Mathematik in Russland?

Moin,
kann mir wer sagen wie in Russland der Lehrplan für mathematik ist?

Da könnte man sich vielleicht mal ne scheibe von abschneiden. Ich kenne soviele aus der Fachhochschule die nach deutschland gezogen sind und die meinen, dass der Matheunterricht in deutschland nen Witz ist. Teilweise kann ich das auch verstehen bis zum studium hatte ich auch probleme in mathe aber inzwischen gehts ganz gut. Wenn ich so zurück denke an den mathe unterricht hab ich so das gefühl das es bis zur 9. klasse nur formeln einsetzen und die grundrechenarten waren die man gelernt hat. Und wenn ich mir die Leute aus den grundstudium angucke kann ich mich nur darüber amüsieren was für probleme die haben wenn man statt x mal nen anderen buchstaben benutzt^^ (so ging es mir auch mal).
Der Nudelaraba

Grüß Dich.

Davon könnte man sich vielleicht mal 'ne Scheibe abschneiden.

Mathematik war in der Sowjetunion traditionell ein starkes Fach1 und zusammen mit Physik2 reichlich im Stundenplan vorhanden.
Was Bildungsfragen anbelangt, war jedoch die DDR der unangefochtene Maßstab des Ostblocks - noch vor der Sowjetunion. Rußland greift mit Sicherheit auf bestimmte Eigenheiten des sowjetischen Bildungssystems zurück.

Gewisse Traditionen der DDR-Schule sollten Dir diesbezüglich helfen:

Ich habe 1966 an der vierjährigen „erweiterten zwölfklassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule“ im B-Zweig3 das Reifezeugnis erhalten und währenddessen zeitgleich die Lehre zum Elektroniker mit dem Facharbeiterbrief abgeschlossen.
(Das nannte sich AmB: Abitur mit Berufsausbildung.)
Delegiert4 wurde ich mit dem Zensurenstand von 1,4 am Ende der 8. Klasse und gehörte damit ins Mittelfeld des Klassenverbands bestehend aus uns 18 Rabauken. :smile:

Was heutzutage den Schülern am Gymnasium abverlangt wird, ist gegenüber den Anforderungen von damals schlicht und ergreifend lächerlich.

Beispiel: Der Lehrstoff. Wir hatten schon in der 1. Klasse der Einheitsschule Rechnen und Umgang mit Variablen und Lösen von Gleichungen und Ungleichungen. Zu der Zeit war dieser Ansatz noch nicht vollständig ausgereift (betatesting) und das umfassend ausgearbeitete wissenschaftliche Konzept kam schließlich 1964 für alle polytechnischen Oberschulen - und damit für alle Kinder - unwiderruflich in den Mathematiklehrplan. Erst 1990 wurde das im Zuge der völligen Auflösung der Einheitsschule abgeschafft.
Die Mengenlehre, weiterführende Gleichungsarten, Logarithmenrechnen, der Funktionsbegriff und das Konstruieren in Geometrie spielten in der Oberstufe5 eine größere Rolle.

Beispiel: Die Sonderkapitel. Die Abiturstufe6 [des B-Zweigs] der erweiterten Oberschule enthielt mehrere Lehrstoffkapitel des 1. Ingenieurstudienjahres. Es gab intensive Abschnitte über den Schluß von n auf n+1 (vollständige Induktion), zu den Differentialgleichungen, zu den Unendlichen Reihen usf… Das Niveau lag höher als in heutigen Leistungskursen.

Was ich damals von den anderen Zweigen7 erhaschen konnte, wäre übertragen auf das Jetzt ein Ding zwischen Grundkurs und Leistungskurs mit reduzierter Stundenzahl8.

Beispiel: Die Reifeprüfung. Die zentrale schriftliche Prüfung würden große Teile der gegenwärtigen Schülerschaft nicht bestehen.

Grundsätzlich konnte alles aus dem Lehrplan Prüfungsstoff sein.
Die Prüfungen waren von Jahr zu Jahr ähnlich aufgebaut, aber niemals dermaßen gleichartig, vorhersehbar und starr wie inzwischen üblich.

Die Prüfung machte 50% der Endzensur auf dem Reifezeugnis aus.

Es gab sechs oder sieben Pflichtaufgaben und eine Wahlpflichtaufgabe, die aus dreien ausgesucht werden konnte.
Die 1. Aufgabe war generell zum Warmrechnen, danach warteten alle weiteren Aufgaben mit 'nem Fallstrick, der die „Experten“ (Zensur 3 und schlechter) von den guten Leuten (Zensur 2) siebte.
Das Verstehen und Anwenden(-können) des Lehrstoffs wog gleich schwer wie das präzise, zügige Handrechnen, welches als absolute Grundvoraussetzung des gesamten Unterrichts galt.

