Maslows Buch "Motivation und Persönlichkeit"

Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich das Buch gelesen habe, aber mir liegen noch immer einige unausgegorene Sachen im Magen. Was mich z. B. noch immer beschäftigt, ist die Frage, ob z. B. das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und nach Liebe absolut ist oder ob es lediglich relativ ist, d. h. nicht unbedingt befriedigt werden muss.

Die Problematik ist m. E. folgende:
Ob jemand von seinem Partner, seiner Familie, dem Freundeskreis oder der Gesellschaft Anerkennung erhält, ist ja an bestimmte Bedingungen geknüpft, auch wenn diese meist unausgesprochen bleiben. Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc. Wo liegen also die Grenzen der Bemühungen, dieses Bedürfnis befriedigt zu bekommen? Nicht geliebt zu werden, bzw. sich nicht geliebt zu fühlen, ist sicher keine gute Sache, aber um jeden Preis geliebt werden zu wollen, ist bestimmt auch nicht gesund. Über diese Zusammenhänge sagt Maslow leider kaum etwas.

Was für mich darüber hinaus noch unklar geblieben ist, ist die Frage, ob auch jemand, der z. B. das Bedürfnis nach Anerkennung oder nach Selbstverwirklichung subjektiv gar nicht verspürt, dieses Bedürfnis objektiv trotzdem hat. Anders formuliert: Wird jemand krank, der die Erfüllung des Bedürfnisses nach Anerkennung oder Selbstverwirklichung nicht verfolgt, weil er dieses Bedürfnis subjektiv gar nicht verspürt?

Kann man sich also bei der Beurteilung der Frage, welche Bedürfnisse man hat, also was man will oder nicht will, auch täuschen und wenn ja, welche Konsequenzen kann das haben? Wie wahrscheinlich ist es, dass man subjektiv die gleichen Bedürfnisse verspürt, die man objektiv auch hat und umgekehrt? Wie merkt man, welche Bedürfnisse man wirklich hat und welche man sich nur einbildet? Man kann ja durchaus auch Dinge wollen, die einem schaden und umgekehrt kann man Dinge ablehnen, die für einen selbst eigentlich gut und ratsam wären.

Danke für Eure Einschätzungen…

Karl

Servus Karl

Kann man sich also bei der Beurteilung der Frage, welche
Bedürfnisse man hat, also was man will oder nicht will, auch
täuschen und wenn ja, welche Konsequenzen kann das haben? Wie
wahrscheinlich ist es, dass man subjektiv die gleichen
Bedürfnisse verspürt, die man objektiv auch hat und umgekehrt?

Freud schrieb ja mal „Wo ES war, soll ICH werden.“
Je besser die Bedürfnisse im Bewusstsein verfügbar sind, desto weniger neurotische Mechanismen greifen. Verdrängte (weil verbotene) Bedürfnisse können also mehr Schaden anrichten als wenn diese Bedürfnisse einem bewusst sind. Wenn sie einem bewusst sind, hat man also mehr Freiheit, zu entscheiden, ob man sich dies oder jenes gönnt.

Wie merkt man, welche Bedürfnisse man wirklich hat und welche
man sich nur einbildet? Man kann ja durchaus auch Dinge
wollen, die einem schaden und umgekehrt kann man Dinge
ablehnen, die für einen selbst eigentlich gut und ratsam
wären.

Sicherlich spielen der Zeitgeist, die Werbung und der Mainstream da eine zusätzliche Rolle. Uns werden Bedürfnisse vorgegaukelt, die man ursprünglich nicht hatte:
„Der Lukas hat schon ein Smartphone, Mami, ich will auch eines.“
Gruß,
Branden

Interessante Fragestellung!

Die Problematik ist m. E. folgende:
Ob jemand von seinem Partner, seiner Familie, dem Freundeskreis oder der Gesellschaft Anerkennung erhält, ist ja an bestimmte Bedingungen geknüpft, auch wenn diese meist unausgesprochen bleiben. Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc … mehr auf http://w-w-w.ms/a5fetm

Es ist so, dass sich für die Mitglieder einer sozialen Art davon ausgehen lässt, dass das Bedürfnis nach Anerkennung (haben und bieten wollen) absolut sei, denn ohne dies die Anerkennung gegenüber einem Fehlverhalten entziehende Korrektiv ist die Konsolidierung einer seelisch gesunden Gemeinschaft nicht denkbar.
Außerdem stellt es freilich eine Tatsache dar, dass unsere auf der naturgesetzwidrigen „Moral“ verankerte Gesellschaft bereits den Kleinkindern die Anerkennung gerade dort versagt, wo sie von seelisch gesunden Gemeinschaften bedingungslos gewährt wird, nämlich bei einer ganzen Reihe von angeborenen Bedürfnissen, so werden diese Instinkte gewaltsam ins Unbewusste verdrängt, der Mensch neurotisch, leidend an den „Ersatzbedürfnissen“.

Der Erziehungsprozess lässt sich sehr schwer umkehren, weil die Kindheitsprägungen einerseits unauslöschlich sind, und andererseits vom „Über-Ich“ herab eine außerordnetlicher Macht über das Ich haben : es will von den dort eingenisteten Erziehern weiterhin anerkannt sein und bekommt anlässlich von Verstößen wider die verinnerlichte Moral ein „schlechtes Gewissen“. Die Psychoanalyse bietet jedoch die Möglichkeit, diese innere Situation traumanalytisch zu durchleuchten und sich anhand der nach und nach erarbeiten Diagnose auf den Weg der Genesung (eigentliche „Therapie“) zu begeben. Während dessen bekommt der Klient zwar keine Anerkennung von seinem Über-Ich, dafür jedoch um so mehr von seinem Analytiker, und zwar für jede noch so kleine Bewegung im Sinne des „ES“, den dieser seelischen Instanz immenanten Bedürfnissen, Instinkten. Insbesondere, wenn es dem Klienten gelingt, das Lust- mit dem Realitätsprinzip bewusst abzustimmen.

Objektbeziehungstheorie und Narzissmus
Hi.

Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc.

Das " Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe" ist nicht „absolut“, da es - aus der Sicht des Begründers der sowohl Humanistischen als auch Transpersonalen Psychologie, Abraham Maslow - durch Realisierung der Selbsttranszendenz im Bewusstsein des All-Einen überwunden werden kann. In dieser ultimativen Bedürfnis-Realisierung gipfelt Maslows Bedürfnispyramide, die bekanntlich auch Ken Wilbers Theorie der Bewusstseinsebenen beeinflusste. Da auf dieser höchsten, der spirituellen Ebene die Subjekt-Objekt-Spaltung aufgehoben ist, fällt Anerkennung als psychologisches Kriterium dort selbstverständlich weg.

Die unterste Ebene der Pyramide ist - aus der Sicht des Objektbeziehungstheoretikers Michael Balint - das intrauterine Einssein mit der Mutter, die Symbiose von Fötus und Mutterleib. Das ist die Basis der sich postnatal entwickelnden Beziehung des Menschen zu seinem primären Objekt, der Mutter, die ihm - idealerweise - Nahrung, Geborgenheit und Wärme vermittelt. Aus der Perspektive des Kindes hat die Mutter die Funktion, die ursprüngliche, ungeteilte Harmonie, wie sie im Mutterleib bestand, wiederherzustellen. Balint bezeichnet die Einstellung des Kindes zur Mutter als „passive Objektliebe“, „primäre Objektliebe“ und „primäre Liebe“, was bedeutet, dass das Kind geliebt werden will, ohne ein Bewusstsein von den Bedürfnissen der Mutter zu haben. Den Begriff der Anerkennung kann man als Synonym dieser Begriffe verstehen.

Das ´Selbst´ des Subjekts entwickelt sich in der Folge als eine Mixtur aus verinnerlichten Repräsentanzen - zum einen sind das die Selbstrepräsentanzen, also die Vorstellungen, die das Subjekt von sich selbst hat (Selbstbild), zum andern die Objektrepräsentanzen, d.h. die Vorstellungen, die das Subjekt von seinen Beziehungen zu diversen Objekten, hauptsächlich Mutter und Vater, hat. In einer leicht abweichenden Sicht bildet sich das Selbst aus den Selbst- und Objektrepräsentanzen und den Affekten, die jene Repräsentanzen miteinander verbinden (so Otto Kernberg).

Auf diese Weise konstituiert das Subjekt seine (vermeintliche) Identität. Der Psychoanalytiker Donald Winnicott schreibt: „The self essentially recognizes itself in the eyes and the facial expression of the mother and in the mirror which can come to represent the mother´s face“ (in: Playing and Reality, 71).

Identität ist also, objektsbeziehungstheoretisch, ein Resultat dialektischer Prozesse innerhalb einer zunächst dyadischen Konstellation (Mutter-Kind), dann einer triadischen (Mutter-Vater-Kind). Dass der Faktor der Anerkennung/des Geliebtseins das eigentliche Fundament dieser Identität darstellt, versteht sich. Nicht anders als bei architektionischen Bauwerken kann das Selbst brüchig werden und zusammenstürzen, wenn das Fundament nicht ausreichend stabil ist. Die entsprechenden Pathologien heißen Neurose, Borderline und Schizophrenie.

Das Maß an Narzissmus, d.h. der Selbstliebe des Subjekts, die für die psychische Stabilität bis zu einem gewissen Grade unerlässlich ist, ergibt sich aus der Summe der verinnerlichten Objektrepräsentanzen mit positiv-affektiver Verbindung zu den Selbstrepräsentanzen. Ein gestörter Narzissmus bedeutet ein Übermaß an negativer Affektivität zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen.

Nochmals deine Frage:

Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc.

Hier verkennst du, meine ich, dass obengenannter Narzissmus ein integraler Bestandteil des Selbst ist, freilich von Subjekt zu Subjekt in sehr unterschiedlichem Grade. Das Bedürfnis nach aktueller Anerkennung zu einem bestimmten Zeitpunkt im Erwachsenenleben ist also immer in einen narzisstischen Rahmen eingebettet, der in der Kindheit bereits ausgebildet wurde und zur psychologischen Grundausrüstung des erwachsenen Subjekts gehört. Soll heißen: Selbst wenn dem Subjekt aktuell die gewünschten Anerkennungserlebnisse versagt bleiben, kann es quasi als Notration oder Winterspeck immer noch auf jenen Narzissmus zurückgreifen, der ein integrales Element seines Selbst ist. Das Subjekt hat also eine gewisse Frustrationstoleranz. Natürlich hat diese ihre Grenzen - manches Subjekt mit geringer Toleranz, also schwacher narzisstischer Stabilität, wird destabil und läuft Gefahr auszurasten, wenn bestimmte Frustrationen eintreten, oder es wird depressiv, kehrt die eigentlich auf das frustrierende Objekt gerichtete Aggression also gegen sich selbst.

Natürlich befindet sich jedes Subjekt in einer individuellen innerlichen und äußerlichen Situation, weshalb es schwierig ist, generelle Ratschläge zu erteilen.

Chan

Ich finde Deine Darstellung an sich ziemlich gelungen, zur Vergewisserung aber ein paar Fragen.

Das " Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe" ist nicht „absolut“, da es - aus der Sicht des Begründers der sowohl Humanistischen als auch Transpersonalen Psychologie, Abraham Maslow - durch Realisierung der Selbsttranszendenz im Bewusstsein des All-Einen überwunden werden kann. In dieser ultimativen Bedürfnis-Realisierung gipfelt Maslows Bedürfnispyramide … mehr auf http://w-w-w.ms/a5fetm

Aus welchem Grund nimmt Maslo an, dass das Anerkennungsbedürfnis nicht absolut sei, während gleichzeitig von seiner Realisierung die Rede ist? Klar, der maßgebliche Unterschied zwischen der selbsttranszendenten Realisierung und dem sonst üblichen Angewiesen-Sein an andere für das selbe Bedürfnis wäre der, dass dem Ich dessen Erfüllung im erst genannten Fall „soverän“ aus dem Urgrund seines Daseins vermittelt wird, anstatt z.B. von der Mutter. Davon abgesehen aber bliebe das Bedürfnis absolut. Wenngleich zweifellos gesünder ist für das erwachsene Ich, nicht von seiner Mutter (oder ihren Internalisierungen und Institutionen [Mutter Kirche, Mutterland) abhängig zu sein, sondern von seinem Urgrund. Er wird besser als jeder Mensch wissen, was das Lebewesen braucht, besser fähig sein, dem Ich Anerkennnung zu bieten. Vorausgesetzt, diese Instanz der Seele kommt seinen Forderungen mit Erfolg entgegen.

Da auf [der] höchsten, der spirituellen Ebene die Subjekt-Objekt-Spaltung aufgehoben ist, fällt Anerkennung als psychologisches Kriterium dort selbstverständlich weg.

