Was meint ihr?was zählt mehr, Masse oder Klasse?
Um dir die Standartantwort der Offizierschule des Heeres zu geben, die immer passt: Das ist Lageabhängig.
Sagen wir mal es kämpfen 25.000 Soldaten, die die beste
Ausrüstung,die es derzeit gibt,besitzt.
Und wie sollen die ausgebildet sein? Bei den anderen hast du ja auch gesagt, dass sie „mäßig ausgebildet“ sind.
Aber bevor du antwortest: Es ist eh egal. Eine solche Frage lässt sich nicht mit „A ist besser“ oder „B ist besser“ beantworten.
Beispielsweise geht man in der taktik immer davon aus, dass ein Angreifer auf einen in der Verteidigung stehenden Gegner eine Übermacht von mindestens 3:1 haben muss, wenn er auch nur ansatzweise Aussichten auf Erfolg haben will. Dabei sind Ausrüstung, Ausbildungsstand und vor allem auch die Motivation und die Form der militärischen Führung der Soldaten zunächst völlig außen vor gelassen.
Oder um es mit Beispielen aus dem zweiten Weltkrieg zu verdeutlichen: Im Russlandfeldzug haben sich deutsche Truppen bis zuletzt immer wieder gegen weit überlegene Gegner durchgesetzt und dabei haben sie den Russen hohe Verluste zugefügt. Insbesondere während der Abwehrkämpfe des Jahres 1944 war die Materiallage der deutsche Truppe mehr als desolat. Es gab immer wieder Mangel an Munition, Verpflegung, sanitätsdienstlicher Versorgung, es gab keine Luftunterstützung mehr und schwere Waffen waren Mangelware, Absetzbewegungen über hunderte Kilometer zu Fuß waren Truppenalltag. Auf russischer Seite war all das in aller Regel kein Problem, trotzdem war man bis zuletzt grundsätzlich nicht in der Lage die völlig überforderten und in der Front überdehnten Verbände der Wehrmacht effektiv zu bekämpfen und geordnete Rückzugs- und Absetzbewegungen zu unterbinden.
Warum war das so? Darüber kann auch ich natürlich nur spekulieren, letzenendes läuft es aber eben darauf hinaus, dass Masse eben nicht Klasse ersetzt (ok, irgendwann tut sie das aus rein logischen Gründen automatisch), wenn der Gegner besser motiviert ist und eine flexibelere Führungsstruktur hat.
Im Einzelnden Versuche ich mal einen groben Vergleich:
Ausrüstung:
Russen und Deutsche hatten im Durchschnitt gute bis sehr gute Ausrüstung. Die Russen konnten zwar nie mit der Durschlagskraft und effektivität der schweren deutschen Waffen mithalten, hatten aber dafür im Gegensatz zu den deutschen Truppen den Witterungsbedingungen besser angepasste Ausrüstung, die wenig Wartungsintensiv und nicht kompliziert, sondern sehr einfach aufgebaut war.
Während es bei den Russen insbesondere in den ersten Kriegsjahren oftmals an vielem mangelte stellte sich dieser Mangel auf deutscher Seite erst deutlich spürbar ab Anfang 1942 ein.
Ausbildung:
Die militärisch fachliche Ausbildung war auf beiden Seiten sicherlich ähnlich effektiv oder ineffektiv.
Auf Grund der - im Vergleich zur Wehrmacht - unheimlich hohen Verluste hatte die Rote Armee aber dauerhaften Mangel an kampferfahrenen Verbänden, während sich auf deutscher Seite die Kampferfahrung selbstverständlich auswirkte.
Militärische Führung:
Hier hatten (und haben) die Russen massive Nachteile gegenüber den deutschen Streitkräften. Während es in den deutschen Streitkräften seit jeher ein starkes Unteroffizierkorps gibt, gibt es eine solche Tradition bei den Russen an sich gar nicht. Die Soldaten „funktionierten“ bei den Russen an sich nur, wenn ein Offizier daneben stand, der aber eventuell ebenfalls nur „funktionierte“, wenn ein Politkommissar neben ihm stand - ein Abweichen vom von der Führung vorgesehenen Plan war oftmals schlicht undenkbar. In den deutschen Streitkräften gab es auch in der Wehrmacht schon die Auftragstaktik in der der Befehlsempfänger ein Ziel vorgegeben bekommt, er aber selber eigenverantwortlich den Weg zum Ziel wählen muss, zudem galt der Grundsatz, dass überall wo mindestens zwei Soldaten waren einer der militärische Führer war. Also auch der Gefreite Pimpelhuber hatte Verantwortung zu übernehmen und wenn alle Offiziere und Unteroffiziere seines Zuges ausgefallen waren, dann hatte er den Zug halt zu führen.
Letztenendes ist eben diese Verantwortungsteilung eine Frage militärischer Disziplin und mit der Disziplin hatten die Russen bis zuletzt mehr Probleme, als die Wehrmacht (auch wenn die Auflösungserscheinungen innerhalb der Wehrmacht ab Mitte 1945 immer massivere Auswirkungen hatten).
Motivation:
Die Motivation ist mitunter wohl einer der wichtigsten Punkte und hier hatten die Russen wieder mehr Probleme, als die Deutschen. Zunächst muss man festhalten, dass zwar beide Seiten versuchten die „Motivation“ durch politische Indoktrination hochzuhalten, letztenendes kann diese „Motivationsquelle“ als absolut ineffektiv, ja sogar kontraproduktiv angesehen werden. In der Regel hat wohl kein Loblied auf den Nationalsozialismus oder den Kommunismus den Schrecken und die grausame Realität an der Front überlebt.
Auf deutscher Seite war sicherlich ein motivierender Faktor, dass die Informationspolitik bei weitem offener war, als bei den Russen. Der einfache Landser erhielt also durchaus wann immer es möglich war Informationen über die Gesamtlage oder die Ziele der übergeordneten Führung. Dies war auf russischer Seite eher selten der Fall. Und das der Soldat, der weiß, dass von seinem Einsatz der Erfolg der Absetzbewegung von 100.000 Kameraden abhängt eine andere Sicht der Dinge hat, als ein Soldat dem nur gesagt wird, dass er „den Feind aufhalten“ soll ist wohl nachvollziehbar. Letztenendes lief es auch darauf hinaus, dass die russischen Soldaten ihr Offiziere und insbesondere die Politkommissare auch gefürchtet haben und mangelndes vertrauen in die eigene Führung führt ebenfalls zu massivem Kampfkraftverlust.
Tkja, und im letzten Kriegsjahr kam auf deutscher Seite wohl noch die „Motivation“ dazu, dass man um sein nacktes überleben gekämpft hat, bzw. um das Überleben des eigenen Landes, der eigenen Familie. Und bei der Wahl zwischen einem Standgericht und dem sicheren Tod und der Konfrontation mit dem gegner und einer geringen Überlebenschance wird die Wahl wohl ebenfalls ziemlich eng.
Das solls auch erst mal gewesen sein. Du siehst aber, dass das ganze sehr komplex ist und man nicht nur Zahlen gegeneinander aufrechnen kann.
Die obigen Überlegungen sollen auch nichts relativieren, sie sind nicht umfassend und ich erhebe nicht den Anspruch, dass sie zu 100% die damalige Realität widergeben, aber sie machen eben Unterschiede gut deutlich.
Gruß Andi