Martin Legende - Laternen?

Hallo zusammen,

jetzt hoff ich erstmal, dass ich das passende Brett erwischt habe, sonst bin ich um Vorschläge welches besser geeignet wäre sehr dankbar :smile:

Also, es geht um den 11.Novemer - das ist ja bekanntlich der Tag von St. Martin. Die Geschichte hab ich extra nochmal nachgelesen: Soldat bei Nacht und im Winter - Bettler am Wegesrand - Soldat teilt seinen Mantel - wird Christ und später Bischof. So weit so klar.

Aber wie passt zu dieser Geschichte die Tradition, dass man am Abend mit seinen Laternen rummarschiert? Soll das die „Erleuchtung“ vom Martin symbolisieren? Oder ist das halt so ne künstliche Tradition, die halt zufällig an dem Tag stattfindet und damit gar nicht recht viel zu tun hat?

*wink*

Petzi

Hallo Petzi,

in vielen christlichen Festen finden sich Einflüsse aus sogenannten heidnischen Festen wieder.
Solche Traditionen wurden, salopp gesagt, mit den christlichen Festen zusammengelegt.
Beispiele gibt es dafür etliche, u.a.:

  • St. Marin: Laternenfeste gab es schon zuvor; da die dargestellte St.-Martins-Szene abends/nachts stattfindet, lag es nahe, dies mit den Laternenfesten zu verbinden.
    Das Gänseessen kommt daher, dass an diesem Tag traditionell der Zehnt fällig war und Dienstverhältnisse, Pachtverhältnisse etc. begannen und endeten.

  • Ostern: die Feiertage für die Auferstehung Jesu wurden auf ein bereits bestehendes Frühlingsfest gelegt; ein Überbleibsel davon sind die typischen Ostermotive wie Eier, Hasen, Lamm, Küken…

  • Weihnachten:
    Der 25. Dezember (Tag der Sonnenwende) war und ist in vielen Kulturen ein besonders wichtiger Tag.
    Die Römer begingen an dem Tag ihre Sarturnalien (zu Ehren des Gottes Saturn, des unbesiegbaren Sonnengottes). Die Germanen ihr Mittwinterfest (Julfest) zu dem Datum. Ähnliches findet sich auch in anderen Kulturen.
    Im 7. und 8. Jahrhundert setzte sich der Brauch, das Fest von Christi Geburt am 25. Dezember zu feiern, in Deutschland durch.

Viele Grüße,
Nina

Hallo Petzi,

vielleicht ist diese HP interessant für deine Nachforschungen:

http://www.martin-von-tours.de/geschichte/braeuche.html

LG
sine

Servus,

bevor ich nochmal nachlese, eine weitere spekulative These: Die Laternenumzüge beziehen sich meines Erachtens auf den 11.11. nicht so sehr als Martinstag, sondern auf den Vorabend des Beginns der vorweihnachtlichen Fastenzeit, so wie die heute noch hie und da eingehaltene vorösterliche Fastenzeit auch mit allerlei Straßenumzügen gefeiert wird. Zu Zinter Mätes spielt (wie auch zu Allerseelen) eher die Lichtsymbolik eine Rolle, weil um diese Zeit der (freilich vorchristliche) Kampf Licht vs. Dunkelheit in die heiße Phase geht, den der Sol Invictus erst zu Wintersonnwende, ungefähr Weihnachten, gewinnt.

Zu der ebenfalls erwähnten Martinsgans gibts abgesehen vom „nochmal richtig Völlern, bevor die Fasterei losgeht“ ein Gänse-Stücklein aus der Martinslegende: Angeblich war Martin die Wahl zum Bischof gar nicht recht (bissel understatement gehörte wohl damals auch zum guten Ton), und der Legende nach hat er sich bei der Wahl, deren Ausgang abzusehen war, in einem Gänsestall versteckt, in der Hoffnung, dann würde man halt einen anderen Kandidaten hernehmen. Die Gänse, wachsam und lärmig wie immer, haben aber deutlich signalisiert, daß in ihrem Stall was nicht in Ordnung war, so daß man den heiligen Kandidaten alsbald aus dem Stall rausziehen und in sein Amt einsetzen konnte.