Das ist vom Prinzip her zutreffend, überhaupt erübrigt sich ohne die Sub-Objekt-Spaltung alles dialektische Denken. Doch, um nicht vorzugreifen, meine nächste Frage: Ließe sich dieser Zustand als die Art und Weise definieren, durch welche das Ich von seinem Urgrund belohnt wird, also erfährt von seiner Liebe?
Auch hier gölte wieder die selbe Bedingung wie oben: diese Belohnung (Anerkennung u.d.g. ) erfolgt nur, sofern dem Ich gelingt, die Forderungen seines Urgrundes* zu befriedigen.

/* Freud nennt ihn „Libido“: die noumenal triebenergetische Quelle von 6 angeborenen, im ES (das Erbgut der Lebewesen) genetisch verankerten Bedürfnissen. Welche Bedürfnisse dies sind, mit welchen Funktionen und Zwecken, ist in unserer an zahllosen „Ersatzbedürfnissen“ leidenden Gesellschaft weitest gehend unbekannt, da der Ersatz die gewaltsame Verdrängung der angeborene Bedürfnise voraussetzt, sie lassen sich aber auf zwei sich ergänzenden Wegen wieder entdecken: einerseits durch die psychoanalytische Traumdeutung ( der Königsweg in das Tiefe Unbewusste), und anderseits durch den Abgleich der während dessen gewonnenen Einsichten mit den Befunden der Zoologie, vor allem denen der von Konrad Lorenz begründeten Ethologie im Gebiet der Primatenforschung.

Woher bezieht Maslow seine Bedürfnispyramide? Die Symbiose von Fötus und Mutterleib als das Urbild des Glücks - (die Erfüllung jedes Bedürfnis, schon bevor dass es dem keimenden „Ich“ des Fötus überhaupt bewusst wird) - leuchtet so weit unmittelbar ein. Wiederum vorausgesetzt, dass der mütterliche Organismus nicht von neurotischen Straf- und Liebesverlustängsten hormonell zerrüttet, aufgwühlt ist, denn dies kommt beim fötalen Ich unfehlbar an, zu einer Hypothek für den Rest des Lebens werdend…

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Hallo,

ich gehe davon aus, dass Maslow von „allen Menschen“ gesprochen hat als er sich mit dem Thema befasst hat- und da er NICHT von Ausnahmen spricht- verstehe ich Bedürfnisse als absolut.

Heißt- jeder Mensch hat Bedürfnisse und diese wollen befriedigt werden.
Über die Benennung der Bedürfnisse- oder gar einer Hierarchie- wird immer wieder diskutiert, es gibt verschiedene Erklärungsmodelle.
Und das ist es-- es sind Modelle…sie beschreiben- es bleiben Theorien.

Sicherlich können Bedürfnisse zusammen gefasst werden (wir sind uns alle nicht soo unähnlich :wink: )-- dennoch werden sie von Mensch zu Mensch eine unterschiedliche Intensität aufweisen.
Vor allem die Bedürfnisse, die über die Grundversorgung hinaus gehen- sie lassen sich auch schwer definieren. Während Hunger jeder kennt und man durchaus mit einem Essen diesen beschreiben könnte- wird das mit dem Gefühl der Anerkennung schon schwierig.

Bedürfnisse wollen befriedigt werden- und das Spannende ist dabei, dass Bedürfnisse auch auf unterschiedliche Art und Weise erfüllt werden können.
Kernfrage ist dann „was ist mein Bedürfnis?“- und wenn das bewusst wird, kann man man sich gezielt Gedanken machen, wie man es sich ansonsten noch befriedigen kann.
So ist das Bedürfnis nach Liebe sicherlich auf dem Arbeitsplatz nicht gerade gut plaziert!

Man kann also ganz sicher seine Bedürfnisse auch immer ein STück weit „schieben“-- wie man auch mit Hunger nicht SOFORT Essen benötigt.

Seine Bedürfnisse zu erkennen- ist gar nicht so einfach!
Sehr viele Menschen sind sich derer überhaupt nicht bewusst und handeln nur danach.
Wie man dort sehr zielsicher ankommt- kann z.B ganz gut über die Gewaltfreien Kommunikation erarbeitet werden, in der es genau darum geht.

Interessant wäre: Hat ein Mensch, der zB durch eine schwere Kindheit nicht mit der Liebe und Anerkennung groß geworden ist- wie in einer liebevollen Kindheit-- dann dasselbe Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung (ich meine die Intensität) oder mehr davon??

Ist es gleich- nur das Bedürfnis deutlicher, weil es sich zB auf sämtliche Menschen ausdehnt in seinem Wunsch nach Befriedigung ( man möchte von allen Menschen geliebt und anerkannt werden)-- oder ist es stärker, da es nie DA befriedigt wurde, wo es genau genommen seine Befriedigung finden müsste??

lg kitty

B-Realm vs. D-Realm
Hi.

Aus welchem Grund nimmt Maslow an, dass das Anerkennungsbedürfnis nicht absolut sei, während gleichzeitig von seiner Realisierung die Rede ist?

Hier habe ich evtl. die Verwendung des Begriffs „absolut“ durch den UP missverstanden. Er meint sicher, dass Anerkennung gemäß Maslow ein Bedürfnis ist, das aus psychohygienischen Gründen unbedingt befriedigt werden sollte. Damit hat der UP, was Maslows Auffassung betrifft, natürlich Recht (siehe unten). Ich habe den UP aber anders verstanden; vielleicht wäre anstelle von „absolut“ die klarere Vokabel „unbedingt“ geeigneter, um Missverständnisse zu vermeiden.

Ich werde ganz unten noch genauer auf die Fragestellung des UP eingehen.

In Maslows Pyramide nimmt das Anerkennungsbedürfnis die 4.Stufe ein, darunter liegen, aufsteigend, die Stufen der physischen Grundbedürfnisse, der Sicherheit und der sozialen Bedürfnisse, die Maslow vom Anerkennungsbedürfnis, das für ihn ein Ich-Bedürfnis ist, unterscheidet. Darüber liegen die Stufen der Selbstverwirklichung und (ab 1970) der Selbstranszendenz.

Zur Pyramide:

Maslows Pyramide stellt keine Widerspiegelung einer realen Bedürfnishierarchie dar, sondern ist als Modell für Therapiefachkräfte gedacht, an dem sie ihre Arbeit ausrichten sollen. Der Grundgedanke ist, dass sich ein Subjekt idealerweise von unten nach oben vorarbeitet, weil ein Mangel auf einer bestimmten Stufe Probleme auf den höheren Stufen nach sich zieht. Beispiel: Wer die Stufe der materiellen Sicherheit unzureichend bewältigt, wird auf höheren Stufen diesen Mangel mit sich herumschleppen (z.B. kann wegen Geldproblemen eine Partnerschaft zerbrechen). Wer auf Stufe 3 patzt (z.B. Liebesunfähigkeit), wird auf Stufe 4 (Anerkennung) in pathologischer Weise agieren. Ebenso macht Stufe 5 (Selbstverwirklichung) ohne die Basis der unteren Stufen kaum Sinn. Auch die Selbstranszendenz (Stufe 6) ist ohne stabiles Fundament zwar möglich, aber nur als punktuelle peak-experiences, die das Selbst nicht dauerhaft zu transformieren vermögen, da es auf instabilem Boden steht.

Ken Wilber hat diesen Ansatz explizit übernommen.

Wenngleich zweifellos gesünder ist für das erwachsene Ich, nicht von seiner Mutter (oder ihren Internalisierungen und Institutionen [Mutter Kirche, Mutterland) abhängig zu sein, sondern von seinem Urgrund. Er wird besser als jeder Mensch wissen, was das Lebewesen braucht, besser fähig sein, dem Ich Anerkennnung zu bieten.

Das kann ich nur unterschreiben. Freilich gesteht Maslow (wenn ich mich recht entsinne) nur 2 Prozent aller Menschen die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz zu. Ich halte das für eine realistische Einschätzung. Die anderen 98 Prozent müssen sich mit den ´niederen´ Stufen zufriedengeben, was sie natürlich nicht als diskriminierend empfinden, da für sie die Stufe 6 gar nicht existiert.

Da auf [der] höchsten, der spirituellen Ebene die Subjekt-Objekt-Spaltung aufgehoben ist, fällt Anerkennung als psychologisches Kriterium dort selbstverständlich weg.
Ließe sich dieser Zustand als die Art und Weise definieren, durch welche das Ich von seinem Urgrund belohnt wird, also erfährt von seiner Liebe? Auch hier gölte wieder die selbe Bedingung wie oben: diese Belohnung (Anerkennung u.d.g. ) erfolgt nur, sofern dem Ich gelingt, die Forderungen seines Urgrundes* zu befriedigen.

Ich denke, dass die Formel, der Urgrund „belohne“ das Ich für dessen „Liebe“, zu sehr in christlich-theologische Gefilde führt, was Maslow sicher nicht intendiert hat. Maslows Transzendenzverständnis basierte, ganz unchristlich, auf der vedantischen Philosophie, mit der er bestens vertraut war. Aus deren Sicht ist das Ich (ahamkara) die Ego-Maske des Jivatman (des wahren Selbst), welches in seinem Kern wiederum mit Brahman, dem All-Einen, identisch ist. Auf Maslows Stufe 6 bezogen heißt das: Das sich selbst transzendierende Subjekt wird seiner Identität mit dem All-Einen gewahr, indem es das Ich (= ahamkara) als Illusion durchschaut. Dabei spielen Kategorien wie ´Liebe´ oder gar ´Belohnung´ natürlich keine Rolle, denn beides setzt ein Subjekt-Objekt-Verhältnis voraus.

Maslow hat die Terminologie „B-Realm“ und „D-Realm“ geprägt (siehe auch Link ganz unten). Ersteres bezeichnet den Bereich des (wahren) Seins (= Being), letzteres den Bereich des Mangel-Seins (= Deficiency). Die Stufe 6 (Selbsttranszendenz) ordnet er dem B-Realm zu, da auf ihr das Subjekt sich selbst ´verliert´ zugunsten seiner Einheit mit dem Sein, was jedes Mangelempfinden natürlich ausschließt. Alle darunter liegenden Stufen (D-Realm) sind durch spezifische Mängel charakterisiert, denen spezifische Bedürfnisse nach Aufhebung dieser Mängel entsprechen.

Freud nennt ihn „Libido“: die noumenal triebenergetische Quelle von 6 angeborenen, im ES (das Erbgut der Lebewesen) genetisch verankerten Bedürfnissen. Welche Bedürfnisse dies sind, mit welchen Funktionen und Zwecken, ist in unserer an zahllosen „Ersatzbedürfnissen“ leidenden Gesellschaft weitest gehend unbekannt, da der Ersatz die gewaltsame Verdrängung der angeborene Bedürfnise voraussetzt…

Damit berührst du schwierige Fragen: Was ist der Unterschied zwischen falschen und echten Bedürfnissen? Wer will im Einzelfall entscheiden, ob ein Bedürfnis „falsch“ oder „echt“ ist? Ist hier die Gefahr der Bevormundung nicht vorprogrammiert? Wo will man die Grenze zwischen beidem ziehen?

Das einzig vernünftige Kriterium kann nur das Maß an Pathologie sein, das mit dem Bedürfnis bzw. der Praxis seiner Befriedigung verbunden ist. Als Beispiel drängen sich sexuelle Perversionen auf bzw. das, was man generell darunter versteht. Auch hier gibt es natürlich Grauzonen, die kulturabhängig sind, so dass in der einen Kultur eine Sexualpraxis als natürlich gilt, die in einer anderen verpönt ist. Bestimmte Praktiken wie Nekrophilie oder extremer Sadismus sind aber kulturübergreifend tabuisiert, also als krank- oder sündhaft eingestuft. Auch exzessive Sammlerwut (es gibt Leute, die Hunderte von Schuhen besitzen) fällt in eine sexuell-abnorme Kategorie, die allerdings nur komisch ist.

Sieht man aber von solchen und anderen Extremfällen ab, ist es kaum möglich, zwischen echten und falschen Bedürfnissen zu unterscheiden, ohne Gefahr zu laufen, rein subjektive Maßstäbe anzulegen.

Wie problematisch die Unterscheidung sein kann, zeigt sich bei der Religiosität. Für einen Atheisten ist das Bedürfnis eines Theisten (Christen, Juden, Muslim) nach Hinwendung zu seinem Gott sowie Zuwendung seitens dieses Gottes ein absolut falsches Bedürfnis, da es in ihren Augen auf der Illusion beruht, es gäbe einen Gott. Jeder aufrichtige Theist wird dagegen die Bedürfnisse eines Atheisten für falsch halten, solange sie der ´Liebe zu Gott´ nicht untergeordnet sind.

Es gibt zahllose weitere Beispiele für die Problematik der Unterscheidung.

Noch ein ergänzender Kommentar zur Frage des UP (Karl der Große):

Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc. Wo liegen also die Grenzen der Bemühungen, dieses Bedürfnis befriedigt zu bekommen? Nicht geliebt zu werden, bzw. sich nicht geliebt zu fühlen, ist sicher keine gute Sache, aber um jeden Preis geliebt werden zu wollen, ist bestimmt auch nicht gesund.

