Lohn in Türkei, Istanbul

Hallo,

wenn man in der Türkei , also genau genommen in Istanbul (ist ja alles ein bißchen teurer dort) umgerechnet 900 Euro verdient. Ist das viel? Lebt man dann richtig super? Was verdient den ein durchschnittlicher Bürger in Istanbul?

Vielen Dank

lg
cas

Hallo,

also wie die Preise aktuell sind, kann ich Dir nicht sagen. Vor mehr als zehn Jahren war ich aber häufig in der Türkei und zwar in türkischen Familien in Istanbul und nicht nur in „Touristen-Getthos“.

Damals war es so gewesen, dass es DEN Durchschnittstürken nur sehr selten gab. Die Einkünfte und der soziale Status klaffen sehr stark auseinander. Die breite Mittelschicht (also den Durchschnitt) wie es sie in Mitteleuropa gibt, gibt es nicht. Diese sind wahrlich dünn gesät. Am meisten gibt es Arm und einige gibt es (Stink-)Reich - dazwischen wenige Normal. Also würde der Durchschnitt ein Ergebnis bringen, das absolut nicht der Realität entspricht.

Ich schreibe in der Gegenwart, weil ich annehme (Presseberichte bestätigen das) dass sich das in der heutigen Zeit seit damals nicht groß zum Vorteil der Mittelschicht verändert hat. Die Schere klafft noch viel weiter als früher.

Vor mehr als fünfzehn Jahren zahlte man in Istanbul (Stadtteile Aksaray-Beyazit) für eine Einzimmerwohnung mit Toilette - ohne Bad oder Dusche - im Monat schon soviel, wie ein Arbeiter dort im Monat verdient. Wenn ich mich recht erinnere waren es damals umgerechnet 200 DM Monatsmiete gewesen. Dann lebten in dieser kleinen Wohnung mehr als 6 Leute, damit sie finanziert werden konnte. Opa und Oma hatten ihre Rente, Mama und Papa gingen als Arbeiter arbeiten und die Kinder jobten auch nebenbei.

Ob man als Deutscher mit 900 Euro dort auskommt, weiß ich nicht. Aber mir erscheint der Betrag nicht gerade fürstlich. Türken die immer dort lebten würden es wohl als fürstlich bezeichnen.

Aber Türken haben ein anderes Konsumverhalten als wir. Sie kochen z. B. selten ganze Fleischstücke. Meist wird Hackfleisch verwendet, wovon ca. 250 g in einen großen Topf z. B. mit Linsen kommen. Der Linsentopf reicht einer vierköpfigen Familie dann etwa für drei Mahlzeiten.

Willst Du Rind, Lamm oder Kalbfleisch am Stück, z. B. für Steak, essen, zahlt man beim Fleischer oder im Supermarkt auch ganz schöne Preise.

Hinzu kommt, dass Türken wissen, wo sie etwas billiger bekommen. Das sind dann oft Geschäfte in denen wir wahrscheinlich nicht soooo gerne einkaufen würden.

Auch wird jeder Europäer für einen reichen Touristen gehalten und man versucht ihm mehr Geld abzuknöpfen, als man es von vornherein bei den eigenen Landsleuten tut.

Kleidung und ähnliche Bedarfsgüter sind vergleichsweise billig, wenn man sie in den Bazaren kauft. Will man originale Markenwaren, ist es viel teurer als in Mitteleuropa.
Taxi, Dolmus (=Sammeltaxi) und andere öffentliche Verkehrsmittel sind auch viel billiger als bei uns. Aber 99 % der Taxifahrer machen mit einem nichttürkischen Fahrgast enorme Umwege - wenn sie das Taxometer überhaupt einschalten.

Die Inflationsrate ist (lt. Presse) zwar nicht mehr so hoch wie sie früher war, aber doch höher als in Deutschland. Wenn das Gehalt in YTr ausbezahlt wird, wird es also doch ganz schön weniger mit der Zeit.

