Hi
Es gibt in diversen buddhstischen Schulen die Vorstellung des Selbstopfers. Dieses kann für ganz verschiedene Zwecke eingesetzt werden, es ist dem Opferer meistens (nicht immer) zuträglich, sich selbst für Grund x aufzugeben. Auch wenn es aus textlicher Sicht (immerhin muss die Lehre verschwinden, bis der Zukunftsbuddha aufkreuzt) nicht immer logisch erscheint, sich für das Überleben des Buddhismus in ein Schwert zu stürzen oder in Flammen zu setzen, so gibt es doch einen „Überlebensinstinkt“ der Gruppe.
Umso weiter du in die moderne Vordringst und umso fremder die Abspaltungen werden, desto kurioser werden die Begründungen mit denen man sich für den Glauben umbringen oder für den Glauben umgebracht werden kann. Selbiges gilt auch für die Selbstverstümmelung.
Das ist aber alles sehr, sehr unterschiedlich, da müsste man sich jede Schule extra anschauen.
In den Ordensregeln (vinaya) ist es jedenfalls verboten, sich umzubringen oder zu verstümmeln. Das heißt aber nicht, dass es nicht schon in frühen Phasen des Buddhismus vorgekommen ist. Solange der Buddhismus in einigen Regionen dominant war gab es natürlich keinen Grund für ein Selbstopfer für den Glauben, sobald der Buddhismus in Kontakt mit anderen Religionen kam, die aggressiv gegen ihn vorgingen, gab es Raum um solche Vorstellungen zu entwickeln.
Es kommt auch ein wenig darauf an, wie du Märtyrer definierst: Als jemanden, der sich für das HEIL seiner Gruppe hingibt, oder als „Freiwilliges Opfer des Lebens aus Solidarität mit einer Gruppe im Kontrast zu einer anderen ideologischen Gruppe“.
Diejenigen, die sich für das Heil ihrer Gruppe hingeben, sind im Mahayana Buddhismus und seinen Abspaltungen äußerst zahlreich, in anderen Richtungen des Buddhismus hilft das Selbstopfer aber auch v.a. auf dem eigenen Weg zum Erwachen.
Das Selbstopfer zum Heil anderer umfasst zum Beispiel die Absicht, den unvollkommen Körper in Reliquien zu verwandeln, wobei der Körper des Geopferten sich dem Verehrten angleicht und die Reliquie den Hinterbliebenen nutz(en soll). Das findet sich z.B. im Suvārnabhāsottamasūtra.
Dann gibt es das Selbstopfer zur Nahrung (an Tiere und Menschen) oder aus medizinischen Gründen, so sollen Mönche in Zentralasien ihre Augen geopfert haben um Augenkrankheiten zu heilen oder sich menschenfressenden Tieren geopfert haben, um diese zu Läutern.
Diese Art der Opfer sollte die „Vollkommenheit der Duldsamkeit“ und die „Vollkommenheit der Entschlossenheit“ darstellen.
Auf der politischen Seite geht es auch schon früh los, Daoxuan berichtet in seinen Schriften unter „Verteidiger des Dharma“ von den Mönchen die für die Drei Kostbarkeiten ihr Leben gaben, z.B. durch Hungerstreik mit anschließender Hinrichtung unter Kaiser Wu (561-578). Auch finden sich buddhistisch Erzählte Geschichten, die aber vorbuddhistischen Zhiguai (seltsame Literatur) verdächtig ähnlich sind, z.B. von einem Mönch namens Jing’ai der sich Stück für Stück zerschnitt, mit folgender Begründung:
„I have given up the bodily life for three reasons. First, I see the many misfortunes of the body. Second, I am unable to protect the Dharma. Third, I desire soon to see the Buddha and to be together with the ancient Sages.“ (RHMC).
Nachdem die Patronage unter den Toba-Wei im 6. Jh. verloren ging, bürgerten sich sehr viele politische Selbstverbrennungen ein, die versuchten die kosmische Ordnung wiederherzustellen. Das Opfer des Körpers galt als Opfter für den größeren Körper des Sangha.
Es ist zu beachten, dass das Märtyrertum, wenn man es so nennen will, in mittleren und niederen Schichten des Buddhismus eine größere Rolle gespielt zu haben scheint. Umso weniger die Sutren unter den Anhängern bekannt sind, umso mehr Hagiographien von berühmten Mönchen und Laien werden erzählt (zumindest im ostasiatischen Bereich).
In moderneren Zeiten waren die politischen Selbstverbrennungen der Mönche in Vietnam (1960er) sehr berühmt, die in Tibet gegen die chinesische Herrschaft (1998) und die der Koreaner bei der Polizeiintervention gegen den Chogye Orden.
Zwischen 1940 und 1970 verdreifachte sich die Selbstmordrate in Sri Lanka, darunter auch Protestselbstmorde der Mönche, was sehr knifflig ist, da man sich in Sri Lanka an Oscotts buddhistischen „Kodex“ hält, der Selbstmord auch verbietet.
In Vietnam gab es vor den 1960ern kaum politisch motivierte Selbstverbrennungen und die wenigen die es gab waren sehr alte Mönche. In den 60ern verbrannten sich aber vor allem sehr junge Mönche, aber auch Laien. Selbstverbrennung wurde gewählt, weil man Hungerstreikt durch Staatskräfte unterbrechen kann. Den Selbstmorden wurde auch assistiert, was wiederum sehr knifflig ist… aber es wurde so argumentiert, dass der Buddha keine Gebote sprach, sondern nur Vorschläge, an die man sich nicht zwingend halten muss.
Und das alles jetzt erstmal für die, die willentlich ihren Körper aufgaben. In China, Korea, Vietnam (auch anderswo, aber hier kenne ich mich aus) gab es sehr viel Gewalt gegen Buddhisten bei der Unzählige starben. Allerdings muss man schon irgendwie im Leben signifikant gewesen sein, damit die Leute Geschichten erzählen und eine Hagiographie entsteht, die einen irgendwie als Märtyrer ins Bild setzt. Die meisten Menschen die dort starben wurden nicht als Opfer für den Glauben wahrgenommen, sie wurden schlicht ermordet.
lg
Kate