Servus,
ich habe langsam den Eindruck, jede Region und jede Religion
münzt das nach Geschmack zusammen.
Das ist nicht so ganz richtig. Es geht um ein und dieselbe Tradition, zusammengewachsen aus gallischen, germanischen, keltischen und christlichen Elementen. In keinem anderen Kulturkreis und in keiner anderen Religion wird St. Martin gefeiert.
Ich habe im evangellischen
Norddeutschland in der Schule gelernt, dass wir an diesem Tag
Martin Luther feiern.
Das wird von Evangelisch-lutherischen hie und da erzählt; ob aus ev.-lutherischer Sicht Luthers als eine Art Heiligen gedacht werden kann und soll, sei dahingestellt. Mit Sicherheit aber nur im Sinn von Art. 21 der Confessio Augustana und ohne jede Anlehnung an heidnische Erntedankbräuche, zu denen auch Heischen und Gripschen gehören.
(erinnert an Halloween).
Ja, tut es. Die Quelle ist auch die gleiche, es geht um das germanische Erntedankfest. Wie würden wohl von dem ev.-lutherischen Schullehrer Heischebräuche zu Fasnacht in Zusammenhang mit Martin Luther gebracht? Sollten etwa die ins Volk geworfenen Kamelle das Tintenfaß symbolisieren, das der Doktor Martinus angeblich auf der Wartburg nach einer Teufelserscheinung geworfen hat?
Besonders amüsant finde ich vor diesem Hintergrund die lokale Umbenennung der Martinshörnchen in „Lutherbrötchen“ - wenn Luther wüßte, daß ihm Symbole für Wotans Hufeisen geopfert werden, käme von ihm vermutlich eine Philippika, die sich gewaschen hat.
Die `Schkebelnskoppen´ erinnern natürlich noch mehr an
Halloween - der Brauch wurde ja auch aus Norddeutschland
übernommen, er bekam nur anscheinend einen neuen Hintergrund
und eine neues Datum und einen Spruch - der ev. nicht neu ist.
Gute und Böse Geister und deren Darstellungen kann man genau parallel zu Fasnacht auch finden. Diese Art von Mummenschanz ist vorchristlich und sehr lange vor der Reformation bereits zu finden.
Lt. unserem Lehrer gingen diese Traditionen auf Hungersnöte
zurück, während derer Kinder singend um Essen bettelten und
andere, Verkleidete ihnne das Erbettelte teilweise stahlen -
Ja, ihm ist das dann irgendwie schon peinlich, daß man als tapferer Lutheraner Bräuchen aus der germanischen Wotans- und Baldurverehrung folgt. Darum muß er eine rational klingende Erklärung finden. So, wie heute im Rheinland dä Zinter Mätes nicht mehr auf Wotans Zossen Sleipnir reitet, sondern auf dem Pferd des Leutnants der Kavallerie Martinus, welches auch leichter darstellbar ist, weil es bloß vier Beine hat.
Die vorgeblich eigenständige lutherische St.-Martins-Tradition illustriert in hübscher Weise, wie das im sechsten Jahrhundert im Rheinland gewesen sein kann: Wenn man den Leuten ihren Wotan nicht gut austreiben kann, gibts ja auch die Option, ihn schlicht zu taufen: Et hätt noch immer jot jejange -!
Und wenn man dem Heiligen Martinus den roten Offiziersmantel nicht abnehmen kann, dann färbt man ihn halt schwarz und macht ein Augustinerhabit draus.
Schöne Grüße
MM