Mathematik in Russland?

Moin

Nebenbei: Du kennst das Ergebnis der PISA-Studie im
Ländervergleich:
z.B. 2006: Mathematik: Deutschland Rang 20, Russland Rang 34.
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Einzelne Ergebnisse der
Spitzenförderung sind kein Hinweis auf besseren Unterricht in
Gänze.

Hier würde ich dann ja gerne mal durch PISA wenigstens relativ gebauchpinselt sein, tatsächlich steckt PISA so voller Fragezeichen, dass man m. E. weder so noch andersrum daraus Argumente ableiten kann.

Die Systematik der Fragen , und die Übertragung auf die nationale Situation und auch die Auswertung ist völlig undurchsichtig. Die Vorbereitung und Durchführung des Tests in den Ländern war sehr unterschiedlich.
Nur ein paar Beispiele:
Bei den Mathematikaufgaben war nicht sichergestellt, dass die Aufgaben überhaupt sprachlich verstanden wurden. Das Problem war in verschiedenen Sprachen anscheinend sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das Ergebnis mangelnden Leseverständnisses wurde dann aber als Aussage über die Rechenfähigkeit interpretiert. In den USA wurden die teilnehmenden Schulen regional nach völlig unterschiedlichen und oft unbekannten Kriterien ausgewählt und z. T. Teilnehmer gegen Bezahlung gewonnen. In Finnland wurden alle Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche vom Test ausgenommen.
Zumindest International ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse also überhaupt nicht gegeben.

Gruß
Werner

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Hi,
ich studiere Maschinenbau im 7.Semester und ein Veto einwerfen :smile: Ich finde, es ist als Maschinenbaustudent wesentlich wichtiger fachlich kompetent zu sein und dazu zähle ich auch Mathe! Ich bin nicht sehr gut in Deutsch, hatte früher eine 4-, Probleme mit der Groß- und Kleinschreibung und Kommasetzung. Ich bekomme jedesmal Punktabzug bei Ausarbeitungen, weil ich mich nicht so gewählt ausdrücke, wie die Professoren es gerne hätten. Meine Lösungen sind aber meist recht gut. In Deutschland lernt man scheinbar nur, sich richtig zu verkaufen, es geht ja im eigentlichen Sinne auch nur um die Scheine, die man im Leben sammelt.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Moin Werner,

wunderschön, Dein Kritik, PISA ist aber immer noch objektiver, als das „Boah ey, die Russen sind alle voll gut in Mathe“ hier.
Sind sie nämlich sicher nicht. Genauswenig wie wir Deutschen „voll schlecht“ sind. Ich war es nämlich nicht. (Bayern, Abitur Mathe LK '91 und ohne jedes Problem bei Höherer Mathematik 1-4 auf der Uni im Gegensatz zu manchem Kollegen aus anderen Bundesländern:wink:)

Grüße
Jürgen

Grüß Dich.

Wobei man fairerweise sagen muss, dass es noch immer nicht
„den“ deutschen Unterricht gibt.

Ich nehme für mich in Anspruch, in einem Land zur Schule gegangen zu sein, das „den“ deutschen Unterricht z.B. in Mathematik hatte.

Es gab schon immer Regionen, in denen mehr Stoff vermittelt wurde
und welche, in denen weniger vermittelt wurde.

Richtig, wegen des Bildungssystems aus dem 18. Jahrhundert, was auf die Ständegesellschaft gemünzt war. Das nenne wir heute das gegliederte Schulsystem.
Von dieser mittelalterlichen Organisationsform haben sich bis zu diesem Tage viele Deutsche nicht lösen können, so tief ist der Unfug in die Köpfe indoktriniert worden.

Wäre ich böswillig und bezöge ich mich auf die Lehrpläne der zwei ehemaligen deutschen Staaten, so griffe ich Deinen Spruch auf und sagte: „Es gab schon immer Regionen in denen - in 12 Jahren - mehr Stoff vermittelt wurde und welche, in denen - in 13 Jahren - weniger vermittelt wurde.“

