Maria bringt Jesus zur Welt, im Mariendom! Religiöse Aspekte?

Hallo,

im Linzer Mariendom wurde neulich eine Marienstatue ausgestellt, die außerordentlich offen die Geburt Jesu zeigt, dessen Köpfchen zwischen den Schenkeln der Maria wohl auch zu sehen sein soll. Die Ausstellung führte natürlich zu dem, was man im weitesten Sinn „Diskussionen“ nennen könnte. Diese „Diskussionen“ gipfelten darin, dass jemand der Maria den Kopf abschlug. Die Künstlerin interpretierte die Tat als einen Beweis dafür, dass es noch immer Menschen gibt, welche Frauen das Recht am eigenen Körper streitig machen.

Meine Frage lautet, was man aus religiöser Sicht zu dieser Ausstellung wissen sollte. Ich habe die Stellungnahme einer (sehr konservativen) katholischen Theologin so verstanden: Maria sei von der Erbsünde befreit gewesen, weshalb sie bei Jesu Geburt keineswegs die üblichen Schmerzen zu dulden hatte; da Maria hier aber leidend wirke, würde ein Grundsatz ihres Glaubens angegriffen. Ist das aus römisch-katholischer Sicht so korrekt? Gibt es vielleicht weitere Aspekte, die ein akademisches Interesse stimulieren und befriedigen könnten?

Vielen Dank im Voraus und beste Grüße,
G. Threepwood

Das Ereugnis in Linz (danke für die Info) ist natürlich ein Kuriosum in mehrfacher Hinsicht. Man muss alle Komponenten des „Dramas“ natürlich betrachten innerhalb des Kontextes bzw. der Historie des Marienkultes in den christlichen Strömungen. Er entwickelte sich allmählich in mehreren Etappen seit dem Konzil Ephesus 431 n. Chr., auf dem das Epitheton „theotokos“ („Gottesgebärerín“) offiziell (d.h. von klerikaler Seite aus) genehmigt wurde. Ein Zugeständnis bzw, ein Kompromiss mit einer eigentlich gar nicht mariologischen, sondern christologischen Absicht. Bis dahin kamen mythische Marienverehrungen vor allem aus den östlichen Regionen (Anatolien, Syrien, arabischer Raum). Die westlichen, lateinischen Kirchen (also die Wurzeln der späteren römisch-katholischen Kirche) haben alle diese Mytheme erst Jahrhunderte später aufgegriffen.

Daß aber Maria die Mutter des Jesus war, mithin ihn also geboren hat, hatte noch nie.irgendwer seit den ersten Texten des 1. Jhdts bestritten. Unter den zahlreichen Ikonographien Marias - als regina coeli, als pietá, als assumpta, als Säugende usw.), die alle, wie erwähnt, aus dem östlichen Verbreitungsgebiet des Chriustentums kamen, ist die konkrete Darstellung als Gebärende tatsächlich neu, wenngleich auch bloß aus einer.privaten Initiative mit durchaus fragwürdiger Intention, wenn man den Kommentar der Bildhauerin liest:

die Künstlerin der Statue, Esther Strauß. Dies zeige, „dass es immer noch Menschen gibt, die das Recht von Frauen an ihrem eigenen Körper in Frage stellen. Dem müssen wir ganz entschieden entgegentreten“, so die Künstlerin.

Was hat wohl die Darstellung eines Geburtsvorgangs mit dem „Recht von Frauen auf den eigenen Körper“ zu tun!? Hat jemand das Recht von Frauen auf Gebären bestritten? Das als Motiv des Attentäters oder der Attentäterin zu hypothetisieren ist eine Absurdität, die die Intention der Künstlerin vielmehr selbst in Frage stellt. Sie hat das mutmaßliche Motiv der Tat überhaupt nicht begriffen.

Dieses zeigt sich in seiner kognitiven, vielleicht psychopathologischen Devianz vielmehr krass in dem mutmaßlichen Bekennerschreiben:

Auf der Plattform Telegram ist unter dem Namen „Katholischer Widerstand“ ein angebliches Bekennerschreiben aufgetaucht. Kritik an der Skulptur sei von der katholischen Kirche ignoriert worden, heißt es darin. „Daher war in Anbetracht dieser abscheulichen und blasphemischen Karikatur eiligstes und entschlossenes Handeln gefordert!“, heißt es.
[Hervorhebung von mir]

Zu deiner Frage bzgl. dieser Theologin:

Ich weiß nicht, welche kurionsen Vorstellungen in der heutigen römisch-katholischen Thjeologie kursieren, aber diese absurde Interpretation der Immaculata (die immer gern verwechselt wird mit dem Mythos der „jungfräulichen Geburt“) ist - soweit ich selbst den Überblick über die Historie habe - neu :thinking:

