Logrolling

Hallo liebe Leute,

Ich suche ein praktisches Beispiel zum Thema „Logrolling“. Logrolling bedeutet, dass sich 2 Parteien absprechen, um ihre Gegenseitigen Interessen (z.B. Gesetze oder andere Beschlüsse) in einer Abstimmung durchzusetzen. Das besondere hierbei ist, das ohne eine gegenseitige Unterstützung keine der beiden Vorschläge angenommen wird. Salop formuliert würde das so aussehen: Partei A sagt: Hey ich finde deinen Vorschlag eigentlich blöd, aber wenn du meinem zustimmst, stimme ich auch deinem zu und Partei B würde einwilligen im Gegenzug auch für den Antrag von Partei A zu stimmen. Kennt jemand ein Beispiel aus der deutschen Politik, indem es zu einer solchen Absprache kam? Muss kein aktuelles sein. Ich habe gelesen, dass der Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin ein solches Beispiel sei, allerdings kann ich nicht nachvollziehen, wie das gemeint ist, da in der Literatur keine weitergehende Erklärung vorhanden war…

Gruß
S0nY

Hallo,

das ist doch bei der aktuellen Regierung der Normalzustand.

Letzter Koalitionsgipfel im November 2012 (4.11.?)

CSU will Betreuungsgeld; CDU und FDP dagegen
FDP will Abschaffung der Praxisgebühr; CDU/CSU dagegen
CDU will Lebensleistungsrente (eigentlich will die nur von der Leyen; CSU und FDP dagegen.

Am Ende wird Alles beschlossen!!!

Gruß
tycoon

Hey

im Grunde beschreibst du das deutsche System der Koalitionen. Da wir in Deutschland ein personalisiertes Verhältniswahlrecht haben, kommt es sehr oft, auf Bundesebene sogar fast immer, zu Koalitionen. Das wurde nach 1945 bewusst so gemacht, damit nicht wieder eine Partei allein regiert.

Jedenfalls ist jeder Koalitionsvertrag genau so eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien. Und so ist beinahe jede Abstimmung ein Kompromiss, dass ein Partner zustimmt, und im Gegenzug bei einem anderen Projekt, das dem anderen Partner nicht gefällt, dieser mit zustimmt.

Sehr deutlich wird dies im Bundesrat, da ein Bundesland nur geschlossen abstimmen kann, müssen hier alle Vertreter eines Bundeslandes zustimmen. So einigt man sich, bei strittigen Themen gern so, dass man sich gegenseitig unterstützt. Dies funktioniert jedochj nicht immer sehr reibungslos. Historisch bedeutend ist dabei die Abstimmung zum Zuwanderungsgesetz 2002.

Damals war die Zustimmung des Landes Brandenburgs wichtig. Wenn Brandenburg zugestimmt hätte, wäre das Gesetz durchgekommen, wenn nicht, dann hätte es keine Mehrheit gegeben.

2002 wurde Brandenburg von einer SPD/CDU-Koalition regiert und der Innenminister Jörg Schönbohm von der CDU war gegen das Gesetz.
Die SPD und Grünen wollten mit allen Tricks, und wie sich im Nachhinein zeigte, notfalls gegen die Verfassung, das Gesetz durchbringen.

Klaus Wowereit, der damals Bundesratspräsident war, wertete die Stimme Brandenburgs, trotzdem mit ja, obwohl Jörg Schönbohm dagegen war. Bei der ersten Abstimmung sagte Ministerpräsindent Manfred Stolpe, das Land Brandenburg stimme mit „Ja“. Jörg Schönbohm sagte dagegen sofort, er stimme mit „Nein“. In dem Moment wäre die Mehrheit gegen das Gesetz gewesen. Das wollte Wowereit nicht, und deshalb fragte Wowereit daraufhin noch einmal bei Jörg Schönbohm nach und auf diese Nachfrage sagte dieser den berühmten Satz: " Sie kennen meine Auffassung, Herr Präsident." Wowereit trickste so rum, dass er diese Aussage so wertete dass es kein klares „Nein“ mehr ist, und nahm daher diese Aussage als Zustimmung.

Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Gesetzt aber später auf, weil Herr Wowereit gegen die Verfassung verstoßen hat.

Das ist bei jeder Regierung der Normalzustand:

1999: Grüne machen einen auf Friedenspartei aber bombardieren den Kosovo

2002: Wahlkampf von SPD und Grüne wird gelogen, dass andere den Krieg wollten und sie so pazifistisch sind. 2005 dann wird nach langem Bestreben von FISCHER und SCHRÖDER das Waffenembargo gegen China gelockert.

diese Liste ist endlos fortzuführen

Hallo,

Danke für die ausführliche Hilfe, das hat mir sehr geholfen!!

Als nächsten Schritt, sollen wir den Erklärungsgehalt des Logrolling mit Alternativen Möglichkeiten vergleichen, aber was wäre denn die Alternative dazu? Das man sich eing ist und keine Stimmen austauschen muss?! Das ergibt ja keinen Sinn…

Gruß
S0nY

Hallo,

was wäre denn die Alternative dazu? Das man sich eing ist und
keine Stimmen austauschen muss?! Das ergibt ja keinen Sinn…

Die Alternative, jedenfalls die, die mir spontan einfällt, wäre sich bei jeder Abstimmung neue Partner zu suchen, um eine Mehrheit zu sichern. Das wäre halt sehr aufwändig und evt. würden auch wesentlich weniger Mehrheiten zustande kommen.

Gruß

Anwar

Moin,

das nennt sich Minderheitsregierung und wurde z. B. zuletzt in Nordrhein-Westfalen probiert.

http://de.wikipedia.org/wiki/Minderheitsregierung

http://www.sueddeutsche.de/politik/rot-gruen-vor-dem…

Grüße

ALex

Hallo,

das nennt sich Minderheitsregierung und wurde z. B. zuletzt in
Nordrhein-Westfalen probiert.

Die Frage war hier ja allgemeiner gestellt - nicht immer ist eine Regierung gemeint, Koalitionen und Bündnisse gibt es auch in anderen Bereichen.

Und bei der Minderheitsregierung muss man zwischen einer „echten“ und einer „tolerierten“ unterscheiden. Aber das Stichwort ist für den Fragestelller sicher sinnvoll.

Gruß

Anwar