Lichtgeschwindigkeit

Hallo Experten,
ein Gedankenexperiment:
Vom Planeten A starten zwei Raumschiffe mit ziemlich viel Treibstoff in Richtung Planet B.
Sie fliegen beide parallel mit 0,99c (99% Lichtgeschwindigkeit). Natürlich relativ zum Startplaneten. Die Relativgeschwindigkeit der beiden Raumschiffe zueinander ist 0.
Da denkt sich der eine Raumschiffkapitän: Ich werde mal meine Relativgeschwindigkeit zum anderen Raumschiff erhöhen und beschleunigt seinerseits auf 0,99c, diesmal aber relativ zum anderen Raumschiff.
Geht das? Mehr als c kann er doch nicht kriegen, egal mit welcher Relativität…?
Vielen Dank,
cu
whisper

relativistische Geschwindigkeitsaddition

Hi whisper,

dein Szenarium ist beinahe das Standard-Szenarium, an dem man die relativistische Geschwindigkeitsaddition klarmacht. Beinahe nur, weil Beschleunigungen darin eine Rolle spielen. Das Axiom der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gibt aber nur für Inertialsysteme (= unbeschleunigte Systeme). Aber wir können das Arrangement verändern, indem wir die Raketen instantan (= ohne Beschleunigung) auf ihre Geschwindigkeiten springen lassen.

Dann haben wir zunächst das Beobachtersystem des Planeten A. Das ist natürlich inertial. In diesem System bewege sich eine Rakete R1 mit der konstanten (!) Geschwindigkeit v1. R1 ist dann ebenfalls ein Inertialsystem. in dem es selbst die Geschwindigkeit 0 hat. Auf R1 befinde sich eine zweite Rakete R2, die sich zunächst relativ zu R1 in Ruhe befindet. Im (Koordinaten)system A bewegen sich beide Objekte also mit v.

Dann soll R1 als Startrampe dienen, von der sich R2 relativ zu R1 mit derselben (konstanten!) Geschwindigkeit v2 entfernt, und zwar weg von A. Bei v << c würde sich nun R2 im System R1 mit der Geschwindigkeit v2 entfernen. R2 hätte aber im System A (dem Ausgangsplaneten) die Geschwindigkeit v1 + v2 = v(A) = 2v.

Wenn aber v → c, dann gilt die klassische Geschwindigkeitsaddition nicht mehr. R2 wird sich im System R1 immer noch mit v2 = v1 = v (weg)bewegen, denn R1 und R2 sind beides Inertialsysteme.

Im System A müssen wir die Geschwindigkeit v(A) der Rakete R2 aber anders berechnen. Und zwar mit der Lorentztransformation für relativistische Geschwindigkeitsaddition.

Die Formel dafür findest du in einem FAQ, das ich vor vielen jahren hier mal deponierte:

Dort findest du die Formel
v = (u + v’)/(1 + uv’/c2)
bei der wir für unser Beispiel die Variablen nur umnotieren müssen:
v(A) = (v2 + v1)/(1 + v1v2/c2).

Du siehst, daß v(A) niemals > c werden kann. Lasse z.B. mal v1 (die Geschwindigkeit der Rakete R1 im System A) = c sein. Und v2 (die Geschwindigkeit der Rakete R2 im System R1) ebenfalls = c.
Dann folgt für v(A), also der Geschwindigkeit der Rakete R2 im System des Ausganbgsplaneten A:
v(A) = (c + c)/(1 + cc/c2) = 2c/(1 + c2/c2) = 2c/2 = c

Das heißt, auch wenn es paradox zu sein scheint: Der Beobachter in der Rakete R1 sieht R2 mit c verschwinden. Aber für den Beobachter auf dem Planeten A fliegen beide Raketen gleich schnell mit c.
Das gilt übriegns auch umgekehrt: Schaut R2 zurück, dann sieht er R1 und A mit gleicher Geschwindigkeit entschwinden.

Setze für v1 und v2 deine Beispielwerte 0.99c ein, und du bekommst.
v(A) = 1.98c/(1 + 0.9801c2/c2) = 1.98c/1.9801 = 0.9999495c

Der Beobachter auf A sieht also die Rakete R2 geringfügig schneller fliegen als R1, aber der Beobachter in der Rakete R1 sieht R2 mit 0.99c verschwinden. Und ebenfalls umgekehrt: Für R2 verschwindet A nur geringfügig schneller im Weltraum als R1.

Entsprechendes gilt dann auch wechselseitig für die Beobachtung der Verlangsamung von Uhren in den jeweils anderen Inertialsystemen von jeweils einem Inertialsystem aus. Vor ein paar Wochen hatte ich nochmal hier erklärt:


Das Beispiel dort im Szenarium „Uhrenparadoxon“ nennt man auch einfach Zeitdilatation. Die Formeln dafür findest du ebenfalls in dem o.g. Artikel

Gruß
Metapher

Richtig erkannt, wenn Raumschiff 1 in Bezug auf Raumschiff 2 nochmal 99%Lg erreicht, nach „vorn“, dann sind es von Planeten betrachtet halt ein paar Neunen mehr, 99,9…%LG.

