Lurianische Kabbala

Hallo (metapher),
nach Isaak Luria`s Modell zog sich das En-Soph zusammen (Akt des Tzimzum), hinterliess einen Raum, in dem die 10 Sephirot als Teile Gottes emanierten.
Das kontraktierte Licht des En-Soph strahlt nun in den Raum und trifft auf die Sephirot, die die Stärke des Lichts aber nicht aushalten können und zerbrechen.

Jetzt fängt mein Problem an:

In einer Quelle zerbrechen (Akt des Shvirat ha-Kelim) alle, in einer anderen nur die inneren sechs (Kether, Chockmah, Binah und Schechina=Malchut) blieben heile.
Plötzlich sind auch drei andere Welten vorhanden und Gut (heile Sephirot?) und Böse (zerbrochene Seph.?) verteilen sich darauf. Lichtfunken des Guten sind in Qlipot und der Dämonenwelt gefangen, können aber (durch den Akt des Tiqqun) zum Ursprung zurück gebracht werden. Dabei spielen Gilgul (Seelenwanderung) und Ibbur (Seelenvermehrung) eine Rolle.
Leider alles eher fragmentarisch und nicht logisch zusammenhängend.
Als eine Quelle habe ich u.a. eine Dissertation über die Kabbala-Rezeption Geschom Scholems, die aber auch nicht wirklich erhellend ist sowie eine Magisterarbeit, die den Kern der Lurianischen Kabbala im Zohar erkennt.
Leider stehen mir nur die aus dem Internet zugänglichen Quellen zur Verfügung und kein Uni-Seminar.
Ich hoffe auf Hilfe.
Danke.
Castiglio

Hallo Castiglio,

nur by the way: Vor weiteren Fragen wäre ein kleines Feedback, ob die vorhergehende einigermaßen zufriedenstallend behandelt wurde, ganz angenehm :wink:

Dein abstact der Ideenwelt des Jizhaq Lurija gibt zwar die wichtigsten Stichworte wieder, angefangen mit dem zimzum des eyn soph bis zur tiqqun-Lehre. Einen recht guten Grob-Überblick gibt es btw. hier

https://en.wikipedia.org/wiki/Lurianic_Kabbalah#Conc…
und
http://buecher.hagalil.com/2009/07/lurianische-kabbala/

Aber en detail ist eine Einarbeitung in die lurianische Kabbala kaum möglich, wenn dem nicht ein gründliches Studium zumindest der Hauptschriften auch der vorhergehenden Entwicklungsstationen der Geschichte der jüdischen Mystik vorausgegangen ist: Bahir, Raziel, Zohar. Und auch dies ist ohne umfangreiche Kommentare nicht zu erreichen. Im Alleingang eh nicht, selbst wenn du über greündliche Hebräischkenntnisse verfügst.

Daher ist es nicht verwunderlich, wenn du auf diese und jene Fragwürdigkeit stößt. Denn dies ist keine Denk-Tradition, die sich allein durch Lesen zugehöriger Schriften erschließt. Auch beste Sekundärliteraturen werden dir bestenfalls einen Überblick geben.

Zudem liegen auch darüber keine eigenen Schriften von Lurija vor. Alles ist von seinen Schülern niedergeschrieben und zusammengefaßt worden. Das umfangreichste Werk eines seiner Schüler, letztlich das „Hauptwerk“, ist der Ez Chajim (Lebensbaum) in 8 Bänden, der erst 200 Jahre später über den engeren Schülerkreis hinaus bekannt gemacht wurde.

Leider alles eher fragmentarisch und nicht logisch zusammenhängend.

Das ist nicht verwunderlich. Es sind ja keine Schriften zeitgleicher philosophischer Traditionen, die den Kriterien rationaler Argumentation und gedanklicher Konsistenz unterlagen. Die Ideen sind, ebenso wie die Motive, ganz anderer Art.

Neben Gershom Scholem : Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen ISBN 3518279300 Buch anschauen
Ist zu empfehlen die hervorragende Einführung eines der besten heutigen Kenner dieser Kabbala-Tradition:
Gerold Necker : Einführung in die lurianische Kabbala
http://astore.amazon.de/buchundjudenhaga/detail/3458…

Solltest du jedoch vorwiegend an der ideengeschichtlichen Perspektive der Kabbala interessiert sein, dann kommst du nicht vorbei an dieser ersten Untersuchung dazu überhaupt:
Peter Schäfer : Die Ursprünge der jüdischen Mystik ISBN 345871037X Buch anschauen

