Mathamatik- eine Geisteswissenschft

Mathimatik sah ich bis dato stets als Naturwissenschaft an und kam nicht auf die Idee dies in Frage zu stellen.
Allerdings begegne ich fortwährend einigen Zwiespalten auf diesem Gebiet.
Einige Bekannte- darunter Mathematikstudenten selbst-sehen Mathematik gerade nicht als Naturwissenschaft oder tendieren gar dazu diese als Geisteswissenschaft zu bewerten.
Zu Recht?

Mathamatik Geistes- oder Naturwissenschaft
sorry, daß ich jetzt erst diesen Thread hier sehe.

es gibt meines Wissens keine Universität, in der Mathematik nicht in einer „mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät“ betrieben wird.

Die Unterscheidung zwischen Natur - und Geist eswissenschaften geht auf einen Ansatz Hegel s zurück, in einem System der Philosophie eine Systematik aller Wissenschaften zu strukturieren. (Es gab noch andere Motive für ein solches System, aber die spielen hier keine Rolle).

In einem solchen System unterscheidet sich die „Wissenschaft der Logik“ gegen die Real philosophie, die die theoretische Grundlegung der Einzelwissenschaften beschreibt. Dies kann man im Grunde als Fortsetzung Platons sehen, bei dem dem „Reich der Ideen“ die Welt der „Realität“ gegenüberstand.

Die Realphilosophie wiederum hat folgende Einteilung (hier nur grob):

  1. „Philosophie der Natur“ mit Mathematik, Physik, Biologie

  2. „Philosophie des Geistes“ mit Psychologie, Rechts- und Staatswissenschaft, Geschichtsphilosophie, Kunst- und Religionsphilosophie und zuletzt auch Philosophie selbst.

Nochmal im Überblick zusammengeafßt:

  1. Wissenschaft der Logik

  2. Realphilosophie
    2.1. Philosophie der Natur
    2.2. Philosophie des Geistes

Warum die Mathematik in diesem philosophischen System zur Realphilosophie zählen mußte, ist an dieser Stelle hier zu kompliziert zu erklären. Aber wenn du die Frage im Philosophie-Brett noch einmal stellen magst, kann ich da ausführlicher etwas zu sagen.

Diese Einteilung in Natur- und Geisteswissenschaften löste die (im angelsächsischen Raum noch lange beibehaltene) Tradition ab, nicht nur die Mathematik, sondern auch die Physik unter den philosophical sciences zu betreiben.

Mit dieser hegelschen Einteilung gab es mit der Entwicklung der Wissenschaften natürlich bis heute zunehmend Probleme. Teilweise gab es sie aber bereits innerhalb des Hegelschen Systems, in dem es Argumente gibt, die Mathematik doch in die (Hegelsche!) Logik zu nehmen (in der sie teils auch bei ihm abgehandelt wird) …

… aber auf keinen Fall - aufgrund ihrer Besonderheiten - in die Geisteswissenschaften.

Die immer noch beibehaltene Unterscheidung „Geisteswissenschaft - Naturwissenschaft“ geht also auf den speziellen Begriff des Geistes zurück, der bei Hegel zu einem philosophischen Terminus gemacht wurde. Dieser Terminus hat aber außerhalb der hegelschen Systemphilosophie nach und nach ganz andere und sehr vielfältige Bedeutungen bekommen (wie z.B. in der angelsächsischen „philosophy of mind“), die sich mit dem hegelschen Terminus nicht mehr decken.

Gruß

Metapher

Hallo,

Das ist zwar nicht mein Brett, aber in dem Fall kann ich mich kaum zurückhalten.

Meiner Meinung nach ist die Mathematik überhaupt keine
Wissenschaft, da sie keine Aussagen über die Welt macht, weder
über die geistige noch über die natürliche.

Darüber kann man streiten, je nachdem wie man „geistig“ auffasst.
Wenn man „dem menschlichen Geist entsprungen“ meint, dann ist Mathe DIE Geisteswissenschaft schlechthin.

Vor und hinter dem
Istgleichzeichen steht immer das gleiche, daher heißt es je
ISTGLEICH-Zeichen.