Das Bedürfnis nach Anerkennung (nach ´Status´) bedeutet in keinster Weise, anderen nach dem Mund reden zu müssen o.ä. Was hier zählt, sind Sachkompetenz und Leistungsvermögen des Subjekts. Damit verschafft es sich - unter günstigen Umständen jedenfalls - die Achtung seiner Mitmenschen.

Was das Bedürfnis des Geliebtwerdens betrifft, kann sich das Subjekt nicht aussuchen, ob es diesem unterworfen ist. Vielmehr gehört dieses Bedürfnis zur strukturellen Grundausstattung der Psyche. Den entsprechenen Entstehungszusammenhang habe ich in der ersten Antwort versucht darzustellen. Daraus geht hervor, dass Narzissmus (Selbstliebe) das Fundament der Psyche bildet, ohne welches diese in pathologische Bereiche abdriftet. Der Narzissmus ist aber nichts anderes als frühkindlich verinnerlichte Liebe seitens der Primärpersonen, vor allem der Mutter, beruhend auf dem Anspruch des Kindes nach Zuwendung. Diese Psychostruktur bleibt im Erwachsenenstadium unbewusst bestehen, wird aber brüchig, wenn die für die Stabilität erforderlichen Liebeserweise durch die Umwelt ausbleiben. Narzissmus ist also wie ein Akku, der immer wieder aufgeladen werden muss. Andernfalls wird das Subjekt pathologisch und konstruiert Phantasmen oder Zwangssymptome, die den narzisstischen Mangel kompensieren sollen.

In der Praxis sind die Stufen der Liebe und der Anerkennung allerdings nicht immer sauber zu trennen. In einer Partnerschaft z.B. will man vom Partner nicht nur geliebt, sondern auch geachtet werden (als Person unabhängig von der Partnerrolle). Andernfalls gerät die Liebe zur Makulatur. Ein Wissenschaftler wiederum will, als Wissenschaftler, geachtet werden; die Liebe überlässt er seinem Privatleben. Politiker wiederum stehen unter dem Druck, geachtet und geliebt werden zu müssen, das gleiche gilt für Pop- und Filmstars.

Aber wie gesagt, Maslows Pyramide ist kein Spiegelbild realer psychologischer Verhältnisse, sondern ein modellhafter Leitfaden für psychologische Therapie.

Chan

PS. Zu Maslow:

http://www.rare-leadership.org/Maslow_on_transperson…

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Lieber Ch’an!

Zunächst einmal meinen herzlichen Dank für Deine ausführliche Stellungnahme! Was ihre Anwendung angeht (als konkretes Angebot an Ratsuchende, potentielle Klienten), denke ich, es schon unefähr nachvollziehen zu können, hinsichtlich der philosophischen Grundlagen kommen mir hingegen ein paar neue Fragen. Am dringensten vielleicht die, wie es nach Maslow erklärt wird, dass lediglich 2 Prozent aller Menschen imstande sind zur Selbsttranszendenz. Ist diese Verteilung von genetischen Faktoren bedingt, oder eher so gemeint wie in der Freudschen Psychologie? Dort wird es auf die traumatische, den Großteil der Triebe gewaltsam ins Unbewusste verdrängenden Kindheitserziehung zurück geführt, dass diese für mindestens 98 Prozent aller Gesellschaftsmenschen überhaupt nicht existieren. Anders herum gesagt: Die Fähigkeit des Ichs, sein Selbst im Sinne der Triebe zu transzendieren, ist prinzipiell allen Menschen angeboren, die meissten aber werden daran gehindert, worauf sie beginnen, an allen erdenklichen Formen von Pathologie (grundästzlich: dem Ausbruch der Ersatzbedürfnisse) zu leiden.

Meine Frage wäre also: gelten die 98 Prozent zur Selbsttranszendenz unfähigen Menschen nach Maslo als seelisch krank? Welche Folgen hätte es für ein gesund geborenes Kind, an zur Selbsttranszendenz unfähige Bezugspersonen zu geraten?

Maslows Pyramide stellt keine Widerspiegelung einer realen Bedürfnishierarchie dar, sondern ist als Modell für Therapiefachkräfte gedacht, an dem sie ihre Arbeit ausrichten sollen. Der Grund-gedanke ist, dass sich ein Subjekt idealerweise von unten nach oben vorarbeitet, weil ein Mangel auf einer bestimmten Stufe Probleme auf den höheren Stufen nach sich zieht. Beispiel: Wer die Stufe der materiellen Sicherheit unzureichend bewältigt, wird auf höheren Stufen diesen Mangel mit sich herumschleppen (z.B. kann wegen Geldproblemen eine Partnerschaft zerbrechen).

Heisst dies, dass nach Maslow seelisch gesunde Menschen auch ihre Privat-Beziehungen auf der Basis von Tauschgeschäften errichten? Also z.B. sexuelle Dienstleistungen (klassischer Weise von der Frau im Haus angeboten) gegen die Aufbesserung der Haushaltskasse (wofür sich vor der Emanzipation typischer Weise eher der Ehemann gegenüber seinem Lohngeber prostituierte)?
Oder betrifft die erforgreiche Bewältigung jener Stufen lediglich die 98% von Menschen, für die die Selbsttranszendenz gar nicht existiert, so dass sie sich auch über das Phänomen der Eheprostitution keine Gedanken machen können bzw. es für vollständig gesund erachten weil statistisch „normal“?

Freud nennt (den Urgrund) „Libido“: die noumenal triebenergetische Quelle von 6 angeborenen, im ES (das Erbgut der Lebewesen) genetisch verankerten Bedürfnissen. Welche Bedürfnisse dies sind, mit welchen Funktionen und Zwecken, ist in unserer an zahllosen „Ersatzbedürfnissen“ leidenden Gesellschaft weitest gehend unbekannt, da der Ersatz die gewaltsame Verdrängung der angeborene Bedürfnise voraussetzt…

Damit berührst du schwierige Fragen: Was ist der Unterschied zwischen falschen und echten Bedürfnissen? Wer will im Einzelfall entscheiden, ob ein Bedürfnis „falsch“ oder „echt“ ist?

Ich bin mir noch nicht im klaren, wie Du Deine Frage meinst, aber vom Prinzip her ist es so, dass die psychoanalytische Kur mit dem Anspruch auftritt, den Patienten so weit wieder auf die Beine zu helfen, dass er selbst - und nur er die Entscheidung fällt, welches die angeborenen, d.h. der DNA vom Urgrund her im Laufe der Evolution genetisch eingeschiebenen Bedürfnisse sind und wie sich dies Gute (Gesunde) von den krankhaften Ersatzbedürfnissen (das Böse) unterscheidet.

Diese Aufgabe des Ichs des Klienten kann und will ihm die Freudsche Psychoanalyse nicht abnehmen. Genauso wenig sich um die ethische Pflicht der Hilfestellung drücken. Diese besteht wie angedeutet einerseits aus dem Angebot der psychoanalytischen Traumdeutung (der „Königsweg“ in das Unbewusste, nach wo die meissten der 6 triebhaften Bedürbnisse erzieherisch verdrängt wurden), und zur anderen Seite hin aus dem ergänzenden Angebot, sich mit den von der Psychoanalyse interpretierten Befunden der ethologischen Primatenforschung genauso kritisch zu befassen.
Hier wird ausgehend von Darwins Evolutionstheorie vorausgesetz, dass sich bei unseren engsten Verwandten im Reich der Tiere wertvolle Anregungen in Hinblick auf die Formen und Zwecke der 6 Triebe entdecken lassen, selbstverständlich nicht ohne gewisse Abstriche, die sich aus den Unterschieden beider Arten ergeben. Vor allem die beim Homo sapiens um einiges höher evolutionierte Bewusstseinskapazität, der mutative Fall der Adamsapfels von der Kinnlade herab zur Mitte des Halses (was zum Vermögen der Artikulierten Sprache führte), sowie die sich aus beidem ergebende Fähigkeit zur Begründung wesentlich umfassenderer Kulturen…

Ist hier die Gefahr der Bevormundung nicht vorprogrammiert? Wo will man die Grenze zwischen beidem ziehen?

Diese Gefahr darf nicht ignoriert bleiben, schon aufgrund der Tatsache, dass in unserer sog. Kultur ausnahmslos alle Menschen ab Geburt in oft fataler, ireversibvel krank machender Weise bevormundet werden. Daraus resultiert das vielleicht schwerwiegensten von Problemen des Klientent, und zwar, dass er diesen Zustand vorbewusst auch gegenüber seinem Analytiker aufrechtserhalten will - quasi bebasichtigt, ihn zu seiner Mutter zu züchten, die ihn zwar gesund machen bzw. umerziehen soll, dafür aber auch abnimmt, sich selbst, auf eigene Geafjr und Verantwortung, eigene Gedanken zu machen (Kleiner SCherz).
Der Unterschied zwischen Klient und Analytiker wäre freilich der, dass letzterer um dies Syndrom bereits weiß und bereits so weit verarbeiten konnte, dass er dem Klienten den schlechten gefallen nicht machen braucht, ihn vilemehr aufklärend über dies und alle weiteren seiner Probleme. Allerdings leistet den Großteil der Aufklärungsarbeit der Urgrund selbst - das ist nämlich der Zweck, wegen dem er die Träume entwirft und ans Ich entsendet…

Das einzig vernünftige Kriterium kann nur das Maß an Pathologie sein, das mit dem Bedürfnis bzw. der Praxis seiner Befriedigung verbunden ist. Als Beispiel drängen sich sexuelle Perversio-nen auf bzw. das, was man generell darunter versteht. Auch hier gibt es natürlich Grauzonen, die kulturabhängig sind, so dass in der einen Kultur eine Sexualpraxis als natürlich gilt, die in einer anderen verpönt ist.

Deswegen meine Frage, woher Maslow die Einzelheiten seiner Pyramide von Bedürfnissen bezieht. Stammt das Konzept aus statistischen Erhebungen auschließlich aus dem Umfeld der patrialen Gesellschaftsform in all ihren verschiedensten, über die Welt verteilten Varianten, wobei das Normale gleichgesetzt wird mit „Gesund“, ohne dass die Befunde der naturwissenschaftlichen Forschung (Biologie, Evolutionstheorue, Ethologie) berücksichtigt würden für das Gesundheitsmodell?
Wichtig wäre abermals die Frage, die Du mir oben stelltest und die auch den Thredstarter am meissten bewegt haben müsste, sich hier zu melden: Wie vermeidet das maslow’sche Konzept, seine Klienten unabsichtlich zu indokrinieren?

Ich denke, dass die Formel, der Urgrund „belohne“ das Ich für dessen „Liebe“, zu sehr in christlich-theologische Gefilde führt, was Maslow sicher nicht intendiert hat.

Es ist vielleicht meine Schuld, wenn ich mich so umständlich ausgedrückt habe, dass der Eindruck erweckt wird, die Freudsche Psychologie hätte auch nur im geringsten tendiert, irgendwelche Anleihen beim Religionsphänomen mit seinem Hang zur dogmatischen Indiktrination der ihm ausgelieferten Menschen zu machen. Nein. Ich habe die Hypothese der von Seiten des Urgrundes vermittelten „Liebe“ lediglich im synonymen Kontext des Begriffes Anerkennung verwendet, weil mich interessiert, ob sich der Zustand der Beendigung der Sub-Objekt-Spaltung als die das Ich belohnende Anerkennung interpretieren ließe, immer dann vermittelt, da ihm gelingt, die Gesamtheit aller 6 Grundbedürfnisse zu befriedigen.

Aus deren Sicht ist das Ich (ahamkara) die Ego-Maske des Jivatman (des wahren Selbst), welches in seinem Kern wiederum mit Brahman, dem All-Einen, identisch ist. Auf Maslows Stufe 6 bezogen heißt das: Das sich selbst transzendierende Subjekt wird seiner Identität mit dem All-Einen gewahr, indem es das Ich (= ahamkara) als Illusion durchschaut. Dabei spielen Kategorien wie ´Liebe´ oder gar ´Belohnung´ natürlich keine Rolle, denn beides setzt ein Subjekt-Objekt-Verhältnis voraus. Maslow hat die Terminologie „B-Realm“ und „D-Realm“ geprägt (siehe auch Link ganz unten). Ersteres bezeichnet den Bereich des (wahren) Seins (= Being), letzteres den Bereich des Mangel-Seins (= Deficiency). Die Stufe 6 (Selbsttranszendenz) ordnet er dem B-Realm zu, da auf ihr das Subjekt sich selbst ´verliert´ zugunsten seiner Einheit mit dem Sein, was jedes Mangelempfinden natürlich ausschließt.