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,

nur by the way: Vor weiteren Fragen wäre ein kleines Feedback,
ob die vorhergehende einigermaßen zufriedenstallend behandelt
wurde, ganz angenehm :wink:

ja, die Antworten haben mir geholfen, die Materie besser zu verstehen. Deine Beiträge hier oder in anderen Brettern schätze ich sehr und sie tragen immer zur Erhellung bei. Dank dafür.
Aber auch wieder neue Fragen haben sich jetzt ergeben (im engl. Wiki taucht ein neues Licht auf „Into the vacuum then shone a new light, the Kav“, das vorher noch nicht da war).
Andererseits ist die Frage, ob nun alle oder nur sechs Sephirot zerbrochen sind, noch immer ungelöst, was aber nicht als Vorwurf geäußert sein soll.
Ich will einfach zu viel: eine einfache und logisch nachvollziehbare Darstellung zum Zusammenhang der wichtigsten „Eckpfeiler“ (Tzimzum, Entstehung der4 Welten, Entstehung der Seelen, des Guten und des Bösen, Adam Qadmon …).
Ich gehe jetzt einfach einmal davon aus, dass die Fragen noch nicht alle gelöst sind oder in den Niederschriften seiner Schüler widersprüchlich dargestellt sind. Zur weiteren Klärung werde ich mich an kabbalistische Zentren (Bnei Baruch o.ä.) wenden.

Kurz zum Hintergrund meiner Fragerei:
Mein Interesse besteht darin, die Kabbala esoterisch interessierten Menschen skizzenhaft erklären zu können. Da die Kabbala für die Esoterik bedeutungsvoller ist als bspw. die Astrologie, aber wesentlich weniger bekannt, müssen die wichtigsten Phasen und Ausprägungen erklärt werden. Bei Luria sind es m.E. die oben angeführten „Eckpfeiler“, die ich in einen sinnvollen Zusammenhang bringen will. Und, wie bei der ersten Frage, die Quelle des Sephirot-Baumes.
Dafür habe ich nach akademischen Texten gesucht, einige gefunden, aber keine Darstellung in der Form, wie ich sie gesucht habe. Also fragte ich hier.

Noch einmal ein Danke für deine Bemühungen und auch der Selbstkorrektur. Chapeaux!

Herzliche Grüße
Castiglio

Aber auch wieder neue Fragen haben sich jetzt ergeben (im engl. Wiki taucht ein neues Licht auf „Into the vacuum then shone a new light, the Kav“, das vorher noch nicht da war).

Das ist eben das Problem: Du kannst dich weder in die Kabbala, noch erst recht in das irrwitzig komplizierte System der lurianischen Schule(n) per Wiki einarbeiten. Deshalb zeige ich nach wie vor zuerst mal in die Richtung der schon genannten Literaturen, besonders Gerold Necker.

Das קן (qav) ist zunächst kein Licht, sondern ein (Licht-)Strahl. Das wird in einem der Bände des erwähnten Werkes „Ez Chajim“ (Lebensbaum) dargestellt. Es spannt den מקןם (maqom), den Raum aus, der durch das צמצום (zimzum) des אין סוף (eyn soph) entsteht und in dem dann die gesamte Weltschöpfung gebildet wird - bzw, der Strahl, der sich zunächst in die Sphären/Sephirot aufspaltet. In der bekannten alten → Graphik ist das der weiße Strich von der Peripherie ins Zentrum.

Im System der sephirot bildet das qav dann die mittlere der drei Säulen.

Andererseits ist die Frage, ob nun alle oder nur sechs Sephirot zerbrochen sind, noch immer ungelöst,

Es zerbrechen nicht die sephirot, sondern die in ihnen sich befindenden Schalen, die das göttliche Licht empfangen. Die Schalen der obersten drei sephirot (keter, chokhma, bina) zerbrechen nicht, sondern sie verlieren nur Licht. Daß die zerbrochenen Schalen der unteren sieben sephirot manchmal als sechs, manchmal als sieben in der Sekundärliteratur gezählt werden, liegt daran, daß dort nicht zwischen den vielen Varianten der späteren inneren lurianischen Schulaufspaltungen (bzw. deren Literaturen) differenziert wird. Wo, im Anschluß an die ursprüngliche Darstellung im Bahir, die unterste sephirah (malchut) mit der schechina identifiziert wird (und diese wiederum eng an die sophia/chokhmah - die dritte sephirah - angelehnt wird), werden nur sechs zerbrochene Schalen gezählt.

Zur weiteren Klärung werde ich mich an kabbalistische Zentren (Bnei Baruch o.ä.) wenden.

Das steht dir frei. Aber sinnvoller ist, wie ich nach wie vor betonen möchte, dich doch erstmal in der genannten Literatur kundig zu machen, um überhaupt einen Überblick zu bekommen. Denn heutige sog. „kabbalistische“ Kreise unterscheiden sich meist kaum von den heutigen „Esoteriken“, die ja mit historischen, tatsächlichen Geheimlehren, die wirklich nur in engeren, „inneren“ (griech.: esoteros) Kreisen gelehrt wurden, wenig am Hut haben. Sie berücksichtigen ebensowenig historische Entwicklungsstadien und deren teils sehr unterschiedliche Darstellungen. Dort wird halt alles in einem begrifflichen Eintopf gekocht. Und was - genau aus diesem Grund - nicht verstanden wird, wird als „Geheimnis“ verkauft, um ein weitverbreitetes Bedürfnis nach transzendetem (laienhaft meist auch „metaphysisch“ genanntem) Schauder zu befriedigen.

