L'Italia - kaputtes Land?

Hallo!

Der Corriere della Sera schreibt in einem Kommentar zum Brückeinsturz in Genua folgendes Allgemeines:

"L’Italia è un Paese costruito negli anni 60, abbandonato dagli anni 90, che ha cominciato a venir giù da dieci anni. E la ragione è che abbiamo smesso di credere nel progresso. Tutto ci sembra più importante: l’ambiente, l’austerità, i comitati dei cittadini, la Corte dei conti, la lotta agli sperperi e alla corruzione. C’è sempre una buona ragione per non fare nulla.

Italien ist ein Land erbaut in den 60er Jahren, aufgegeben in den 90er Jahren, im Zerfall seit 10 Jahren. Der Grund ist, dass wir aufgehört haben, an den Fortschritt zu glauben. Alles scheint wichtiger: Umwelt, Sparpolitik , Bürgerinitiativen, der Rechnungshof, der Kampf gegen Misswirtschaft und Korruption. Immer ein guter Grund, nichts zu tun.

  1. Empfindet ihr das als zutreffend (sicher ist es überspitzt, aber im Kern)?

  2. Was ist die ideologische Kraft, die ein Land aufgibt, keine „Fortschrittsnarrative“ fördert, nicht in Infrastruktur investieren will, sondern sich in Kleinkram verstrickt und den Staat möglichst schlank hält?
    Neoliberalismus, in Italien in der besonders abscheulichen, aber wirkmächtigen Gestalt eines Berlusconis und seines massenmedialen Verblödungsimperiums aufgetreten?

Gruß
F.

weder ideologie noch kraft. dazu könnte ich jetzt soooo viel sagen, weshalb es keine ideologoe ist, aber keine zeit, wäre eh ein extra thema.
stattdessen elitär und macht.
und sie verstricken sich keinesfalls in

gelegentlich dachte und denke ich, dass es eigentlich schon immer so war. einige wenige. feudalherren gab es nahezu immer. brot und spiele. „tausendjährige“ reiche (daran glaubt man immer wieder, auch und gerade heute wieder).

ich lebe in meiner zeit, habe diese revolution internet von anfang begleitet. und sehr große hoffnungen gehabt. in transparenz. in aufklärung. in „verbesserung“.

heute, nach wenigen jahren internet, ist mir mehr denn je bewusst, das wir mehr beschleunigt, ausgenutzt, reglementiert und kontrolliert werden. die machtausübung hat sich geändert und angepasst. keine physische gewalt vordergründig mehr. sie wurde ersetzt.
die macht ist stets wie eh und je einen schritt voraus.

ich mache mir keine sorgen um italien. oder griechenland. nicht einmal um eine türkei.
weil dort jeweils bausteine einer „universellen“ elitären macht sitzen.
bis sie von anderen bausteinen übernommen und ersetzt werden.

ich mache mir auch keine sorgen der von elitärer macht verbreitenden angst, wenn etwas daneben geht, dann geht ihr mit. das ist doch irgendwie beruhigend.

klingt jetzt alles sehr nach defätismus. und entmutigend.
aber es hat eben den reiz, widerstand zu leisten.

und ermutigt immer wieder, etwas zu verändern.

pasquino

Schon, schon, aber die Frage ist ja schlicht: Was ist das, was lt. dem Corriere della Sera daran schuld war, dass in den 90ern das Land aufgegeben wurde? Da ist ja sicherlich etwas Spezifisches gemeint und nicht der immergleiche Wahnsinn.

Ich glaube, auch weils zeitlich passt, dass der Berlusconismus gemeint ist.
Ich glaube übrigens auch, dass Italien (politisch, ideologisch, zivilgesellschaftlich) kaputter ist als die meisten anderen europäischen Länder. Vielleicht nur ein Vorurteil von mir.

Gruß
F,

Deutschland ist genau so ein Schlamperstaat, der kaputt privatisiert wurde. Wir haben einen auch so tollen Wettbewerb mit 4 Mobilfunknetzen und alle 4 sind Mist, weil LTE doch nur in den Städten gut funktioniert. Wir haben das Jahr 2018 und wenn man beim Wandern in der Natur verunglückt, gibt es immer noch Ecken, wo man nicht einmal mit dem Handy Hilfe holen kann. Und Koaxialkabel wurden damals verlegt anstatt von Glasfasern, darum ist das Internet teilweise immer noch so müde.

Mit Italien können wir gut mithalten, was tödliche Infrastruktur betrifft. Beim ICE Unglück von Eschede sind 101 Menschen gestorben, Dank der Schlamperei der Deutschen Bahn. Rollendes Material bis an die physikalischen Grenzen abnutzen, damit die neoliberale Bilanz stimmt.

Wir haben mehr Wirtschaftskraft als Italien, darum dauert der Niedergang in Deutschland etwas länger. Aber irgendwann einmal wird auch eine der Eisenbahnbrücken, die seit über 100 Jahren nicht mehr gepflegt wurden unter der Last eines Zuges zusammenbrechen. Klar warum sollte man die Eisenbahnbrücken auch reparieren, wenn man mit einem völlig sinnlosen Bahnhofsprojekt eine Stadt wie Stuttgart zerstören kann.

Mal sehen ob BER fertig wird.