Da stimme ich mit Dir überein, wie ich auch anzudeuten versuchte in der Aussage, dass sich mit der Aufhebung des Spalts zwischen Sub- und Objekt überhaupt jegliches dialektisches Denken erübrige. Somit auch alle Gedanken bezüglich der etwaigen Bedingungen oder Voraussetzungen, dank deren Erfüllung das Ich den erleuchteten (?) Zustand seiner ‚Selbstverlorenheit‘ im wahren Sein erlangt.
Allerdings ist es für die Psychotherapie von höchstem Interesse, über diese Bedingungen genauestens informiert zu sein, weshalb ich sinngemäß fragte, was das Ich dafür zu unternehmen hätte und ob sich jenes Sein nicht eben dadurch und als eine Art Belohnung dafür einstelle, dem Urgrund (Brahman?) hinsichtlich seiner Bedürfnisforderungen erfolgreich entgegen gekommen zu sein, die entsprechenden Mangelzustände behebend.

Was das Bedürfnis des Geliebtwerdens betrifft, kann sich das Subjekt nicht aussuchen, ob es diesem unterworfen ist. Vielmehr gehört dieses Bedürfnis zur strukturellen Grundausstattung der Psyche. Den entsprechenen Entstehungszusammenhang habe ich in der ersten Antwort versucht darzustellen. Daraus geht hervor, dass Narzissmus (Selbstliebe) das Fundament der Psyche bildet, ohne welches diese in pathologische Bereiche abdriftet

Das ist einsehbar, habe ich auch versucht, dies zu formulieren in der Annahme, dass das Bedürfnis nach Liebe, Anerkennung oder allgemeinem Belohntsein-Wollen für gesundes Verhalten „absolut“ sei, gleichviel auf welcher Stufe der seelischen Entwicklung.

Der Narzissmus ist aber nichts anderes als frühkindlich verinnerlichte Liebe seitens der Primär-personen, vor allem der Mutter, beruhend auf dem Anspruch des Kindes nach Zuwendung. Diese Psychostruktur bleibt im Erwachsenenstadium unbewusst bestehen, wird aber brüchig, wenn die für die Stabilität erforderlichen Liebeserweise durch die Umwelt ausbleiben. Narzissmus ist also wie ein Akku, der immer wieder aufgeladen werden muss. Andernfalls wird das Subjekt pathologisch.

Vielleicht wäre dies der Punkt, wo wir auseinanderdriften, mal schauen. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass der seelisch gesunde, d,h,: auf artgerecht-/ naturgemäße Weise zur psychischen Vollreife gelangte Erwachsene in Hinblick auf sein Bedürfnis nach Anerkennung, Liebe usw. absolut unabhängig von der Umwelt sei, da er es rein autark aus der Beziehung zwischen ICH und Urgrund befriedigt. Demnach ist solch Ich auch nicht erpressbar von Seiten der Umwelt, etwa in Hinblick auf seine Urteile bezüglich Richtig und Falsch, denn das Kriterium wird ihm gefühlsmäßig aus dem Urgrund vermittelt.

Behilflich zu sein, dies Gefühl auf Anfrage wieder frei zu legen - entgegen den üblicher Weise „gut gemeint“ anhand der Liebesenzugs-Drohung operierenden Erpressungsversuchen durch die Mutter oder ihren Internalisierungen ins Über-Ich/ „Gewissen“) - stellt also das eigentliche Anliegen der psychoianalytischen Therapie dar. - Übrigens, dies ist unendlich wesentlicher, als das Angebot, sich ergänzend zur Traumanalyse kritisch auch mit den Befunden der ethologischen Primatenforschung zu befassen. Diese lassen sich nämlich ohne den Gefühlszugang zum Urgrund unmöglich wahrheitsgemäß interpretieren, geschweige einarbeiten in ein fundiertes Gesundheitsmodell. (Selbstverständlich können die Ergebnisse der 'Affen’forschung nicht ein zu eins auf den Menschen übertragen werden.)

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Strategien um Anerkennung zu erhalten
Hi,

Du schreibst u. a. :

"Noch ein ergänzender Kommentar zur Frage des UP (Karl der Große):

„„Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung, Respekt und Liebe absolut wäre - was ich nicht weiß - dann müsste man diese Bedingungen um jeden Preis erfüllen, weil man ja ansonsten besagtes Bedürfnis nicht befriedigt bekäme. Die Folge wäre letztlich seelische Versklavung und völlige Beliebigkeit - sein Fähnchen nach dem Wind richten…, anderen nach dem Mund reden…, etc. Wo liegen also die Grenzen der Bemühungen, dieses Bedürfnis befriedigt zu bekommen? Nicht geliebt zu werden, bzw. sich nicht geliebt zu fühlen, ist sicher keine gute Sache, aber um jeden Preis geliebt werden zu wollen, ist bestimmt auch nicht gesund.““

Das Bedürfnis nach Anerkennung (nach ´Status´) bedeutet in keinster Weise, anderen nach dem Mund reden zu müssen o.ä. Was hier zählt, sind Sachkompetenz und Leistungsvermögen des Subjekts. Damit verschafft es sich - unter günstigen Umständen jedenfalls - die Achtung seiner Mitmenschen."

Interessanter Einwand. Hätte ich so nicht gesehen und ich bin mir auch jetzt noch nicht ganz sicher.

Es kommt wohl darauf an, wer die Mitmenschen sind, von denen man geachtet werden will. In einer Gruppe von Linksautonomen wird man als aufstrebender und erfolgreicher Jungunternehmer sicher keine Anerkennung bekommen, sondern Verachtung ernten.

Leistungsvermögen und Sachkompetenz würden hier dann wohl als spießige Tugenden angesehen und verurteilt werden.

Ich denke vielmehr, dass z. B. Understatement-Gehabe, mit andern Worten „sein Licht unter den Scheffel stellen“ gegenüber anderen Mitmenschen gewissermaßen als Demutsgeste deren Sympathien und deren Anerkennung bewirken soll.

Übertragen bedeutet Understatement doch eigentlich nur „mach Dir keinen Streß, ich will nicht Dein Konkurrent sein. Von mir hast Du nichts zu befürchten.“

Wer hingegen mit seine Fähigkeiten protzt und seinen Erfolg zur Schau stellt, wird wohl eher keine Sympathien ernten, weil er seinen Mitmenschen zeigt, dass er ihnen überlegen ist und wer will das schon gerne vermittelt bekommen?

Noch ein Gedanke:

Jeder der Anerkennung haben will, ist bei der Wahl seiner Vorgehensweise, seiner Strategie gezwungen, von sich auf andere zu schließen. Er wird sich gegenüber anderen zur Erlangung deren Anerkennung immer so verhalten, wie man sich ihm gegenüber verhalten müsste, um seine Anerkennung zu bekommen.

Dies kann funktionieren, muss es aber nicht.

Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung unbedingt erfüllt werden müsste, dann wäre der Betroffene gezwungen, Strategien anzuwenden, die überhaupt nicht seinem Wesen entsprechen. Er könnte z. B. versuchen, Menschen nachzuahmen, von denen er weiß, dass sie Anerkennung genießen, könnte sich so kleiden, die selben Hobbys ausüben, versuchen so zu reden wie sie, etc.

Man kennt dieses Phänomen von Teenagern, die bisweilen versuchen, z. B. ihre Filmhelden nachzustellen. Vor einigen Jahren, als der Film Matrix noch aktuell war, wurden allein in Deutschland über eine Mio Matrix-Sonnenbrillen und Ledermäntel verkauft. Die Jugendlichen glauben offenbar, mehr Anerkennung zu erhalten, wenn sie so wären, wie ihre Filmhelden.

Die gesamte Marketingbranche funktioniert ja nach diesem Prinzip. Stichwort „Markenpersönlichkeit“. Wer was gelten will bei seinen Mitschülern und Freunden, der glaubt, Markenkleidung tragen zu müssen und weil das alle glauben, ist es auch tatsächlich so. ES gibt viele Beispiele von Schülern, die in ihrer Klasse gemobbt werden, weil sie, bzw. ihre Eltern ihre Klamotten bei Takko oder KIK einkaufen.

Der Slogan „Achte nicht auf das Gerede der Leute, sei einfach so, wie Du bist und tue wozu Du Lust hast, etc.“ macht wenig Sinn, wenn man Anerkennung um jeden Preis will. Denn dann ist das Gerede der Leute eben nicht egal, weil man von denen ja Anerkennung will. Man muss sich anpassen, wenn einem Anerkennung wichtig ist, bzw. wenn Anerkennung ein objektives Bedürfnis ist (wie Nahrung oder Sexualität), das unbedingt verwirklicht werden muss.

Jemand der unbedingt Anerkennung will, ist gewissermaßen sozial erpressbar.

Gruß, Karl

Lieber Karl!

Jemand der unbedingt Anerkennung will, ist gewissermaßen sozial erpressbar. …

Dies Resume Deiner Betrachtungen trifft zu und findet es auch konkret statt. In aller Regel bereits so früh im Leben eines jeden Menschen, derart auswegslos, unentrinnbar, dass die Betroffenen als Erwachsene noch viel weniger als einst in der „Trotzphase“ wagen, ihr Erpresst-Sein und die damit verbundene Rollenumkehr (vom Opfer zum Täter) zu realisieren. Statt dessen werden sie diesem Muster einen für sie so positiv klingenden Namen wie die „Liebe“ geben und nicht aufhören darnach zu streben, jene zu belohnen, die sich ihnen unterwerfen, die Aufsässigen hingegen zu erpressen mit dem Entzug der sog. Liebe: die effektivste von allen Erziehungswaffen!

„In der Regel“ heisst nicht, dass es keine Ausnahmen gibt. Also Menschen, die zwar ebenfalls bald nach der Geburt der Erpressungsprozendur unterzogen wurden, dabei aber aus irgend einem unberechenbaren Grunde einen genügend großen Rest vom gesunden „intuitiven“ Menschenverstand retten konnten, die Erpressung beim Namen zu nennen.

Wohin während dessen mit dem angeborenen Anerkennungsbedürfnis als den jenigen Faktor, durch den der Mensch überhaupt erst erpressbar ist? - es bis auf weiteres auch bleibend, oder sonst unter Verlustängsten leidend, jedesmal, da er den Versuch unternimmt, sich gegen das Unrecht effektiv zur Wehr zu setzen? Meiner Meinung nach gibt es einen Ausweg aus dieser Situation, wenn man andere Menschen findet, die genauso fähig blieben, diesem komplexen Thema schonungslos vor allem gegen ihre eigene Problematik auf den Grund zu gehen, denn durch diese Leistung eröffnet sich eine echte Form der Anerkennung. Auch von Liebe, indem sich die in der Gemeinschaft schon jeweils etwas Erfahreneren einsetzen für die weniger Erfahreneren, ohne von ihnen eine Gegenleistung zu erwarten. Oder wenn, dann sie wenigstens nicht fordern von ihnen, weder in Worten noch irgendwie, auch nicht vom Lieben Gott im Himmel nach dem Tode, als Lohn für die guten Taten.
In dieser Haltung wird der naturgemäße Sozialitätsinstinkt simuliert. Und durch die dafür voraus zu setzende Selbstbeherrschung wiederum wird die Simulation nach und nach gegenstandslos - die Seele reift nach (vom kindlichen „Haben“-Wollen hin zum Liebesfähig-„Sein“) und wird das ICH im selben Maße immun sowohl dagegen, erpressbar zu sein, als auch gegen die Tendenzen, andere des eigenen Anerkennungsbedürfnis wegen zu erpressen. Ein seelisch reifer Mensch braucht keiner Anerkennung von Außen, weil er die Gewissheit über die Richtigkeit seines Tuns aus sich selbst bezieht, nicht aus der eigenen Ich-Logik, sondern aus seinem Urgrund: gefühlsmäßig.

Guten Morgen, Joshuan,

vielen Dank!

Sehe ich ganz ähnlich.

Das war ja letztlich der Ausgangspunkt meiner Fragestellung.

Es gibt ja Leute die sagen sich „Ich bin wie ich bin und wer mich mag, der mag mich und wer mich nicht mag, der soll mir den Buckel runterrutschen“.

Diese Position wäre aber falsch und schädlich, wenn das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung absolut wäre, d. h. wenn es unbedingt erfüllt werden müsste. Wenn das Bedürfnis nach Anerkennung objektiv besteht, wie z. B. die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme, dann wäre es falsch so zu tun, als wäre es einem selbst nicht wichtig. Wer davon überzeugt ist, dass er keine Nahrung zu sich nehmen muss, wird trotzdem verhungern, weil die Nahrungsaufnahme eben objektiv notwendig ist, unabhängig von subjektiven Standpunkten.

Ist das Bedürfnis nach Anerkennung aber objektiv nicht existent, dann würde es lediglich auf der subjektiven Ebene bestehen. Es wäre dann individuell verschieden, ob jemandem soziale Anerkennung wichtig ist und in welchem Maße.

In diesem Fall wäre der o. g. Slogan dann sogar recht respektabel.

Schönen Tag, Karl

Lieber Karl!