Soweit die Legende - für effektvolle Öffentlichkeitsarbeit ist Martinus ja in mancherlei Hinsicht bekannt; vgl. hierzu auch seine öffentliche KDV-Erklärung genau zu dem Zeitpunkt, als die Kameras von ntv, Al Jazeera etc. wegen der Grenzkonflikte alle auf Ladenburg (oder wo auch immer er stationiert war) gerichtet waren.

Schöne Grüße

MM

Martinsfeuer, Rübengeister, Laternen
Servus noch einmal,

jetzt habe ich bei Manfred Becker-Huberti nachgeblättert, der ein Büchelein „Der Heilige Martin - Leben, Legenden und Bräuche“ mit viel Fleiß zusammengetragen hat.

Der benennt zwei Quellen für die Laternenumzüge: Die erste ist als Element der katholischen Liturgie das Lucernarium, die Lichterprozession zur ersten Vesper des Vortages von hohen Festtagen. Er erklärt die Bedeutung von St. Martin als Hohem Festtag mit einer bewußten „Besetzung“ des vorchristlichen Erntedankfestes durch den Martinstag, an dem auffällt, daß nicht wie üblich der Todestag des Heiligen, sondern der Tag seiner Beisetzung als Gedenktag gefeiert wird. St. Martin hat zumindest drei Züge, die ihn mit Wotan/Odin in Verbindung bringen lassen: Die kriegerische Biographie, das Pferd und die Gans.

Der schon erwähnte Zins- und Pachttermin, Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres und auch Lohntermin für das Gesinde, ist nach Angaben von Becker-Huberti auch schon vorchristlich zum „alten“ Erntedankfest.

Die andere Quelle ist das vorchristliche Erntedank- und Wotansfest, mit Feuern, Springen übers Feuer, beleuchteten Masken gegen Dämonen und böse Geister, heute vermischt mit Halloween. Den „Rübengeist“ aus einer Runkelrübe, mit einer eingeschnitzten Fratze und mit einer Kerze im ausgehöhlten Inneren, etwa wie der heutige hohle Kürbis zu Halloween, habe ich übrigens noch Ende der 1960er Jahre in Oberschwaben zum Vorabend von St. Martin geschnitzt.

Schöne Grüße

MM

Vielen Dank…
…an Euch alle für die ausführlichen und perfekten Antworten :smile:

*wink*

Petzi

Tippfehler

Die Römer begingen an dem Tag ihre Sarturnalien (zu Ehren des
Gottes Saturn, des unbesiegbaren Sonnengottes).

Es sollte natürlich „Saturnalien“ heißen.

Viele Grüße,
Nina

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Hallo,

ich habe langsam den Eindruck, jede Region und jede Religion münzt das nach Geschmack zusammen. Ich habe im evangellischen Norddeutschland in der Schule gelernt, dass wir an diesem Tag Martin Luther feiern.
Das Laterne laufen war mit Klingeln und Singen bei den Nachbarn verbunden, wo man für den Gesang Süßigkeiten bekam (erinnert an Helloween). Die älteren Kinder/Jugendlichen verkleideten sich und klingelten auch, sangen aber nicht - die Besuchten versuchten teils heraus zu bekommen, wer sich unter der Verkleidung versteckte, manche versuchten auch nur die `Schkebelnskoppen´ betrunken zu machen (was meist nicht schwer war) oder unterhielten sich einfach mit ihnen - mal eine Abwechslung im dörflichen Alltag.

Die `Schkebelnskoppen´ erinnern natürlich noch mehr an Helloween - der Brauch wurde ja auch aus Norddeutschland übernommen, er bekam nur anscheinend einen neuen Hintergrund und eine neues Datum und einen Spruch - der ev. nicht neu ist.

Lt. unserem Lehrer gingen diese Traditionen auf Hungersnöte zurück, während derer Kinder singend um Essen bettelten und andere, Verkleidete ihnne das Erbettelte teilweise stahlen - was davon stimmt, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen.

Gruß, Hovke

Servus,

ich habe langsam den Eindruck, jede Region und jede Religion
münzt das nach Geschmack zusammen.

Das ist nicht so ganz richtig. Es geht um ein und dieselbe Tradition, zusammengewachsen aus gallischen, germanischen, keltischen und christlichen Elementen. In keinem anderen Kulturkreis und in keiner anderen Religion wird St. Martin gefeiert.

