Lieber Karl!
Deine Überlegungen zu der These, dernach die Menschheit spirituell noch nicht so weit sei, um auch nur Einzelnen ihre Entsagung der sonst allumfassenden Jagd nach Anerkennung mit Anerkennung zu würdigen, finde ich sehr interessant, darum möchte ich Dir zu Deinen diese Frage abschließend auf den Punkt bringenden Gedanken die meinen aushändigen, damit Du sie Deinerseits einer kritischen Prüfung unterziehen kannst.
Wären die Voraussetzungen, auf welche Art und Weise man Anerkennung erhält, andere, dann würden sich die Menschen auch anders verhalten, anders entscheiden, anderes wollen. Der Wille der Menschen ist prädeterminiert durch externe Vorgaben. Menschen wollen oft das, wovon sie sich einen Vorteil erhoffen und bedarf einer entsprechenden Kognition, was wohl einen solchen Vorteil bringen würde. Dies ist leider nicht immer deckungsgleich mit dem, was diesen Menschen ihrem Wesen nach eigentlich entsprechen würde.
Von 1000 Abiturienten, die einen Studienplatz suchen, müssten theoretisch im Mittel sich genau so viele Schüler einerseits für Jura, Medizin oder BWL interessieren, wie anderer-seits für Sinologie, Germanistik, Theaterwissenschaften oder Literaturwissenschaften. In der Praxis wird es aber so sein, dass sich von den 1000 mindestens 950 für Jura, Medizin und BWL entscheiden, obwohl es nicht sein kann, dass sich tatsächlich alle 950 für diese Themen interessieren. Warum? Weil man mit den anderen Studiengängen in aller Regel keinen Blumentopf gewinnen kann. Man vergewaltigt seinen eigentlichen Willen und ordnet ihn der Anerkennung willen bestimmten Zweckmäßigkeitserwägungen unter.
Es ist eine bemerkenswerter Annahme, dass der eigentliche Wille der Menschen in unserer sich über den ganzen Planet ausgebreitet habenden Gesellschaft durch externe Vorgaben prädestiniert werde - ja „vergewaltigt“, und dies wie Du außerdem vermutest, wohl nicht erst ab der Einschulung, sondern wesentlich früher! Wenn ich mir meine eigene Kindheit so betrachte, auch beobachte, was den Kindern der Familien um mich herum widerfährt, dann stellt Deine Überlegung nicht lediglich eine Annahme dar, sondern die reinste, entsätzlichste Wahrheit. Dies erklärt also, warum so viele Menschen, wenn sie dann endlich „erwachsen“ geworden zu sein meinen (und vom Gesetz her auch gelten) nicht ohne weiteres - wenn überhaupt je wieder lassen können, sich scheinbar freiwillig selbst in besagter Tretmühle gefangen zu halten, wobei einer ihrer wesentlichsten, zugleich groteskesten Aspekte eben darzustellen scheint, sich einerseits selbst dafür zu belobigen, und es andererseits auch von ihrer Umgebung zu erwarten, ärgerlich oder rasend wütend werdend, so es ihnen nicht gelingt.
Nehmen wir an, der Mutter der Nation beginnt gerade etwas zu dämmern: Sie hat nämlich soeben ein Gremium von „Verhaltensforschern“ beordert, dass ihr helfen soll, wirksamer zu regieren, UND den Bürgern einen Schubs in die „richtige“ Richtung zu geben. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspol…
Das Argument lautet: Die Forscher haben herausgefunden, „dass viele Menschen so handeln, dass es ihren eigenen Interessen widerspricht“
Wie banal diese Erkenntnis ist, liegt u.a. aufgrund der flächendeckend verbreiteten Nkotin-, Alkohol-, Tabletten-, Sex-, Fress-, Arbeits-, Spiel- und TV-Glotzsucht auf der Hand, die freilich einen nicht ganz unerkläcklichen Teil des Bruttosozialprodukts ausmachen, insofern darf man sich gestatten, an der Ehrlichkeit dieser Initiative zu zweifeln. Wenn, dann wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nach einem von Grund auf fundierten Ausweg aus der Vergewaltigung des kindlichen Willens ab dem Beginn der Erziehung geforscht
- denn dies zöge dem System seinen Boden unter den Füßen weg -