Gruß
Ingrid

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Hi Cas,

wenn man in der Türkei , also genau genommen in Istanbul (ist
ja alles ein bißchen teurer dort) umgerechnet 900 Euro
verdient. Ist das viel? Lebt man dann richtig super? Was
verdient den ein durchschnittlicher Bürger in Istanbul?

zwar kann ich dir nicht sagen was ein Durchschnittsbürger verdient, aber hierfür einpaar Informationen weiter geben.
Vor einigen Tagen habe ich gehört, dass eine Putzfrau in Ankara an die 30 Euro pro Tag verdient. Auf und abgerundet wären das ungefähr 900 Euro im Monat und laut Gerüchten würde man mit diesem Gehalt nicht auskommen. So muss auch der Ehemann einige Euros dazu verdienen um den Unterhalt der Familie zu sichern. Die Lebensmittelpreise in Ankara sind ähnlich wie die in Deutschland. Also 24 Euro für ein Kilo Steak und 1 Euro für ein Fabrikbrot. Die Mieten sind ebenfalls immens gestiegen und unterscheiden sich auch nicht von den deutschen Mietpreisen. Dies die Infos aus Ankara, wobei Istanbul weitaus teurer sein sollte.

Was für einen Job hat man dir dort angeboten?

Gruss
Paula

Hi,

Vor einigen Tagen habe ich gehört, dass eine Putzfrau in
Ankara an die 30 Euro pro Tag verdient. (…) So muss auch der
Ehemann einige Euros dazu verdienen um den Unterhalt der
Familie zu sichern.

Diese Umkehrung finde ich schon interessant. Heißt das, dass in der Türkei die Frauen das Geld für den Lebensunterhalt der Familie verdienen und die Männer sitzen den ganzen Tag im Teehaus und quatschen und zocken?

Gruß,

Anja

Was für einen Job hat man dir dort angeboten?

Hallo,

Also es geht um die Firma Siemens, in einem Call Center. Geboten wurde 1,8 Milliarden Euro ohne Provision. Weiß ja nicht was es dort noch für Abzüge oder so gibt.
Einige Türken meinten das ist der Lohn von einem Ehepaar zusammen. Also soll ziemlich hoch sein, und dem möchte ich nun nicht unbedingt glauben schenken.

Boah!!!

Also es geht um die Firma Siemens, in einem Call Center.
Geboten wurde 1,8 Milliarden Euro ohne Provision.

Ich würde den sofort nehmen. :smiley:

Grüße
A.

Hi Anja,

Diese Umkehrung finde ich schon interessant. Heißt das, dass
in der Türkei die Frauen das Geld für den Lebensunterhalt der
Familie verdienen und die Männer sitzen den ganzen Tag im
Teehaus und quatschen und zocken?

Looool :wink: Was das Stadtleben angeht kann ich bestätigen: Mann als auch Frau arbeiten beide um ihren Lebenstandard, die Miete usw zu finanzieren. Aber auf dem Land habe ich genau das beobachtet was du gerade beschrieben hast :wink: Zuerst fuhren wir an den Feldern vorbei wo wir die arbeitenden Frauen, mitsamt Brut auf dem Rücken, sahen und einige Meter weiter war das Dorfleben, genannt Kaffeehäuser. Wo die Tee trinkenden Männer sassen und Backgammon spielten. Aber diese Beobachtung liegt mindestens 10 Jahre zurück.

Gruss
Paula

*gg* meinte natürlich türkische lira :smile:

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Merhaba,

von welchen (türkischen) Lira sprichst Du? Seit 2005 gibt es „Neue Türk. Lira“ (YTL). Die haben einen groben Wechselkurs von 2 YTL (TRY) zu 1 Euro.

900 Euro wären dann grob 1.800 YTL. Nix Milliarden oder Millionen. Die sind schon seit mehr als drei Jahren out.

Anfang 2005 haben die Türken ihre eigene Währung um viele Nullen gekürzt und dafür in ihr Währungskürzel ein Y angehängt bzw. vorgehängt. Y steht für Yeni und Yeni heißt auf Deutsch Neu.

Das Angebot würde ich sehr genau prüfen, nicht dass Du einer „Ente aufsitzt“.

Dann würde ich mir den Alltag in Istanbul mal genauer ansehen. Nicht den, wie ihn Touristen in Hotels erleben, sondern den von Türken. Ist stark gewöhnungsbedürftig.

Ich habe mehr als einmal innerhalb einer Woche erlebt, dass mitten drin kein Wasser mehr aus der Leitung kommt. Stehst eingeseift unter der Dusche und plötzlich kannst Dir überlegen ob Du den Schaum abkratzt oder mit dem Rest Wasser aus der Mineralwasserflasche versuchst abzuspühlen.

