Maslows Buch "Motivation und Persönlichkeit"

Lieber Karl!

Du überlegst die folgende, existentielle Frage:

Welche Konsequenzen sollte/müsste man nun aus der Erkenntnis ziehen, dass sich die Jagd nach Anerkennung heute nicht mehr in artgerechter Umgebung abspielt, bzw. dass aus der Jagd der Anerkennung heraus deshalb (falsche) Ersatzbedürfnisse entstehen?

Wie kann man sich dieser psychologisch äußerst ungesunden Zusammenhänge entziehen?

Meines Erachtens nur - denn ich kenne keine andere Methode - auf dem Wege, den Freud vor Hundert Jahren begründet hat, den folgenden Generationen empfehlend, sich einerseits mit der Deutung ihrer Träume zu befassen (vorab mit dem Entwurf eines fundierten Begriffs der Seele {s. sein 3-psychische Instanzen-Modell) und parallel dazu ergänzend im „Außen“ mit der wissenschaftlichen Naturforschung. Das wäre vor allem also die ‚Chemie‘ des Lebensmoleküls, dazu Darwins Theorie der Evolution (ausgehend von einem ersten primitiven Ureinzeller) und schließlich auch die von Konrad Lorenz begründete Medode der „ethologischen“ Verhaltenserforschung unserer genetisch engsten Verwandten im Reich der Tiere. Dies führte zur Entdeckung der Hordenlebensform von 2 Geschlechter- und 1er Kindergruppe, ebenfalls zu einer genauen Kenntnis der 6 den sozial und bewusstseinsmäßig hochstevolutionierten Arten angeborenen Grundbedürfnisse - zugleich einem brauchbaren Ansatz zur Enträtsellung jener Symbole unserer Träume, die direkt aus dem ES zu stammen scheinen, dem Tiefen Unbewussten in der Psyche des Menschen…

Spontan und ohne empirischen Wissen bezüglich dieses Bereichs zu haben, möchte ich zur Traumdeutung Folgendes kritisch anmerken:

Ich kann mir zwar vorstellen, dass z. B. ein Weißer Schwan eine bestimmte Bedeutung haben kann, ich glaube aber nicht, dass diese Bedeutung für jedermann allgemeingültig ist. Jeder Mensch hat das Symbol eines Weißen Schwans für sich subjektiv mit einer ganz anderen Bedeutung belegt und sogar ohne dies bewusst reflektieren zu können.

Du hast vollkommen recht. Wer mit einem Lexikon an die Sache heran gehen würde - also mit dem Glauben dass der Autor die Weisheit gepachtet hat, aufgrund seiner eigenen Meinung zu dem, was dieses oder jenes Symbol bedeute, die Träume aller Menschen unfehlbar richtig auslegen zu können -, der befindet sich auf dem Holzweg. Allerdings handelt es sich bei dieser Herangehensweise nicht um die Freudsche Methode der („psychoanalytischen“) Traumdeutung. In ihr begibt sich der Analytiker in die Position der Sokratischen Unwissenheit, indem er den Träumer auffordert, die Symbole seines Traumes selbst zu definieren und auf keinen Fall jemand anderen um dessen Meinung zu befragen. Er soll selbst beschreiben, was z.B. einen Schwan kennzeichnet oder eine Blume, aus welchen Teilen die Symbole bestehen, wie sie funktional zusammen hängen und mit welchem Zweck. Ob es wissenschaftlich richtig ist, spielt bei solchen „Freien Assoziationen“ keine Rolle, denn jeder Mensch ist einmalig, unverwechselbar, in seinem Wesen genauo subhektiv (emotionell), wie seine Träume.

objektive Wahrnehmung nicht möglich ist. Alle Wahrnehmung und alle Deutung, Interpretation, etc. ist immer subjektiv und dass das Subjektive zufällig deckungsgleich ist, mit dem Objektiven, kann man von der Wahrscheinlichkeit her getrost vergessen. Selbst wenn es so wäre, könnte man es nicht feststellen.

