Liegt hier Scheinselbstständigkeit vor?

Hallo zusammen & einen wunderschönen guten Tag,

ich setze mich gerade mit dem Thema „Freiberufler“ auseinander und habe dazu noch paar Fragen:

  1. Liegt Scheinselbstständigkeit vor, wenn ich (oder wer auch immer) als „Freiberufler im HR/Personalwesen“ einen Mitarbeiter der länger ausfällt (Urlaub, Sabbatical, Krankheit, etc.) ersetze? Beispiel: Mitarbeiter X ist für die nächsten 6 Wochen krankgeschrieben, der Arbeitgeber kontaktiert mich, ich übernehme für die 6 Wochen (oder länger) seinen Platz und mache seine Aufgaben. Sobald Mitarbeiter X wieder da ist, verlasse ich das Feld.

  2. Zusatz zu Fall 1. Ich übernehme nicht nur seinen Platz für Zeitraum X sondern führe beim Kunden/Arbeitgeber noch einige Tätigkeiten aus, mit denen der Mitarbeiter nichts zu tun hatte (Projekte, etc.)

  3. Zusatz zu Fall 1. Ich arbeite beim Kunden „Teilzeit“ (bspw. 4 von 5 Tagen) und kümmere mich am „freien Tag“ um, z. B. Bewerbercoaching, Berate andere Firmen zum Thema HR, etc. Sprich: Ich habe nebenbei noch andere Kunden.

  4. Ich führe beim Kunden zeitlich befristet Projekte durch, mit denen kein anderer Mitarbeiter zu tun hat (Ich ersetze niemanden).

-Wie lange darf der Einsatz bei einem Kunden maximal dauern?

-Bin ich noch Freiberufler, wenn ich nebenbei Bewerber und Unternehmen berate oder wäre ich dann ein „Unternehmer“?

Ich danke euch vielmals für eure Antworten!!!

LG!

Servus,

was eine freiberufliche Tätigkeit ist, steht in § 18 Abs 1 EStG. Welchem der dort angeführten Berufe sollte Deine Tätigkeit ähnlich sein?

Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn Du organisatorisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingebunden bist, in dem Du tätig bist.

Wenn Dein Auftraggeber im konkreten Fall eine bindende Auskunft von der DRV haben möchte (und ja, es ist der Auftraggeber, an dem das Risiko hängt, nicht der für ihn tätige Selbständige), lässt er eine Statusfeststellung durchführen, und gut ist.

Schöne Grüße

MM

Nachtrag:
Ich muss mich wohl korrigieren (Gibt es hier eine „Bearbeiten-Funktion“?).
Freiberufler ist wohl nicht der richtige Ausdruck, sondern Freelancer.

-Eine zusätzliche Frage: Reicht eine Ausbildung + fast 7 Jahre Berufserfahrung aus oder braucht man unbedingt ein Studium?

Hallo und danke für deine Antwort!

Das was ich vorhabe (Freelancer im Bereich Recruiting, Administration, Prozessoptimierung, etc. + Berater für Bewerber), finde ich in der Liste nicht wieder.

„Scheinselbständigkeit liegt vor, wenn Du organisatorisch wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingebunden bist, in dem Du tätig bist.“
So wie ich den Satz verstehe und anderswo auch ähnlich gefunden habe, liegt hier Scheinselbstständigkeit vor, da ich dafür beim Kunden sein muss und dort auch auf einen Platz angewiesen bin.

Nein. Der Beitrag ist nur für wenige Minuten nach der Erstellung noch korrigierbar.

Freiberufler ist wohl nicht der richtige Ausdruck, sondern Freelancer.

Damit bist du in den allermeisten Fällen Gewerbetreibender.

-Eine zusätzliche Frage: Reicht eine Ausbildung + fast 7 Jahre Berufserfahrung aus oder braucht man unbedingt ein Studium?

Um sich als Gewerbetreibender selbständig zu machen, braucht es keinerlei Studium.
Für deine Aufträge ist dann die Qualifikationsanforderung des Auftraggebers massgeblich, solange es sich nicht um ein Handwerk handelt, für das besondere Regeln gelten.

Um dem Verdacht einer Scheinselbständigkeit entgegenzuwirken, ist es mindestens vorteilhaft mehrere Auftraggeber zu haben und längstens 3 Monate am Stück für einen Auftraggeber tätig zu sein.

Wesentliches Merkmal eines Selbständigen ist weitgehende Handlungs- und Terminfreiheit bei der Ausübung seiner Tätigkeit.
Weisungsgebundenes Handeln ist sicheres Indiz für eine angestellte Tätigkeit (oder eben Scheinselbständigkeit).