Das ist etwa so, wie wenn man eine Sprache nur auf ein einziges Wort reduziert - weil man nur dieses eine Wort kennt.
Deine Aussage gilt allerhöchstens für „Schulisches Rechnen“

Also gibt es keine Aussagen in der
Mathematik. Alles ist entweder tautologisch oder falsch!

Das ist grottenfalsch.
Selbstverständlich gibt es eine Menge Aussagen, und deine Reduktion auf „tautologisch oder falsch“ entspricht wieder der Analogie der Reduktion einer Sprache auf ein einziges Wort.

Mathematik ist wie Logik ein WERKZEUG, um Wissenschaft
überhaupt betreiben zu können.

Mathe wird zwar als Werkzeug gebraucht, und das ist auch das Haupteinsatzgebiet. Dennoch ist es eine eigenständige Disziplin, die gänzlich eigenständige Denkstrukturen aufweist.
Übrigens ist Logik in Mathe enthalten, insofern hinkt der Vergleich.
Man kann viele Wissenschaften zumindest grösstenteils gänzlich ohne Mathe betreiben, insofern stimmt deine Aussage mit dem Werkzeug zumindest in dieser Form nicht.

Gruss,
Thomas

2 Like

Hallöle.

Ich finde es befremdlich, daß hier die Mathematiker nicht protestieren.

Mathematik sehe ich absolut nicht als Geisteswissenschaft im heutigen Sinne - man kann sie höchstens als solche mutwillig interpretieren, wenn man unbedingt solche Querverbindungen ziehen möchte.

Und Naturwissenschaft ist das ganze noch viel weniger. War es auch nie, und ist auch nie und nimmer den Naturwissenschaften hinzuzurechnen.

Mathematik ist nämlich Strukturwissenschaft (also weder „Geisteswissenschaft“, noch „Naturwissenschaft“) - kann sogar abgeschlossen für sich betrieben werden ohne einen Hauch von Bezug zur Natur oder Philosophie.
Zumindest für die Zuordnung zu den Naturwissenschaften bekommt man von den Matheleuten auf die Rübe, wenn sie daneben stehen.

MfG

Hi

Meiner Meinung nach ist die Mathematik überhaupt keine Wissenschaft, da sie keine Aussagen über die Welt macht, weder über die geistige noch über die natürliche. Vor und hinter dem Istgleichzeichen steht immer das gleiche, daher heißt es je ISTGLEICH-Zeichen. Also gibt es keine Aussagen in der Mathematik. Alles ist entweder tautologisch oder falsch!

Mathematik ist wie Logik ein WERKZEUG, um Wissenschaft überhaupt betreiben zu können.

Gruß
d.

Hi Sho
Ich finde die Antworten meiner Vorgänger alle richtig und darüberhinaus interessant. Ich habe die Mathematik auch nie per se als Naturwissenschaft akzeptuieren können, da sie primär nicht die Natur betrachtet (und daraus etwa Schlüsse zieht), sondern Regeln erfindet und Verbote erlässt. („Du sollst nicht durch null teilen, Du sollst nicht mit unendlich mal nehmen“, denn sonst bricht an der Stelle unser System zusammen *g*).
Aber ich stimm euch auch zu, dass ihr „Werzeugkasten“ sehr dem der Naturwissenscahften ähnelt.
Ähnlich geht es übrigens der Psychologie - auch sie wurde jahrzehntelang mal mehr den Naturwissenschaften, mal mehr den Geisteswissenschaften zugeordnet.
Sind sie am Ende etwa verwandt, die Mathematik und die Psychologie ? *g*
Gruß,
Branden

Hallo,
die Mathematik halte ich für DIE Geisteswissenschaft schlechthin.
Das Missverständnis, sie sei eine Naturwissenschaft, ist wohl der Tatsache geschuldet, dass in der Neuzeit die Naturwissenschaften dazu übergegangen sind, ihre Naturgesetze in Form mathematischer Gleichungen zu formulieren und dass also mit ihnen gerechnet wird.
Gruß!
H.

Hallo,

Aber ich stimm euch auch zu, dass ihr „Werzeugkasten“ sehr dem
der Naturwissenschaften ähnelt.

Nö, aber die Naturwissenschaften bedienen sich der Mathematik.
Mathematik beobachtet nix und beschreibt keine Natur.

