Macht die Natur Sprünge?

Hallo Mathe-Exeprten,

man stelle sich ein Schachbrett vor, also 8x8 Felder.
Um z.B. von der linken unteren Ecke des Brettes zur rechten oberen zu kommen, kann man auf den Feldkanten verschiedene Wege gehen:

  • 8 Felder nach oben, 8 Felder nach rechts. Weglänge = 16 Feldkanten.
  • 4 Felder nach oben, 4 nach rechts, 4 nach oben 4 nach rechts. Weglänge = 16 Feldkanten.
  • 2 Felder nach oben, 2 nach rechts usw … .Weglänge = 16 Feldkanten.
    Der Weg ist also immer gleich lang.
    Das geht auch mit einem Brett, dass 16x16 Felder hätte. Auch für dieses Brett wäre der Weg immer gleich lang. Auch bei 32x32 oder 64x64 Feldern.
    Aber dann, „plötzlich“, bei unendlich x unendlich vielen Feldern ist der Weg nurnoch die Daigonale lang.
    Wie lässt sich dass mathematisch fassen. Es ist doch bestimmt irgendwas mit lim n -> unendlich. Ich komm nicht drauf. Helft mir.

Danke und Gruß,
Andreas

Hi,

hier ist ein Denkfehler beim Grenzwert,

Also bei einem Brett von nxn Feldern benötigt man 2n Züge.

Bei n -> oo benötigt man 2*oo Züge.
ABER, bei oo lässt man die 2 einfach weg, weil dies an den Eigenschaften der Unendlichkeit nichts wesentlich ändert.

MFG

Um z.B. von der linken unteren Ecke des Brettes zur rechten
oberen zu kommen, kann man auf den Feldkanten verschiedene
Wege gehen:
[…]
Der Weg ist also immer gleich lang.

Das ist eine Mahatten-Metrik: http://de.wikipedia.org/wiki/Manhattan-Metrik

Aber dann, „plötzlich“, bei unendlich x unendlich vielen
Feldern ist der Weg nurnoch die Daigonale lang.

In der Mahatten-Metrik gibt es keine Diagonalen.

Danke Safrael,

für deinen Erklärungsversuch. Leider verstehe ich ihn nicht so ganz.

Wenn ich n beliebig groß mache (und somit die Kante a eines n beliebig klein), dann müsste doch als Diagonale herauskommen:
Wurzel ( (n*a)^2 + (n*a)^2 )
= Wurzel ( 2 * (n*a)^2 )
= Wurzel (2) * (n*a)
Und das ist eindeutig 2 * n*a (die Berechung für n

Wo ist mein Denkfehler?

Du wechselst beim Grenzwertprozess willkürlich von der Manhatten-Metrik zur Euklidischen Metrik. Bei endlichen Schritten lässt Du nur Bewegungen entlang der Achsen zu und im Grenzfall unendlich vieler Schritte plötzlich auch Diagonalen.

Es gibt einen Spass-Beweis für Pi=2, der so ähnlich funktioniert:

Man zeichnet einen Einheitskreis mit Durchmesser. Für den Umfang dieses Kreises gilt 2·Pi. Damit hat ein Halbkreis die Bogenlänge Pi. Jetzt zerlegt man den Durchmesser in zwei Hälften und zweichnet jeweils einen Halbkreis darüber. Die Summe der Bogenlängen dieser beiden Halbkreise ist wieder Pi. Man kann den Durchmesser beliebig oft halbieren und Halbkreise darüber zeichnen. Die Summe der Bogenlängen aller Halbkreise bleibt Pi. Das macht man solange, bis die Halbkreise zu Punkten schrumpfen und ihre Gesamtlänge dem Durchmesser des Kreises entspricht. Weil der Durchmesser die Länge 2 hat und die Summe der Bogenlängen Pi, gilt Pi=2.

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und im Grenzfall unendlich vieler Schritte plötzlich auch Diagonalen.

ja.
Weil nur im Grenzfall die Senkrechten/Waagerechten zu Diagonalen werden.
Zumindest ist das so mein „normales“ Verständnis. Aber vielleicht bin ich hier ja völlig exo-mathematisch.

Gruß, Andreas

Weil nur im Grenzfall die Senkrechten/Waagerechten zu
Diagonalen werden.

Warum sollten sie?

OK,
lassen wir mal die reine Mathematik außen vor.
Ich kann mir nur vorstellen, dass eine Senkrechte/Waagerechte zur „Schrägen“ wird, wenn sie unendlich kurz wird. Wenn sie gewissermaßen zum Punkt schrumpt, hat sie keine Richtung mehr.