Servus,

das kommt darauf an.

selbständig ausgeübte wissenschaftliche, Studium
künstlerische, häufig Studium, nicht zwingend
schriftstellerische, kein Studium nötig
unterrichtende hängt vom Gegenstand des Unterrichts ab, ob Studium erforderlich
oder erzieherische Tätigkeit häufig Studium, nicht zwingend

die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Studium
Zahnärzte, Studium
Tierärzte, Studium
Rechtsanwälte, Studium und Staatsexamen
Notare, Studium
Patentanwälte, Studium
Vermessungsingenieure, Studium
Ingenieure, Studium
Architekten, Studium
Handelschemiker, Studium
Wirtschaftsprüfer, Studium plus Bestellung
Steuerberater, Studium plus Bestellung
beratenden Volks- und Betriebswirte, Studium
vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Auslaufmodelle, nicht mehr neu aufgelegt
Heilpraktiker, kein Studium
Dentisten, Auslaufmodell
Krankengymnasten, kein Studium notwendig
Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen bei allen kein Studium notwendig

und ähnlicher Berufe.

Den „Freelancer“ als irgendwie besonderen Status gibt es im deutschen Recht nicht. Steuerlich, gewerberechtlich und sozialversicherungsrechtlich betreibt ein selbständig Tätiger, der keiner freiberuflichen Tätigkeit nachgeht, ein Gewerbe. Das macht so gut wie keinen Unterschied, außer dass man eben bei Aufnahme der Tätigkeit zur Gemeinde-/Stadtverwaltung wackeln und dort einen Zettel „Gewerbeanmeldung“ ausfüllen muss. Bei Gewinnen über 24.500 € (hab jetzt mal vereinfachend den Gewerbeertrag mit Gewinn gleichgesetzt) zahlt man ein bissi Gewerbesteuer und ungefähr gleich viel weniger Einkommensteuer.

Der eingerichtete Arbeitsplatz beim Kunden ist ein Indiz, aber allein aus diesem lässt sich noch keine Scheinselbständigkeit ableiten. Der Einsatz projektbezogen oder bei plötzlichem Ausfall oder sonstwelchen Interimsituationen ist eher typisch für Selbständige.

Wenn zu Beginn ein paar (zwei oder drei) Auftraggeber eine Statusfeststellung angeleiert haben, wird es bei den dann folgenden keine Überraschungen mehr geben. Heiß empfohlen! Wenn man da selber in die Inititative geht, hat man den taktischen Vorteil des Angreifers und kann die schematisch abgefragten Einzelheiten ein bissele in die Richtung beantworten, die man gerne als Ergebnis hätte.

Schöne Grüße

MM

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Kommt drauf an.

Wenn man sich mal die Zeitfenster für die einzelnen Gewerke auf Großbaustellen anschaut, die sich allein schon daraus ergeben, dass man sich nicht gegenseitig im Weg stehen sollte, kann da der Einzelne nicht viel disponieren - auch wenn niemand daran zweifelt, dass dort Selbständige im Einsatz sind.

Solche auf den ersten Blick schwammigen Begriffe wie das „Gesamtbild der Verhältnisse“ wären nicht notwendig, wenn sich das so einfach fassen ließe. Es ist auch nicht von ungefähr, dass die vielen Versuche der letzten fünfundzwanzig Jahre, die Sache mit der Scheinselbständigkeit konkret zu fassen, allesamt wieder fallen gelassen wurden.

Schöne Grüße

MM

Ich hab da unter den Handwerkern noch nie einen Freelancer gesehen.
Gewerbetreibende Sub- Subunternehmer schon eher.
:smiley:

Und dem steht es frei, einen Auftrag im gegebenen Zeitfenster anzunehmen (und zu erfüllen) oder nicht.
Dann ist es vertragliche Angelegenheit.

Das Thema ist so komplex, dass ich gerade gestern mal wieder von einem Top-10 DAX-Unternehmen eine über 50-seitige Präsentation in die Hände bekam, in denen den Mitarbeitern erklärt wurde, was sie alles bei Beauftragungen von Leistungen an Externe beachten müssen, um nicht Probleme mit Scheinselbständigkeit/zweifelhaften Werkverträgen/unzulässiger Arbeitnehmerüberlassung zu kommen.

Auch ich verwende einen Gutteil meiner Zeit darauf, genau diesem und anderen Kunden ständig zu erklären, warum wir bestimmte Angebots- und Vertragsklauseln verwenden, und hiervon auch nicht abweichen. Die Kolleginnen ärgern sich dauernd mit so genannten Freelancern rum, die wir nur noch nach Statusfeststellungsverfahren zum Einsatz bringen (welches dann oft genug negativ ausgeht)…

Und daher kann ich jedem Auftraggeber nur raten, peinlich genau auf die korrekte Ausgestaltung der Verträge und Leistungserbringung zu achten, und ebenfalls auf einem Statusfeststellungsverfahren zu bestehen.

Sieh auf jeden Fall zu, dass Du Dir tatsächlich einen Kundenkreis schaffst, und nicht nur bei Bedarf bei dem einen Unternehmen einspringst, bei dem Du so gerne arbeiten willst. Begrenzte die einzelnen Tätigkeiten zeitlich und auch inhaltlich von vorne herein so, dass Du für Dich selbst und in eigener Hoheit entscheiden kannst wann Du was für wen an Leistungen erbringst. Der zunächst dankbare „open end“ Auftrag des Lieblingskunden ist ein klassisches K.O. Kriterium. Die von Dir angesprochene parallele Tätigkeit für mehrere Kunden (hierbei bloß nicht von „freien Tagen“ beim Standard-Auftraggeber sprechen), ist ein klares Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

Es spricht nichts gegen die Anwesenheit beim Auftraggeber, soweit diese in konkreten Situationen zwingend erforderlich ist, also z.B. zu Besprechungen, oder um zu bestimmten Zeiten vor Ort ansprechbar zu sein. Der klassische nine-to-five Arbeitstag am festen Schreibtisch des Auftraggebers ist hingegen ebenfalls ein K.O. Kriterium.