Wassersperrungen ohne jede Vorwarnung geschehen häufig in Istanbul. Manchmal dauern sie nur einen Tag, manchmal mehrere Tage und manchmal auch noch länger.

Deshalb haben viele Häuser auf dem Dach einen Vorratsbehälter zum Lagern von Wasser. Nur der ist auch irgendwann leer, wenn schon mehrere Tage kein Wasser mehr nachgefüllt wurde.

Im Winter gibt es zwar selten Wassermangel, dafür gefrieren die Leitungen dieser Wassertanks auf dem Dach ein. Es ist nix isoliert.

Ich habe selten so gefroren als im Winter in Istanbul. Dabei war es gar nicht mal so kalt - um die Null Grad herum. Aber die Häuser sind durchweg schlecht isoliert. Heizungen wie bei uns sind relativ selten und wenn vorhanden, werden sie sparsam eingeschaltet. Das Bettzeug und die Klamotten im Schrank sind dann alle feuchtklamm.

Ansonsten gefällt mir Istanbul sehr gut. Ist eine Stadt mit pulsierenden Leben bis spät in den Abend hinein. Aber davon kann man mit 900 Euro im Monat wenig genießen. Die schicken Restaurants am Bosporus sind so teuer wie bei uns. Kleine Gaststätten, sind allerdings preiswert. Dort ist aber nicht das pulsierende Leben.

Benzin ist aktuell bei ca. 1,75 Euro pro Liter. Da tankst Du in Deutschland ja nahezu schon zum Discountpreis.
Früher haben wir erlebt, dass es einfach kein Benzin gab, wenn das Land keine Devisen hatte zum Einkauf. Hatte mal eine Tankstelle dann Sprit, bildeten sich Schlangen von mehreren Kilometern.

Ähnlich war es mit Zigaretten und Kaffee gewesen. Dies obwohl die Türken häufig starke Raucher sind und Kaffee sozusagen von der Türkei aus die Welt erobert hat.

Ob das allerdings in den letzten Jahren auch noch so vorgekommen ist, weiß ich nicht.

Gruß
Ingrid

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2 Like

Merhaba Ingrid,

vielen Dank für deine Informationen. War wirklich schockiert über den Spritpreis.
Ansonsten stimme ich deinen Angaben zu den Lebenshaltungskosten und den Lebensumständen (Wasserausfall) zu. Kenne noch die Zeiten wo der Strom aufeinmal weg war. Manchmal für Stunden und manchmal für einen ganzen Tag. Zum Glück nie Tage :wink: Wie schön für all die die ihren Haushalt mit Gas betreiben.

Gruss
Paula

Ich will nach Australieeeeeeeennnnn!!!

Merhaba Paula,

nun die Frage nach dem Spritpreis stellt sich bei einem Einkommen von 900 Euro nicht. Davon kann man sich in Istanbul kaum ein Auto leisten. Autos aus türkischer Produktion sind zwar verhältnismäßig billig, aber es stellt sich die ständige Frage: wohin damit. Parkplätze sind Mangelware oder teuer. Irgendwo am Straßenrand parken ist auch nicht das, was man tun sollte, falls man am nächsten Morgen sich nicht wundern will, weil das Auto nicht fährt - die Reifen haben sich ohne Auto davon gemacht. Langlebig sind türkische Produkte auch nicht.

Autos die von Ausländern, die in der Türkei ständig leben, gefahren wurden, hatten extra Kennzeichen und waren somit sofort erkennbar. Ich weiß allerdings nicht mehr, ob sie auch „extra“ versteuert und versichert wurden. Autofahren sollte man dort eh nur, wenn man Nerven wie Drahtseile und keinerlei Angst hat. Bei Unfälle mit Personenschäden landet der Fahrer so lange im Gefängnis, bis die Schuldfrage geklärt ist. Eilig mit der Klärung hat es niemand.

Das mit dem Strom habe ich auch erlebt. Gas konnte zwar nicht abgestellt werden, weil man es in Flaschen bezog, aber Lieferengpässe gab es dort auch.

Trotzdem möchte ich einmal in der Türkei leben. Zwar nicht in Istanbul, dafür aber in Kappadokien. Mein Traum seit vielen Jahren ist, wenn ich in Rente bin, dort einen bereits ausgehölten Felsen zu kaufen und einen großen Teil des Jahres dort zu verbringen. Natürlich mit allen aus Deutschland importierten Luxus.
Wird aus vielerlei Gründen, auch dass solche Felsen sowieso selten bis nie an Ausländer verkauft werden, ein Traum bleiben. Aber träumen darf ich ja.