Wäre das absolut so - ohne jede Möglichkeit eines Zweifels an der Richtigkeit Deiner Aussage - befänden wir uns in einem auswegslosen philosophischen Dilemma. Wir müssten uns nicht zuletzt von Deiner Hypothese verabschieden, dernach gewisse Zusammenhänge psychologisch gesehen äußerst ungesund sind, denn was krank und gesund sei ist von seinem Urgrund her vollständig subjektiv, ein „Gefühl“.
Ich gehe jedoch davon aus, dass die sog. Objektivität auf inter-subjektivem Wege hersgetsllt wird, das heisst, indem zwei oder mehrere Gesprächspartner sich über die Bedingungen einigen, unter denen ihnen zuerst das , was sie unter der Gesundheit verstehen („körperlich“ ebenso wie „geistig“ und „seelisch“), als vorläufig objektiv wahr gelten soll. So lange, bis sie etwas entdecken, durch das sie hinsichtlich ihres Gesundheitsbegriffs eines Besseren belehrt werden. Entweder lediglich in einigen Details, oder komplett, von Grund auf.
Und, da ich ein Naturwissenschaftler bin, lautet mein Vorschlag wie der von Freud: Man soll sich hinsichtlich seiner Vorstellungen, was die Träume und die Begriffe von Gesundheit, Glück usw. bedeuten, nicht lediglich auf seine Meinungen verlassen, sondern versuchen, es im Kontext mit den Befunden der Naturwissenschaften zu entdecken, sich selbst zu einem Forschungsprojekt machend. Das führt auch zu zwischenmenschlichen „Experimenten“, anhand derer die Hypothesen bezüglich des Gesundheitsbegriffs erprpbt werden, sie entweder bestätigend, oder widerlegend…

Je kritischer die Gesprächspartner sind, desto besser.
Ich freue mich sehr auf Deine wie gewohnt kritischen Kommentare!

Herzlichst, Dein J

Erkenntnistheorie
Guten Morgen, Joshuan,

jetzt sind wir also doch noch bei der Erkenntnistheorie angelangt, die aber letztlich sehr gut zum Thema „Anerkennung“ passt, denn wofür man Anerkennung erwarten kann und wofür nicht, bedarf zunächst einer subjektiven Bewertung, welche die Möglichkeit des Scheiterns mit einschließt.

Wofür ich Anerkennung erwarten kann, ist in der subjektiven Einschätzung zunächst stark geprägt von den Voraussetzungen unter denen man selbst einem anderen Anerkennung gewähren würde. Ich schließe ganz automatisch zunächst von mir auf andere.

Du schreibst:

„Wäre das absolut so - ohne jede Möglichkeit eines Zweifels an der Richtigkeit Deiner Aussage - befänden wir uns in einem auswegslosen philosophischen Dilemma. Wir müssten uns nicht zuletzt von Deiner Hypothese verabschieden, dernach gewisse Zusammenhänge psychologisch gesehen äußerst ungesund sind, denn was krank und gesund sei ist von seinem Urgrund her vollständig subjektiv, ein „Gefühl“.“

Ich weiß nicht, ob ich verstanden habe, was Du meinst.

Wenn jemand Krebs im Endstadium hat, sich aber gesund fühlen würde (jetzt mal nur als Gedankenexperiment) wäre derjenige objektiv gesehen dann krank oder gesund? Wenn „krank“ oder „gesund“ ein Gefühl wäre, dann wäre derjenige gesund, obwohl er Krebs im Endstadium hat?

Du schreibst weiter:

" Ich gehe jedoch davon aus, dass die sog. Objektivität auf inter-subjektivem Wege hersgetsllt wird, das heisst, indem zwei oder mehrere Gesprächspartner sich über die Bedingungen einigen, unter denen ihnen zuerst das , was sie unter der Gesundheit verstehen („körperlich“ ebenso wie „geistig“ und „seelisch“), als vorläufig objektiv wahr gelten soll. So lange, bis sie etwas entdecken, durch das sie hinsichtlich ihres Gesundheitsbegriffs eines Besseren belehrt werden. Entweder lediglich in einigen Details, oder komplett, von Grund auf."

Was Du hier meinst ist wohl das evolutionäre Prinzip von Trial and Error, oder? Es wäre hier natürlich ergiebiger, bei der Einigung auf die Bedingungen nicht nur auf den Erfahrungsschatz von zwei oder drei Menschen zurückzugreifen, sondern auf den Erfahrungsschatz von möglichst vielen Menschen. Dann wäre es aber unmöglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden und man könnte sich auf die Bedingungen nicht einigen.

Angenommen, die von Dir oben bezeichneten 2 oder mehr Leute einigen sich zunächst auf die Bedingungen, was sie z. B. unter Gesundheit verstehen wollen. Müssen dann alle Beteiligten gleichzeitig eines Besseren belehrt werden, um ihre Bedingungen anzupassen oder reicht es, dass die Mehrheit bezüglich ihrer Definition von Gesundheit eines Besseren belehrt wird?