, sondern sollen wie üblich seit je her in der akademischen Psychologie, Mittel und Wege entdeckt werden, die die Willensverbiegung im Sinne des „Systems“ optimieren. Also die „Erziehung“ so umgestalten, dass es künftig weniger „Verhaltensauffälligkeiten“ geben wird, die gleichzeitig zur Arbeitsunfähigkeit oder geminderter Prdoduktivität führen, und die derart subtil sein sollen, dass niemand mehr auf den Gedanken kommen kann, an der vollständigen Richtigkeit dieser Gesellschaft als die „beste aller denkbaren Welten“ zu zweifeln…
Ich bin also sehr pessimistisch, was die Psychische Gesundheit oder „Spiritualität“ derer anbetrifft, die in der Familieninstitution geboren und erzogen werden, um so eher, je mehr die erzieherische Domestikation ‚verbessert‘, subtilisierst, undurchschaubarer gemacht werden wird. Allerdings bin ich optimistisch, was die Fähigkeit der geistigen Elite dieses Systems anbetrifft, dessen Globalisierung bis hin zur Installation einer zentralen Weltregierung zu bewerkstelligen, um die beiden dringest anstehenden Probleme rechtzeitig vor dem globalen Kollaps und ohne die Anwendnung der mächtigsten Massenvernichtungs-mittel in den Griff zu kriegen: Die Vernichtung des fruchtbaren Ackerlands imfolge sich ausbreitender Wüsten muß unbedingt gestoppt werden, und nicht weniger die massenhafte Vermehrung der Menschheit. Daran arbeitet die „Elite“ mit Nachdruck, aus eigenem Interesse. Eine ‚Verbesserung‘ der Psychologie + Pädagogik inclusive…
Noch einen Gedanken zur genetischen Verankerung des Bedürfnisses nach Anerkennung und dessen evolutionstheoretischer Begründung:
Könnte es nicht sein, dass die Menschen durch die Jagd nach Anerkennung dafür sorgen, dass sie sich ständig weiterentwickeln, sich anpassen, sich verändern müssen? Dies könnte zur Erhaltung der Art ja auch notwendig sein, bzw. notwendig gewesen sein. Ständiger Innovationsdruck ist zur Optimierung einer Spezies grundsätzlich sicher sehr geeignet. Vielleich ist das Bedürfnis nach Anerkennung lediglich ein Mittel, das diesen Innovations-druck erzeugt und ist deshalb als arterhaltendes Element genetisch verankert?
Die Idee, dass hinter dem Anerkennungsbedürfnis in Wirklichkeit eine Art innovatives Prinzip steckt, halte ich für mehr also nur zutreffend, denn im Moment scheint sie mir genial! Wenn ich mich nicht irre, deckt sich nämlich das Innovative Prinzip mit dem, was die „Evolution“ seit je her antreibt, und zwar der „Wille“ in den Lebensmolekülen, sich an unseren Planeten, der bei ihrer Ankunft (vom Himmel herab? In der Ursuppe zusammengebräut?) einst öd und kahl gewesen ist, also in extremen Maße lebensfeindlich, „anzupassen“. Zu diesem Zweck also erschuf das Innovative Prinzip in einem ersten Schritt die Ur-Einzeller, eine Art Raumschiff, in das die Lebensmoleküle umzogen, einerseits, um sich gegen die unwirtlichen Faktoren ihrer Umgebung zu schützen, und anderseits, um aus ihrem neuen Behälter der Umgebung genau jenes Maß an Energie abzuzapfen, dass sie brauchen, um nicht zu sterben, bzw. in ihre atomaren Bestandteile zu zerfallen.
Meiner Auffassung nach stellen die darwinschen Ur-Einzeller die wahre „Krone der Schöpfung“ dar, denn alle restlichen Arten der Lebewesen, die aus ihnen nach und nach bis hinauf zum Homo sapiens evolutionierten, beginnen nach wie vor immer noch aus einem Einzeller/ befruchtets Ei) zu wachsen. Wie ich früher schrieb: Das Anerkennungsbedürfnis, das so spezifisch für die sozial und bewusstseinsmäßig hoch und am höchsten evolutionierten Arten scheint, musste eine Fortsetzung der „chemisch-hormonellen“ Art und Weise darstellen, wie die Lebensmoleküle in jeder Zelle und diese miteinander kommunizieren, d.,h. Gemeinschaften bilden, Gruppen. Während dessen stimmen sich nicht nur die ‚Individuen‘ miteinander ab, sondern kommt es darüber hinaus zur Anpassung ihrer jeweiligen Gemeinschaft an die Faktoren ihrer jeweiligen öklogischen Nischen…
Welche Umstände dazu geführt haben, dass sich die Spezies Mensch in Familien organi-siert hat, wäre eine sehr interessante Frage, bzw. die Antwort darauf wäre es.
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b man hier Licht ins Dunkel bringen könnte?