Ich habe im evangellischen
Norddeutschland in der Schule gelernt, dass wir an diesem Tag
Martin Luther feiern.

Das wird von Evangelisch-lutherischen hie und da erzählt; ob aus ev.-lutherischer Sicht Luthers als eine Art Heiligen gedacht werden kann und soll, sei dahingestellt. Mit Sicherheit aber nur im Sinn von Art. 21 der Confessio Augustana und ohne jede Anlehnung an heidnische Erntedankbräuche, zu denen auch Heischen und Gripschen gehören.

(erinnert an Halloween).

Ja, tut es. Die Quelle ist auch die gleiche, es geht um das germanische Erntedankfest. Wie würden wohl von dem ev.-lutherischen Schullehrer Heischebräuche zu Fasnacht in Zusammenhang mit Martin Luther gebracht? Sollten etwa die ins Volk geworfenen Kamelle das Tintenfaß symbolisieren, das der Doktor Martinus angeblich auf der Wartburg nach einer Teufelserscheinung geworfen hat?

Besonders amüsant finde ich vor diesem Hintergrund die lokale Umbenennung der Martinshörnchen in „Lutherbrötchen“ - wenn Luther wüßte, daß ihm Symbole für Wotans Hufeisen geopfert werden, käme von ihm vermutlich eine Philippika, die sich gewaschen hat.

Die `Schkebelnskoppen´ erinnern natürlich noch mehr an
Halloween - der Brauch wurde ja auch aus Norddeutschland
übernommen, er bekam nur anscheinend einen neuen Hintergrund
und eine neues Datum und einen Spruch - der ev. nicht neu ist.

Gute und Böse Geister und deren Darstellungen kann man genau parallel zu Fasnacht auch finden. Diese Art von Mummenschanz ist vorchristlich und sehr lange vor der Reformation bereits zu finden.

Lt. unserem Lehrer gingen diese Traditionen auf Hungersnöte
zurück, während derer Kinder singend um Essen bettelten und
andere, Verkleidete ihnne das Erbettelte teilweise stahlen -

Ja, ihm ist das dann irgendwie schon peinlich, daß man als tapferer Lutheraner Bräuchen aus der germanischen Wotans- und Baldurverehrung folgt. Darum muß er eine rational klingende Erklärung finden. So, wie heute im Rheinland dä Zinter Mätes nicht mehr auf Wotans Zossen Sleipnir reitet, sondern auf dem Pferd des Leutnants der Kavallerie Martinus, welches auch leichter darstellbar ist, weil es bloß vier Beine hat.

Die vorgeblich eigenständige lutherische St.-Martins-Tradition illustriert in hübscher Weise, wie das im sechsten Jahrhundert im Rheinland gewesen sein kann: Wenn man den Leuten ihren Wotan nicht gut austreiben kann, gibts ja auch die Option, ihn schlicht zu taufen: Et hätt noch immer jot jejange -!

Und wenn man dem Heiligen Martinus den roten Offiziersmantel nicht abnehmen kann, dann färbt man ihn halt schwarz und macht ein Augustinerhabit draus.

Schöne Grüße

MM

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Hallo,

mir ist klar, dass unser Dorfschlulehrer damals nichts erzählt hat (nichts erzählen konnte) was der Pastor nicht abgesegnet hätte - und dass er die Hintergründe wahrscheinlich schlicht nicht kannte (Grundschule mit insgesamt ca. 40 Kindern - da kannst Du keine Religionskoriphähe erwarten - der Mensch war Rundumlehrer, der einzige, den wir alle hatten).

Deine Erklärungen machen Sinn. Aber es gibt so viele Erklärungen für diese alten Bräuche, die Sinn machen, dass es schwer fällt sich zu entscheiden.
Vielleicht sollten dem Leben seinen Tribut zollen, uns weiterentwickeln, auch kulturell und Neues einbauen, Altes umbauen etc. Das machen Menschen und ihre Vorfahren seit sehr langem.
Da kommen wir eh nicht drumrum.
Baldurs Hufe interessieren täglichen Leben bestenfalls noch meinen alten Bekannten namens Baldur und seine Füße.

Aber Danke für die vielen Informationen.

Gruß, Hovke