Eines Besseren belehrt zu werden bedeutet ja lediglich, dass eine subjektive Einschätzung von einer anderen subjektiven Einschätzung ersetzt wird. Dies kann man unendlich fortsetzen, am Ende würde immer noch eine subjektive Einschätzung stehen, weil es gar nicht anders geht. Wie soll sich hieraus das Objektive ergeben?

Schließlich schreibst Du:

„Und, da ich ein Naturwissenschaftler bin, lautet mein Vorschlag wie der von Freud: Man soll sich hinsichtlich seiner Vorstellungen, was die Träume und die Begriffe von Gesundheit, Glück usw. bedeuten, nicht lediglich auf seine Meinungen verlassen, sondern versuchen, es im Kontext mit den Befunden der Naturwissenschaften zu entdecken, sich selbst zu einem Forschungsprojekt machend. Das führt auch zu zwischenmenschlichen „Experimenten“, anhand derer die Hypothesen bezüglich des Gesundheitsbegriffs erprpbt werden, sie entweder bestätigend, oder widerlegend…“

Vorstellungen und Meinungen sind meiner Ansicht nach, Versuche, die objektive Wahrheit herauszufinden. Meinungen und Vorstellungen gibt es nur in den Fällen, in denen die objektive Wahrheit unbekannt ist und es somit Raum für Spekulationen geben kann.
Es macht z. B. keinen Sinn, der Meinung zu sein, dass Deutschland 2014 Fußballweltmeister wurde. Dies ist eine feststehende Tatsache, die man lediglich zur Kenntnis nehmen kann.

War 9/11 eine Verschwörung der US Regierung oder tatsächlich ein Anschlag von islamistischen Terroristen? Auch hier gibt es eine objektive Wahrheit, die allerdings unbekannt ist, zumindest der Öffentlichkeit ist sie unbekannt. (Ein paar Leute wird es geben, die definitiv wissen, wie es war)
Und weil die objektive Wahrheit hier unbekannt ist, gibt es Raum für Spekulationen und für die verschiedensten Meinungen.

Jeder der eine Meinung hat, geht ja davon aus, dass er mit dieser Meinung auch objektiv richtig liegt. Würde er das nicht glauben, würde er seine Meinung anpassen (müssen), denn niemand könnte mit einer Meinung leben, die er selbst für falsch hält. Letztlich gilt das Objektive, ganz gleich, welche Meinung man haben mag.

Wenn jemand z. B. eine Schwarze Mamba fälschlich für eine harmlose Ringelnatter hält, dann würde dieser jemand im Falle des Gebissenwerdens trotzdem sterben, obwohl besagte Schlange in seiner subjektiven Realität gar keine Giftschlange ist.

Was jemand glaubt ist letztlich irrelevant, solange seine Meinungen und Ansichten, die objektive Realität nicht abbilden.

Wenn jemand eine Schwarze Mamba auch als Schwarze Mamba erkennt, dann ist insoweit die subjektive Anschauung und die objektive Realität deckungsgleich.

Dies wird aber umso schwieriger, umso komplexer eine Fragestellung wird.

Z. B. die Frage: „Ist der Neoliberalismus oder der Sozialismus besser geeignet, die Probleme Deutschlands zu lösen?“ Abgesehen von der Schwierigkeit hier zunächst einmal definieren zu müssen, was man unter „Problemen“ in diesem Zusammenhang verstehen will oder wie man definieren will, was „gelöst“ bedeutet, etc. gibt es zu dieser Frage möglicherweise sehr wohl eine empirische Wahrheit, sie ist aber aufgrund der Komplexität und Ambivalenz der Frage unbekannt. Ich würde aber nicht sagen, dass es hier keine objektive Wahrheit gibt.

Wenn ich millionenschwerer Unternehmer wäre, fände ich den Neoliberalismus gut, wäre ich Sozialhilfeempfänger, würde ich dem Sozialismus nahestehen, diese Standpunkte wären aber letztlich irrelevant, weil ich sie nur aufgrund meiner speziellen persönlichen Situation hätte. Sie wären somit nicht allgemeingültig. Heißt das aber, dass es das Allgemeingültige bei obiger Fragestellung per se nicht gibt?

Das soll erstmal reichen…

Schönen Tag, Karl

Lieber Karl!

Wenn jemand Krebs im Endstadium hat, sich aber gesund fühlen würde (jetzt mal nur als Gedankenexperiment) wäre derjenige objektiv gesehen dann krank oder gesund? Wenn „krank“ oder „gesund“ ein Gefühl wäre, dann wäre derjenige gesund, obwohl er Krebs im Endstadium hat?

