Maßwerk in romanischem Fenster?

Liebe/-r Experte/-in,
Mittelalter-Experten sind sich offenbar darin einig, dass Maßwerk ein typisches Merkmal der gotischen Baukunst ist und in der Romanik nicht vorkommt. Nun wird die Burgruine „Wildenburg“ (auch „Wildenberg“ genannt) als besonders treffendes Beispiel des romanischen (staufischen) Burgenbaus genannt - Bauzeit etwa 1200 bis 1216. Dort ist aber am Palas ein Rundbogenfenster mit Maßwerk zu sehen - siehe Wikipedia unter „Burg Wildenberg (Kirchzell“). Dort steht auch, dass spätere Einbauten nicht den Palas betreffen.

Frage also: Gab es in der Romanik doch schon Maßwerk?

Das ist einer dieser Grenzfälle (ich wußte bis zu Deiner Anfrage nicht, daß auf der Wildenburg auch einer davin ist, die meisten sind in Südfrankreich, entlang des Rhonetals). Lange Story kurz: Im 13. Jahrhundert kehrten immer wieder Kreuzfahrer (und nicht alle waren Ritter) aus dem Heiligen Land zurück. Was sie mitbrachten waren neue Techniken, die ja auch prompt zur Gotik führten. Aber natürlich standen noch viele romanische Burgen und Abteien herum und deren Besitzer haben bisweilen etwas nachgerüstet. Die billigste und schnellste Art der ritterlichen Eigenheimaufwertung war eben das Maßwerk. Wenn ich mir das Bild von der Wildenburg so ansehe, dann erkenne ich nicht nur das Maßwerk selbst sondern auch den ausgetauschten Sims, die ausladeneren Halbkapitelle im Mittelfenster (im Gegensatz zur den kleineren am rechten Fenster). Also alles zusammen sieht nach einer kleinen Nachrüstung etwa zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts aus. Da die Burg um 1270 ans Erzstift ging und die Mainzer ähnliche, leider nicht bis heute erhaltene Aufrüstungsarbeiten auch am Stift selbst durchgeführt haben, tippe ich einfach mal auf die.

Gruß
PB

Hallo Jörg,

Eine sehr interessante Frage! Es gilt zunächst zu beachten, dass es in der Geschichte, wie auch in der Architektur niemals feste Grenzen zwischen zwei Epochen gibt, sondern die Übergänge meist fließend vonstatten gehen. Wenn du bei der von dir beschriebenen Anlage also einen Bauzeitraum um die Mitte des 13. Jahrhunderts angibst, befindest du dich mehr oder weniger mitten im Wechsel von Romanik hin zur Gotik. Es ist dabei trügerisch zu sagen, dass romanische Kirchen zum Beispiel wenig Zierrat aufweisen, da es dabei regionale Unterschiede gibt. Zum Beispiel finden sich in Frankreich wunderbare Zierelemente, die dem gotischen Maßwerk schon sehr ähnlich sind (unter anderem in Loupiac oder in St. Sernin). Gerade die größeren Kirchen und Kathedralen entlang der Pilgerwege dienten dabei anderen Baumeistern als Vorlage für ihre eigenen Projekte. Frankreich, das generell zu den bedeutendsten Ländern im Hinblick auf romanische Bauformen zählt, war im 11. Jahrhundert noch „kein geeinter Nationalstaat, sondern eine Ansammlung zersplitterter Herrschaftsgebiete. Dementsprechend gab es keinen einheitlichen […] Architekturstil; sondern mehrere regionale Bauschulen. Sie kombinierten die Grundmerkmale der Romanik […] und verarbeiteten verschiedenste Einflüsse.“ (Cole, Emily (Hrsg): Stilformen und Epochen der Weltarchitektur, Köln, 2005, S 184) Es kann demnach gut sein, dass man auch bei der von dir erwähnten Anlage neben den Grundmerkmalen der Romanik verschiedene Einflüsse anderer, später eigenständiger, Stile verwendet hat. Man darf jedoch aufgrund dieser seltenen Fälle nicht auf die gesamte Epoche schließen. Soll heißen: Sicher gab es Ausnahmen, doch ist das Maßwerk trotz allem der Epoche zuzuordnen, in der es als Zierelement perfektioniert worden ist - der Gotik.