Beweisen und Schluß von n auf n+1, Folgen, Reihen, logarithmisches Ableiten, einfache Differentialgleichungen, Integrale mit Winkelfunktionen und Hyperbelfunktionen, Kombinatorik, Vektoralgebra, analytische Geometrie usw. usf. waren typische Prüfungsaufgaben.

Allerdings schwankte die Prüfung in ihrer Gestalt und Schwere von Jahr zu Jahr mehr als heutzutage. Von „schaffbar“ bis „sehr schwer“ konnte alles auf dem Tisch liegen. Stochastik gab es, von Kurzaufgaben zur Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung abgesehen, überhaupt nicht, was zu begrüßen ist. Das ist der einzige Punkt, wo mir die heutigen Schüler leid tun, denn mit diesem Kram dermaßen übertrieben belästigt und genötigt zu werden, ist eine der häßlichsten Modeerscheiungen in den letzten 20 Jahren Schule.

Am besten Du ersteigerst Dir also auf eBay die DDR-Lehrpläne für Mathematik. (Falls diese Goldschätze auf eBay aufzutreiben sind.)
Gegebenenfalls mußt Du mehrere Ausgaben aus unterschiedlichen Jahren sichten, denn das System hat sich mehrmals geändert.

Tschüß :smile:

1 stets 5 Wochenstunden oder mehr

2 Physik von der 6. zur 10. Klasse wurde in einigen Phasen der sowjetischen Bildungspolitik mit 5 Wochenstunden unterrichtet.

3 B-Zweig: Klassen mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Vertiefung

4nach Bewerbung und Bewerbungsgespräch zugelassen für die EOS auf einen vorgegebenen Platz

55.-10. Schuljahr

611. und 12. Klasse der EOS

7A-Zweig: Klassen mit neusprachlicher Vertiefung,
C-Zweig: Klassen mit altsprachlicher Vertiefung

8A-Zweig: 3 Wochenstunden in allen vier Schuljahren, das gleiche für den C-Zweig

.

Jo danke dir das war schonma sehr informativ:smile:. ich dachte die leute wolln mich verarschen als die mir erzählt haben das die schon in der ersten klasse formeln umstellen^^ aber sowas scheint wohl zufunktionieren. sind differenzial gleichungen stoff im abitur?. also ich hatte dasjetzt im studium ganz schön umständlich und nervig wenn man da koeffizienten vergleiche machen muss zum glück gibt es laplace^^

Hallo

ja, Mathe in Russland wir sehr intensiv gelehrt.
Das erstaunliche ist ja auch, dass es dort irgendwie die meisten Schüler, auch in den ersten Klassen, schaffen den Stoff zu begreifen, und nicht wie hier in Deutschland zu lernen!

Vor allem wird dort imernoch viel Wer darauf gelegt, dass man seinen Kopf benutzt und nicht den Taschenrechner.

Ich war nicht lange in einer russischen Schule, aber ich kenne viele die es waren, und nach einheitlichen Aussagen kann ich dir sagen: Das was die Schüler hier in der Grundschule lernen lern man in Russland alles in der ersten Klasse, wenn nicht noch mehr!

Man sollte die deutschen Kinder nicht von Anfang an an so ein Tempo gewöhnen. Wenns die Kinder in Russland, Kasachstan und der übrigen früheren Sowjetunion schaffen, sowie in China usw. dann sollten es die Kinder aus deutschland doch auch. (wollte es nur mal gesagt haben, auch wenns nicht zu deiner Frage gehört :smile: )

Grüß Dich.

Deine Frage hat meine Neugierde gepackt. :smile:
Ich bin auf den Spitzboden (2. Dachbodenebene direkt unter der Dachspitze) gekrochen und habe mein altes Schulzeug herzugekramt. Normalerweise tue ich das nicht, denn mein Dachboden erfordert wegen des tollen Ablagesystems namens „aus den Händen fallen gelassen, wo ich gestanden habe“ Navigationskünste wie sie nur Lenkwaffen beherrschen.

Mittendrin beschlich mich das ungute Gefühl, daß ich das am Ende alles weggeschmissen hatte, aber nach ein paar Stunden Geramsche konnte ich die Kiste mit Schulheften und -büchern finden.

[…]schon in der ersten klasse formeln umstellen^^
aber sowas scheint wohl zu funktionieren

Ich bin Mitte der 50er in die Unterstufe gegangen und meine Schulhefte und Schülerarbeitshefte waren von der Gestaltung her teils alt teils neu. In den älteren Heften „Rechnen“ ist der Ansatz vorhanden, aber Buchstaben als Variablen werden vermieden. In den Neudrucken, die „Mathematik“ heißen, ist alles mit Buchstaben.