Das lässt sich auch genau ausrechnen, es gibt dazu einen Wikipediaartikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Relativistisches_Additionstheorem_für_Geschwindigkeiten.

Jeder kann jedes Bezugssystem benutzen oder definieren, und alle sind gleich richtig. Deswegen nennt man das auch Relativitätstheorie, weil es keinen objektiven Bezugspunkt gibt.

Und es ist ganz egal, von welchem Standort man das Ganze berechnet, Raumschiff 1 oder 2, Planet A oder B, die Rechungen kommen zum gleichen Ergebnis.

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Die SRT ist inzwischen 110 Jahre alt. Da wird es Zeit, dass du sie mal lernst, anstatt hier von jeglichem Sachverstand ungetrübte Verschwörungstheorien zu verbreiten.

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An welcher Stelle widerspricht denn das Additionstheorem der klassischen Physik, dass Du es als Spekulation bezeichnest? Es ist genau anderherum, die klassische Physik bedient sich einer illegitimen Vereinfachung bei der Addition von Geschwindigkeiten.

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Guten Morgen,

„mehr als c kann er dich nicht kriegen“ - genau so eine Formulierung, die man häufig antrifft, ist wohl das Problem. Besser ist es, das so zu formulieren:
Wenn immer jemand eine Geschwindigkeit misst, kommt nie etwas größeres als c heraus.
Da das dann bei Beispielen wie Deinem klassisch unlogisch wird, müssen sich wohl die Zeit- und Längenmaßstäbe verändern, damit es wieder passt.

Gruß
Olaf

Guten Morgen,

2 Fragen dazu:

Sieht denn der Beobachter auf A die beiden Raketen dann immer noch „nebeneinander“ und gleich groß?

Und - hat das alles auch irgend etwas damit zu tun, dass das Licht, das man ja zum Beobachten braucht, eben auch eine gewisse Zeit braucht, bis es bei A ist?

Gruß
Olaf

Der Bezugspunkt für die 99 % Lichtgeschwindigkeit des Raumschiffes ist und bleibt der Planet A. Der Captain kann nicht einfach ein neues Bezugssystem herbeidefinieren.

Chan

Hallo Olaf,

Man darf dabei nie vergessen, daß wir uns ja in einem Gedankenexperiment(*) befinden: Der Fall v ≡ c ist ja real eh nicht möglich. Und wenn wir es dennoch ansetzen: A könnte weder R1 noch R2 überhaupt sehen, weil das Licht von beiden infinit (doppler-)rotverschoben wäre. Aber hier: Ja, für den Beobachter A entfernt sich R2 gar nicht von R1.

(*) Den Begriff „Gedankenexperiment“ hat übrigens Einstein selbst erfunden.

Interessant wird der Fall, wenn R2 von R1 aus nicht in Flugrichtung, sondern rechtwinklig zur Flugrichtung mit v = c wegfliegen würde. Diese Geschwindigkeit transformiert sich im System A zu v(A) = 0. Das heißt, auch in diesem Fall würde A nicht sehen, daß R2 sich von R1 entfernt!

Nein. Da wir ja die Beschleunigung draußen vor gelassen haben, die Geschwindigkeiten also instantan erreicht werden, können wir das Szenarium in beliebiger Entfernung ansetzen. Z.B. auch unmittelbar über der Oberfläche des Planeten A. Die Lichtlaufzeit bleibt im System A für beide R in jeder Entfernung dieselbe.

Gruß
Metapher

Hallo,

Kein Problem. Er muß nur eine „Vollbremsung“ hinlegen :grin:. Der Punkt mit der Ankunft auf Planet B würde sich hierdurch jedoch reichlich in die Länge ziehen.

Gruß
vdmaster

Ausschlaggebend ist das Bezugssystem, von dem aus das Schiff die 99 Prozent LG erreicht hat, also Planet A. Ist das so schwer zu verstehen? Wäre es anders, könnte jedes Raumschiff ja so schnell fliegen, wie der Captain gerade lustig ist, indem er alle Naslang neue Bezugssysteme definiert.

Chan

Dein Additionstheorem ist leider reine Spekulation und physikalisch nicht verifizierbar. Vernünftiger ist es, Geschwindigkeiten ganz konventionell zu addieren. Da das im Falle von 2 mal 0,99 LG nicht geht, ist das ganze Gedankenspiel hinfällig. Es bleibt bei 0,99 LG in Bezug auf Planet A, wenn der Schiffsmotor nicht noch mehr hergibt (in Bezug auf Planet A, wohlgemerkt).

Chan

tolle Erklärung, vielen Dank Metapher!!!
In diese Richtung hatte ich auch schon gedacht, aber erst die Formeln machen das ganze klar.
Schönen Tag,
cu
whisper