Besprechen der gute Herr Pfaller und der mir bisher nicht bekannte Herr Baier die Grundproblematik linker Politik seit spätestens nach 1989, seit quasi weltweit sämtliche Sozialdemokratien in Richtung Untergang unterwegs sind und das neoliberale Denken hegemonial geworden ist („Die Wirkungsweise des Neoliberalismus besteht darin, dass man sich gar nichts anderes mehr vorstellen kann“), so dass auch die Neoliberalisierung der Sozialdemokratien die Sozialdemokratien nicht retten konnte?
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wz_reflexionen/zeitgenossen/933777_Die-Linke-sollte-das-Moralisieren-lassen.html
Ich kopiere ein paar Thesen:
— … nach dem Fall des Eisernen Vorhanges der Westen die Idee aufgab, als Gesellschaft auf zunehmende Gleichheit hinzusteuern. Die Idee der Gleichheit wurde verlagert zur Idee der Nicht-Diskriminierung, eine erste neoliberale Verdrehung
— zu #metoo und Konsorten: Die Linke macht jetzt gerade drei zusammenhängende Fehler: erstens, dass sie das Leid miniaturisiert und nach oben umverteilt, wie das bei allen Identitätspolitiken der Fall ist. Hier geht es nicht um Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe wie zum Beispiel bei den meist prekär Beschäftigten im Fastfood-Bereich, sondern um das Leid von Eliten - von Schauspielerinnen, die Sex gegen hochbezahlte Jobs tauschen können. Das ist weniger ein Problem des Sex - denn es werden ja auch andere Leistungen zur Mehrarbeit abgenötigt - als vor allem eines Machtgefälles in bestimmten elitären Branchen. Zweitens werden Rechtsstandards außer Kraft gesetzt. Man darf Gleichbehandlungsgesetze nicht so formulieren, dass der Tatbestand davon abhängt, ob etwas von der betroffenen Person subjektiv als Übergriff empfunden würde. Recht ist dazu da, Menschen vor Willkür zu schützen. Dafür gibt es ja Gesetze, damit es eben nicht auf das subjektive Empfinden ankommt. Drittens, man läuft hier auch Gefahr, eine bestimmte Leichtigkeit im Umgang miteinander zu opfern. Es äußerst sich darin eine puritanische Sexualfeindlichkeit. Das ist ein fette Beute für die populistische Rechte
Ich glaube, dass die Linke im Moment in kulturellen Kämpfen oft die falschen Positionen vertritt. So sagt man in der #metoo-Debatte nicht, Frauen sind starke Wesen, die auch Macht und Sex einsetzen und diese bisweilen auch missbrauchen können, sondern man lässt sich auf dieses schwarz-weiße Klischee ein und sagt, Frauen sind ganz schwach und wir brauchen zu ihrem Schutz starke Gesetze.
— Angesichts dieser nicht so erfreulichen Entwicklungen lässt man sich schnell täuschen und denkt, es gibt einen Rechtsruck in Österreich, und alle Nazis kommen aus ihren Löchern. Die Wähler sind aber viel volatiler, als man angesichts dieser Verschiebungen glauben könnte, und wenn die Linke nicht ständig pseudoemanzipatorische Zuckerln anbieten würde, wie Ampelmännchen und Binnen-I, sondern wirkliche Sorgen ansprechen und alle Verhältnisse offen auf den Tisch legen würde, dann wäre sie durchaus in der Lage, große Teile der nach rechts gerückten Wählerschaft zurückzugewinnen.
Gruß
F.