Massenmord vor den Augen / unter Mitwirkung österreichischer Blauhelme - Golan

Hallo!

Die Blauhelme besprechen im Video auch, ob sie die Syrer nicht hätten warnen sollen. Begründung: „Wenn da einer überbleibt, kommt er rüber und schießt uns ab“, ist ein Mann zu hören. Nach dem von den Soldaten bezeichneten „Himmelfahrtskommando“ diskutieren die Blauhelme darüber, ob es noch Sinn hat, einen Krankenwagen zu schicken.

Das Verteidigungsministerium in Wien hat nun eine Untersuchungskommission eingesetzt. „Die Vorfälle werden lückenlos und minutiös aufgeklärt werden“, sagte Verteidigungsminister Mario Kunasek. Der Zwischenfall sei „in dieser Dimension“ erst durch die dem „Falter“ zugespielten Fotos und Videos bekannt geworden, hieß es in einer Stellungnahme.

.Die Frage ist, ob die Soldaten wegen des UN-Mandats zur Untätigkeit verpflichtet gewesen seien oder ob sie die Männer im Auto hätten warnen müssen.
https://www.tagesschau.de/ausland/oesterreich-blauhelme-golan-101.html

Die Aufnahmen dazu (um das Interview herum):

Gruß
F.

Moin,

das ist eine extrem gute Frage, die man hier nicht wird beantworten können. Es wäre nötig, sich die Einsatzregeln genau anzuschauen. Der Blick in UN-Resolution 350 und das „Agreement on Disengagement between Israeli and Syrian Forces“ allein wird wohl nicht reichen.

IMHO waren die UN-Soldaten nur gehalten, die Einhaltung der Vereinbarung zwischen Israel und Syrien zu beobachten. Sie waren nicht befugt, sich in innerisraelische oder -syrische Belange einzumischen.

Näheres könnte man auch den österreichischen Einsatzbefehlen an die Soldaten entnehmen. Die sind garantiert (noch?) nicht öffentlich zugänglich.

Nun stellt sich die Frage, ob die Soldaten moralisch gehalten waren, die späteren Opfer zu warnen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie keinerlei Sympathie für die Geheimdienstler hegten und sich ausmalen konnten, dass die Angreifer im Falle einer Warnung von herbeigerufener Verstärkung ebenso zusammengeschossen werden würden oder ihnen ein noch schlimmeres Schicksal drohte.

IMHO wird der Vorfall noch Rechtsgeschichte schreiben. Wenn auch evtl. nur österreichische. Aber eine abschliessende Beurteilung kann ich nicht treffen. :confused:

Müsste ich tippen, so würde ich mein Geld auf Freispruch setzen. Mit der Begründung, dass die Rechtslage unklar war. Wahrscheinlich mit dezent erhobenem Zeigefinger gegen den Staat, weil die Einsatzbefehle nicht hinreichend für Klarheit sorgten.

Gruß
vdmaster

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Nachtrag: Die UN-Soldaten haben eben gerade nicht mitgewirkt. Bei Fehlen der Ösis wären es zum gleichen Ergebnis gekommen.

Servus,

imho wird in der Diskussion eine ganze wichtige Frage vernachlässigt: Was wäre passiert, wenn die Soldaten die Syrer gewarnt hätten?

Man darf davon ausgehen, dass die Syrer im Falle einer Warnung nicht einfach umgekehrt wären, sondern wohl eher Verstärkung bzw. einen Luftschlag angefordert hätten. In dem Falle wären die Männer im Hinterhalt getötet worden und die Soldaten hätten aktiv in das Geschehen eingegriffen, womit sie für manche Parteien in Syrien zum Ziel geworden wären. Man darf hier auch nicht vergessen, dass es sich um eine Beobachtermission (UNDOF) handelte und die Soldaten weder schwere Waffen noch Schutzausrütstung hatten, sondern im besten Fall das Stg 77 mit einem Magazin mit sich führten.

Das ganze erinnert mich ein wenig an das Trolley-Problem mit seinen moralischen Implikationen.

LG

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So sehe ich das auch.
Im Idealfall kommts zu einer Diskussion über die Rolle solcher Beobachtungsmissionen, deren Sinn ja gerade in diesem schmalen Korridor zwischen Beobachten-dürfen und Nur-beobachten-dürfen liegt.
Sehr schwieriges Gebiet.
Eine individuelle Verurteilung dieser Soldaten würde ich -aus der totalen Ferne betrachtet, ziemlich falsch finden, auch wenn das Video für sich betrachtet natürlich ein Extrembeispiel an Zynismus ist.