Liebe Grüße,

Adrian Roßner

Da bitte ich die Frage an Architekturexperten zu richten.

lg
Schallaböck

Hallo Jörg,
sorry, aber da kann ich leider auch nicht helfen. Evt. über den Karfunkel-Verlag einen Experten fragen. Viele Grüße TERRY

Hallo,

Bei dem Fenster im Palas der Burg Wildenberg handelt es sich nicht um Masswerk. Sondern im eigentlichen Sinne um sog. Plattenmasswerk. Das Plattenmasswerk könnte man bedingt als eine Vorform des gotischen Masswerks bezeichnen.

Kurz zur Erläuterung des Unterschieds von Masswerk und Plattenmasswerk. Das Plattenmasswerk wird aus mehreren Steinplatten, aus denen geometrische Figuren ausgearbeitet sind, zusammengesetzt. Das Fenster in Wildenberg ist z.b. aus fünf Steinplatten zusammengesetzt. Zwei Steinplatten unten links und rechts. Aus diesen sind die „Nonnenköpfe“ und jeweils ein unterer Teil des Vierpass ausgearbeitet. Zwei Platten die den oberen Teil des Vierpass bilden. Oben links sitzt noch eine kleinere Steinplatte ohne Ausarbeitungen.

Von Maßwerk im eigentlichen Sinne spricht man aber nur, wenn die geometrischen Formen aus Steinprofilen zusammengesetzt sind. Das Maßwerk besteht also aus geometrischen Mustern, die als Steinprofile umgesetzt werden, wobei der Stein komplett skelettiert wird.
z.B. ähnlicher geometrischer Aufbau: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/46/W…

Vereinfacht könnte man sagen das es beim Masswerk grosse ebene Flächen, wie in Wildenberg, nicht mehr gibt.

Ich hoffe das ist soweit verständlich. Wenn noch Fragen sind, einfach nochmal nachfragen.

mit besten Grüßen
I. Eyring

hallo jörg,

zu dieser frage kann ich dir leider nicht helfen - vielleicht findest du einen anderen experten, welcher sich besser mit architektonischen fragen auskennt.

freundliche grüsse
stefan

Hallo erst mal,
ich denke mal, dass jeder Baustil ein gewisses „Maßwerk“ benötigt. Wie sonst sollte ein planmäßiges Vorgehen beim Bau möglich sein???

Zaub(l)erhafte Grüße
F.Ulshöfer

Hallo Peter Brendt,
vielen Dank für Ihre Antwort. Sie hat mir sehr geholfen
Mit freundlichem Gruß
Jörg Sommer

Hallo Adrian Roßner und I. Eyring,
auch an Euch herzlichen Dank für die kopetenten Antworten. Sie beleuchten verschiedene Seiten des Problems, ergänzen sich aber aufs Beste.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Sommer

Ist nicht wirklich mein Thema, aber da noch niemand geantwortet hat, schreib ich mal, was ich gesichert weiß:

Die starren, zeitlichen Einordnungen, die früher getroffen wurden, haben sich schon sehr aufgeweicht, da sie sich nicht mit der Praxis deckten.

Die Romanik siedelt man heute von 800-1250 an, mit einer Blütezeit von ca. 1000-1200. Die Gotik setzt man von etwa 1030-1500 an - also eine deutliche zeitliche Überschneidung. Wie bei allen Künsten gab es auch bei der Architektur fließende Übergänge, keine harten Umstiege auf einen völlig neuen Baustil. Eigentlich logisch: neue Techniken wurden entwickelt und später perfektioniert.