Beispiele aus der 1. und 2. Klasse für Dich:

2 + x = 11, x = ?

9 - c 18, f = ?

i + 23 = 34, i = ?

3y = 27, y = ?

54 / z = 9, z = ?

2a + a = ?

5u - 3u = ?

usw. usf.

Das ist kein Umstellen von Formeln. Die Gleichungen und Ungleichungen wurden außerdem im Kopf gelöst, und nicht algorithmisch („Beide Seiten der Gleichung blabla!“).

Entscheidend ist vielmehr die Idee, die Erstklässler ohne Umschweife an Variablen zu gewöhnen und die Unterstufe der gleichen Systematik zu unterwerfen wie die Oberstufe oder die Abschlußklassen.
Die Anforderungen lagen sofort hoch, und die Unterstufe entging somit dem Schicksal der jetzigen Grundschule, die auf schauderhaftem Spielekindniveau eine pure Leistungsbremse ist.

Wie gesagt, 1964 trat ein völlig neuer Mathelehrplan für die POS in Kraft (galt nicht mehr für mich), und bis 1990 blieb der Ansatz unverändert, daß alle Lehrstoffkapitel der Oberstufe und vor allem der 10. Klasse bereits in der 1.-3. Klasse eingeführt werden mußten. (Umgang mit Variablen, Lösen von Gleichungen und Ungleichungen, Geometrie, mathematische Fachsprache usw. usw.). Die erste Einführung zum Umgang mit dem Potenzbegriff ist hier am Ende der 3./ zu Beginn der 4. Klasse beschrieben: Zehnerpotenzen.

Der Gedanke dahinter war wohl, den alten Rechenunterricht abzuschaffen und den Lehrstoff in allen Klassen dem systematischen Aufbau des universitären Studienfaches anzugleichen. Deswegen die Betonung von Techniken und Eigenheiten (Mengenlehre, Variablen etc.), die im herkömmlichen Schulsystem (gegliedertes Schulwesen) erst viele Jahre später behandelt wurden oder keine nennenswerte Rolle spielten.

Und selbstverständlich funktionierte das, ohne daß die Hälfte der Kinder wegen Überforderung hinten herunterfällt. Nötig sind lediglich eine gute Lehrerausbildung, eine ständige Lehrerfortbildung, durchdachte methodische Studien und von am Lehrplan beteiligten Spezialisten ausgearbeitete Unterrichtshilfen bzw. didaktische Handreichungen. All das war ja gut finanziert vorhanden.

sind Differenzialgleichungen Stoff im Abitur?

Ich weiß, daß an Beruflichen Gymnasien in Sachsen nach den Einführungskursen zur Differential- und Integralrechnung am Ende der 12. Klasse auch Differentialgleichungen behandelt werden. In der Prüfung kommt es aber wohl nicht vor.

Unser Lehrstoff bestand damals aus Differentialgleichungen 1. Ordnung und Differentialgleichungen 2. Ordnung, für die es einfache Anfangswert- und Randwertaufgaben zu lösen galt. Lösungstechniken: Trennung der Variablen, Variation der Konstanten und charakteristische Gleichung.
Natürlich nichts Verschärftes, denn es war die Abiturstufe, kein Hochschulstudium.
Wir sollten begreifen, welche essentielle Bedeutung die Differentialgleichungen in den Ingenieur- und Naturwissenschaften einnahmen und wie wir die Differentialgleichungen auf technische und physikalische Probleme anwenden konnten. Mechanische Schwingungen, elektrische Schwingungen, die einfache Biegelinie u.v.m…

Vor den Differentialgleichungen kamen die Unendlichen Reihen. D.h. Grenzwerte von Partialsummenfolgen, n-te Ableitung, Restgliedberechnung, Fehlerabschätzung, Satz von Taylor, Potenzreihen, Konvergenz, Vorgriff auf Fourierreihen.

Komplexe Zahlen betrachteten wir nach dem Kapitel zum Schluß von n auf n+1 ebenfalls eine Weile.

Als die drei Zweige später zugunsten eines verbindlichen MNT-Profils für alle Abiturienten abgeschafft worden waren, mußte freilich das Niveau gedrosselt werden. Die Mathematik an der EOS fand sich irgendwo oberhalb des A- und C-Zweiges und unterhalb des B-Zweiges wieder. Die Prüfung blieb trotzdem ein Stück schwerer als heute, denn die Schüler mußten ein vielseitigeres mathematisches Können zeigen. (Beweisen, Partialsummenfolgen, Folgen, physikalische-technische Anwendung der Differential- und Integralrechnung, stellenweise Ableiten und Aufleiten von knackigeren Ausdrücken, …)

Tschüß :smile:

Jo danke dir. Die Beispiel aufgaben bringen ja schoma nen bischen licht ins dunkel:smile: es ist simples addieren aber man wird gleichzeitig daran gewöhnt mit Buchstaben zu arbeiten und es ist nich nur Rechnen wie bei mir damals in der Grundschule. mit den A B C zweigen ist mir das nicht ganz klar. Ich war auf einer IGS bis zur 10. klasse da hatten wir wie A und B kurse in den Hauptfächern (english Mathe Deutch) ist das irgendwie Vergleichbar?