Gruß,
Andreas

Wenn sie
gewissermaßen zum Punkt schrumpt, hat sie keine Richtung mehr.

Genau das ist der Irrtum der auch dem Beweis für Pi=2 zugrunde liegt. Die Wege schrumpfen nie zu Punkten. Egal wie sehr man sie verkleinert - es bleiben waagerechte und senkrechte Strecken.

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Na gut,

ich nehm’s mal hin. Damit sind dann aber auch alle Grenzwerte wie lim n->oo oder lim n->0 für mich nicht mehr verständlich.
Jede Ableitung einer Funktion z.B. beruht auf der Vorstellung, dass zwei Punkte auf der Funktionskurve zu einem Punkt „zusammenlaufen“. Damit ist die Richtung einer Tangente (zwei Punkte einer Geraden liegen auf eine Punkt) nicht mehr eindeutig.
Wie kann man das erklären?
Natürlich gebe ich zu, dass die Steigung einer Funktion eindeutig definiert ist. Trotzdem hat eine Gerade durch „einen“ Punkt keinen definierten Winkel.

Gruß, Andreas

Jede Ableitung einer Funktion z.B. beruht auf der Vorstellung,
dass zwei Punkte auf der Funktionskurve zu einem Punkt
„zusammenlaufen“.

Das ist falsch. Der Abstand zwischen den Punkten wird beim Übergang vom Differenzen- zum Differentialquotienten zwar beliebig klein, aber niemals Null. Andernfalls wäre das Ergebnis eine Division durch Null.

Natürlich gebe ich zu, dass die Steigung einer Funktion
eindeutig definiert ist. Trotzdem hat eine Gerade durch
„einen“ Punkt keinen definierten Winkel.

Du merkst also selbst, dass mit Deiner Vorstellung von Differentialquotienten bzw. Grenzwertprozessen im Allgemeinen irgend etwas nicht stimmen kann.

Mathematisch hast du sicher Recht. Meiner Vorstellungskraft entzieht sich das.

Jetzt auch mal ohne Gruß.

Abkürzung
Hallo Andreas,
in gewisser Weise kann ich Dein Problem nachvollziehen, denke ich.
In einem realen orthogonalen Wegenetzwerk ( wie in New York, abgesehen vom Broadway ) bin auch ich geneigt, die „Abkürzung“ zu gehen, also im Zickzack .
Das ist bei endlicher Breite der Straßen sogar sinnvoll, denn man kann tatsächlich Wegstrecke sparen, weil man ja diagonal über die Straße marschieren kann ( nicht ganz verkehrsgerecht, aber nachts geht´s manchmal ).
Ebenso kannst Du auch auf Deinem Schachbrett fast diagonal über die entsprechenden Felder gehen, solange nicht gefordert ist, die Grenzlinien jeweils mittig zu queren.
Freundliche Grüße
Thomas

Hallo Thomas,

ich will ja nicht quer über die Felder marschieren, sondern nur entlang der Kanten. Aber wenn ich da die Felder/Kanten genügend klein/kurz mache, werden sie in meiner Vorstellung zu Punkten, die ich dann auch diagonal ausrichten kann.

Gruß, Andreas

Die Vorstellungskraft des Menschen
Hallo Andreas

Stell dir einfach mal folgendes vor: Jedesmal, wenn du die Anzahl der Quadrate erhöhst und dadurch die Kantenlänge entsprechend verkleinerst, verkleinere dich selbst auch in genau dem gleichen Verhältnis! Die Felder sind jetzt also vielleicht halb so gross, du selbst aber auch, und somit sind sie zwar objektiv kleiner geworden, aber für dich sehen sie noch genauso gross aus wie vorher, nur dass jetzt das Feld doppelt so gross geworden ist.

Und das machst du ohne Ende weiter. Der Prozess ist also relativ zu dir jedesmal nur eine Verdoppelung der Kanten des Feldes. Das Gesamtfeld wird grösser, es wächst über alle Grenzen. Ist so vielleicht anschaulicher, dass die Kanten dennoch immer Kanten bleiben und niemals zu mathematischen Punkten einer Diagonalen?

Generell macht der Mensch oft den Fehler, die Unendlichkeit irgendwie doch als endlich anzusehen und das mathematische „unendlich“ als Zahl misszuverstehen. Von daher: Versuch doch mal, weniger „mathematisch“ zu denken, sondern dir ganz konkret klar zu machen, dass die Unendlichkeit eben nie aufhört. Du erreichst nie den Punkt, an dem die Kantenlängen auf Null schrumpfen, weil du dafür einen unendlichen Prozess vollständig durchlaufen müsstest.