Es gibt ja Leute die sagen sich „Ich bin wie ich bin und wer mich mag, der mag mich und wer mich nicht mag, der soll mir den Buckel runterrutschen“.

Ja, die gibt es. In der Regel jedoch, glaube ich, verhält es sich mit ihnen so, dass sie nicht etwa keine Anerkennung brauchen (ich gehe bislang ja davon aus, dass dies Bedürfnis tatsächlich objektiv notwendig ist, verankert im Erbgut des Homo sapiens und all der anderen „sozialen“ Arten), sondern verschieben sie ihren Bedarf lediglich nach wo anders hin, als es bei anderen Leuten der Fall ist. Statt sich als extreme Masochisten um jeden Preis jedem in ihrer Umgebung anzubiedern, stellen sie mehr oder weniger deutlich erkennbar „sadistische“ Misantropen dar und halten sich z.B. einen Schoßhund an der Leine als „besten Freund des Menschen“. (Schopenhauers Leben bietet die vielleicht beste Möglichkeit, das So-Sein eines außerdem geistig sehr hoch entwickelten, seelisch hingegen wie eine ungegossene Topfpflanze verkümmerten Misanthropen zu illustrieren)
Und noch eine weitere Option wäre, das Anerkennungsbedürfnis überhaupt abzuziehen von allen Lebewesen, es auf nackte Ideen wie den „Lieben Gott“ oder das „Nirwana“ projizierend und hoffend, den Lohn für die Unterwürfigkeit unter das religiöse Erpressungskonstrukt wenn schon nicht im Leben, dann wenigstens nach dem Tode zu erlangen…

Ist das Bedürfnis nach Anerkennung aber objektiv nicht existent, dann würde es lediglich auf der subjektiven Ebene bestehen. Es wäre dann individuell verschieden, ob jemandem soziale Anerkennung wichtig ist und in welchem Maße.

Nehmen wir zur Probe an, das Bedürfnis nach Anerkennung würde - wie Du auch überlegt hast - auf seine Weise genauso objektiv existieren, wie das Bedürfnis nach Nahrungaufnahme, derart, dass der Mensch beim andauernden Verlust des täglichen Brots binnen kurzem verhungern und beim totalen Ausbleiben aller echten Anerkennung seelische Beschädigungen erleiden würde: Böte die so gegebene Dringlichkeit dieser Bedürfnisse aus Deiner Sicht einen Grund, darauf zu verzichten, sich nach guter Nahrung für beides umzusehen? Insbesondere dann, wenn man von seiner aktuellen Umgebung in Wahrheit nicht etwa Anerkennung bekommt bzw. geliebt wird, sondern mehr oder minder subtil mißbraucht, ein aufgesetztes Lächeln, Geld u.d.g. zum Lohn erhaltend für die Bereitschaft, sich solchen Menschen mitsamt ihren u.U. sogar metapysisch ausgefeilten Erpressungsmethoden zu unterwerfen?

Selbst- und Objektrepräsentanzen
Hallo,

sehr interessant.

Nur noch eine Sache. Du schreibst u. a. :

„Das Maß an Narzissmus, d.h. der Selbstliebe des Subjekts, die für die psychische Stabilität bis zu einem gewissen Grade unerlässlich ist, ergibt sich aus der Summe der verinnerlichten Objektrepräsentanzen mit positiv-affektiver Verbindung zu den Selbstrepräsentanzen. Ein gestörter Narzissmus bedeutet ein Übermaß an negativer Affektivität zwischen Selbst- und Objektrepräsentanzen.“

Vielleicht meinst Du etwas anderes, aber ich glaube nicht, dass die Selbstrepräsentanzen einerseits und die Objektrepräsentanzen andererseits grundsätzlich zwei verschiedene und voneinander getrennte Dinge sind, zwischen denen explizit affektive Verbindungen bestehen können.

Das eine bedingt das andere. Ohne das eine ist das andere nicht denkbar. Vielleicht meinst Du gerade das mit „affektiven Verbindungen.“

Ich schildere Dir hier ganz unwissenschaftlich meine Gedanken dazu:

Ohne Objektbeziehungen kann ein Selbstbild m. E. nicht entwickelt werden, da man selbst dann gar keine Anhaltspunkte oder Hinweise dafür hat, wie man sich selbst sehen soll.
(Interessant wäre in diesem Zusammenhang, welches Selbstbild Caspar Hauser hatte :smile:

Umgekehrt sind die Objektrepräsentanzen durch das Selbstbild eingefärbt. Jemand mit negativem Selbstbild kann praktisch in seiner Außenwelt keine positiven Erfahrungen mehr machen, ohne dies aber selbst bemerken zu können. Das negative Selbstbild färbt letztlich die gesamte subjektive Wahrnehmung, somit das Weltbild, die Weltanschauung, die Lebenseinstellung dieser Person auch negativ ein. Somit werden an sich sogar positive Erlebnisse negativ umgedeutet - die berühmte Frage, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, würde von einer solchen Person mit halbleer beantwortet werden (selektive Wahrnehmung)

Der Narzissmus oder die Selbstliebe kann m. E. auch nicht aus sich selbst heraus entstehen. Ohne positives Selbstbild und ohne positive Feedbacks durch die umliegenden Objekte (zuerst Mutter, Vater, dann Verwandte und Freunde, Partner, Gesellschaft) ist echte Selbstliebe einfach nicht möglich. Man kann vielleicht so tun, als würde man sich selbst lieben, quasi aus Verletzung oder aus einer Trotzreaktion heraus, aber das ist dann sicher kein gesunder Narzissmus mehr.

(P.S. Die obigen Beschreibungen sind von mir zwecks Überspitzung natürlich sehr extrem gewählt. Es wird wohl keine reale Person geben, die immer nur negative Feedbacks erhalten hat und folglich nur ein ausnahmslos negatives Selbstbild entwickeln konnte.)

Gruß, Karl

Teufelskreis von Junkie und Dealer
Guten Morgen,

„Böte die so gegebene Dringlichkeit dieser Bedürfnisse aus Deiner Sicht einen Grund, darauf zu verzichten, sich nach guter Nahrung für beides umzusehen? Insbesondere dann, wenn man von seiner aktuellen Umgebung in Wahrheit nicht etwa Anerkennung bekommt bzw. geliebt wird, sondern mehr oder minder subtil mißbraucht, ein aufgesetztes Lächeln, Geld u.d.g. zum Lohn erhaltend für die Bereitschaft, sich solchen Menschen mitsamt ihren u.U. sogar metapysisch ausgefeilten Erpressungsmethoden zu unterwerfen?“

Du sprichst mir aus der Seele:

Der Dealer tut dem Junkie in Wirklichkeit (objektiv) nichts Gutes, wenn er ihm seinen Stoff verschafft, subjektiv empfunden wird das vom Junkie aber anders.

Der Dealer braucht Junkies und Junkies brauchen Dealer. Gewissermaßen ein kybernetisches System. Der Junkie kann dem nur entkommen, wenn er seiner Sucht entsagt, dann erst ist der Dealer machtlos und wollte dann wohl auch kein Dealer mehr sein.

Es könnte theoretisch auch Anerkennung bringen, sich der Jagd nach - geheuchelter - Anerkennung zu entziehen und somit dem Erpresser seine Macht zu nehmen, die Spezies Mensch ist in der Masse spirituell aber längst noch nicht so weit.

Noch ein letzter Gedanke:

Du schreibst u. a. dass Deiner Meinung nach das Bedürfnis nach Anerkennung im Erbgut des Homo Sapiens verankert ist…

Falls Du Recht hast, müsste man sich ja fragen, aus welchem Grund dies die Natur so eingerichtet hat, denn die Natur macht keine Fehler. Offenbar muss es für das Überleben der Spezies Mensch wichtig sein, bzw. einst wichtig gewesen sein, dass Menschen seit 100.000 Jahren dem Bedürfnis nach Anerkennung hinterher jagen.

Der Säugling muss von der Mutter geliebt werden, weil sich die Mutter sonst nicht um ihr Kind kümmern und es somit versterben würde. Die Erhaltung der Art wäre gefährdet. Soweit ist das klar.
Die Frage ist nur, weshalb die Mutter ihr Kind nicht ohnehin liebt, sondern das Kind dafür vermeintlich Bedingungen erfüllen muss, sich die Anerkennung und Liebe der Mutter quasi erkämpfen muss. Warum sollte dies evolutionstheoretisch notwendig sein?

Gruß, Karl

Lieber Karl!

Es könnte theoretisch auch Anerkennung bringen, sich der Jagd nach - geheuchelter - Anerkennung zu entziehen und somit dem Erpresser seine Macht zu nehmen, die Spezies Mensch ist in der Masse spirituell aber längst noch nicht so weit.

Man könnte Deine Hypothese auch andersherum, in Richtung Vergangenheit untersuchen: Durch irgendein Ereignis, das zwischenzeitlich globale Ausmaße angenommen hat und das in unserem Gespräch vielleicht später noch genauer zu benennen wäre, wird die Menschheit daran gehindert, in ihrer naturgemäßen Daseinsform zu leben.
Wie die Dasseinsform von ihrer sozialen Strukturdynamik her beschaffen sein müsste und war, wäre ebenfalls genauer zu klären, allgemein aber dürfte es in der evolutionseigenen Sozialumgebung aus Prinzip keinerlei Schwierigkeiten mit dem Anerkennungsbedürfnis geben. Sofern dies denn ebenfalls naturgemäß ist, evolutionseigen…

Was wir sagen können ist: Weder die nächsten genetischen Verwandten des Homo sapiens im Reich der Tiere (die in „Horden“ von 2 Geschlechter- und einer Kindergruppe lebenden Schimpansen), noch ein paar der im Dschungel Amaziniens tief versteckt existierenden indianischen Urvölker scheinen unsere Probleme kennen…

Bevor ich aber an Dir vorbei rede: Wie hast Du es gemeint mit dem „spirituell noch nicht so weit sein“ der Menschheit?
Deine Theorie, dernach denkbar ist, das Anerkennungsbedürfnis in echter Weise zu befriedigen, indem sich einige Menschen gegenseitig dabei helfen, aus dem scheinbar auswegslosen „Teufelskreis von Junkie und Dealer“ zu entrinnen, leuchtet mir bereits jetzt schon vollständig ein, ja findet die Theorie bereits in der Praxis statt, wenn ich mich nicht täusche. Mindestens gibt es einen Anfang. Denn vor allem weiteren brauchte es Menschen mit dem Mut, die Dinge beim Namen zu nennen. Deine Überschrift trifft den Nagel auf den Kopf!

Du schreibst u. a. dass Deiner Meinung nach das Bedürfnis nach Anerkennung im Erbgut des Homo Sapiens verankert ist…
Falls Du Recht hast, müsste man sich ja fragen, aus welchem Grund dies die Natur so eingerichtet hat, denn die Natur macht keine Fehler. Offenbar muss es für das Überleben der Spezies Mensch wichtig sein, bzw. einst wichtig gewesen sein, dass Menschen seit 100.000 Jahren dem Bedürfnis nach Anerkennung hinterher jagen.

Ja, davon gehe ich aus und bin ich Deiner Meinung was die Natur anbetrifft: Sie macht keine Fehler. Welche naturgemäßen Funktionen also könnte das Bedürfnis ausüben und zu welchen Zwecken?
Wenn man Befunde der ethologischen Verhaltensforschung untersucht, etwa bezüglich der Schimpansen in ihrer Hordenlebensform, dann scheint das Anerkennung Bekommen und Bieten wollen wie eine Art Regulativ zu funktionieren, mittels dessen sich die ‚Individuen‘ der sozial und bewusstseinsmäßig hoch bis am höchsten evolutionierten Lebensformen gegenseitig abstimmen und anpassen an die verschiedenen Faktoren ihrer jeweiligen Ökonischen.
Z.B. bieten die jeweils schon etwas erfahreneren, meist ein wenig älteren Kinder den jeweils etwas unerfahrener ihre Anerkennung in dem Maße, wie ihnen dies gelingt, auch wenn dies unter Kindern wohl alles vergleichsweise ungezielt, spielerisch (‚chaotisch‘) verwirklicht wird.
Außerdem ist es so, dass die Gemeinschaften der Erwachsenen ihren erfolgreichen Jägern und denen, die über soziale Kompetenz verfügen - wie erforderlich, um Zänkereien zu schlichten -, ein hohes Maß an Anerkennung entgegen bringen, so muß es sich demnach bei den Anerkennung Bietenden nicht unbedingt um die erfahreneren handeln.
Insgesamt hat das zwischen den ‚Individuen‘ solcher Gemeinschaften getausche Anerkennungsbedürfnis wahrscheinlich einen ganz ähnlichen Zweck, wie die hormonelle Kommunikation zwischen allen Zellen unserer Leiber. Wird es befriedigt, dann heisst dies, auf dem richtigen Weg zu sein, und wenn unbefriedigt, dann muß etwas korrigiert werden…

Der Säugling muss von der Mutter geliebt werden, weil sich die Mutter sonst nicht um ihr Kind kümmern und es somit versterben würde. Die Erhaltung der Art wäre gefährdet. Soweit ist das klar.
Die Frage ist nur, weshalb die Mutter ihr Kind nicht ohnehin liebt, sondern das Kind dafür vermeintlich Bedingungen erfüllen muss, sich die Anerkennung und Liebe der Mutter quasi erkämpfen muss. Warum sollte dies evolutionstheoretisch notwendig sein?

