Hallo,
ich glaube, die Situation von Jugendlichen mit ausländischen
Wurzeln ist eine andere, wie wenn Deutsche mit hauptsächlich
deutschen Wurzeln ihre Vergangenheit erforschen.
Aber du musst doch zugeben, dass die Situation eine andere ist, wenn man z.B. griechische Eltern hat, zuhause teilweise griechisch redet, in den Ferien „in die Heimat“ (nach Griechenland) fährt, wo man sich nicht mit den Großeltern richtig unterhalten kann, und dort (indirekt) gesagt bekommt: du gehörst hier nicht hierher. Und in Deutschland immer gesagt bekommt: Ah, du bist Grieche.
Die Voraussetzungen sind doch ganz anders ,wie wenn jemand, der in Deutschland groß geworden ist, seine Deutschstämmigkeit nie in Frage stellen musste, nie auf die Idee kam, sich darüber bevor er selbst Interesse an diesen Fragen entwickelt, diese Zugehörigkeit zu hinterfragen.
Was du über Identitätsfindung beschreibst ist schon recht polemisch. Natürlich suchen Jugendliche nach ihrer Identität. Die meisten Jugendlichen, die eben nicht über Abstammung nachdenken müssen, versuchen sich über Äußeres, Interessen, Musik usw. zu definieren. Das heißt, ausprobieren, wer bin ich , was kann ich werden, gibt es Alternativen, wo gehöre ich hin, wie sieht meine Zukunft aus? Für einen Jugendlichen, der z.B. durch von anderen immer als „anders“, als nicht zur Mehrheit gehörend, gesehen wird, drängt sich immer diese Frage nach nationaler Gruppenzugehörigkeit in den Fordergrund. Ich gebe zu, das habe ich gleich gesagt, dass für mich diese Fragen in erster Linie mit dem Problemkreis Adoption verbunden sind. Aber an Adoptierten kann man vieles wesentlich deutlicher sehen, weil es ein extremer Fall ist (sofern es sich um aus dem Ausland Adoptierte handelt). Ein Jugendlicher fragt doch nach der Zukunft - und gerade, wenn es einen Bruch in der Geschichte gibt, ist das immer wieder mit der Vergangenheit verbunden. Eine aus z.B. Korea stammende Adoptierte muss sich doch zwangsläufig die Frage stellen: was wäre, wenn ich bei meinen Herkunftseltern geblieben wäre? Ich würde nicht deutsch, nicht englisch sprechen, ich würde in einem kleinen Dorf leben, wäre vielleicht mit 14 schon verheiratet, usw. Unsere Kinder, das habe ich schon öfter geschrieben, sind in Südafrika adoptiert (wir lebten damals in Südafrika und planten auch nicht, dort wegzugehen). Wir hatten eine Gruppe von +/- 10 Adoptiveltern, die alle Kinder in etwa dem gleichen Alter adoptiert hatten. Als wir vor zwei Jahren dort waren und viele dieser Familien besucht haben, kam bei unseren Jungs ganz zwangsläufig die Frage auf: wie würde mein Leben aussehen, wenn ich von der alleinerziehenden Jennifer adoptiert worden wäre. Wieviel von dem, was ich heute bin, bin wirklich ich, wieviel davon ist durch meine Zeit mit meinen Adoptiveltern geprägt? Das reicht von ganz konkret: würde ich jetzt Rugbyspielen, weil ich in einem englischsprachigen Internat wäre, und nicht Handball, weil ich in einem Odenwälder Dorf lebe? bis zu schwammigen Ideen über Südafrikas Politik und Kultur reichen.
Natürlich kenne ich auch diese ständig sich selbst bewusste
Soziologen-Kaste. Aber die zeigt ja gerade, wohin dieser
Selbstfindungsprozess dann führt
Mehr Polemik. Aber ich glaube, du verstehst Selbstfindung gar nicht so wie ich das jetzt beschrieben habe, sondern machst dich über 30jährige lustig, die glauben, sie brauchten tägliches OM-Singen, um mit dem Weltgeist zu kommunizieren. Die Art „Selbstfindung“ von der ich beschrieben habe, macht jeder durch, nur nicht immer unbedingt bewusst und sicher nicht permanent.
Ob man sich diese Identität dann 100%ig
anzieht, sie 100% ablehnt oder einen Kompromis findet, hat
dann mit der persönlichen Identität zu tun.
Darum geht es ja. Und wenn ich die Optionen nicht kenne, weil mir als z.B. dunkelhäutiger Afrikaner niemand etwas Positives über Afrika erzählt, dann kann ich auch nicht wählen.
Tja, und soweit es für mich nicht die eine Identität x nach
Muster y gibt, tue ich mich natürlich auch damit schwer, eine
bestimmte Identität anzunehmen oder abzulehnen. Ein Migrant
hat meiner Meinung nach keine zwei Identitäten, von denen er
sich für die ein oder andere entscheiden kann, sondern nur die
eine, die eben von Anteilen beider Kulturen geprägt ist, von
denen er sich nicht freimachen kann, die aber eben auch im
ständigen Wandel ist.
Aber dazu muss er sie kennen! Und einem Jugendlichen muss Positives vermittelt werden, nicht nur Negatives und von Vorurteilen Belastetes von Menschen, die seine Herkunftskultur gar nicht kennen. Natürlich sollte es vornehmlich die Aufgabe der Eltern sein, dies zu vermitteln. Aber gerade im Teenageralter suchen die Jugendlichen doch gerade nach Informationen und Erlebnissen von außen. Wenn sie da auf eine gute Vorarbeit durch die Eltern bauen können, um so besser.
Gruß vom Wiz, der unbedingt beim Termin nächste Woche in NL
der Gegenpartei zuerst mal mitteilen muss, dass er selbst auch
ein x%iger Kaaskopp ist
Das soll vielleicht scherzhaft sein, aber vielleicht stört gerade das viele, die wirklich mit dem Problem umzugehen haben, weil sie sich nicht ernstgenommen fühlen.
Gruß
Elke