Man → mer (warum /r/?)

N’Ahmd!
In vielen deutschen Dialekten wird „man“ wie /-mər/ ausgesprochen und an das davorliegende Wort (meist ein Verb) angefügt, so z.B. im Sächsischen:

Was soll mor’n da saachng?!
Da kam mor nüscht machng!
_ Mor könnt’ ja ooch ma’ Bimmel fahrn._
'Sch weeß nisch, was mor da koofm kann.

Manchmal fällt das auch mit „wir“ zusammen (der 1. Satz ist z.B. zweideutig).

Soweit sogut. Meine Frage: wieso hört man da (phonologisch gesehen) ein /r/ am Ende? Kann das jemand erklären?

Grüße,

  • André

Moin, André,

Soweit sogut. Meine Frage: wieso hört man da (phonologisch
gesehen) ein /r/ am Ende? Kann das jemand erklären?

ich nicht, weil im Bayerischen sehr wohl zwischen man und wir unterschieden wird: man heißt ma (dumpfes e) und wir heißt mia. Der Zugroaste hört das vielleicht nicht heraus, der hält sich dann an die Zeitformen des Verbs: Dô geht ma neet hi / Dô genga mia neet hi.

Gruß Ralf

Hallo Andre,

ich bin kein Experte - nur eine kleine Anmerkung:

bedeutet es nicht oft „Wir“? dann wäre das „R“ ja klar.

War nur so ein Gedanke.

Schöne Grüsse

Uli

Hallo,

gibts auch im Schwäbischen, wo aus „man“ „mer“ und aus „wir“ „mir“ wird.
Dieses „mer“ wird aber teilweise so ausgesprochen, dass das „r“ lautlos ist und letzlich für den Hörer nur ein „m“ übrigbleibt.

„kann me® des so macha?“
„könne mir des so macha?“

Gruß
Lawrence

weil im Bayerischen sehr wohl zwischen man und wir
unterschieden wird: man heißt ma (dumpfes e) und wir heißt
mia.

Serus Ralf,

um die Richtigkeit Deiner Feststellung zu diskutieren
gemma am besdn amoi auf a Hoibe :wink:

Gruß

Kai

Ja, wir wird auch oft zu mer, aber an der Verbform erkennt man den Unterschied:

„Köm mer machng!“ = Können wir machen.
_„Kam mer machng!“ = Kann man machen.

Gruß,

  • André_

Hallo André,

ich hab nur 'ne Anregung, eine belegte Antwort kann ich da auch nicht bringen.

Vielleicht ist das „-mor“ gar nicht mit „man“ verwandt, sondern aus „wer“ entstanden, genauso wie aus „wir“ „mir“ wurde (w -> m scheint also denkbar zu sein). Dann würde ich „wer“ im Sinne von „jemand“ verstehen (so wie bei „irgendwer“ oder „hat wer ne Idee?“), und der Zusammenhang ist hergestellt, denn in vielen Fällen (nun grad nicht in Deinen Beispielen, aber z.B. „man müsste mal n Gesetz machen, dass die Abgeordneten nur Spritsparer fahren dürfen“) sind „man“ und „jemand“ ja austauschbar.

Ob das vom linguistischen Standpunkt her ein vernünftiger Ansatz ist, vermag ich gerade nicht zu beurteilen; das kannst Du ja tun, Du hast schließlich die passende Ausbildung.

Liebe Grüße
Immo

Hallo Ralf

ich nicht, weil im Bayerischen sehr wohl zwischen man und wir
unterschieden wird: man heißt ma (dumpfes e) und wir heißt
mia. Der Zugroaste hört das vielleicht nicht heraus, der hält
sich dann an die Zeitformen des Verbs: Dô geht ma neet hi / Dô
genga mia neet hi.

Jein. Das Bairische kennt aber auch die enklitischen Pronomina:

Samma boid do?

steht gleichberechtigt neben

San mia noid do?

Das ganze kann sogar zu einer Verdoppelung der Pronomina führen:

Mir samma boid do.

http://de.wikipedia.org/wiki/Klitika#Bairisch

Gruß,
Max

2 Like

Grüß Dich Max,

Jein. Das Bairische kennt aber auch die enklitischen
Pronomina:

Samma boid do?