Mein Interesse besteht darin, die Kabbala esoterisch interessierten Menschen skizzenhaft erklären zu können.

Du willst etwas erklären, was du selbst nicht durchschaut hast? Und was du allein aus dem Internet angelesen hast?

Was heute unter „Esoterik“ auf dem Medienmarkt kursiert, ist ein Einheitsbrei, der mit antiken Traditionen und Schulen von Mystik und Magie wenig zu tun hat. Um dich im Unterschied zu jenen da auszukennen, um verantwortlich etwas davon weiterzugeben, darfst du gut und gerne ein paar Jahre der Forschung ansetzen

Dafür habe ich nach akademischen Texten gesucht, einige gefunden, aber keine Darstellung in der Form, wie ich sie gesucht habe.

Ich hab dir einiges genannt. Weiteres wirst du beim Durchackern des Klassikers finden:
Lynn Thorndike : History of Magic and Experimental Science, New York 1923-58
http://catalog.hathitrust.org/Record/001984859
Je nach Ausgabe 8 oder 12 Bände.

Schönen Gruß
Metapher

2 Like

Hallo Metapher,
sorry, dass ich dich so „angefressen“ habe, war nicht meine Absicht.
Aber was verlangst du von einem interessierten Laien, wenn nicht einmal in einer Dissertation oder Magisterarbeit im FB Judaistik zum Thema der Sachverhalt richtig und verständlich dargestellt wird? Wo, wenn nicht dort, soll ich einen ersten Überblick über das Thema bekommen?
Mir - je nach Ausgabe - 8-12 Bände Literatur an den Kopf zu werfen halte ich als Reaktion, btw, für etwas übertrieben.
Trotzdem noch einmal ein Dank für deine Bemühungen.

Schönen Gruß
Castiglio

Oups
Hallo Castiglio,

das ist wohl leider etwas im falschen Sound rübergekommen. Tut mir leid. Keine Spur von „angefressen“! Wieso auch. Im Gegenteil, ich freu mich doch über jede Frage, die dem Bretthema entspricht.

Ich versuchte nur, in möglichst knapper Form deine zwei Fragen zu beantworten.

Darüberhinaus war mein Anliegen, daß du dich nicht wundern solltest, daß in dem, was du bisher recherchieren konntest, vieles völlig unklar geblieben ist. Denn die Kabbala mit ihrer über 1200jährigen Geschichte ist wirklich endlos kompliziert. Zudem in einer durchweg metaphorischen Sprache und teils anthropomorphen Bildern (Adam qadmon usw).

Und Luria setzt da noch mal eins drauf. Er war ja auch ein reiner Visionär, Kein Philosoph (bei dem man Folgerichtigkeit, Widerspruchsfreiheit, Konsistenz hätte forden können).

Da ich keine Ahnung hab, welche Grundlagen du hast, hab ich so nur die nächstliegenden Primärquellen genannt, aus denen du Näheres erfahren kannst. Es war nicht gemeint, daß du zB den gesamten Thorndyke durchackern solltest, aber in einer Bibliothek kannst du ggf. finden, in welchem Band er über das Thema schreibt (weiß es auswendig nicht mehr).

Deine Fragen gingen jedenfalls bereits ziemlich ins Detail. Deshalb ging ich davon aus, daß alles andere bereits klar wäre, und überlegte also, was dir weiter nützlich sein könnte.

Den geringsten Zeitaufwand dürfte jedenfalls der Necker erfordern. Er ist ohne Bibliothek erreichbar und dürfte auch für dich einigermaßen zufriedenstellend sein. Dort gibt es btw. auch weitere Literaturangaben.

Aber was verlangst du von einem interessierten Laien, wenn nicht einmal in einer Dissertation oder Magisterarbeit im FB Judaistik zum Thema der Sachverhalt richtig und verständlich dargestellt wird? Wo, wenn nicht dort, soll ich einen ersten Überblick über das Thema bekommen?

Also für einen nur „interessierten Laien“ hatte ich dich angesichts der Detailfragen nicht gehalten. Und sowohl Magisterarbeiten, als auch Dissertationen wie die von Scholem sind ja nie voraussetzungslos. Sowas sind in der Regel bereits Forschungsarbeiten, die auf einem vorausgesetzten Wissensstand aufbauen und Neues bringen sollen. „Einführungscharakter“ haben die jedoch nie. Scholem ist aber immerhin einer DER Profis für dieses Gebiet gewesen. Das genannte spätere Buch von ihm ist DER Klassiker und sowohl für Einführung als auch für Details bestens geeignet.

Die anderen, Schäfer und Thorndike, sind dagegen eher für Interessen an der Ideengeschichte.

Also, sorry, wenn da was falsch rübergekommen ist. :wink:

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,
danke für die Klarstellung.
Der Thorndyke liegt bereits auf meiner Festplatte, aber ich bezweifele, dass ich ihn ganz lesen werde. Ich werde mich wohl mit einer stark vereinfachten Fassung des Luria zufrieden geben müssen.
Gruß
C.