Ähnlich geht es übrigens der Psychologie - auch sie wurde
jahrzehntelang mal mehr den Naturwissenschaften, mal mehr den
Geisteswissenschaften zugeordnet.
Sind sie am Ende etwa verwandt, die Mathematik und die
Psychologie ? *g*

Das ist so wie mit den Fahrradfahrern und die Mondfahrern.
Beide bedienen sich eines Gefährts.
Sie sie am Ende verwandt, die Fahrradfahrer und die Mondfahrer?
Gruß Uwi

Danke
Danke für die vielen Stellungnahmen und Anregungen.
Ich selbst habe mir schnell ein Urteil gebildet und die zahlreichen, guten Argumente, machten die stursten Freunde von mir sparchlos!

Servus,

darf ich mit einer Gegenfrage antworten: Was ist der Gegenstand, mit dem sich Mathematik beschäftigt? Hat sie einen materiellen Gegenstand?

Oder detaillierter, greifbarer: Ist Dir irgendwo, irgendwann einmal eine natürliche Zahl über den Weg gelaufen?

Schöne Grüße

MM

Richtig, die Mathe beweist sich selbst. Daher der Zweifel oder die Frage. Vielleicht hilft es hierbei zu erinnern, dass ALLE Wissenschaften aus der Philo geboren wurden und Mathe ist zweifelsohne die geistigste von Allen. Logik, Orientierung und sogar Kreativität in der experimentellen Mathe entstanden gleich mit dem vorbeugenden Nahrungsansammeln unserer Neandertaler, aber die Mathematiker verlieren leider jede Menge Lebenswürze sobald der Orientierungswahn Überhand nimmt. (Kontrollsucht, Lebensangst, starre Beweis-süchte wie z.B. überzogener Rationalismus)
Komprimierte Symbolsprache in Ziffern und Zeichen startet auf dem Fragezeichen Null und kann Alles erklären ausser Null. Die Mathematik ist wie die Physik eine der beeindruckensten „Denkmodelle“, die die Menschen je aufgebracht haben, ist aber die einzige Wissenschaft, die als Zwitter betrachten werden kann, und die einzige, die sich selbst beweist (im Sinne des Ratio gesprochen)
Danke für das anregende Thema

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Shoshana,
Wikipedia meint: „Die Mathematik gehört traditionell zur Philosophie, steht aber mittlerweile den Naturwissenschaften näher.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Geisteswissenschaft
Hier dann noch etwas mehr: http://de.wikipedia.org/wiki/Mathematik#Kategorisier…
Grüße
Ulf

Hallo,

die Mathematik ist sicher ein Zwitter oder ein Janus.

Auf der einen Seite ist sie sicher mit den Naturwissenschaften verbandelt, wesentlich inniger und thematisch verwandter als andere Geisteswissenschaften, hier speziell in den angewandten Diszipinen, andererseits hebt sie sich von den Naturwissenschaften ab, speziell in der Logik.

So einfach in das eine oder andere Feld läßt sie sich sicher nicht stellen, sie hat sicher einen Fuß in jedem Bereich.

Gandalf

Ja
Die Mathematik ist sogar die reinste aller Geisteswissenschaften, da sich sich nicht mit den Anwendungen befassen muss. Tatsache ist dennoch, dass wahrscheinlich die Physiker die besseren Mathematiker sind (zumindest für „Gebrauchsmathematik“), weil sie sie benutzen.

Das ändert nichts daran, dass manche mathematischen Algorithmen zum „Werkzeugkasten“ der Naturwissenschaften gehören. Und das interessante daran ist, wie akkurat diese auf die Natur passen:

  • exponentielles Verhalten z.B. beim Wachstum

  • Berechnung von elektrischen Schaltungen und der Statik (Mechanik) mit der Matrizenrechnung, also der selben/gleichen Mathematik

  • Darstellungen von Schwingungen je nach Bedarf durch e-Funktion, imaginäre Zahlen oder Differentialgleichungen

Die Algorithmen der sog. Boolschen Algebra sind nicht nur so ähnlich, wie dass, was man in der Philosophie formale Aussagenlogik nennt, es ist das Gleiche/Selbe.

Gruß

Stefan