Als geschichtlicher Ausritt: Die Alliierten planten den Aufbau von Gesamtschulen. Das gegliederte Schulsystem hat sich nach dem Krieg in der Trizone nur wegen starken reaktionären Widerständen der Oberschicht, der Bürokratie und der konservativen politischen Kräfte festbeißen können. Der Wiederaufbau unseres zerstörten Landes kaschierte die erheblichen Nachteile, denn wenn ein Land in Schutt und Asche liegt und wenn viele Menschen gestorben sind, ist es einfach Kinder früh aufzugliedern und sich auf die schnell steigenden Geburtenziffern zu verlassen.
Doch mit dem Ende des Nachkriegsaufschwungs, spätestens mit der Ölkrise, geriet das gegliederte Schulsystem sofort in Schieflage. Es trat ins Bewußtsein der Öffentlichkeit, daß die ohnehin gehaltlose Propaganda vom „besten Schulsystem der Welt“ nicht stimmte; die BRD landete in ersten Ländervergleichen auf den hintersten Rängen.
Doch was geschah? Anstatt das System durchschlagend zu modernsieren, wie es z.B. Finnland tat (und dabei auf gewisse Quellen zurückgriff), konnten sich die Konservativen und Bürgerlichen durchsetzen.
Und jetzt holt uns die ideologische Sturheit und die Ignoranz des politischen Spektrums CDU-CSU-FDP ein.

Ich sehe deswegen keine Berechtigung für Phrasen wie „Es gab schon immer Regionen […]“, denn das ist Folge des Schulsystems und demnach politisch gewollt. Es existieren Alternativen, die solche Unterschiede auf hohem und höchstem Niveau kompensieren können.

z.B. 2006: Mathematik: Deutschland Rang 20, Russland Rang 34.
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Einzelne Ergebnisse der
Spitzenförderung sind kein Hinweis auf besseren Unterricht in
Gänze.

Rußland hat das Bildungssystem seit 1990 umgestellt. Und selbst zu Sowjetzeiten hatte die Schule dort ganz andere Probleme als z.B. die Schule der DDR. Die Sowjetunion mußte mit extremer Ausprägung von Agrargesellschaft und gewaltiger Industrie in urbanen Regionen zugleich zurechtkommen. Die Reformen zogen sich lange hin; in der DDR war das Ende der 50er so gut wie aus der Welt und die Einheitsschule schuf fast völlige Chancengleichheit zwischen Stadt und Land.
Der Erziehungsanspruch war auf Oberschulbildung für alle ausgerichtet, was auch in die Arbeiterklasse durchschlug und sich langfristig dort etablierte. Die „Arbeiterklasse“ vor 1989 war daher alles andere als die „bildungsferne soziale Unterschicht“ von 2000.
Doch in der Sowjetunion war den Bauern und Leuten vom Lande der Stellenwert von allseitiger Bildung auf Grund ihres Alltags nur schwer zu vermitteln. Erinnert hierzulande an Bayern. :smiley: :smiley:

Rußlands Bildungssystem ist außerdem mit vielen Privatschulen „gesegnet“, so daß die öffentlichen Schulen natürlich von den Betuchten ausgedünnt werden.

Dennoch: Das ändert alles nichts daran, daß in Deutschland der mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Unterricht lasch ist, nicht genügend Wochenstunden eingeräumt bekommt, von der übermäßig geisteswissenschaftlichen geprägten Schule nicht anerkannt ist, gesellschaftlich keine Wertschätzung erfährt und daß das Schulsystem über kein einziges Instrument verfügt, die Probleme zu lösen.

Tschüß

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Hallo,

wunderschön, Dein Kritik, PISA ist aber immer noch objektiver,
als das „Boah ey, die Russen sind alle voll gut in Mathe“
hier.

Zur Rechenfähigkeit „der Russen“ will ich gar nichts sagen.
Allerdings habe ich meine Schwierigkeiten damit, eine in Vorbereitung, Durchführung und Auswertung fehlerhafte Studie in irgend einer Weise für objektiv zu halten. Mindestens im internationalen Vergleich (und damit ihrem eigentlichen Zweck) liegt der Aussagewert von PISA wohl nicht weit weg von „Boah ey …“

Gruß
Werner

Hallo,

zum Lehrplan kann ich nichts sagen.
Es ist aber offensichtlich, dass Mathe in Russland einen höheren Stellenwert hatte und immer noch hat als z.B. bei uns.

Wenn man Mathe oder Physik studiert, begnet einem dies immer wieder.
Es ist so offensichtlich, da braucht man keine Pisa Studie.

Neulich hatte ich 3 russische Ingenieure in einer Schulung.
Fazit: Dort sind Methoden üblich, die bei uns als zu abstrakt gelten.