Dieses Immaculata-Dogma wurde 1854 von Pius IX oktroyiert. Es ist eine theologisch spitzfindige (und mariologiegeschichtilich völlig überflüssige) Konstruktion, die auf der von Paulus initiierten und dann von Augustinus Ende des 4. Jhdt explizierten Erbsündelehre basiert: Wenn Jesus bei der Geburt und desweiteren auch vorher (das sog. &rarr: Präexistenz-Problem) bereits göttlich war (das wurde in der Antike ja von einigen Strömungen bestritten), dann dürfe, so das Argument, die Gebärende selbst nicht mit Erbsünde behaftet gewesen sein usw …

Aber dass sich dies auf die Physiologie des Geburtsvorgangs ausgewirkt haben soll, und dies als Kritik an dieser ikonogaphischen Erfindung, das ist selbst im Kontext all dieser 1500 Jahre langen mansplaining Spekulationen über „Mary’s body“ eine Absurdität, die diesem „Attentat“ in Linz noch eine Kirsche auf die Linzer Torte setzt.

Gruß
Metapher

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Danke, lieber Metapher, da hat sich meine Frage ja gelohnt.

Wenn es dich interessiert, findest du hier den genauen Wortlaut der Theologin.

Eben das bereitet mir Sorgen. Mein erster Gedanke, als ich von der Tat las, war, dass hier jemand eine aus seiner oder ihrer Sicht blasphemische Skulptur beseitigen wollte, gerade weil er oder sie Maria so verehrt. Das war, so mein erster Gedanke, kein Angriff auf Maria, sondern sollte diese verteidigen. Ich habe sehr viele Kommentare gelesen, und wer das von der Künstlerin behauptete Tatmotiv auch nur infrage gestellt hat, wurde heftig angegriffen. Ein Phänomen, das ich oft beobachte; doch das gehört nicht hierher.

Ich jedenfalls nicht. Hier hat die Künstlerin noch mehr gesagt:

„Mich beschäftigt im Moment, dass sich da jemand entschieden hat, auf eine sehr brutale Art und Weise mit dieser Skulptur umzugehen. Darüber denke ich nach, und ich glaube, es ist kein Zufall, dass das einer Skulptur passiert, die eine Frau darstellt. Sie hat ja einen Heiligenschein getragen, und es wäre durchaus eine Möglichkeit gewesen, als Intervention diesen Heiligenschein zu entfernen. Jemand hat aber eine Säge in den Dom mitgebracht und Maria enthauptet, den Kopf mit- und ihr auf diese Art das Gesicht genommen. Auf einer symbolischen Ebene ist das für mich ein Ausdruck einer hohen patriarchalen Gewaltbereitschaft, von der wir ja wissen, dass es sie gibt. Dafür spricht auch die hohe Femizidrate in Österreich. Dieser Aspekt ist in der medialen Berichterstattung nicht so präsent, wie er es meiner Meinung nach sein sollte.“

Und:

„Wenn man ein Kunstwerk attackiert, gibt es verschiedene Möglichkeiten, das zu tun. Wie die Skulptur selbst hat auch ein Angriff auf sie eine Symbolsprache. Wer die Bilder, die Frauen zeigen, kontrollieren will, will meiner Erfahrung nach auch Frauen selbst kontrollieren.“

Einige Leute witterten eine Doppelmoral, weil man Szenen der Geißelung und des Foltertodes Jesu problemlos in Kirchen ausstellen könne, eine Geburt aber nicht. Hier verstehe ich zumindest, woran diese Leute Anstoß nehmen. Ob und warum der Vergleich hinkt oder auch nicht, ist vielleicht etwas, zu dem du eine fachlich fundierte Meinung hast. Ich würde sie gern lesen.

Eines ist mir bei dieser Gelegenheit noch eingefallen, worüber ich ab und an nachdenke: Ich las einmal den Kommentar einer Frau, die sich darüber beklagte, dass Maria im katholischen Umfeld immer so demütig dargestellt werde. Ich bekomme selten Mariadarstellungen zu sehen, aber ich musste sofort denken: Erstens wird Maria oft als Himmelskönigin sehr majestätisch dargestellt. Zweitens ist ihre Demut die Demut vor Gott, nicht vor den Männern dieser Erde. Sind diese Einwände berechtigt, oder irre oder übersehe ich dabei etwas?

Schöne Grüße,

G. Threepwood

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Deshalb wäre es meiner Meinung nach zunächst interessant zu klären, ob es sich um ein religiöses (Maria Verehrung) oder um ein ideologisches (Feminismus) Problem handelt.
Gibt es überhaupt irgendeinen konkreten Hinweis, dass das Attentat auf die Mariafigur nur durch eine Mann durchgeführt worden sein kann? Oder könnte es auch durch eine Frau (Feministin) erfolgt sein?

Die Klage über die angeblich zu demütig dargestellte Maria war in der Tat feministisch inspiriert, was ich in meinem Posting zu erwähnen vergaß. Das Geschehen in Linz hat damit aber nichts zu tun. Ich glaube auch nicht, dass eine Feministin (in feministischer Absicht) für die Beschädigung der Figur verantwortlich ist. Welches Motiv sollte eine solche Frau zu einer solchen Tat veranlassen?

Ich sehe keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen ideologischen Fanatikern.