Hi.
Selbstverständlich sind oder waren sie es. Die Frage stellt sich, wie berechtigt das „auch“ ist. Sicher wäre es reduktionistisch, Religion ganz allgemein auf den sozialen Machtaspekt zu reduzieren. Dennoch ist bei genauem Blick nicht zu erkennen, inwiefern in den monotheistischen Religionen der Machtaspekt nur ein zusätzlicher, sekundärer oder nicht-wesentlicher Aspekt sein könnte. Schließlich besteht das Fundament dieser Glaubenslehren in der Prämisse der absoluten Macht eines Gottes über alle Lebewesen. Das hat seinen Ursprung in den - ab einer gewissen prähistorischen Phase - machtpolitisch fundierten Religionen des altorientalischen Polytheismus. Auf die Grundzüge dieses Systems gehe ich nachher ein.
Die abrahamitischen Religionen verschärften den Machtaspekt des Polytheismus noch und trieben ihn auf die Spitze. Im Polytheismus war kein Gott allmächtig, sondern teilte seine Macht mit anderen Göttern und Göttinnen. Die Menschen hatten einen nicht unbeträchtlichen Spielraum in der Wahl ihres ´Lieblingsgottes´ oder ihrer ´Lieblingsgöttin´, denen sie sich persönlich verbunden fühlten.
Wichtig ist, die drei monotheistischen Religion nicht über einen Kamm zu scheren, sondern jede für sich unter der Genese ihres spezifischen Machtaspekts zu untersuchen.
Der jüdische Monotheismus als solcher entstand – auf den Punkt gebracht im Werk des Deuterojesaja im 6. Jh. BCE - aus einer Situation der Machtlosigkeit gegenüber den militärisch überlegenen Staaten der Assyrer und Babylonier. Vor dem 6. Jh. BCE, also vor dem Jahrhundert des Exils gab es keinen israelischen Monotheismus, sondern ein Nebeneinander von mehreren in Israel verehrten Gottheiten, wobei die Göttin Aschera (im Jerusalemer Tempel neben Jahwe verehrt) und die Göttin Ischtar herausragen.
Jahwe als einzig wahren Gott zu postulieren war in der Situation des 6. Jhs., als Israel durch den Verlust von Königtum und Tempel politisch ausgelöscht war, eine radikale Protestreaktion gegen die Göttervielfalt der politischen Unterdrücker. Insofern diente der jahwistische Monotheismus zunächst keinesfalls einer politischen Machterhaltung – es gab ja kein Königtum -, sondern war Ausdruck des Bestrebens einer im babylonischen Exil lebenden Priesterelite, das gefährdete Identitätsgefühl der Israeliten auf ein stabiles Fundament zu stellen. Als Ersatz für einen üblicherweise identitätsstärkenden Zentraltempel wurde die Tora geschaffen. Inhaltlich war der Jahwismus allerdings nicht anders als die polytheistischen Religionen spätestens ab dem 2. Jh. BCE, als die Königspsalmen geschaffen wurden, ein klarer Ausdruck eines königs-zentrierten Denkens, hatte also jede Menge machtpolitisch nutzbares Potential.
Das Christentum entstand wahrscheinlich als eine Mixtur von Mysterien- und Protestreligion, ersteres insofern, als vieles auf einen mysterienkultischen Ursprung hinweist, und letzteres insofern, als die (vermutlich fiktionale) Jesus-Gestalt als personalisiertes Symbol des Protestes der ökonomisch unterdrückten Schichten (Proletariat) gegen den Gott der privilegierten Aristokratie (Sadduzäer) und des Bürgertums (Pharisäer) interpretiert werden kann. Durch die z.B. durch Paulus forcierte Integration des Christentums in die Gesellschaft des Römischen Reiches (Hellenisierung) wandelte sich das ursprünglich vermutlich anti-autoritäre Potential der Lehre in eine machtkonforme Ideologie, deren funktionale Überlegenheit über jede polytheistische Ideologie von Konstantin d.Gr. erkannt wurde.