Davon gehe ich aus, denn es ist meines Erachtens so, dass die ethologische Erforschung der primatischen Hordenlebensform mit ihren zwei Geschlechter- und 1er Kindergruppe eine fundierte Alternative zu den seelisch krank machenden Faktoren des Familienmodells aufzeigt - auch deswegen, weil sich die erwähnten Kulturen Amazoniens offenbar sehr ähnlich wie die Schimpansenhorde strukturieren.
So gesehen müsste die heutige Psychoanalyse also über ein Zusammenlebensmodell verfügen, das sehr viel deutlicher, naturechter aufgebaut ist, als die seinerzeit von Freud angenommene Ur-Horde, als die hypothetische Daseinsform, aus der dann - aufgrund einer konflikthaften Situation - die „monogamische Familie“ eingeführt worden sein soll.
In seinem Buch „Totem und Tabu“ überlegt Freud ungefähr wie folgt: In der Horde habe es einen mächtigen Einzelmann gegeben, der alle Frauen für sich beanspruchte, seine erwachsen gewordenen Söhne gewaltsam hindernd, sich den Frauen zu nähern und sie schließlich von seinem Territorium verjagend. Die Söhne hätten sich damit selbstverständlich nicht abgefunden, sondern statt dessen zusammengetan, um ihren Vater (der Zusammenhang zwischen Begattung und Schwangerschaft müsste freiliche noch unbekannt gewesen sein) gemeinsam zu überwältigen. Das sei ihnen gelungen. Um aber anschließend nicht ihrerseits in die Verlegenheit zu geraten, wiedereinander um die Frauen zu zanken, geschweige sich umzubringen, fassten sie einen Entschluß, d.h. sollen sie einen Vertrag vereinbart haben, dem gemäß sie es sich gegenseitig zum Gesetz erklärten: „Jeder Mann darf nur eine einzige Frau haben“.
Dies liefe eklatant dem zuwider, was die psychoanalytische Traumdeutung aus dem geetischen Unbewussten des Homo sapiens erfährt, daher führt solch ehedem vollbewusst abgesprochener Vertrag praktisch zwingend zur Verbiegung oder gar Brechung des „eigentlichen Wille“. um so eher, je früher der Mensch dieser die Familieninstitution initiierenden „Sitte“ erzieherisch unterworfen wird, derart, dass viele meinen, die „Treue“ sei dem Menschen ebenso angeboren, wie den Klapperstörchen und restlichen monogam lebenden Arten…
Nun, wie gesagt triftt Freuds Urhordenmodell nicht die Wirklichkeit, wie wir sie heute dank der modernen Primaten- und anthropologischen Forschung kennen. In den Horden der Schimpansen und Ureinwohner Amazoniens gibt es keinen mächtigen Einzelherrscher, sondern sind es bis maximal 11 Männer, die sich mit ihren unterschiedlichsten Talenten zu einer gefühlsmäßig egalitären „Mannschaft“ verbünden.
Diese veränderte Situation führt zu der Schlußvolgerung, dass der von Freud angenommene Konflikt, der in die Einführung des Familienmodells gemündet haben soll, nicht in der Art und Weise statt gefunden haben kann, wie es in Totem und Tabu spekuliert wird. Statt dessen nimmt die Psychoanalyse an, dass es „Superstämme“ von 30 oder mehr sich politisch vertragenden Mannschaften gewesen seien, die einzelne rebellische Mannschaften - wie Enkidus Horde - überwätigten und - um die besiegten Männer künftig leichter kontrollieren zu können - Mann für Mann einzeln in einen ihnen als Privatbesitz zugesprochene Kleingarten-Parzelle eingesperrt hat, den ursprünglichen Mannschaftsverband militärisch zerschlagend. Die vereinzelten Männer müssten in ihren Privatkerkern an unsäglicher Einsamkeit gelitten haben (worauf der biblische Paradiesmythos hinzuweisen scheint, „Adams“ Schwierigkeiten beschreibend, vor der ‚Erschaffung‘ Evas), so wurde ihnen, um sie davon abzulenken, jeweils eine Frau beigesellt, mit dem unbeabsichtigen Ergebniss, dass sich dies Paare ungebremst massenhaft vermehrten, Kinder gebärend, die von Anfang an all die Probleme haben, an denen die heutigen Familienkinder ihr Leben lang leiden, Kinder gebärend, denen sie das gleiche ‚verhängen‘ usf usw der ewige Opfer-Täterkreislauf bis heute.
Nicht die Frau stellt nun die wahre „Büchse der Pandora“ dar, sondern die Familie!
Somit für heute genug gedacht. Ich freue mich sehr auf alle Deine Fragen und Ergänzungen!
Dein J.