jedoch eher durch mein problematisches Verhalten gekennzeichnet war. Zum Ende dieser Stufe besserte ich mich jedoch so weit, dass ich die Oberstufe besuchen konnte, allerdings mit eklatanten Defiziten in viele Bereichen. Auch diesen Abschnitt konnte ich noch absolvieren. Während meiner Berufsausbildung, wo es dann doch eigentlich leichter war, kam ich mit einem Male in diese psychische Situation, in welcher ich auch heute stecke: Ständig sehe ich auf mein Leben wie auf einen Trümmerhaufen, auf eine Straße mit vielen verpassten Abfahrten zurück und mache mich einerseits dafür runter, dass ich mir so vieles während der Schulzeit habe entgehen lassen, andererseits aber auch damit, dass ich zu manchem einfach nicht fähig bin, egal wie sehr ich es will und versuche. In diesem Zeitraum von „Komplexen“, wie ich das vereinfacht ausdrücken möchte, ist meine Wahrnehmung von jeder Art von Angeberei, Leistungsunterschieden und Intelligenzausdrücken sehr gestiegen.
Früher habe ich mich, zumindest bewusst, nicht für Leute interessiert, die angaben oder besser waren. Irgendwann, an besagter Stelle, bin ich dann in dieses Loch der Erkenntnis meiner eigenen Unzulänglichkeit gefallen. Mit Leistungen anzugeben, verabscheue ich seitdem, weil ich glaube, dass, auch wenn es bei mir natürlich extrem ist, andere nicht so exzellente Menschen benachteiligt und verunsichert werden, sich als ausgestoßen fühlen und in Rollen gedrängt werden für die sie nichts können ( ja, ich weiß, dass manche sich dadurch auch motivieren lassen, anderen nachstreben usw. In Fällen, in denen dies unmöglich ist, müssen diese Menschen sich dann mit ihrer Unzulänglichkeit anfreunden?).
Dass es in diesem Kontext dann noch solche gibt, die sich ihrer Leistung nicht bewusst sind, solche Äußerungen fallen lassen und sich deren Auswirkungen ebenso nicht bewusst sind, wundert mich einfach, weil ich mich selbst noch nie in so einer Situation gesehen habe bzw. überhaupt vorstellen könnte. Es verletzt, das hast du gut erkannt, würdigt herab und treibt einen in die Verzweiflung, da man keinen Ausweg sieht. Auch habe ich für mich die Theorie aufgestellt, dass ich wirklich nicht sehr intelligent sein kann und meine bisherigen Leistungen nur durch eine gewisse „Belesenheit“ erreichen konnte. In solchen Gebieten, bei denen Allgemeinwissen nicht weiter hilft, sei es die Mathematik, seien es Fremdsprachen, zeige ich dann Defizite, die durch kleinsten abwertenden Äußerungen meiner Umwelt mich innerlich fast zum Zerreißen belasten.
Mittlerweile gehe ich so damit um, dass ich mich von allem, was auch nur im geringsten die Gefahr eines Vergleiches bergen könnte, zurückziehe. Ich spreche nicht über Zensuren und distanziere mich von sämtlichen Gesprächen, die in eine solche Richtung gehen. Situationen, in denen man in der Gegenwart anderer Leistung zeigt, also auch schon in Seminaren und Übungen, jagen mir Angst ein. Ich nehme kleinste Leistungsunterschiede, ohne dass ich mich dessen erwehren könnte, sofort war, obwohl ich doch damit nicht belästigt werden möchte, es ist einfach schrecklich. Unsere Gesellschaft ist voll davon und die Vorstellung eines grausamen Sozialdarwinismus, der für die dümmeren die Gosse vorgesehen hat, kreist bedrohlich in meinen Gedanken. Wer viel hat, dem wird gegeben - wer wenig hat, von dem wird man noch nehmen. Den Spruch kennen wir alle und er passt bestens zu den aktuellen Entwicklungen (Exzellenzunis, Hamburger Schulreform). Wäre ich fünfzig Jahre vorher geboren worden, wäre ich vor dieser Gesellschaft wahrscheinlich in den sozialistischen Ostblock geflohen.
Schlau genug, die eigenen Defizite zu erkennen, zu dumm ihnen zu entkommen - oder auch: Die Ansprüche ans eigene Leben zu hoch gesetzt, in Leistungsbereiche, die einem verschlossen bleiben?