Gruss,
TR

Das Problem ist neben dem Ständesystem der Bildung auch noch die fehlende Förderung. Bildung fängt früh an. Darum gab es in vielen Ländern Kindereinrichtungen fast überall. Da lernen die kleinen schon was. Später kommt die Schule und da gab es im Ostblock spezialschulen, die Vertieftes Wissen in bestimmten gebiet hatte.

Hallo Reinerlein,

ich denke viel über Deine Artikel nach. Es ist unbestritten, dass die Erfolge im DDR-Schulsystem weitaus größer waren. Aber ob die Lösung wirklich in der Einrichtung von Gesamtschulen (wir verstehen uns schon: Nicht die real existierenden Pseudo-Gesamtschulen, sondern wirklich Gesamt-Schulen) liegt?
Selbst für BRD-Niveau hat die Bildung ein erstaunliches Tief. Viele Kinder können in der 7. Klasse noch nicht 45 Minuten stillsitzen. Man kann die Schuld jetzt in der Grundschule suchen, wie es die Schulsystemkritiker tun; in der hohen Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen niedrigen Bildungsniveau im Elternhaus, worauf wahrscheinlich die Schuldzuweisungen der großen Parteien zielen; in der noch immer ausgeprägten Ständegesellschaft, wie kommunistisch geprägte Kritiker nicht müde werden herauszustellen; oder im hohen Ausländeranteil, der vom rechten Spektrum für alles verantwortlich gemacht wird.

Was davon stimmt, vermag ich nicht zu beurteilen, wenn ich auch meine Meinung dazu habe und denke, doch einige Punkte ausschließen zu können. Sicher ist jedoch, dass mit der Konzentration auf ein bestimmtes Schulmodell noch lang nichts getan ist.

Das Hauptproblem ist sicherlich,

daß in Deutschland der
mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Unterricht (…)
gesellschaftlich keine Wertschätzung erfährt.

Denn die Frage „Wozu brauch ich das?“ dominiert doch gerade den Mathematikunterricht allenthalben, während Physik noch als klassisches „Jungsfach“ angesehen wird und Informatik etwas für Nerds ist.

Das dreigliedrige Schulsystem möchte ich jedenfalls nicht verteufeln, gerade die Begabtenförderung sollte m.E. so früh wie möglich beginnen - was sie in der DDR ja auch tat und durch die neuen Schnellläuferklassen wieder auf einem guten Weg ist.

Liebe Grüße
Immo

Grüß Dich zurück,

nun ja, ich habe nur die Situation geschildert und nicht für die Beibehaltung votiert:wink:

Allerdings muss ich zugeben: Ich halte die Gesamtschule definitiv nicht für das Zauberallheilmittel für unsere Bildungsprobleme.

Denn es gibt meines Wissens Länder, in denen eine Gesamtschule gut oder schlecht funktioniert genauso wie es mehrgliedrige Systeme gibt, die besser oder schlechter funktionieren.

Grüße
Jürgen

AW: langer Kurzkommentar für Dich :wink:
Grüß Dich.

Aber ob die Lösung wirklich in der Einrichtung von [echten] :Gesamtschulen liegt?

Ich empfinde das Herunterspielen der Schulstruktur als die schlimmste Rhetorik, die sich Politiker seit 2001 leisten. Die Schulstruktur ist sehr wichtig, wenn das Bildungssystem alle Resourcen „aus einem Guß“ und somit optimal ausnutzen soll.
Der Begabungsbegriff von den handwerkenden (dummen) Hauptschülern, den kaufmännischen (bescheiden belesenen) Realschülern und den denkenden (breit gebildeten und eloquenten) Gymnasiasten, auf den sich das gegliederte Schulsystem gründet und blind verläßt, ist anzuweifeln; gerade der Übergang von der Grundschule hat sich als Gerechtigkeitslücke entpuppt, da eben überhaupt nicht begabungs- und leistungsgerecht aufgegliedert wird.
Vor einiger Zeit las ich zudem eine längere Studie, die nachweisen konnte, daß schlechte Schüler gruppiert zu einer leistungsschwachen Klasse im Nirwana enden, regelrecht absacken, während die guten Schüler gruppiert zu einer leistungsstarken Klasse keine größeren Fortschritte schaffen als sie es im gemischten Klassenverband täten.
Das deckt sich mit meinen schulischen Erfahrungen vor 40 Jahren: Die Kinder müssen unablässig mit hohen Anforderungen konfrontiert werden, Anforderungen die über dem Mittelwert liegen. Es muß unablässig streng benotet werden, keine Schonzeiten, nicht in Watte packen - Leistung, Zensuren, kontinuierlicher Druck zum geistigen Fortschritt, Konkurrenz zur Aktivierung von Leistungswille und Gemeinschaft zur soazialen und intellektuellen Erziehung.
Problem: Der Leistungsgedanke ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn die Kinder am Ende der 4. Klasse aufgegliedert werden in eine relativ gute Schule, eine akzeptable Schule und in eine schlechte Schule. Von guten Chancen bis Perspektivlosigkeit alles im Köcher, unterschiedliche pädagogische Ansätze, unterschiedliche Geschwindigkeiten.