Die Szenen in den Familien um mich herum gestalten sich abstrakt ungefähr nach folgendem Muster: Es ist nicht nur so, dass die Mutter (zunehmend seit der sog. Frauen-Emanzipation auch der Mann) das Kind den Sauberkeitsregeln ihres Haushaltes unterwirft, indem sie sein Verhalten mittels Lohn/Strafe in die gewünschte Richtung zwingt - zudem oft genug Vorschriften zu machen beginnt, welche Freunde das Kind haben ‚darf‘’ (wofür sie zudem auch noch Anerkennung von ihm haben will! weil „gut gemeint“), sondern ist die Mutter meist auch total überfordert von dem Anerkennungsbedürfnis, mit dem sich ihr Kind seinerseits an sie wendet.

Wie lässt sich diese Katastrophe, das ganze damit verbundene Leiden erklären?
Der einfachste Ansatz wäre m.E. der, anzunehmen, dass dieser Instinkt von Natur aus überhaupt nicht darauf ausgelegt sei, sich in einer „Familie“ verwirklichen zu sollen, wo dem Kind als einzige Ansprechpartner seine Eltern und ein paar Geschwister zur Verfügung stehen, denn so wie es aussieht, ist dies bei weitem nicht genug - die Familie also viel zu klein für die evolutions- und artgerechte psychische Entwicklung des Menschen. Auch die Großfamilien…

Solche Hypothese ließe sich aus dem Vergleich des Familien-;odells mit den sozialen Arten gewinnen, u.a. den erwähnten Willden Schimpansen. Nichts anderes ergibt sich aus einem vergleich mit einigen der amazonischen Indianerkulturen, insofern, als dass es bei ihnen keinerlei soziale Isolation gibt (fürchterlich, die Situation der „alleinerziehenden Mütter“!!) - auch keine Kinder"gärten", in denen die Kinder strikt nach Altersklassen getrennt sortiert und quasi wie in Gemüsebeeten gezüchtet werden. Satt dessen kann man konstant zusammenlebende Gruppen von 30 oder mehr Kindern aller Altersstufen beiderlei Geschlechts beobachten, die von der Erwachsenengemeinschaft um sie herum zwar beschützt und mit Nahrung versorgt werden, jedoch weder erzogen, noch behelligt von den Anerkennungsbedürfnissen der Erwachsenen. Männer-, Frauen- und Kindergruppe wirken und sind wohl auch emotionell autark, meisstens mit ihren jeweils spezifischen Aufgaben und Interessen beschäftigt…
Sobald bei einem Kind der Eigenwille erwacht - etwa zur selben Zeit, da das erste volle Gebiss da ist, nabelt es sich dann von seiner Mutter gefühlsmäßig ab und schließt sich der großen Kindergemeinschaft an, schon deren 5-jährigen Mädchen sich mit Begeisterung darin üben, die Betreuung des kleinen Neuzugangs zu übernehmen. Mit 12 verfügen sie über alle notwendigen Kenntnisse, ihren eigenen Säugling zu pflegen, und zwar in einem so hohen Maße, dass Säuglingsgeschrei bei ihnen nahezu unbekannt ist, den größen Alarm auslösend, falls es durch einen Unfall oder aktut drohende Gefahr doch einmal dazu kommen sollte.

Diese Kulturen kennen keinerlei Problem mit dem Anerkennungsbedürfnis; heisst das, dass es rein spezifisch erst für die Institution „Familie“ ist?
Das führt zu der Frage, durch was es denn eigentlich zum erstmaligen Auftreten der anscheinend jeden Menschen ‚automatisch‘ psychisch krank machenden Familie kam - vielleicht bieten hier urpolitische Mythen wichtige Anhaltspunkte. Etwa jene uralte Erzählung, welche sich rankt um die Verpaarung Epimetheus mit der künstlichen Frau „Pandora“… Oder die Falle, die dem Tiermenschen Enkidu gestellt wurde, als man ihm die Tempeldirne Schamkat zur Seite legte, denn dies Ereignis hat dem Mythos nach für Endidu den Verlust seiner „Herde“ zur Folge…

Eines lässt sich wohl mit Sicherheit annehmen: Es kann nicht die Natur gewesen sein, die die monogamische Familie eingeführt oder ‚erfunden‘ hat. Denn es ist wie Du sagst: Die Natur macht keine Fehler - sie pervertiert sich also auch nicht von selber…

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Jagd nach Anerkennung als Mittel zum Zweck?
Guten Morgen, Joshuan,

zunächst noch zu Deiner Frage, wie ich das gemeint habe, als ich schrieb „die Menschheit sei spirituell noch nicht so weit…“ um ein Entsagen der Jagd nach Anerkennung mit Anerkennung zu belohnen.

Ich meinte das so:

Theoretisch hätte ja jeder die Möglichkeit sich dem Wahnsinn der stark ökonomisch geprägten Konsumgesellschaft zu entziehen, sein Hab und Gut zu verkaufen, seinen Job zu kündigen und als Selbstversorger in den Wäldern zu leben (ist von mir absichtlich extrem gewählt und völlig überspitzt - ich bin mir gar nicht sicher, ob das rechtlich zulässig wäre in den Wäldern zu leben, etc. - soll ja auch nur ein Gedankenexperiment sein)

Also, nehmen wir an, jemand würde sich auf diese Art und Weise aus der Tretmühle der ewigen Jagd nach Anerkennung befreien, dann wäre es doch denkbar, dass die Gesellschaft, die selbst ja noch in besagter Tretmühle gefangen ist, diesen Schritt eines einzelnen mit großer Anerkennung belohnen würde. Eigentlich müsste sie das tun, es wäre wahrscheinlich aber genau umgekehrt. Dieser Jemand würde von der Gesellschaft mit ziemlicher Sicherheit Verachtung ernten, weil die Menschen spirituell noch nicht so weit sind, zum einen die Falle zu erkennen, in der sie selbst noch stecken und selbst wenn sie diese erkannt haben sollten, ein solches Leben als Selbstversorger in den Wäldern zum andern auch gar nicht wollten und zwar aus der kognitiven Bewertung heraus, dass solch ein Leben kein Sozialprestige versprechen würde.

Gehen Sie mal in Düsseldorf oder in München abends in einen Club oder eine Bar und machen sich mit einer Dame bekannt. Dieser Dame eröffnen Sie nach einiger Zeit dann wahlweise, dass Sie als Landstreicher umherziehen oder dass Sie Chefarzt, Notar oder Investmentbanker sind. Was meinen Sie, welcher Variante die Dame den Vorzug geben würde und aus welchen Gründen sie das wohl tun würde?
Sie werden kaum eine Dame finden, die sich für den Landstreicher entscheidet, weil es einen gewissen gesellschaftlichen Druck gibt, sich ökonomisch zweckmäßig zu verhalten. Ein Landstreicher wäre keine gute Partie, bzw. würde nicht als gute Partie gelten.

Das geht ja spätestens in der Schule schon los (eigentlich schon viel früher). Der ewige Druck mit den Zensuren. Die Zensuren müssen natürlich so gut sein, so gut es nur irgendwie geht. Die Kinder werden gedrillt, in Internate gesteckt und gegeneinander aufgewiegelt. Warum das alles? Aus Idealismus? Aus Interesse am Wissen? Nein, sondern weil man später eine möglichst einträgliche Anstellung will. Und warum? Weil dies entsprechend Sozialprestige und Anerkennung bringen würde. Wer einen guten Job hat, viel verdient, ein tolles Auto fährt und in einer Prachtvilla lebt, der ist wer, der gilt was. Geld regiert die Welt.

Wären die Voraussetzungen, auf welche Art und Weise man Anerkennung erhält, andere, dann würden sich die Menschen auch anders verhalten, anders entscheiden, anderes wollen. Der Wille der Menschen ist prädeterminiert durch externe Vorgaben. Menschen wollen oft das, wovon sie sich einen Vorteil erhoffen und bedarf einer entsprechenden Kognition, was wohl einen solchen Vorteil bringen würde. Dies ist leider nicht immer deckungsgleich mit dem, was diesen Menschen ihrem Wesen nach eigentlich entsprechen würde.

Von 1000 Abiturienten, die einen Studienplatz suchen, müssten theoretisch im Mittel sich genau so viele Schüler einerseits für Jura, Medizin oder BWL interessieren, wie andererseits für Sinologie, Germanistik, Theaterwissenschaften oder Literaturwissenschaften. In der Praxis wird es aber so sein, dass sich von den 1000 mindestens 950 für Jura, Medizin und BWL entscheiden, obwohl es nicht sein kann, dass sich tatsächlich alle 950 für diese Themen interessieren. Warum? Weil man mit den anderen Studiengängen in aller Regel keinen Blumentopf gewinnen kann. Man vergewaltigt seinen eigentlichen Willen und ordnet ihn der Anerkennung willen bestimmten Zweckmäßigkeitserwägungen unter.

Noch einen Gedanken zur genetischen Verankerung des Bedürfnisses nach Anerkennung und dessen evolutionstheoretischer Begründung:

Könnte es nicht sein, dass die Menschen durch die Jagd nach Anerkennung dafür sorgen, dass sie sich ständig weiterentwickeln, sich anpassen, sich verändern müssen? Dies könnte zur Erhaltung der Art ja auch notwendig sein, bzw. notwendig gewesen sein. Ständiger Innovationsdruck ist zur Optimierung einer Spezies grundsätzlich sicher sehr geeignet. Vielleich ist das Bedürfnis nach Anerkennung lediglich ein Mittel, das diesen Innovationsdruck erzeugt und ist deshalb als arterhaltendes Element genetisch verankert?

Deine Ausführungen erscheinen mir plausibel und fundiert und allemal interessant.

Welche Umstände dazu geführt haben, dass sich die Spezies Mensch in Familien organisiert hat, wäre eine sehr interessante Frage, bzw. die Antwort darauf wäre es.

Ob man hier Licht ins Dunkel bringen könnte?

Gruß, Karl

Lieber Karl!

Deine Überlegungen zu der These, dernach die Menschheit spirituell noch nicht so weit sei, um auch nur Einzelnen ihre Entsagung der sonst allumfassenden Jagd nach Anerkennung mit Anerkennung zu würdigen, finde ich sehr interessant, darum möchte ich Dir zu Deinen diese Frage abschließend auf den Punkt bringenden Gedanken die meinen aushändigen, damit Du sie Deinerseits einer kritischen Prüfung unterziehen kannst.

Wären die Voraussetzungen, auf welche Art und Weise man Anerkennung erhält, andere, dann würden sich die Menschen auch anders verhalten, anders entscheiden, anderes wollen. Der Wille der Menschen ist prädeterminiert durch externe Vorgaben. Menschen wollen oft das, wovon sie sich einen Vorteil erhoffen und bedarf einer entsprechenden Kognition, was wohl einen solchen Vorteil bringen würde. Dies ist leider nicht immer deckungsgleich mit dem, was diesen Menschen ihrem Wesen nach eigentlich entsprechen würde.

Von 1000 Abiturienten, die einen Studienplatz suchen, müssten theoretisch im Mittel sich genau so viele Schüler einerseits für Jura, Medizin oder BWL interessieren, wie anderer-seits für Sinologie, Germanistik, Theaterwissenschaften oder Literaturwissenschaften. In der Praxis wird es aber so sein, dass sich von den 1000 mindestens 950 für Jura, Medizin und BWL entscheiden, obwohl es nicht sein kann, dass sich tatsächlich alle 950 für diese Themen interessieren. Warum? Weil man mit den anderen Studiengängen in aller Regel keinen Blumentopf gewinnen kann. Man vergewaltigt seinen eigentlichen Willen und ordnet ihn der Anerkennung willen bestimmten Zweckmäßigkeitserwägungen unter.

Es ist eine bemerkenswerter Annahme, dass der eigentliche Wille der Menschen in unserer sich über den ganzen Planet ausgebreitet habenden Gesellschaft durch externe Vorgaben prädestiniert werde - ja „vergewaltigt“, und dies wie Du außerdem vermutest, wohl nicht erst ab der Einschulung, sondern wesentlich früher! Wenn ich mir meine eigene Kindheit so betrachte, auch beobachte, was den Kindern der Familien um mich herum widerfährt, dann stellt Deine Überlegung nicht lediglich eine Annahme dar, sondern die reinste, entsätzlichste Wahrheit. Dies erklärt also, warum so viele Menschen, wenn sie dann endlich „erwachsen“ geworden zu sein meinen (und vom Gesetz her auch gelten) nicht ohne weiteres - wenn überhaupt je wieder lassen können, sich scheinbar freiwillig selbst in besagter Tretmühle gefangen zu halten, wobei einer ihrer wesentlichsten, zugleich groteskesten Aspekte eben darzustellen scheint, sich einerseits selbst dafür zu belobigen, und es andererseits auch von ihrer Umgebung zu erwarten, ärgerlich oder rasend wütend werdend, so es ihnen nicht gelingt.

