Linke Rechtsschule gesucht

Hallo? Liebe Islam-Experten? Bitte nicht gleich wieder weglaufen!

Es gab in den ersten Jahrhunderten (nach der Flucht) unter den vielen konkurrierenden Rechtsschulen nur eine einzige Madhhab, die auch Nichtaraber (ohne jüdische Abstammung) bei sich als Muslime anerkannte - im Widerspruch zum Koran.

Leider weiß ich den Namen nicht mehr und auch nicht die Quelle, in der das festgehalten worden war; wer kann mir helfen?

Dank im Voraus!

Semsi

Hatte nicht Ibn Sinan diese schule?

Gruß Die Verzweifelte

Ich tippe auf die hanafitische Rechtsschule. Nicht nur, weil ihr Begründer Abu Hanifa selbst ein Nichtaraber, nämlich Perser, war, sondern auch, weil er am Ende der Umayyaden-Herrschaft u.a. wegen seiner explizit geäußerten Auffassung der Ebenbürtigkeit nichtarabischer Muslime mit arabischen Muslimen ins Gefängnis gesteckt wurde.

Chan

Hallo, vielen Dank für Deine Antwort.

Vor vielen Jahren hatte ich es in einer Bibliothek gelesen: Über die ersten Rechtsschulen, deren Ansichten, und welche davon dann nicht überlebt hatten; war nicht so mein Thema. Werde die Literatur durchgehen, die google mir vorschlägt bei „Ibn Sinan + Stichworte“ …

Gruß

Semsi

Hallo, vielen Dank für Deine Antwort.

Die Hanafiten waren es nicht. Die geographische oder rassische Abstammung (außer bei den Juden) spielt nach dem Koran keine Rolle, die sprachliche Zugehörigkeit ist das Entscheidende - wie es auch schon Goethe erwähnte.

Gruß
Semsi

Ja, aber du selbst hast doch geschrieben (fettmarkiert von mir):

In seiner sog. Abschiedspredigt im Jahr 632 hat Mohammed die Irrelevanz einer arabischen Herkunft selbst betont:

Ein Araber hat weder einen Vorrang vor einem Nicht-Araber, noch hat ein Nicht-Araber einen Vorrang vor einem Araber.

Was nun Abu Hanifa betrifft, stand seine Auffassung, dass konvertierte Nichtaraber im Islam nicht benachteiligt werden sollten, im Gegensatz zur diesbezüglichen Auffassung der regierenden Omayyaden-Dynastie. Ich zitiere dazu aus einer von mehreren möglichen Sekundärquellen:

Mawali or mawālá (Arabic: موالي‎) is a term in Classical Arabic used to address non-Arab Muslims. The term gained prominence during the Umayyad Caliphate (c. 661-750 CE/41–132 AH), as many non-Arabs such as Persians, Africans, Azeris, Turks and Kurds
converted to Islam. The influx of non-Arab converts to Islam created a
new difficulty in incorporating them into tribal Arab society.[1] The solution appeared to be the contract of wala’, through which the non-Arab Muslims acquired an Arab patron. They continued to pay a similar tax that was required from the people of the book and were generally excluded from government and the military until the end of the Umayyad Caliphate.[2]
In Khorasan and Persia, the Arabs held most of the higher positions in
the armed forces and in the upper echelons of government.[3]

Erst die Abbasidische Revolution setzte der Benachteiligung eine Ende:

The Abbasid Revolution in 750 CE put an end to the political and social privileges held by the Arabs. The key figure in this revolution was Abu Muslim Khorasani. He was a Persian, born in Isfahan and therefore had impeccable credentials of birth with the exploited Persian majority.[4] The legacy of Umayyad excesses had created extreme bitterness among the local population.

Abu Hanifa war von den Umayyaden, wie ich schon schrieb, wegen seiner ´liberalen´ Auffassung eingesperrt worden.

Abu Hanifa was the founder of the Hanafi school of jurisprudence within Sunni Islam and lived *through the Abbasid Revolution. He famously stated in one of his dictums: “The belief of a newly converted Turk is the same as that of an Arab from Hejaz”.*[6]
However, the Umayyads resented such reforms and Abu Hanifa was jailed
for his activism. Ultimately, being antithetical to Quranic principles,
Umayyad attitudes held no religious value and became a major source of
the collapse of Umayyad rule.

Ich sehe also nicht, warum die Hanifen - wie du behauptest - nicht die Madhab (Rechtsschule) gewesen sein sollen, von der du schreibst:

Chan

Nein, ich spiele hier nicht „Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst“ oder „Teekesselchen“, ich weiß es tatsächlich nicht mehr!

Es war weder die Hanafitische Rechtsschule, noch die Schuubija-Bewegung, die keine Madhhab war, sich auch nur gegen die genealogisch begründete Überheblichkeit der arabischen Clan- und Sippenverbände richtete.

Gruß
Semsi