Marcel Fratzscher:
Und Deutschland hat ein sehr ähnliches Problem wie Italien, Deutschland hat eine riesige Investitionslücke. Die Nettoinvestitionen in Deutschland im öffentlichen Bereich sind negativ. Das heißt, die Abschreibung, der Verfall der öffentlichen Infrastruktur ist jedes Jahr größer als das, was wir an zusätzlichen neuen Investitionen tätigen. Also, der deutsche Staat lebt von seiner Substanz, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu ähnlichen Problemen, zu ähnlichen Katastrophen in Deutschland kommt. Denn Deutschland lebt, nochmals, seit vielen Jahren von seiner Substanz.
https://www.deutschlandfunk.de/zustand-von-bruecken-und-strassen-die-deutsche.694.de.html?dram:article_id=425529

Btw

Die Brücke in Genua wurde m.W. 1999 privatisiert, also in diesen 90er Jahren, die der Corriere della Sera anspricht.
Wobei Privatisierung an sich nicht das Problem vom allem ist. Darum schieben sich jetzt in Italien auch alle wahrscheinlich absolut zurecht die Schuld gegenseitig in die Schuhe: Betreiber, Staat und EU.

Gruß
F.

Was wurde denn kaputt privatisiert? Post, Bahn, Lufthansa, Telekom,…funktinieren 100.000x besser als zur Zeiten der Milliarden-versenkenden Staatskonzerne.

Vergleichen mit dem Ausland haben wir ein sehr gutes Netz. Privat ist es quasi überall auf der Welt. Am besten in Asien (Taiwan etc) wo richtiger Kapitalismus herrscht, da funktioniert es am Besten.

Und? Willst du alles mit Masten voll ballern die sich in einer Million Jahren nicht rechnen?

Gemacht wurde das noch vom Staatskonzern.

Die ersten IECEs fuhren für die Staatsbahn 10 Jahre lang mit gleicher Radüberwachung? Den Unfall der Privatisierung in die Schuhe zu schieben ist so erzdumm das man einfach nur noch kotzen möchte.

Ein weiteres Beispiel von heftigstem Staatsversagen und warum der Staat in der Wirtschaft nichts verloren hat. Statt einen Flughafen Schlüsselfertig zu bauen nahm Rot-Grün die Planung selbst in die fähigen Hände. Unter RRG wird der in einer Million Jahre nicht fertig werden. Die ganze Scheißstadt ist ein Beispiel wozu Sozialismus führt. Der Spiegel schrieb diese Woche „das Venezuela Deutschlands“.

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Dann solltest du dich mal in die ländlichen USA (Idaho, Montana, Washington, Orgeon) begeben. Da ist die Netzabdeckung im ländlichen Hochsauerland fantastisch. Und im Gegensatz zu den ländlichen USA sind die meisten ländlichen Gegenden Deutschlands so einsam, dass Tagelang niemand vorbei kommt (ok, in den Alpen kann das passieren - und wenn man sich dorthin begibt, weiß man eigentlich, dass man sich ab- und anmeldet & wie man im Unglücksfall auf sich aufmerksam machen kann)

Aha. Und warum habe ich dann vor 3 oder 4 Wochen zum wiederholten Male unter der alten Eisenbahnbrücke im Ort einen Prüftrupp mit Hammer, Kamera und Läppi gesehen? Keine Ahnung, wie alt die Brücke ist, sie wurde jedoch schon bombadiert.

Servus,

die Sicherheitsüberprüfungen gibt es schon. Sie münden aber in der Regel nicht in Arbeiten zur Reparatur und Instandhaltung, sondern zur Beschränkung der maximalen Achlast, die über die Brücke darf, zur Beschränkung der Geschwindigkeit, mit der sie befahren werden darf auf halsbrecherische 30 oder 40 km/h bzw. am Allerliebsten zur Sperrung der Brücke, so dass man endlich die geliebten Busse einsetzen kann statt der dummen Züge, die doch bloß Kundschaft anziehen, so dass man sie nicht mehr pünktlich abfahren lassen kann, weil die plöten Passagiere auch noch ein- und aussteigen wollen.

Die Vernachlässigung hat allerdings nicht vor hundert Jahren angefangen, sondern erst ein paar Jahre vor der Umwandlung der Bundesbahn und Reichsbahn in die Bahn AG.

Eine regelrechte „Über-Instandhaltung“ fand auf sehr vielen Nebenstrecken in den 1970er Jahren statt, als es sehr viel leichter war, einen Antrag auf Stilllegung für den Gesamtverkehr genehmigt zu bekommen, wenn man zeigen konnte, dass die laufenden Kosten, die die Strecke selber verursachte, ein Mehrfaches der erzielbaren Leistungen ausmachten. Auf diese Weise gingen viele Nebenstrecken im Hinterland mit nagelneuen, schweren S-54-Profilen, dito Betonschwellen neuester Bauart und für damalige Verhältnisse hervorragend automatisiert, mit Halbschranken und Lichtsignalanlagen an allen Bahnübergängen, Achszählern an allen Blöcken, voll verkabelt anstelle der schönen alten Telefondrähte usw, usw, in den Dornröschenschlaf, der dann alsbald nach der aufwändigen Modernisierung folgte, weil sie ja eigentlich nur vorgenommen worden war, um die Strecke kaputtrechnen zu können.

Es gab bei der Bundesbahn eine zentrale Stelle, die für die Ermittlung des Kostendeckungsgrades auf Antrag der einzelnen Bundesbahndirektionen zuständig war. Ein Eisenbahner aus meinem Bekanntenkreis berichtet, auf einen entsprechenden Antrag sei in der Regel ein Anruf bei dem Sachbearbeiter erfolgt, der bei der BD den Antrag formuliert hatte: „Sollen wir die Strecke totrechnen oder wollt Ihr da noch fahren?“

Schöne Grüße

MM

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