Nur mit der klaren Abgrenzung von Einzelbeauftragungen kann man einer organisatorischen Einordnung in das Auftraggeber-Unternehmen entgehen. Bloß nicht „Mädchen-für-alles“ zum Pauschalpreis spielen! Darauf achten, dass man immer als externer Dienstleister auftritt (z.B. am Telefon und mit einer klar unterscheidbaren Mail-Adresse und Signatur, z.B. "extern.Anton.Mü[email protected], Anton Müller, externer Dienstleister für … im Auftrag der firma GmbH) und nur über einen klar definierten Ansprechpartner Vereinbarungen treffen, die über die rein fachliche Zusammenarbeit mit Festangestellten hinausgeht, und diese Kommunikation auch dokumentieren. Heute per Mail wunderbar einfach machbar. D.h. nicht mit irgendeinem Kollegen auf Augenhöhe mal eben mündlich vereinbaren, wann man das nächste Mal kommt, sondern dem definierten Ansprechpartner per Mail mitteilen, dass man am … um … zur nächsten Besprechung kommen wird.

Ebenfalls aufpassen bei den genutzten Arbeitsmitteln: Jemand der ausschließlich mit Arbeitsmitteln des Kunden in dessen Räumen gemeinsam mit Internen arbeitet (wenn wir jetzt nicht gerade von zentralen Systemen sprechen, an denen temporär bestimmte Aufgaben zu erfüllen sind), setzt damit klare Zeichen in die falsche Richtung. Nach Möglichkeit vom Home-Office aus mit dem eigenen PC, mit eigenen Software-Lizenzen, eigenen Handy (passende Mailbox-Ansage beachten), … arbeiten. Keine Dienstkleidung des Auftraggebers mit dessen Logo tragen, … Ggf. Büroraum beim Auftraggeber mieten (wird dann wieder auf den Preis aufgeschlagen), und auch entsprechend per Türschild bezeichnen, wenn überwiegende Anwesenheit vor Ort erforderlich ist.

Die Abrechnung sollte nicht auf Stunden-, sondern auf Meilenstein- oder Stückzahl-Basis erfolgen. Auch dies macht deutlich, dass man ein eigenes unternehmerisches Risiko trägt. D.h. nicht acht Stunden für die Lohnabrechnung in Rechnung stellen, sondern einen Betrag x für die Lohnabrechnung eines MA pro Monat fordern.

Pseudo-Werkverträge sind ein beliebtes, aber auch nicht unproblematisches Mittel zur Vermeidung von Scheinselbständigkeit. Das zu erbringende Gewerk muss schon als in sich abgeschlossenes Gewerk definiert werden, und sollte auch kein wiederkehrendes, triviales „Massen-Gewerk“ sein, welches nicht individualisierbar ist. Die „Werkverträge“ in den Schlachtereien, wo es um x Gewerke von 500 zu zerlegenden Schweinen geht, die die immer wieder selben osteuropäischen „Selbständigen“ abschließen, sind vollkommen zu Recht in der Kritik.

Zudem sollte man sich als Selbständiger (nicht nur weil es steuerlich vorteilhaft ist) eine gewisse eigene Infrastruktur schaffen, die zum Ausdruck bringt, dass man selbständig tätig ist. D.h. Homeoffice im getrennten Arbeitszimmer mit echten Büromöbeln, … Künftig sauber trennen, was man an Material für die selbständige Tätigkeit kauft, und was privat. Fahrtenbuch führen, um Fahrtkosten abrechnen zu können, … Überlegen, welche Aufträge man selbst als Unternehmer raus geben kann. Ggf. sich mit mehreren Leuten in ähnlicher Situation zusammentun, und gemeinsam auftreten (bzgl. Rechtsform anständig juristisch beraten lassen). Dabei dann nicht Herrn X und Frau Y den Kunden anbieten, sondern „einen MA mit den Qualifikationen 1, 2 und 3“, oder eben die Erledigung der Tätigkeit X „durch qualifizierte MA (die nicht konkret nach Zahl und Name benannt werden)“

Kein Wunder - ist doch der „Freelancer“ nirgendwo im deutschen Steuer-, Sozial-, Handels-, Zivilrecht definiert, also von Natur aus unsichtbar. Es gibt ihn genau genommen in Amerika auch nicht - dort heißt das, was dem deutschen „Einzelunternehmer“ entspricht, „self-employed“ (wörtlich ‚bei sich selber angestellt‘), wenn man es mit einem eindeutigen Begriff beschreiben möchte.

Schöne Grüße

MM