Über den machtpolitischen Aspekt des Islam will und brauche ich hier nicht viele Worte zu verlieren. Mohammed hat sein Reich mit brutaler Gewalt errichtet, angefangen mit Karawanenüberfällen und Brunnenvergiftungen, und das mit seiner Allah-Lehre zu legitimieren versucht.
Jetzt noch ein paar Takte zur Herausbildung des machtpolitischen Aspekts im Polytheismus, der Ausgangsbasis der monotheistischen Machttheologie:
+++
Theismus entwickelte sich spätestens ab dem 4. Jt. BCE als eine Denkweise der patriarchalischen Herrscherelite (Könige und Priester) und hatte vor allem die Funktion, die Herrschaft dieser Elite zu legitimieren (sog. „sakrales Königtum“). Dass dies immer in bewusster Reflexion auf diese Funktion geschah, will ich damit nicht sagen, tendenziell vollzog sich das unbewusst, aber es gibt Anzeichen dafür, dass Könige auch bewusst das Charisma von Göttergestalten nutzten oder mit Hilfe von Hohepriestern neue theologische Konzepte einführten, um ihre königliche Macht zu konsolidieren oder zu erweitern.
Ein Spezialfall der religiösen Legitimation war die Rechtfertigung von Eroberungsfeldzügen als durch einen Gott beauftragt (Beispiel Geierstele von Eannatum, König von Lagasch um 2500 BCE). Natürlich spielten im theistischen Denken auch andere Aspekte eine Rolle, z.B. Fruchtbarkeit und Welterklärung, doch auch diese waren in das religiös verklärte System der Königsherrschaft integriert.
Die Etablierung theistischer Systeme geschah immer im Zuge der Machtaneignung einer Minderheit über das Volk. Vormals freie Bauern wurden zu Arbeitskräften degradiert, die einen Großteil ihres Ertrags an König und Priester abführen mussten. Soziale Organisation konvergierte auf die Spitze der sozialen Pyramide, den obersten Stadt- oder Staatsgott, den der König irdisch repräsentierte.
Die theologische Grundstruktur des Theismus ist also ein Spiegelbild autoritärer Staatsstrukturen, deren Beginn in die Zeit des entstehenden Königtums fällt, d.h. in das 4. Jahrtausend BCE (in Ägypten der Pharao, in Sumer der „lugal“, der Fürst einer Stadt/eines Stadtstaats, zuerst Uruk).
Die Idee der „Gottessohnschaft“ des Herrschers ist als Ausdruck eines Willens anzusehen, die Person des Herrschers zu überhöhen, um seine Position innerhalb der aristokratischen Hierarchie noch unangreifbarer zu machen. Man kann annehmen, dass das Königtum (bzw. Fürstentum) zunächst als temporäres Amt entstand durch die Wahl eines provisorischen „Ersten“ durch eine Anzahl liierter Stämme. Aufgrund zunehmender Kriegsaktivitäten im Laufe des 4. Jt. BCE schien es notwendig zu sein, dass das Amt kontinuierlicher und mit mehr Akzent auf dem Militärischen ausgeübt wurde, um sich der neuen instabilen Situation anzupassen, die zugleich mehr Gefahr, aber auch mehr Chancen für Machtzuwachs durch Eroberungen bot.
Das war dann auch die historische Situation, die von einzelnen Individuen genutzt wurde, um das Führungsamt narzisstisch zu missbrauchen und mit persönlicher Macht und Machtzuwachs zu verbinden. Die Kontinuität des Amtes ermöglichte auch, den König zum „Sohn“ des Stadtgottes (z.B. Eannatum als Sohn von Ningirsu) aufzupeppen. Dahinter stand sicher der Wunsch der royalen Sippe, ihren Status zu festigen. Diese Erhöhungsstrategie muss von einem uns unbekannten König/Fürst/lugal in Sumer innovativ eingeführt worden sein und wurde, wegen der Attraktivität und Effektivität dieses Konzepts, von anderen Herrschern dann nachgeahmt.
Chan