Das „ma“ bei „samma“ oder „hamma“ ist ein verschliffenes „mir“ (wir).
Wenn das „wir“ betont werden soll wird es meistens als „mia“ oder „mir“
gesprochen.

Das ganze kann sogar zu einer Verdoppelung der Pronomina
führen:

Mir samma boid do.

Ja so etwas gibt es öfters :wink:

In der ursprünglichen Frage ging es glaub ich darum, warum man auch für
„man“ „mor“ mit „r“ spricht z.B. „Da kammor nüscht machng!“

Möglicherweise hat das ‚ma‘ von ‚man‘ sich an das ‚mir‘ von der Aussprache „angenähert“. Beim „samma“ ist es ja ähnlich, nur daß dort das „r“ weggefallen
ist und beim „kammor“ eines dazugekommen ist.
Wird in Leipzig das „-r“ bei „kammor“ wirklich deutlich als „r“ gesprochen
also kein „kammoa“?

Servus,
Roland

Hallo André,

In Bayern:

Mir san mir = Wir sind wir!

Alle Fragen geklärt, oder?

Viele Grüße

Alexander

André,

„Kam mer machng!“ = Kann man machen.

seit wann wird ein Schwa-Laut als „-er“ in die Schriftform übertragen?

Kamma mochn! -> Ka ma mochn -> Kann man mochn.

Aal kloar?

Für mich schon.

Schönen Sonntag

Alexander

Hallo.

Hauptsächlich deshalb, weil mich das irgendwo vielleicht in subtiler Art zum Schmunzeln brachte (und es ist sogar ein recht anhaltendes gewesen), erlaube ich mir, dies folgendermaßen ein wenig abzurunden.

Es trägt auch zur Entschärfung bei.

… m „… chn …“=
Kann
man machen.

seit wann wird ein Schwa-Laut als „-er“ in die Schriftform
übertragen?

Weiss ich nicht so ganz!

Kamma mochn! -> Ka ma mochn -> Kann man mochn.

Siehe PS!

Mit freundlichen Grüßen, Michael

PS

KAN[NG??] M? (Das kann man wohl zu ‚KAMMA‘ zusammenziehen) MOCHN - Aber wo bleibt der Ausdruck „Koo“?

Äh… nee. Keene eenz’sche. ^^ (owt)
:wink:

seit wann wird ein Schwa-Laut als „-er“ in die Schriftform
übertragen?

Wenn er exakt gleich wie das sächsische bzw. hochdeutsche -er gesprochen wird, schon. Hier in Sachsen heißt’s eben nicht „Kamma machng.“ oder „Kamme machng.“, sonder „Kammer machng.“ — auf Hochdeutsch wär’s [ɐ], aber bei uns ist der Laut etwas gerundeter, der Satz dürfte etwa so klingen:

̞[ˈkɑmɝ̹ ˈmɑχŋ̩]

Man könnte’s also vllt. auch „Kammor machng.“ schreiben. Aber sicher nicht mit /a/.

Daher auch meine Frage nach dem „-r“ am Ende.

Gruß,

  • André

Hallo Roland,

In der ursprünglichen Frage ging es glaub ich darum, warum man
auch für
„man“ „mor“ mit „r“ spricht z.B. „Da kammor nüscht machng!“

Japp, ganz genau.

Wird in Leipzig das „-r“ bei „kammor“ wirklich deutlich als
„r“ gesprochen
also kein „kammoa“?

So „deutlich“ wie im Hochdeutschen. Also man hört den Laut nicht als R-Laut, aber er verleiht der Endung „-er“ einen eindeutigen R-Klang. Anders als in vielen deutschen Dialekten kann man in Sachsen langes /a/ von /-er/ deutlich unterscheiden. Klingt etwa wie ein hochdeutsches „orr“ (in „Mord“, schnell gesprochen). Es ist oft sogar noch 'ne Pharyngalisation im Spiel (passiert häufiger bei Kombinationen aus /-Vr/).

Daher kann ich sichersein, dass da wirklich ein /r/ zugrundeliegt, also vermutlich /mər/. Aber warum, kann ich mir nicht erklären… vielleicht hat sich’s wirklich lautlich ans „wir“ angepasst. Aber die Konjugation ist eben trotzdem die der 3. Person Singular.