Gruß
Ingrid

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Bin grad da
Hi,

Bin ja gerade dozusagen vor Ort (allerdings nicht in Istanbul, sondern in Kars (Ostanatolien)

Die Türkei ist nicht mehr billig. Allerdings sind wichtige Dinge wie Brot immernoch relativ günstig und Luxusgüter eben teuer.
Bier kostet z.B. in der Kneipe auch 3 bis 5 YTL ( also 1,50 bis 2,50 Euro) mal so als Vergleich.
Der Sprit ist bei 3.30 für Benzin. Viele Rüsten um auf Gas.
Allerdings kostet eine Stunde İnternet nur 1 Lira, 1400km Zgfahrt im Schlafwagen samt Motorrad 96 Lira
Im Gegensatz zu allen Vorurteilen arbeiten die Leute hier sehr viel
Autowerkstaetten z B fangen um 8 Uhr an und haben nicht selten bis 20 Uhr durchgehend auf
tatsaechlich sind die sozialen unterschiede groesser oder deutlicher als bei uns.
Istanbul kenne ich nicht = es zieht mich auch nicht hin

Gruesse
M/

Auch wird jeder Europäer für einen reichen Touristen gehalten
und man versucht ihm mehr Geld abzuknöpfen, als man es von
vornherein bei den eigenen Landsleuten tut.

DAS kann ich nicht bestaetigen.

Auch wird jeder Europäer für einen reichen Touristen gehalten
und man versucht ihm mehr Geld abzuknöpfen, als man es von
vornherein bei den eigenen Landsleuten tut.

DAS kann ich nicht bestaetigen.

Hallo,

das ist auch einer der Unterschiede zwischen Istanbul und der Bevölkerung im restlichen Land. Ich habe mich hier wohl auch nicht eindeutig ausgedrückt - ich meinte in Istanbul.

Eine wahre Geschichte, aber schon älter. Ich war mit einem Türken - der so gar nicht wie einer aussieht - im großen Bazar in Istanbul. In einem der „Shops“ wollte ich was kaufen. Wir waren auf Deutsch schwer am Verhandeln und dann habe ich nach dem letztmöglichen Preis gefragt. Mein Begleiter hat sich zurückgehalten.
Der Verkäufer rief nach hinten zu seinem Patron und fragte auf Türkisch, wie weit er mit dem Preis runter gehen darf. Von hinter dem Vorhang kam eine Stimme und nannte den Preis.
Der Verkäufer nannte uns dann einen Preis, der doppelt so hoch war, wie der Patron genannt hatte.
Als sich dann mein Begleiter auf Türkisch einmischte, bekam der junge Mann erst mal rote Ohren und wir das Teil zum halben Preis.
Übrigens hatte ich den aus dem Vorhang gerufenen Betrag auch verstanden - soviel Türkisch konnte ich.

Eine Zeit lang waren an Sehenswürdigkeiten in Istanbul zwei verschiedene Preise gewesen: ein Preis für Inländer und einer für Ausländer. Den Touristen wurde teilweise erzählt, dass der niedrigere Preis für Senioren oder für Behinderte sei.

Nach einer Besichtigung des Sultanspalastes wollte ich im Beisein einer Türkin mit dem Taxi zurückfahren. Es stand dort eine Schlange von ca. 10 Taxen. Die haben tatsächlich alle unverblümt gesagt, dass sie mich fahren, aber die Türkin (eine sehr gepflegte ältere Dame) nicht mitnehmen. Sie dachten sie können mich mit einer längeren Fahrtroute beschummeln.

Wenn ich vom Flughafen zur Innenstadt alleine im Taxi gefahren bin, nahmen die Taxifahrer grundsätzlich den längeren Weg am Meer entlang. Hatte ich Türkische Begleitung dabei, wurde die kurze Strecke direkt durch die Stadt gefahren. Da ich mich aber auskannte, trotz einiger Sprachkenntnisse hier meinem Ärger nicht richtig Luft machen konnte, gab es für den Meeresblick grundsätzlich kein Trinkgeld von mir.

Solche Vorfälle gab es unendlich. Allerdings ist mir ähnliches so gut wie nie im Landesinneren, entfernt von den Touristenhochburgen, passiert.

Grüßle
Ingrid