Nehmen wir an, der Mutter der Nation beginnt gerade etwas zu dämmern: Sie hat nämlich soeben ein Gremium von „Verhaltensforschern“ beordert, dass ihr helfen soll, wirksamer zu regieren, UND den Bürgern einen Schubs in die „richtige“ Richtung zu geben. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspol…

Das Argument lautet: Die Forscher haben herausgefunden, „dass viele Menschen so handeln, dass es ihren eigenen Interessen widerspricht“
Wie banal diese Erkenntnis ist, liegt u.a. aufgrund der flächendeckend verbreiteten Nkotin-, Alkohol-, Tabletten-, Sex-, Fress-, Arbeits-, Spiel- und TV-Glotzsucht auf der Hand, die freilich einen nicht ganz unerkläcklichen Teil des Bruttosozialprodukts ausmachen, insofern darf man sich gestatten, an der Ehrlichkeit dieser Initiative zu zweifeln. Wenn, dann wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nach einem von Grund auf fundierten Ausweg aus der Vergewaltigung des kindlichen Willens ab dem Beginn der Erziehung geforscht

  • denn dies zöge dem System seinen Boden unter den Füßen weg -

, sondern sollen wie üblich seit je her in der akademischen Psychologie, Mittel und Wege entdeckt werden, die die Willensverbiegung im Sinne des „Systems“ optimieren. Also die „Erziehung“ so umgestalten, dass es künftig weniger „Verhaltensauffälligkeiten“ geben wird, die gleichzeitig zur Arbeitsunfähigkeit oder geminderter Prdoduktivität führen, und die derart subtil sein sollen, dass niemand mehr auf den Gedanken kommen kann, an der vollständigen Richtigkeit dieser Gesellschaft als die „beste aller denkbaren Welten“ zu zweifeln…

Ich bin also sehr pessimistisch, was die Psychische Gesundheit oder „Spiritualität“ derer anbetrifft, die in der Familieninstitution geboren und erzogen werden, um so eher, je mehr die erzieherische Domestikation ‚verbessert‘, subtilisierst, undurchschaubarer gemacht werden wird. Allerdings bin ich optimistisch, was die Fähigkeit der geistigen Elite dieses Systems anbetrifft, dessen Globalisierung bis hin zur Installation einer zentralen Weltregierung zu bewerkstelligen, um die beiden dringest anstehenden Probleme rechtzeitig vor dem globalen Kollaps und ohne die Anwendnung der mächtigsten Massenvernichtungs-mittel in den Griff zu kriegen: Die Vernichtung des fruchtbaren Ackerlands imfolge sich ausbreitender Wüsten muß unbedingt gestoppt werden, und nicht weniger die massenhafte Vermehrung der Menschheit. Daran arbeitet die „Elite“ mit Nachdruck, aus eigenem Interesse. Eine ‚Verbesserung‘ der Psychologie + Pädagogik inclusive…

Noch einen Gedanken zur genetischen Verankerung des Bedürfnisses nach Anerkennung und dessen evolutionstheoretischer Begründung:

Könnte es nicht sein, dass die Menschen durch die Jagd nach Anerkennung dafür sorgen, dass sie sich ständig weiterentwickeln, sich anpassen, sich verändern müssen? Dies könnte zur Erhaltung der Art ja auch notwendig sein, bzw. notwendig gewesen sein. Ständiger Innovationsdruck ist zur Optimierung einer Spezies grundsätzlich sicher sehr geeignet. Vielleich ist das Bedürfnis nach Anerkennung lediglich ein Mittel, das diesen Innovations-druck erzeugt und ist deshalb als arterhaltendes Element genetisch verankert?

Die Idee, dass hinter dem Anerkennungsbedürfnis in Wirklichkeit eine Art innovatives Prinzip steckt, halte ich für mehr also nur zutreffend, denn im Moment scheint sie mir genial! Wenn ich mich nicht irre, deckt sich nämlich das Innovative Prinzip mit dem, was die „Evolution“ seit je her antreibt, und zwar der „Wille“ in den Lebensmolekülen, sich an unseren Planeten, der bei ihrer Ankunft (vom Himmel herab? In der Ursuppe zusammengebräut?) einst öd und kahl gewesen ist, also in extremen Maße lebensfeindlich, „anzupassen“. Zu diesem Zweck also erschuf das Innovative Prinzip in einem ersten Schritt die Ur-Einzeller, eine Art Raumschiff, in das die Lebensmoleküle umzogen, einerseits, um sich gegen die unwirtlichen Faktoren ihrer Umgebung zu schützen, und anderseits, um aus ihrem neuen Behälter der Umgebung genau jenes Maß an Energie abzuzapfen, dass sie brauchen, um nicht zu sterben, bzw. in ihre atomaren Bestandteile zu zerfallen.
Meiner Auffassung nach stellen die darwinschen Ur-Einzeller die wahre „Krone der Schöpfung“ dar, denn alle restlichen Arten der Lebewesen, die aus ihnen nach und nach bis hinauf zum Homo sapiens evolutionierten, beginnen nach wie vor immer noch aus einem Einzeller/ befruchtets Ei) zu wachsen. Wie ich früher schrieb: Das Anerkennungsbedürfnis, das so spezifisch für die sozial und bewusstseinsmäßig hoch und am höchsten evolutionierten Arten scheint, musste eine Fortsetzung der „chemisch-hormonellen“ Art und Weise darstellen, wie die Lebensmoleküle in jeder Zelle und diese miteinander kommunizieren, d.,h. Gemeinschaften bilden, Gruppen. Während dessen stimmen sich nicht nur die ‚Individuen‘ miteinander ab, sondern kommt es darüber hinaus zur Anpassung ihrer jeweiligen Gemeinschaft an die Faktoren ihrer jeweiligen öklogischen Nischen…

Welche Umstände dazu geführt haben, dass sich die Spezies Mensch in Familien organi-siert hat, wäre eine sehr interessante Frage, bzw. die Antwort darauf wäre es.

;:open_mouth:b man hier Licht ins Dunkel bringen könnte?

Davon gehe ich aus, denn es ist meines Erachtens so, dass die ethologische Erforschung der primatischen Hordenlebensform mit ihren zwei Geschlechter- und 1er Kindergruppe eine fundierte Alternative zu den seelisch krank machenden Faktoren des Familienmodells aufzeigt - auch deswegen, weil sich die erwähnten Kulturen Amazoniens offenbar sehr ähnlich wie die Schimpansenhorde strukturieren.
So gesehen müsste die heutige Psychoanalyse also über ein Zusammenlebensmodell verfügen, das sehr viel deutlicher, naturechter aufgebaut ist, als die seinerzeit von Freud angenommene Ur-Horde, als die hypothetische Daseinsform, aus der dann - aufgrund einer konflikthaften Situation - die „monogamische Familie“ eingeführt worden sein soll.

In seinem Buch „Totem und Tabu“ überlegt Freud ungefähr wie folgt: In der Horde habe es einen mächtigen Einzelmann gegeben, der alle Frauen für sich beanspruchte, seine erwachsen gewordenen Söhne gewaltsam hindernd, sich den Frauen zu nähern und sie schließlich von seinem Territorium verjagend. Die Söhne hätten sich damit selbstverständlich nicht abgefunden, sondern statt dessen zusammengetan, um ihren Vater (der Zusammenhang zwischen Begattung und Schwangerschaft müsste freiliche noch unbekannt gewesen sein) gemeinsam zu überwältigen. Das sei ihnen gelungen. Um aber anschließend nicht ihrerseits in die Verlegenheit zu geraten, wiedereinander um die Frauen zu zanken, geschweige sich umzubringen, fassten sie einen Entschluß, d.h. sollen sie einen Vertrag vereinbart haben, dem gemäß sie es sich gegenseitig zum Gesetz erklärten: „Jeder Mann darf nur eine einzige Frau haben“.

Dies liefe eklatant dem zuwider, was die psychoanalytische Traumdeutung aus dem geetischen Unbewussten des Homo sapiens erfährt, daher führt solch ehedem vollbewusst abgesprochener Vertrag praktisch zwingend zur Verbiegung oder gar Brechung des „eigentlichen Wille“. um so eher, je früher der Mensch dieser die Familieninstitution initiierenden „Sitte“ erzieherisch unterworfen wird, derart, dass viele meinen, die „Treue“ sei dem Menschen ebenso angeboren, wie den Klapperstörchen und restlichen monogam lebenden Arten…

Nun, wie gesagt triftt Freuds Urhordenmodell nicht die Wirklichkeit, wie wir sie heute dank der modernen Primaten- und anthropologischen Forschung kennen. In den Horden der Schimpansen und Ureinwohner Amazoniens gibt es keinen mächtigen Einzelherrscher, sondern sind es bis maximal 11 Männer, die sich mit ihren unterschiedlichsten Talenten zu einer gefühlsmäßig egalitären „Mannschaft“ verbünden.

Diese veränderte Situation führt zu der Schlußvolgerung, dass der von Freud angenommene Konflikt, der in die Einführung des Familienmodells gemündet haben soll, nicht in der Art und Weise statt gefunden haben kann, wie es in Totem und Tabu spekuliert wird. Statt dessen nimmt die Psychoanalyse an, dass es „Superstämme“ von 30 oder mehr sich politisch vertragenden Mannschaften gewesen seien, die einzelne rebellische Mannschaften - wie Enkidus Horde - überwätigten und - um die besiegten Männer künftig leichter kontrollieren zu können - Mann für Mann einzeln in einen ihnen als Privatbesitz zugesprochene Kleingarten-Parzelle eingesperrt hat, den ursprünglichen Mannschaftsverband militärisch zerschlagend. Die vereinzelten Männer müssten in ihren Privatkerkern an unsäglicher Einsamkeit gelitten haben (worauf der biblische Paradiesmythos hinzuweisen scheint, „Adams“ Schwierigkeiten beschreibend, vor der ‚Erschaffung‘ Evas), so wurde ihnen, um sie davon abzulenken, jeweils eine Frau beigesellt, mit dem unbeabsichtigen Ergebniss, dass sich dies Paare ungebremst massenhaft vermehrten, Kinder gebärend, die von Anfang an all die Probleme haben, an denen die heutigen Familienkinder ihr Leben lang leiden, Kinder gebärend, denen sie das gleiche ‚verhängen‘ usf usw der ewige Opfer-Täterkreislauf bis heute.

Nicht die Frau stellt nun die wahre „Büchse der Pandora“ dar, sondern die Familie!

Somit für heute genug gedacht. Ich freue mich sehr auf alle Deine Fragen und Ergänzungen!

Dein J.

Guten Morgen, Joshuan,

wirklich außerordentlich interessant und aufschlussreich.

Zunächst noch ein paar ergänzende Anmerkungen zu meiner vorausgegangenen These, aus welchen Gründen das Bedürfnis nach Anerkennung genetisch verankert sein könnte.

Zu meiner Idee eines „innovativen Prinzips“ möchte ich einschränkend noch anmerken, dass ich dies - zumindest in heutiger Zeit - kaum noch verwirklicht sehe.

Um Anerkennung zu erhalten (vom Partner, der Familie, den Freunden und letztlich der Gesellschaft) müssen bisweilen Bedingungen erfüllt werden, denen kein arterhaltendes Element innewohnen dürfte.

In welcher Weise ist etwa ein arterhaltendes innovatives Prinzip erkennbar, wenn sich ein Jugendlicher z. B. teure Markenklamotten leistet, um in seiner Gruppe anerkannt zu sein? Dies ist im Gegenteil sogar eine eher unvernünftige und objektiv falsche Entscheidung, die die Arterhaltung eher gefährdet.

Angenommen, es würde Anerkennung bringen, billige No-Name-Kleidung zu tragen, dann wollten Jugendliche auch tatsächlich billige No-Name-Kleidung haben, weil sie dann Anerkennung erfahren würden.

Stellt sich weiter die Frage, wer entscheidet, was Anerkennung bringt und was nicht? Woher wissen Jugendliche, dass sie einen Zeitgenossen, der teure Markenkleidung trägt, anerkennen und einen der billige No-Name-Kleidung trägt, ablehnen sollen? Wissen die das von sich aus? Kann man das überhaupt wissen? Gibt es gute objektive Gründe für diese Unterschiede in der Gewährung von Anerkennung?