Zum Vergleich: Meiner Delegierung auf die EOS ging eine Einschätzung meiner Leistungen voraus. Mein Zensurenstand Ende der 8. Klasse war 1,4 (1-), wodurch ich leistungsmäßig im Mittelfeld (!!) meines neuen Klassenverbands lag. Die Zensuren in Mitarbeit (1), Fleiß (1), Ordnung (2) und Betragen (3) waren in Ordnung. Der Klassenlehrer ermutigte mich zum Übertritt an die höhere Lehranstalt und mußte ein Gutachten anfertigen, was einerseits meine bisherige Entwicklung und andererseits Prognosen zur künftigen Leistungsfähigkeit enthielt sowie Interessen, Stärken, Schwächen. Ich mußte mich per Schreiben für die EOS bewerben und wurde später zum Gespräch eingeladen. Gleich die 1. Frage war, was ich mir bei der schlechten Betragenszensur gedacht hätte. :wink: Der Herr Genosse beließ es beim (ironischen) strengen Blick und der nachdrücklichen Ermahnung, die Bewertungen in Ordnung und Betragen zu verbessern. Dann durfte ich 3 Berufe und 3 Studienfächer nennen, die mich sehr interessierten und die meiner Meinung nach paßten. Der Genosse erläuterte die Tätigkeiten, die Anforderungen, den Lehrstoff, den Berufsalltag, die Erwartungen an mich usw. und machte seinerseits Vorschläge, die mich auf Grund der Analyse meines schulischen Werdegangs interessieren könnten. Im Anschluß mußte ich mich auf 3 Studienfächer verbindlich festlegen, aus dem später 1 Fach planstellengelenkt ausgesucht werden würde (nach formaler Bewerbung an einer Hochschule). Des weiteren war das Abitur zu der Zeit mit einer Berufsausbildung verbunden, so daß wir in ähnlicher Weise wie beim Hochschulstudium über den 4jährigen Lehrberuf (9.-12. Klasse) sprachen. Einige Wochen später kam das Schreiben über die Zulassung zum Abitur mit Berufsausbildung im B-Zweig.

Über die planwirtschaftlichen Dinge kann man streiten, aber der Vorgang war sehr viel durchdachter geplant und fußte auf verläßlichen, langfristigen Informationen. Ein 13- oder 14jähriger ist charakterlich reifer, hat eine ganz andere Weltsicht und ist besser einzuschätzen als ein 9- oder 10jähriger. Mit 14 weiß außerdem ein Kind ziemlich gut, was es denn später werden möchte. (Zumindest wußten wir das zu meiner Zeit, denn Berufswahl und Berufsberatung gab es schon im Kindergarten! D.h. die Schüler waren umfassend über die Berufsausbildungen informiert und kannten die weiteren Wege im Bildungssystem - eine normale Aufgabe von Schule, die heute kaum eine Einrichtung beherrscht. :-/)

Das Herunterspielen der Strukturfrage übersieht außerdem die begrenzten Handlungsmöglichkeiten des gegliederten Schulsystems. Wenn ich das Schulsystem nach bestimmten Idealen organisiere, stößt das förderale gegliederte Schulsystem schnell an systemtheoretische Grenzen, während sich die zentralistische Einheitsschule sehr effizient regeln läßt. Das übersehen die konservativen Ideologen gerne; ich erwarte z.B. vom obligatorischen und vom wahlweise-obligatorischen Unterricht des Schulsystems geographieunabhängige und lehrstoffbezogen einheitliche Bildung für alle Kinder auf dem besten erreichbaren Niveau, Gleichwertigkeit und Einheitlichkeit der Abschlüsse, einheitliche Abschlußprüfungen, gleiche Zensurenmaßstäbe, einheitliche Anforderungen an alle, einheitliche Lehrpläne, einheitliche Lehrausbildung – alles, was zynischerweise von den konservativen Politikern unter großen Worten wie Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Transparenz geführt wird. Und was tagtäglich gut zu beobachten *nicht* erreicht wird.

