Levitation mit Energieerhaltung bei Schwungrädern?

Gegeben sei ein Versuchsaufbau mit zwei gegenläufig rotierenden Scheiben S1 und S2 der Dimensionen r=0.1m, l=0.02m aus Stahl bei 30.000u/m.
Die Rotationsenergie der Scheiben beträgt:
W_k = J * a * a / 2
mit Annäherung J = m * r * r / 4 = 0,0123245 kg/m² und a = 3141,6rad/s folgt
W_k = 608019J

Gegeben seien weiterhin die Bremsen B1 und B2 an gegenübergesetzten Stellen links und rechts von S1 S2 an den Punkten an denen diese aufwärts rotieren.

Versuch 1: Die Bremsen fixieren die Scheibe instantan.
Vermutung: Die Rotationsgeschwindigkeit wird zum größten Teil in Lageenergie umgewandelt, der Versuchsaufbau würde mangels Fixierung auf eine nach mgh bestimmbare Höhe springen und wieder fallen.

Versuch 2: Die Bremsen werden dosiert geschlossen um die Gewichtskraft des Versuchsaufbaus aufzuheben.
Vermutung: Die Rotationsgeschwindigkeit wird wie in V1 umgewandelt, der Aufbau „schwebt“ bis die Rotationsenergie der Scheiben aufgebraucht ist.

Versuch 3: Wie V2 nur die Scheiben werden zusätzlich von Elektromotoren E1 und E2 auf 30.000u/m gehalten, die Motoren werden wie S1 und S2 gegenläufig betrieben.
Vermutung: Der Aufbau schwebt wie in V2 bis die Elektromotoren abgeschaltet werden.

Der Energieerhaltungssatz wird durch die genannten Versuchsaufbauten ja nicht verletzt, gibt es einen Aspekt den ich hier übersehe?

Hallo!

Es wäre schön, wenn es so wäre. Dann könnte man ein System aus Rädern an einem Raumschiff montieren, diese in Drehung versetzen, wodurch das Raumschiff an Geschwindigkeit gewinnen würde. Dann würde man das System um 180° drehen, und die Räder wieder abbremsen. Durch die 180°-Drehung würde das Raumschiff weiter beschleunigt, statt wieder abgebremst zu werden.

Leider funktioniert das so nicht, die NASA würde es längst verwenden. Um in der Schwerelosigkeit vorwärts zu kommen, muß man Masse nach hinten werfen - und zwar so, daß sie nicht zurück kommt.

Um es zu erklären, stell dir einen Rahmen vor, auf dem zunächst nur ein sich drehendes Rad montiert ist:

Rad1

Das rote sind zwei Bremsen. Wenn diese das Rad abbremsen, dann üben sie Kräfte in unterschiedliche Richtungen auf den Rahmen aus. In der Schwerelosigkeit würde der Rahmen daher anfangen, sich im gleichen Sinn wie das Rad zu drehen, und zwar so, daß Rad und Rahmen sich irgendwann gleich schnell drehen, das Rad also im Bezug zum Rahmen still steht. Da die Kräfte gleich groß sind, gibt es keine resultierende Gesamtkraft auf das System, es beschleunigt also nicht vorwärts.

Du wirst jetzt vermutlich sagen, du hast in deiner Aufgabe nur eine Bremse, und damit nur eine Kraft. Leider spuckt dir die Physik auch da in die Suppe. Dazu ein Experiment: Nimm ein Rad, einen Ball oder ähnliches, versetze es in Drehung, und lass es fallen. Wenn es den Boden berührt, wird der Boden auch die Drehbewegung abbremsen. Als Reaktion wird das Rad dann einen Satz vorwärst machen, so, als wollte es auf dem Boden weiterrollen. Sprich, der Boden hat zwar eine Bremskraft aufgenommen, aber auch eine Kraft auf das Rad ausgeübt. Und wegen der will dein Rad vorwärts.
Zurück zu deinem Aufbau. Das Rad ist ja am Rahmen montiert, und wird die Kraft über das Lager auch auf den Rahmen übertragen. Du erhälst so wieder zwei gleich große, entgegengesetzte Kräfte, eine von der Bremse, eine vom Lager auf den Rahmen übertragen. Es passiert damit das gleiche, wie im ersten Fall. Der ganze Rahmen fängt an zu rotieren, bewegt sich aber nicht vorwärts.