Grüße,

  • André Müllor

Hallo!

Mit Verlaub: Bist Du Schwabe oder „Schduagrdr“ (= Stuttgarter)?

„kann me® des so macha?“

Auf schwäbisch: Kâ mr des so macha?

„könne mir des so macha?“

Auf schwäbisch: Kemmr des so macha?

(Wenn schon so vornehm, dann: „Kennat mir des so macha?“

(Wenn man aber nicht nur das schwäbische Vokabular und die schwäbische Grammatik einbezieht, sondern auch das schwäbische Temperament, so würden beide Sätze wohl eher lauten: „Goht des so?“)

Michael

Hallo Andre,

Wird in Leipzig das „-r“ bei „kammor“ wirklich deutlich als
„r“ gesprochen
also kein „kammoa“?

So „deutlich“ wie im Hochdeutschen. Also man hört den Laut
nicht als R-Laut, aber er verleiht der Endung „-er“ einen
eindeutigen R-Klang.

Hmm, nicht als R-Laut aber als R-Klang wie im Hochdeutschen.
Das verstehe ich nicht ganz. Die „-r“ Aussprache im Hochdeutschen
ist regional unterschiedlich. Im süddeutschen Sprachraum ist es nicht
unüblich z.B. bei „Herr“, „Haar“, „Jahr“, „vor“, „Ohr“, „warm“, „arm“ das „r“ überdeutlich als R-Laut zu sprechen (meistens mit der Zungenspitze).
Da fällt R-Laut und R-Klang häufig zusammen.

Anders als in vielen deutschen Dialekten
kann man in Sachsen langes /a/ von /-er/ deutlich
unterscheiden.

Ich versuche mich an die Dresdner Aussprache zu erinnern. In meiner Erinnerung
ist das „-r“ relativ dezent, zum Teil vokalisiert. An ein besonders
ausgeprägtes „-R“ kann ich mich nicht erinnern. Ich werde das nächste Mal
besser aufpassen. Beim Siebenbürgen Sächsisch ist das „-R“ glaub ich
ausgeprägter.

Daher kann ich sichersein, dass da wirklich ein /r/
zugrundeliegt, also vermutlich /mər/. Aber warum, kann ich mir
nicht erklären… vielleicht hat sich’s wirklich lautlich ans
„wir“ angepasst. Aber die Konjugation ist eben trotzdem die
der 3. Person Singular.

Ich vermute auch, daß sich die Wörter von der Aussprache angenähert
haben.

Servus,
Roland

Hmm, nicht als R-Laut aber als R-Klang wie im Hochdeutschen.

Ich meinte hier die Standardaussprache des vokalische /r/ als [ɐ]. Im der Standardaussprache bildet das ja Diphthonge und ist als /ər/ am Wortende ein Vokal, aber eben kein /a/. Als richtigen r-Laut kommt er auch im Sächsischen nur im Anlaut vor.

Grüße,

  • André

Hallo Andre,
danke, für die Erklärung. Das paßt dann mit meinen Erinnerungen an den Dresdner Dialekt zusammen.
Eine kurze Anmerkung zur Standardaussprache möchte ich noch machen. Die Standardaussprache bzw. hochsprachliche Aussprache ist auch regional etwas unterschiedlich. In der einen Gegend wird das „R“ mit der Zungenspitze gesprochen, in anderen Gegenden im Rachen, teilweise wird das „r“ im Wort oder am Wortende vokalisiert, teilweise wird es nicht vokalisiert …
Servus,
Roland

Hallo,
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit „Standardaussprache“ oder „Hochdeutsch“ da den richtigen Terminus verwende, aber es gibt schon eine geregelte Aussprache, in der das /r/ auch standardisiert ist, nämlich konsonantisch als stimmhafter uvularer Frikativ [ʁ] und vokalisch als fast offener („near open“?) Zentralvokal [ɐ]. Abweichungen davon fallen möglicherweise noch ins „Hochdeutsche“, sind aber dennoch Abweichungen (was nicht heißt, dass das schlecht sei).

Gʁuß,

  • Andʁé Müllɐ