Und die genannten Anforderungen sind nicht vom gegliederten Schulssystem erfüllbar, schon per Definition nicht. Die Organisationform „Einheitsschulsystem“ hat hier die besseren Werkzeuge und Steuerungsmethoden in der Hand. Änderungen werden sofort für alle Schulen in allen Schulbezirken gleichermaßen wirksam. Die Einheitsschule ist deswegen reformfreudiger und agiler, während der harte Kern an Bildungsidealen überall durchgesetzt werden kann.
Das gleiche Kunststück versuche bitte unser Schulsystem, das schon an einfachen Aufgaben wie ordentlichen (fehlerfreien) zentralen Prüfungen oder einer identischen Bezeichnung des Schulabschlusses („Mittlere Reife“) scheitert.

Mit Ideologie hat das also wenig zu tun, denn bspw. kannte ich als Schüler ja nichts anderes als die Einheitsschule. Dinge, die heute wie der Heilige Gral des Schulsystems diskutiert werden, waren für uns Alltag. Das fängt mit dem nicht vorhandenen Unterrichtsausfall an und hört bei den vielfältigen Arbeitsgemeinschaften auf.
Das gegliederte Schulsystem lernte ich nach der Wende kennen. Ungefähr 1991-1993 dachte ich: „Das sind nur die Übergangserscheinungen; es mußte ja schließlich viel Rotes weg und das bessert sich alles noch.“. Spätestens Mitte der 90er dachte ich mir dann: „Es kann doch nicht sein, daß die jahrzehntelang *so* Schule machten. Hier kümmert sich niemand um irgendwas.“. Irgendwann wich dann das ernüchterte Erstaunen der Einsicht, daß das alles politisch so gewollt ist und kritiklos von vielen Menschen mitgetragen wird.

Viele Kinder können in der 7. Klasse noch nicht 45 Minuten stillsitzen.

Das fängt bereits im Kindergarten an. Keine Förderung, keine Erziehung. (Nicht gewollt, und wenn, dann stehen sofort die militanten Eltern auf der Matte, die dem Kindergarten verbieten, auf das Kind einzuwirken, z.B. das Stillsitzen, das Ruhigsein, das motorisch korrekte Halten von Stiften und Scheren, …)

in der hohen Arbeitslosigkeit und dem damit verbundenen niedrigen
Bildungsniveau im Elternhaus

Das ist eine direkte Folge des gegliederten Schulsystems. Ich kenne notgedrungen viele (ältere) Langzeitarbeitslose im Osten, die sind hervorragend gebildet und interessiert - allerdings nicht politisch. Es gibt nur eine Korrelation von Armut und Bildungsniveau, wenn es das Schulsystem verfehlt hat, die Bildungsideale in die unteren Schichten zu tragen. Bildung ist deutsches Traditions- und Kulturgut und zunächst unabhängig von der Ökonomie zu sehen. Das scheint aber offenkundig an den Hauptschulen und zunehmend an den Realschulen vorbeizugehen.

Das dreigliedrige Schulsystem möchte ich jedenfalls nicht
verteufeln, gerade die Begabtenförderung sollte m.E. so früh wie
möglich beginnen […] - was sie in der DDR ja auch tat

Das lächerliche Stückchen Talentförderung, was wir haben, sollte nicht verwechselt werden mit dem staatlichen Netz aus Einrichtungen wie den Spezialschulen usw… Auch hier galt: Talentförderung einheitlich-planmäßig, so daß jeder geeignete Schüler Zugang hatte. Wer heute in der falschen Gegend und/oder in der falschen Familie groß wird, hat Pech gehabt.

Es wurde zu DDR-Zeiten sicher viel falsch gemacht, z.B. das Politische. Aber es wurde für alle Kinder viel mehr getan. Und nur das zählt am Ende.

Viele Grüße :smile:

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