Man könnte ja auch ebenso gut argumentieren, dass jemand der billige Kleidung trägt, clever und überlegen ist, weil z. B. das Preis-Leistungs-Verhältnis hier viel besser ist, als bei teurer Markenkleidung, bei der man oftmals nur den Markennamen bezahlten muss und könnte diesen jemand mit Anerkennung belohnen und jemanden, der teure Markenklamotten trägt, als aufgeblasenen Dummkopf hinstellen und ihm die Anerkennung verwehren. Warum ist das nicht so?

Noch ein weiterer Grund, weshalb das Bedürfnis nach Anerkennung genetisch verankert sein könnte, ist m. E. folgender:

Da der Mensch ein soziales Wesen ist oder früher einmal war, ist/war er - wollte er überleben - auf die Gemeinschaft mit anderen und auf deren Unterstützung angewiesen. Dies setzt aber voraus, dass die Gemeinschaft diesen jemand anerkennt und ihn folglich auch wirklich unterstützen will. Der einzelne war auf die Gunst der anderen angewiesen und musste sich diese folglich „verdienen“.

Heute ist der Mensch - zumindest augenscheinlich - nicht mehr auf seine Mitmenschen angewiesen (Stichwort: Individualismus, besonders sein wollen, abgrenzen von anderen, gegen den Mainstream, was dann selbst auch wieder zum Mainstream wird, wenn es viele machen, etc.), obwohl gleichzeitig unsere Gesellschaft so arbeitsteilig ist, wie sie es noch nie war. So gesehen, ist der Mensch mehr als er es jemals war, auf andere angewiesen, weil er alleine gar nichts mehr bewegen kann. Dies halte ich für einen sehr ungesunden Widerspruch.

Nun zu Deinen Ausführungen:

Was mir hier noch nicht ganz klar ist oder ich habe es überlesen oder falsch verstanden: Die Jagd nach Anerkennung gibt es m. E. doch nicht nur im Verhältnis des Kindes zu den Eltern, bzw. umgekehrt, sondern doch vor allem auch im Verhältnis zur Umgebung, zur Gesellschaft.

Weshalb wäre Deiner Meinung nach das Problem der Jagd nach Anerkennung gelöst, wenn die Menschen nicht in einer Familie aufwachsen würden, sondern in einer Horde oder überhaupt in einem größeren sozialen Verband?

Du schreibst auch, dass man sich quasi im Rahmen eines Vertrags darauf geeinigt hat, dass jeder Mann nur eine Frau haben darf und nicht alle, weil alle Männer dann alle Frauen wollen und sich dabei gegenseitig auslöschen.

Insofern hatte diese Übereinkunft doch eindeutig eine arterhaltende Funktion, oder?

Die Alternative wäre gewesen, dass zwar jeder Mann jede Frau haben kann, dass sich die Männer deshalb aber nicht gegenseitig umbringen. Dann wäre der Erhalt der Art auch gesichert.

Schönen Tag, Karl

Lieber Karl!

Es ist ein sehr schwierig zu durchdringendes Gebiet, welches uns durch Deine These, dass der Wille in unserer Kultur schon weit vor dem Beginn der Schule durch externe Vorgaben prädestiniert werde, denn diese regelrechte Vergewaltigung der frühkindlichen Psyche (- wie Du den erzieherischen Indoktrinationsprozesse mit vollem Recht genannt hast) führt zu dem umfassenden Haschen aller Menschen nach Anerkennung für Wünsche und Verhaltensweise hin, für die es keine genetisch verankerten, angeborenen Bedürfnisgrundlagen gibt. Nicht das Verlangen nach Anerkennung an sich also scheint falsch, sondern die Wünsche und Verhaltensweise, die der menschlichen Psyche durch die Erziehung gewaltsam eingeprägt werden…

Stellt sich weiter die Frage, wer entscheidet, was Anerkennung bringt und was nicht? Woher wissen Jugendliche, dass sie einen Zeitgenossen, der teure Markenkleidung trägt, anerkennen und einen der billige No-Name-Kleidung trägt, ablehnen sollen? Wissen die das von sich aus? Kann man das überhaupt wissen? Gibt es gute objektive Gründe für diese Unterschiede in der Gewährung von Anerkennung?

Es ist nach meiner Erfahrung praktisch aussichtslos, die Frage nach einer objektivem Unterscheidungsmöglichkeit zwischen den naturgemäßen, eigentlichen Bedürfnissen des Menschen einerseits und den zahllosen Ersatzbedürfnissen andererseits mit den Erziehungsopfern in Form rein gesprächsanalytischer Diskussionen endgültig erhellen zu wollen. Dies liegt vor allem daran, dass die Verhängung der externen Vorgaben zur Folge hat, dass die evolutionseigenen Bedürfnisse seit dem Beginn der Erziehung in den psychischen Bereich des sog. „Tiefen Unbewussten“ gewaltsam verdrängt wurden, so verfügt das ICH-Bewusstseins der Betroffenen keinen Zugang mehr zu den meissten der natürlichen Bedürfnisse des Organismus, keinerlei Kenntnis. Diese Unkenntnis bzw. Unbewusstheit betrifft in aller erster Linie die „Gefühle“, also emotionelle Regungen, die nur das Ich des psychisch vollständig gesunden Lebenwesens spüren kann, ihre Bedeutung und ihr Wollen intuitiv erfassend und ausführend, ohne über irgendwelche naturwissenschaftlichen Einsichten verfügen zu brauchen. So frisst eine Fliege nicht, weil ihr bewusst wäre, dass die Nahrungsaufnahme den Blutzuckerpegel wieder hebt/ überhaupt den Stoffwechsel der Zellen aufrecht erhält), sondern frisst sie, weil es ihr Lust bereitet…

Diese Verdrängung des gesunden Gefühlsspektrums ist es also - und dessen Ersetzung mit den von Exttern aufgezwungenen Vorgaben -, die beim betroffenen Ich zu dem massenhaft verbreiteten Ersatzbedürfnissen führt, und zwr derart tief verankert, dass die meisten Menschen überhaupt nicht auf die Idee kommen, an der Richtigkeit ihres in Wahrheit falschen, krankhaften und krank machenden Verhaltens, Denkens und Empfindens zu zweifeln. Sie erklären die wenigen, die es aufgrund eines Versagens ihrer Erziehung doch können, also gewissermaßen spontan für verrückt.
Aber, wie gesagt: auch mit den Zweiflern (die also Reste des naturgemäßen Gefühlsspektrums zu spüren scheinen), kann man diese, ihre Innerspsychische Situation nicht in reinen Gesprächsanalysen objektiv klären, eben aus dem Grunde, weil das Meisste ihrer gesunden Gefühle im Tiefen Unbewussten gefangen gehalten wird. Allerdings berichten unsere Träume von den Inhalten des Unbweussten. Deshalb biete die Psychoanalyse denen, die ihre Innere Situation auf fundierte Weise klären wollen, die methodische Traumdeutung an…

Nun zu Deinen Ausführungen:

Was mir hier noch nicht ganz klar ist oder ich habe es überlesen oder falsch verstanden: Die Jagd nach Anerkennung gibt es m. E. doch nicht nur im Verhältnis des Kindes zu den Eltern, bzw. umgekehrt, sondern doch vor allem auch im Verhältnis zur Umgebung, zur Gesellschaft.

Ja, das ist richtig, denn dies kennzeichnet vor allem die sog. Erwachsenen. Nun zeigt freilich die psychoanalytische Forschung, dass diese sog. Erwachsenen untereinander und ihren Kindern gegenüber genau das Verhaltensmuster fortsetzen, welches ihnen bald nach der Geburt von ihren Erziehern gewaltsam eingeprägt worden ist, insbesondere das kindliche Verlangen nach Geliebt- und Anerkanntsein verewigend für den Rest des Lebens. Im Grunde sucht also jeder dieser Scheinerwachsenen im Partner seine Ersatzmutter (wobei das „Geschlecht“ keine Rolle spielt, denn ein Säugling will keinen Sex, sondern Liebe, Aufmerksamkeit, Zuwendung) und spiegelt es sich sogar in metaphysischen Hypothesen wie der vom „Lieben Gott“. Ebenfalls in Begriffen wie „Mutter Kirche“ und „Vater Staat“, bzw. in den Funktionen und Aufgaben, die diese Institutionen von ihren Konstrukteuren bekommen…

Weshalb wäre Deiner Meinung nach das Problem der Jagd nach Anerkennung gelöst, wenn die Menschen nicht in einer Familie aufwachsen würden, sondern in einer Horde oder überhaupt in einem größeren sozialen Verband?

Dies nehme ich deswegen an, weil die gesunden Emotionen mit ihren 6 zugehörigen angeborenen Bedürfnissen bzw. „Instinkten“, welche von der psychoanalytische Traumdeutung im Tiefen Unbewussten entdeckt und wieder ausgegraben hat, zu einem entsprechend komplexen zwischenmemschlichen Verhaltensspektrum hinführt, aus dem sich die genannte Hordenlebensform (2 Gruppen der erwachsenen Geschlechter + die von der Fragengemeinschaft gemeinsam betreute, große Kindergruppe) gewissermaßen von selbst generiert.
Die Angehörigen dieser Lebensform tauschen also untereinander Anerkennung im Sinne ihrer angeborenen Bedürfnisse aus - teils jede der 3 Gruppen unter sich, teils auch wechselseitig, insofern sie einander symbiotisch bedürfen. Dabei lässt sich das Anerkennungsspektrum also nicht nur nach den 6 Bedürfnissen unterscheiden, sondern hat es auch alters- und geschlechtsspezifische Formen, denn Kinder befinden sich erst noch in der psychischen Entwicklung, und die Frauengemeinschaft hat eine andere naturgemäße Bestimmung, als die sie im Daseinskampf begleitende Mannschaft. Anbei ein kleiner Text mit Zeichnung, um die Hordenlebensform des ursprünglichen Homo sapiens ein wenig genauer zu illustrieren:
https://www.dropbox.com/s/89xt48tb9xx5k0w/1%20Was%20…

Zu meiner Idee eines „innovativen Prinzips“ möchte ich einschränkend noch anmerken, dass ich dies - zumindest in heutiger Zeit - kaum noch verwirklicht sehe.

Du hast recht. Das Anerkennungsbedürfnis, welche die Evolution hervorgebracht hat (Zwecks Überleben auf einem lebensfeindlichen, den „Daseinskampf“ erforderlich machenden Planeten), kann nur unter artgerechten Umständen seine naturgemäße Funktion ausüben, also innerhalb der Kindergruppe und den beiden Geschlechtergemeinschaften der Horde.

Du schreibst auch, dass man sich quasi im Rahmen eines Vertrags darauf geeinigt hat, dass jeder Mann nur eine Frau haben darf und nicht alle, weil alle Männer dann alle Frauen wollen und sich dabei gegenseitig auslöschen.

Insofern hatte diese Übereinkunft doch eindeutig eine arterhaltende Funktion, oder?

Es war mißverständlich, wie ich mich ausgedrückt habe. Was ich meinte war nicht, dass >> die Ermordung des Urvaters durch seine erwachsen gewordenen Söhne

Traumdeutung
Guten Morgen, Joshuan,

mit den von Dir angesprochenen Themen - Psychoanalyse, Traumdeutung, Primatenforschung - habe ich mich bislang kaum oder gar nicht auseinandergesetzt. Deshalb brauche ich etwas Zeit, Deine Thesen und Argumente nachzuvollziehen und bewerten zu können.

Spontan und ohne empirischen Wissen bezüglich dieses Bereichs zu haben, möchte ich zur Traumdeutung Folgendes kritisch anmerken:

Ich kann mir zwar vorstellen, dass z. B. ein Weißer Schwan eine bestimmte Bedeutung haben kann, ich glaube aber nicht, dass diese Bedeutung für jedermann allgemeingültig ist. Jeder Mensch hat das Symbol eines Weißen Schwans für sich subjektiv mit einer ganz anderen Bedeutung belegt und sogar ohne dies bewusst reflektieren zu können.

Zudem kommt das Problem der Deutung. Die Deutung müsste theoretisch objektiv zutreffend sein, dies dürfte praktisch aber nicht möglich sein, da objektive Wahrnehmung nicht möglich ist. Alle Wahrnehmung und alle Deutung, Interpretation, etc. ist immer subjektiv und dass das Subjektive zufällig deckungsgleich ist, mit dem Objektiven, kann man von der Wahrscheinlichkeit her getrost vergessen. Selbst wenn es so wäre, könnte man es nicht feststellen.

Aber das nur am Rande.

Stellt sich abschließend noch folgende - wichtige - Frage:

Welche Konsequenzen sollte/müsste man nun aus der Erkenntnis ziehen, dass sich die Jagd nach Anerkennung heute nicht mehr in artgerechter Umgebung abspielt, bzw. dass aus der Jagd der Anerkennung heraus deshalb (falsche) Ersatzbedürfnisse entstehen?

Wie kann man sich dieser psychologisch äußerst ungesunden Zusammenhänge entziehen?

Schönen Tag, Karl