Im Verhältnis zur Unendlichkeit kannst du jede beliebige Zahl gleich Null setzen. Andersherum: Auch wenn deine Kantenlängen nach ein paar Milliarden von Halbierungen für kein Messgerät dieser Welt mehr von einem Punkt zu unterscheiden sind, selbst wenn es in physikalisch unmögliche Bereiche unterhalb der Planck-Länge geht, sind die Kanten dennoch unendlich viel länger als ein Punkt! Und das bleiben sie, solange du mit den Unterteilungen fortfährst. Der Prozess kommt eben nie zu einem Ende. (Deshalb heisst es ja Unendlichkeit…)

Jede beliebig kleine Kantenlänge ist immer noch unendlich viel grösser als ein Punkt. Denn der Punkt hat keine Ausdehnung.

Egal wie klein du einen „Punkt“ auch zeichnest mit Mikro-, Nano-, Piko- oder Femto-Technologie, er ist immer noch unendlich mal grösser als ein mathematischer Punkt. Du erreichst die Unendlichkeit nie, weder im Kleinen noch im Grossen.

Schöne Grüsse
dodeka

Hallo Zwölfsprachtöner,

vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen. Das bringt mir das Ganze sehr viel näher. Wo ich dann aber immer noch Probleme habe, es zu verstehen sind Sachen wie

lim (n -> oo) von (1+n) / n^2 = 0

Wieso?
Es ist mir klar, dass für sehr große n der Nenner schneller gegen große Zahlen läuft, als der Zähler. Trotzdem kann der Bruch niemals wirklich gleich 0 sein, sondern sich nur annähern. Wieso gilt dann hier das Gleichheitszeichen?

Gruß und schönen Sonntag,
Andreas

lim (n -> oo) von (1+n) / n^2 = 0

Ich interpretiere das (1+n)/n^2 mal als Zahlenfolge. Dafür ist der Grenzwertbegriff vielleicht etwas einfacher.

Wieso gilt dann hier das Gleichheitszeichen?

lim ist ein Operator. Genau wie +, *, sin, cos auch. Er nimmt seine Parameter (in dem Fall die Zahlenfolge) und gibt ein Ergebnis zurück (in dem Fall eine Zahl). Und eine Zahl kann =0 sein. Die Zahl, die der lim-Operator zurückgibt, ist der Grenzwert der Zahlenfolge.
Nun zum Grenzwertbegriff (für n gegen unendlich). Der kann z.B. wie folgt definiert werden (vorausgesetzt, der Grenzwert existiert):
Der Grenzwert einer Zahlenfolge ist diejenige Zahl g, sodass fast alle Elemente der Folge in einer beliebigen epsilon-Umgebung von g liegen.
Fangen wir bei der beliebigen epsilon-Umgebung an. Wenn du dir ein epsilon (üblicherweise sehr klein) ausdenkst, beschreibt die epsilon-Umgebung um g dann das Intervall [g - epsilon, g + epsilon]. Beliebig heißt, dass die Grenzwertbedingung für alle epsilon gelten muss. Also auch für extrem kleine.
Fast alle bedeutet alle bis auf endlich viele Außnahmen. Wenn du dir eine epsilon-Umgebung um 0 vornimmst, siehst du, dass ab einer bestimmten Stelle die Elemente der Zahlenfolge immer in der entsprechenden epsilon-Umgebung liegen. Die Elemente davor sind endlich viele (da es eine Zahlenfolge ist). Es gibt also für jedes Epsilon endlich viele Elemente, die außerhalb der Umgebung liegen. Der Rest, also fast alle Elemente, liegt innerhalb der Umgebung. Damit ist 0 der Grenzwert der Zahlenfolge.
Ich habe versucht, den Unendlichkeitsbegriff so wenig wie möglich zu verwenden. Ich hoffe, es hilft dir weiter.

Nico

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Hallo Nico,

das mit der epsilon-Umgebung leuchtet mir ein, denn das führt den Begriff " fast alle" ein. Damit erhält das ganze für mich auch eine mathematische Berechtigung.
Bwt. muss ich jetzt zugeben, dass ich das mit dem epsilon vor gefühltgen vielen hundert Jahren im Mathe-Leistungskurs schon mal gehört hatte. War mit völlig entfallen. Wie’s halt so ist, wenn man mit diesen Dingen nix mehr zu tun hat.

Danke noch mal und schönen Gruß,

Andreas