Die Einordnung in der Überschneidungzeit von Romanik und Gotik muß also stilistisch erfolgen, nicht nach reinem Datum. Die Wildenburg / Wildenberg fällt hier genau hinein (Datierung auf erste Hälfte des 12. Jhd. - eigentlich wegen der Form der verbauten Quader).

Nun zum Maßwerk (mit dem Zirkel gemessenes). Es gilt natürlich als hauptsächliches stilistisches Element der Gotik, das es die architektonische Gesamtkonzeption der Bauten prägt.
Erstes Maßwerk findet sich jedoch schon im 12. Jhd., in Bauten die noch deutlich der Romanik zugeordnet wurden.
Fenster mit einem Mittelpfeiler (Biforenfenster) wurden schon rund überwölbt. Es gab dann auch schon in dieser Überwölbung eine runde Öffnung (Oculus). Diese wurde später zumehned unterteilt (von kreisförmiger Unterteilung, über Speichenförmige Unterteilung bis hin zu komplexen Rosetten).
Zu Grunde liegen meist runde Formen. Mit der Gotik wurden diese von den typischen gotischen Spitzbögen zunehmend abgelöst. Das Maßwerk wurde immer ausgefeilter und komplexer, bis es ganze Maueremsembles quasi ersetzte. Es prägten sich auch deutlich unterschiedliche regionale Stile aus.

Ich hoffe, das hat irgendwie geholfen.

Als Anregung - diese gelten als wichtige romanische Bauwerke in Deutschland:
Michaeliskirche in Hildesheim

  • die Kaiserpfalz in Goslar
  • der Dom zu Speyer
  • der Dom zu Worms
  • der Bamberger Dom
  • der Dom zu Mainz (Teile des Bauwerks)
  • der Dom zu Magdeburg (Teile des Bauwerks)

Noch ein Wort zu Wikipedia: hier steht vieles was

  • jemand zu wissen glaubt, aber in keiner Form recherchiert hat
  • jemand einfach schnell aus dem Internet zusammen geklaubt hat
  • in seiner Oberflächlichkeit der Information und der Aussparung wichtiger Themenbereiche schon wieder vollkommen falsch ist

Das wird dann Hundertfach kopiert, aber dadurch auch nicht richtiger. Solche komplexen Themen lassen sich nicht auf 2000 Wörter zusammen dampfen. Ich empfehle
eher ein gutes Buch ; ) - solche finden sich auch in den öffentlichen Leihbibliotheken (unter Kunsthistorik / Architektur). Es gibt auch besser sortierte Bibliotheken - etwa die Staatsbibliothek in München (die unter Umständen auch versenden). Viele Bibliotheken verfügen auch bereits über einen digitalisierten Bestand.
Da wird man ausführlich informiert, unterstützt durch umfängliches Bildmaterial.

Viel Spaß beim Schmökern.

Mit den besten Grüßen
Astrid Lang

Hallo Astrid Lang,
nein, es haben schon einige Leute geantwortet, schauen Sie mal ins wer-weiss-was-Forum. Ihre Antwort ergänzt das ganz gut, vor allem der Hinweis auf das „Oculus“ ist sehr hilfreich. Denn diese Vorform eines Maßwerks wird ja wohl auch als „Plattenmaßwerk“ ausgeführt; es ist technisch relativ einfach, ein rundes Loch in eine Steinplatte zu bohren. Das konnten ja schon die Steinzeitmenschen, ihre Äxte waren sogar aus wesentlich härterem Material als Sandstein.

Vielen Dank für die Antwort!
Jörg Sommer

Hallo!

Das Baudatum von 1200+ ist m.E. ein recht spätes für die Romanik. Evtl. gehört die Burg Wildenberg schon in eine Übergangsphase, die ja nicht flächendeckend in einem bestimmten Jahr begann.

MfG Dingo

Hallo Jörg

Leider habe ich davon überhaupt keine Ahnung. Ich hoffe, jemand Anderes kann helfen!

Liebe Grüsse, sarah.