Nun montieren wir das zweite Rad:

Rad2

Aus dem bisher geschriebenen kannst du dir zusammen reimen, daß wieder die Summe aller Kräfte 0 ist. und: Der linke Teil versucht, den Rahmen in eine Drehung im Uhrzeigersinn zu versetzen, der rechte gegen den Uhrzeigersinn. Dadurch wird der Rahmen einfach still stehen, während die Räder langsamer werden.

Warum kann aber der Würfel im Video hüpfen?

Tut er eigentlich gar nicht. Dazu noch ein Experiment. Nimm einen Knick-Strohhalm, mach einen 90°-knick rein, und leg ihn so auf den Tisch, daß das lange Ende leicht über den Rand ragt. Fass dieses Ende locker an, und dreh vorsichtig daran. Der Knick hebt ab, weil der Halm sich am kurzen Ende vom Boden abdrückt. Und das nur, weil du so eine „Drehkraft“, offiziell Drehmoment genannt, ausgeübt hast. Im Prinzip kann man viele Kunsttücke aus dem Video auf diese Weise mit dem Strohhalm nachahmen, wenngleich das weit weniger faszinierend aussieht.

In dem Würfel sind Kreisel, die beschleunigt und abgebremst werden können, und dadurch ein entsprechendes Drehmoment auf den Würfel selbst ausüben. Fortbewegen oder schweben kann er sich dadurch nicht direkt, er kann sich aber vom Boden abdrücken und über eine Kante rollen, sich so also so doch fortbewegen. Aber ohne Boden geht das nicht.

Übrigens, Satelliten wie das Hubble-Teleskop verwenden Kreisel, um sich exakt auf irgendwelche Sterne auszurichten, also um eine Drehung zu beginnen und wieder zu stoppen.

Noch ein Wort zur Energieerhaltung

Grundsätzlich ist sie immer erhalten. Wenn man sagt, daß sie nicht erhalten ist, meint man, daß man nur bestimmte Energien betrachtet, und Energie in eine nicht betrachtete Form umgewandelt wird. Beim Abbremsen wird Bewegung in Wärme umgewandelt. Man spricht in der Mechanik schon davon, daß die Energie hier nicht erhalten ist. Das gilt auch für deinen Versuch.

Die Gegenkraft ist genau der Grund warum hier überhaupt etwas passiert. Die Bremse übt eine Kraft auf das Schwungrad aus, das Schwungrad übt eine Kraft auf die Bremse aus…

Das generelle Prinzip ist recht gut dokumentiert, es geht mir hier um einen extremen Randfall bei hohen Energiemengen:

Actio = Reactio
Auf die Achsen der rotierenden Scheiben wirkt eine nach unten gerichtete Kraft.

Versuch 1: Der Aufbau fliegt dir höchstwahrscheinlich um die Ohren

Versuch 2: Bremsen und Scheibe werden warm

Versuch 3: Die E-Motoren geben den Geist auf, oder Bremse und Scheibe verschweißen, sobald die Motoren abgeschaltet werden:

Gruß,
KHK

Hi,

nette uns ausführliche Antwort.

Nur, warum hat hier im Forum keiner die „Balls“ um dem Fragesteller in kurzen, knappen Worten zu sagen, daß diese Idee Quark ist.

Sollte eine Antwort wie meine nicht aussagekräftig genug sein und einer mit Skizzen (deiner Mühen in Ehren) etc. nicht genügen?

Da könnte auch das Ergebnis einer Kerbschlagprüfung an an einem sehr duktilen CN-Stahl solchen Menschen zu diesen Gedanken treiben.

Gruß vom Raben

Danke für diese Erklärung! Ich war wegen des Impulses verwirrt, dass Drehimpuls und Linearimpuls separate Erhaltungsgrößen sind habe ich übersehen :wink:
Aber ja, mit dem Kräftediagramm kapier ich den Fehler, also danke vielmals!

Gruß,
Justus

Gegenfrage.

Sind die Scheiben und die Bremsen auf der selben Platte oder Rahmen montiert?

Wenn ja, so passiert so viel oder wenig als wenn Du in einem Segelboot sitzt und in das Segel pustest. Das aber nur solange wie der Versuchsaufbau genügend steif ist um die Kräfte aufzufangen.

Ansonsten bekommst Du einen Haufen Schrott, der sich um den Schwerpunkt der Anordnung wickelt.

Gruß vom Raben