Gruß
F.

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Ja, absolut.
Ich frage mich auch, ob die Blauhelm-Soldaten zu dem Zeitpunkt überhaupt klar gewusst haben, wer wer ist, also ob z.B. diese „Schmuggler“ tatsächlich nur Kriminelle und nicht politische Akteure welcher Seite auch immer gewesen sind.

Allerdings haben sie de facto aus meiner Sicht aktiv eingegriffen, wenn sie m.W. den Schmugglern Wasser gegeben haben und den Polizisten in voller Kenntnis der Situation lebenswichtige Informationen vorenthalten haben.
Es ist aber wahrscheinlich, zumindest aus ex-post-Perspektive, stets unmöglich, gänzlich nirgendwo irgendwie einzugreifen.

Auch dafür würde ich mir wünschen, dass dieser Fall eine Diskussion anstößt. Beobachterstatus hin oder her, einigermaßen wehrhaft sollten Soldaten schon sein, sonst könnte man gleich nur Beobachter-Journalisten in solche Situationen schicken.
Diese zynische Kälte der Kommentare der Österreicher auf dem Video hat ja sicher v.a. damit zu tun, dass ihr eigenes Leben dadurch am besten gesichert war, wenn die Polizisten allesamt reibungslos umgelegt werden. Damit müssen die jetzt auch erst mal leben können.

Gruß
F.

Im Idealfall kommt es zu einer UN-internen Diskussion. Wobei bei Beobachtermissionen die Sachlage eigentlich klar ist. Man darf einen Finger nur krümmen, falls man als selbst (einzeln oder als Kollektiv), der Standort (samt derer, die sich dort aufhalten) oder Besitz (bspw. Fahrzeuge) angegriffen wird. So jedenfalls entspräche es meinem bruchstückhaften (und daher fehleranfälligen) Wissen. Schutzfunktionen gegenüber Zivilisten oder Fremdmilitär (als solche würde ich die Opfer einordnen) gibt es nur mit entsprechender Sonderregelung.

Gruß
vdmaster

P.S.: Gerade deswegen bin ich kein Freund von lauwarmen Beobachtermissionen, die so gut wie nichts durchsetzen sollen. Aber so ist die UNO eben :confused:. Und bei friedenserhaltenden sowie -schaffenden Missionen sind ja einige hierzulande schnell im Quengelmodus.

P.P.S.: Daher gehört zu meinen „Helden“ auch jener kanadische General, der entgegen seiner ausdrücklichen Befehle versuchte, Reste von Zivilisation aufrechtzuerhalten.

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Ich empfehle die Kommentare, die sich extrem kontrovers zeigen.

Das entspricht auch meinem Wissensstand.
Das Interessante/Traurige an diesem Fall ist m.E. halt, dass er zeigt, dass die Realität so verworren ist, dass man zwischen „Finger krümmen“ und „Finger krümmen lassen“ sowie „angegriffen werden“ und „töten lassen, um nicht selbst angegriffen zu werden“ nicht gut unterscheiden kann, so dass es, wie mans macht, falsch ist (rechtlich, moralisch, menschlich).

Eine Dimension, die man nicht vergessen sollte, ist auch, was man den Soldaten damit antut, wenn man sie in solche Situationen schickt, in den man quasi nichts gut, aber alles falsch machen kann.

Es ist halt oft ein kleinster gemeinsamer Nenner.
Letztlich ist es ja auch besser, dieses Video zu haben als nichts zu haben.
Darum kann ich im Link so tönende Worte wie die dieses Rechtsprofessors hinter seinem Schreibtisch nicht nachvollziehen: „Manfred Nowak, Professor für Internationales Recht an der Universität Wien, widersprach den Aussagen des ehemaligen Kameraden. Die Blauhelme hätten die Pflicht gehabt, die Syrer vor dem Hinterhalt zu warnen, sagte Nowak der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Schlimmstenfalls könnte den Bundesheer-Soldaten deshalb eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen, weil sie den Syrern „wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben“ hätten.“
Dann kann man Beobachtungsmissionen gleich bleiben lassen.

Gruß
F.

