Hi zusammen.
Dreien oder vieren in diesem Forum wird „Christoph Luxenberg“ ein Begriff sein, für die anderen stelle ich ihn kurz vor. Unter diesem Pseudonym hat ein deutscher Semitist vor 13 Jahren eine Studie über den Koran veröffentlicht („Die syro-aramäische Lesart des Koran – Ein Beitrag zur Entschlüsselung der Koransprache“), die internationale Aufmerksamkeit erregte und von einigen Fachleuten als koranwissenschaftliches Äquivalent der kritischen Bibelforschung des 19. Jh. gefeiert wird. Das Pseudonym wurde dem Wissenschaftler von arabischen Freunden angeraten, da seine Thesen eine Provokation für traditionelle Muslime darstellen. Es gibt muslimische Gelehrte in islamischen Ländern, die ähnliche Auffassungen vertreten, dies aber nicht öffentlich äußern dürfen. In Ägypten z.B. wurde ein Professor von seinen Studenten aus einem Fenster im 2. Stock geworfen (was er überlebte), im Sudan wurde ein Gelehrter sogar hingerichtet. Ich selbst erzählte gestern einem Araber (mit Abitur) über Luxenbergs ernüchternde Deutung der „Huri“-Passagen im Koran. Erst glaubte er, ich scherze, dann guckte er, als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Ich ließ das Thema also schnell fallen.
Meine Thread-Frage an die www-Gemeinde zielt vornehmlich auf die Deutung dieser Stellen sowie auf die Deutung der Koran-Stelle, die angeblich das Kopftuch-Gebot begründet. Um das verständlicher zu machen, hole ich etwas weiter aus.
Günter Lüling, ein anderer Islamexperte, der wie Luxenberg in großen internationalen Zeitungen besprochen wurde, hat schon vor Jahrzehnten die These aufgebracht, der Koran sei aus einer Sammlung christlicher arabischer Lieder hervorgegangen, die von Mohammed lediglich erweitert wurden. Lüling wurde deswegen unwiderruflich aus dem Hochschuldienst entlassen(auch in Deutschland haben kritische Orientalisten gegenüber der Mainstream-Islamwissenschaft einen schweren Stand). Luxenberg behauptet nun, der Koran sei in vielen Teilen eine Übertragung älterer christlicher und jüdischer Texte von ursprünglich liturgischer Bedeutung. Er habe in seiner Urfassung einfach dazu gedient, den Arabern die judenchristlichen Vorstellungen näherzubringen, und zwar in einem Umfeld, das bereits christianisiert war statt heidnisch zu sein, wie es die islamische Tradition behauptet.
Darüber hinaus sieht Luxenberg eine sprachliche Problematik, die dazu führte, dass viele Koranstellen im Verhältnis zum Urtext schlichtweg falsch sind. Einige davon - und gewiss nicht die unbedeutendsten - sind eben jene Passagen, die angeblich von schönen Jungfrauen im Paradies künden. Fakt ist, dass die ersten Koranhandschriften weder „diakritische Punkte“ noch Vokalzeichen aufwiesen. Dadurch, so Luxenberg, sei es bei Kopisten und Exegeten zu einer Fehllesung von ursprünglich aramäischen Ausdrücken gekommen. Im Islam wird zwar behauptet, dass es eine mündliche Tradition gegeben habe, die als Korrektiv falscher Lesungen dienen konnte, das aber wird von Luxenberg bezweifelt. Fehllesungen, behauptet er, hätten auch zu jenen seltsamen Stellen im Koran geführt, die auch traditionelle islamische Exegeten schon lange vor Rätsel stellen, wie z.B. den bedeutenden Koran-Kommentator Tabari im 9. Jh… Diese undeutbaren Stellen werden von Traditionalisten euphemistisch als „Poesie“ und „religiöse Patina“ verklärt (auch von konservativen deutschen Wissenschaftlern).
Nun die angekündigten Stellen.
- die Jungfrauen-Passagen:
„Hur“ (arabisch حور), ein Adjektiv im weiblichen Plural, bedeutet wörtlich „weiße“ oder, laut Luxenberg, „weiße, juwelengleiche“. Im Koran liest man dafür „weißäugige Jungfrauen“, die im Paradies den Gläubigen Freude bereiten. Luxenberg interpretiert die „weißen, juwelengleichen“ dagegen als Umschreibung für Trauben und übersetzt: „weiße kristallklare Trauben“. Weiße Trauben, meint er, seien in den syrisch-christlichen Vorstellungen des Paradieses ein gängiges Sinnbild der Lebensfreude gewesen. Für Luxenberg ist die Jungfrauen-Lesart eine reine Wunschvorstellung der Interpreten.
- die Kopftuch-Passage:
Im Vers 31 der Sure 24 heißt es wörtlich: „Sie (die Frauen) sollen ihre chumur über ihre Taschen schlagen“. Chumur ist der Plural von chimar (arabisch خمار). Die Bedeutung von ´chumur´ ist auch für Araber unklar, wird aber traditionell, z.B. bei Tabari, als Kopftuch verstanden. Wie Tabari zu dieser Deutung kam, ist unklar. Warum das „Tuch“ (als welches er ´chumur´ auslegt) den ganzen Kopf bedecken soll, ist aus dem Kontext nämlich nicht zu erschließen. Nur so aber ist das Kopftuch-Dogma überhaupt entstanden.
Was aber hat es mit dem ´chumur´ auf sich? Luxenberg hält chumur (Sing. chimar) für eine Fehllesung des aramäischen ´gmar´ (Gürtel, Band), das im Aramäischen zusammen mit „schlagen“ phraseologisch gebraucht wird. Der Satz müsste also lauten: „Sie sollen sich ihre Gürtel um die Lenden schlagen (oder binden)“.
Wie gesagt: Tabari legte das im Arabischen unbekannte Wort ´chumur´ im 9. Jh. eigenwillig als „Kopftuch“ aus, welches „Hals, Haare und Ohrringe“ zu verdecken habe. Ohne diese Tabari´sche Interpretation gäbe es das Kopftuch-Gebot überhaupt nicht.
Im Hadith 15 wird dieser Widerspruch indirekt sogar thematisiert, freilich in einer Weise, die das Gebot bestätigt. Es heißt nämlich, dass Aischa, die jüngste Gattin des Mohammed, und weitere Frauen ihre Stoffgürtel in Kopftücher umgearbeitet haben.
Wer hat Informationen zu all dem, die pro oder contra Luxenbergs Befunde sprechen?
Chan