Wie ich sagte. Subjektiv wäre der Betroffene gesund, aber unter bestimmten Umständen ist er in der Lage, sich mit seinem Arzt - dank dessen Röntgenfotos, Detailwissen und Kunst, seine Meinung überzeugend zu vermitteln - auf dessen vermutlich zutreffenderen Standpunkt zu einigen.
Was ich im Moment noch nicht verstehe ist jedoch, wie Du die folgende Aussage gemeint haben könntest:

objektive Wahrnehmung [ist] nicht möglich. Alle Wahrnehmung und alle Deutung, Interpretation, etc. ist immer subjektiv und dass das Subjektive zufällig deckungs-gleich ist, mit dem Objektiven, kann man von der Wahrscheinlichkeit her getrost vergessen. Selbst wenn es so wäre, könnte man es nicht feststellen.

Wenn objektive Wahrnehmung nicht möglich wäre, was hat es dann für einen Sinn, dem Standpunkt jenes Menschen (der sich bei bester Laune auch physisch topfitt fühlt= subjektiv gesund) die Sichtweise seines Arztes (der Fotos von dessen mit Metastasen durchseuchten Körper vorliegen hat) gegenüber zu positionieren, bzw. davon zu reden, dass jemand entweder „krank“ ist / Krebs im Endstadium hat) oder „gesund“?
Anders gefragt: Wie nennst Du Deine Hypothese, dernach gewisse Zusammenhänge psychologisch gesehen äußerst ungesund sind? Stellt sie vorerst Dein rein subjetives Urteil dar, ausgehend von Deinem Gefühl?
Das nahm ich bislang an, denn mein Gefühl mündet in ein ähnliches Ergebnis, d.h. führt zu der Aussage hin, dass jene Zusammenhänge psychologisch gesehen äußerst ungesund sind.
Damit ständen wir so weit jeder für sich. Allerdings halte ich es w.g. für möglich, dass wir uns intersubjektiv einigen können, unter welchen Bedingungen uns unser subjektiven Urteile als objektiv zutreffend gelten sollen; dazu kann, muß es aber freilich nicht kommen. Wenn nicht, empfinde ich es nicht als Problem…

So auch bei jenem Krebskranken: Er kann absolut taub oder unwillens sein, sich mit dem Standpunkt seines Artzes zu befassen, und in diesem Fall wird er sich weiterhin absolut gesund fühlen, so lange, bis in seinem Leben etwas passiert, dass ihn unter Umständen von seinem subjektiv wahren Urteil abbringt. Wenn nicht, dann gehen er mit seiner Meinung, und der Arzt mit der seinen getrennte Wege - es gibt zwischen ihnen keine Kommunikation hinsichtlich einer unter ihnen „intersubjektiv“ zu vereinbarenden Wahrheit, Objektivität. Das sollte weder für den Krebskranken ein Problem sein, noch für den Arzt, denn er hat seinen Job (Diagnosen über eventuelle Krankheiten zu erstellen) zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigt.

Es wäre natürlich ergiebiger, bei der Einigung auf die Bedingungen nicht nur auf den Erfahrungsschatz von zwei oder drei Menschen zurückzugreifen, sondern auf den Erfahrungsschatz von möglichst vielen Menschen. Dann wäre es aber unmöglich, einen gemeinsamen Nenner zu finden und man könnte sich auf die Bedingungen nicht einigen.

Wie siehst Du den Viorzug der Menschen, ihre Erfahrungen in Büchern dokumentieren zu können, deren Existenzdauer die Lebensspanne ihrer Autoren weit überragt, teilweise um mehrere Jahrtausende?
Auch aber, wenn die Autoren noch unter den Lebenden weilen sollten: zuwelchem Zweck sollten wir sie um deren Meinung bzgl. unseres Dialogs konsultieren, wenn es doch bereits für zwei Menschen schwierig genug ist, sich auf eine gemeinsame Sicht (etwas über die Begriffe Objektivität und Gesund) zu einigen? Abgesehen davon, dass die Masse aller mir bekannten Autoren nach meiner subjektiven Einschätzung absolut kein Interesse hätte, mit uns über unseren extrem abweichlerischen Standpunkt hinsichtlich jener psychologisch ungesunden Zusammenhänge auch nur ein Wort zu wechseln?

So würde ich z.B. Jane Goodall einschätzen. Was nicht heisst, dass ich ihren Beitrag zur Primatenforschung nicht sehr zu schätzen weiss…

1 Like