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Das ist eine Einzelmeinung und sie basiert IMHO auf keiner (genannten) rechtl. Grundlage. Eher zeigt die Wiedergabe die Ansichten der ZON-Redaktion als zu einer fundierten Diskussion beizutragen. Auch die Leserkommentare sind tlw. getragen von moralischer (Hyper)meinung bei gleichzeitiger Ahnungslosigkeit mangels fundierter Informationen.

Dem Video ist nicht zu entnehmen, dass ein einziger blau Behelmter gesagt hätte, dass es auf syr. Gebiet völlig ungefährlich sei und/oder man keinerlei Bewaffnete gesehen habe. Aber evtl. hat der Herr Prof. bessere Ohren als ich.

Gruß
vdmaster

Die damalige Gesamtlage scheint für die Blauhelme noch viel schlimmer gewesen zu sein.

Wie schwer den UN-Soldaten der Umgang mit der Lage fiel, zeigte sich, als im August 2014 Rebellen 45 UN-Soldaten aus Fidschi als Geiseln nahmen, 35 UN-Soldaten aus den Philippinen sich hingegen freikämpften, obwohl ihr Befehl lautete, sich zu ergeben.

UNDOF-Kommandeur General Singha kritisierte damals das „unprofessionelle Verhalten“ der philippinischen Soldaten, die aber in der Heimat als Helden gefeiert wurden. Erst danach wurden die UNDOF-Einsatzregeln dergestalt geregelt, dass die Blauhelme zurückschießen dürfen, falls sie angegriffen werden.

Nicht einmal das Selbstverteidigungsrecht stand ihnen zu? :flushed:

Die Mission hätte in SAUDOOF umbenannt werden müssen. Die selbstverteidigenden Soldaten haben völlig richtig gehandelt und es ist eigentlich eine Schande für die in der UN organisierte „Weltgemeinschaft“, dass sie nicht sofort massive Luftunterstützung erhielten. Ursprünglich sollte die UN über eigene, von den Mitgliedsstaaten finanzierte, Truppen verfügen, die nur ihr unterstehen. So steht es in der Charta.

Gruß
vdmaster

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Hier stellt sich halt die Frage, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihnen das Wasser gegeben haben, schon klar war, was sie vorhaben. Andernfalls wäre das alleine sicher kein Parteinahme für eine der Seiten sondern im Gegenteil eher eine vertrauensbildende Maßnahme, die für so eine Mission unumgänglich ist.

Das wurde ja auch schon ausfühlrich diskutiert und wenn du dich noch erinnern kannst, war das ja einer der Hauptgründe, wieso die österreichischen Soldaten vom Golan schlussendlich abgezogen wurden. Wäre halt interessant zu wissen, ob dieser Vorfall hier mit eine Rolle gespielt hat.

Ich würde das nicht überbewerten. Das ist eine unglaubliche Stresssituation, auch wenn die Soldaten selber nicht direkt in Gefahr waren. In meiner Zeit beim Assistenzeinsatz war das nicht anders und da war die Lage bei weitem nicht so gefährlich.

LG

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Ja, sicher richtig, das wissen wir nicht.
Und auch wenn, wäre es halt extrem schwierig zu differenzieren. Ich meine, den anderen lebensretttende Informationen nicht bewusst vorzuenthalten, könnte man ja noch weit mehr als das Wasser als „vertrauensbildende Maßnahme“ sehen, denn der absolut einzige Grund, dass das Vertrauen dadurch nicht völlig weg war ist der, dass die alle tot waren.

Vielleicht ist die Verpflichtung auf „Neutralität“ („Unparteilichkeit“) von Grund auf falsch und einer Verpflichtung auf „Allparteilichkeit“ unterlegen - wie es sich z.B. im Bereich der Mediation durchgesetzt hat.

Egal jetzt, m Endeffekt ist in diesem Thread nicht so viel zu diskutieren übrig. Ich fand die Angelegenheit halt sehr threadwert, weil sie die Grundproblematik von Beobachtungsmissionen der UN aufs Extremste zuspitzt.
Wir werden das bestimmt einmal auf einer Theaterbühne aufgeführt sehen. Untertitel-Vorschlag: Der Teufel ist ein Beobachter.
(gemeint ist die unmögliche Beobachterposition, nicht diese konkreten Soldaten)

Gruß
F.

Mich würde ja einmal eine Statistik bezüglich ‚PTBS nach Blauhelm-Einsätzen‘ interessieren.

Gruß
F.