Hallo

dass der Matheunterricht in
deutschland nen Witz ist.

Das *könnte* durchaus sein: http://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Mathe_Tal…

mfg M.L.

Grüß Dich.

[…]man wird gleichzeitig daran gewöhnt mit Buchstaben zu arbeiten
und es ist nich nur Rechnen wie bei mir damals in der Grundschule.

Richtig.
Des weiteren führte der Unterricht von Beginn an die natürlichen Zahlen ein. Solche Fachbegriffe wurden streng gepflegt; es hieß in der 1. Klasse Addition, Subtraktion usw… Kein kindischer Wortschatz wie z.B. an der bayrischen Grundschule, sondern gleich fachrichtiges Sprechen.

Ein Nebeneffekt dessen war, daß später nichts korrigiert werden mußte - der Unterricht ging organisch ohne Sprünge weiter.
Wie ich es hautnah mitbekommen habe, ist es inzwischen normal, den Lehrstoff der Unterstufe so vereinfacht zu erklären, daß das berühmte Ja, damals in der Grundschule hat man euch das ja so erklärt, aber eigentlich ist es so: … inzwischen normal zu sein scheint. Schrecklich.

mit den A-, B-, C-Zweigen ist mir das nicht ganz klar.

Das liegt weit zurück und greift jetzt ein bißchen weit. :smile:

Die eweiterte Oberschule war in der DDR die Schule, die zur Hochschulreife führte. Zu meiner Zeit umfaßte die EOS 4 Jahre, von Klasse 9-12. Innerhalb der EOS gab es drei differenzierende Richtungen; den A-Zweig mit 3 modernen Fremdsprachen, den B-Zweig mit verstärktem Unterricht in Mathematik, Physik, Chemie, Biologie und Geographie und den C-Zweig mit klassischem Latein und Altgriechisch als 2. und 3. Fremdsprache.

Was nicht zur Debatte stand, war abwählen! Das gab es überhaupt nicht.
Auch der A- und C-Zweig mußte Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Geographie, Astronomie, UTP und TZ machen! Und natürlich die zentralen Prüfungen.
In sozialistischem Deutsch nannte sich das hohe, feste, anwendungsbereite und allseitige Bildung.

Ende der 60er strukturierte man die 4jährige EOS um in eine 2jährige EOS und die drei differenzierenden Zweige waren Geschichte. Jetzt mußten alle Schüler das Abitur mit dem starr festgelegten mathematisch-naturwissenschaftlichen Kern absolvieren. 5 Wochenstunden Mathe, 3 Wochenstunden Physik, 2-3 Wochenstunden Chemie und 2-3 Wochenstunden Biologie, sogar in sprachlich verstärkten Sonderklassen.

Ich halte das noch heute für groben Unfug - 8jähriges, gemeinsames Lernen ohne Differenzierung und Selektion, und dann die fähigsten Kinder von der Oberschule auf die höhere Schule, und nicht 30%, 40% oder noch mehr Prozent zum Abitur zulassen.

Amüsanterweise zeigt das gegliederte Schulsystem damit wahrhaftige sozialistische Gleichmacherei und Niveauabsenkung nach unten, wie es der DDR nie und nimmer einkommen wäre. Nichtmal im Traum.

Was mir noch einfällt: Die EOS verlangte von den Schülern sich mit jedem Jahr steigernd hochschultypische Lernformen. Es gab Konsultationen, schriftliche Ausarbeitungen über die Ferien, selbständige Wissensaneignung.

Mich erwischte das in der 12. Klasse in Mathematik.
Die tägliche mündliche Kurzkontrolle am Stundenanfang traf mich und ich mußte an der Tafel eine unendliche Reihe herleiten. Der Stoff war zu dem Zeitpunkt neu und ich hatte noch nicht mitgeschnitten, wie man Fakultäten kürzt. Es entstand natürlich als Reihe ein Bruch mit mehreren Fakultäten drin. :wink: Als ich das Monstrum nicht kürzen konnte, bekam ich die 51. Die pädagogische Bemerkung war dann, daß sich ein 17jähriger solche Dinge im Selbststudium anzueignen habe, und es könne absolut nicht sein, daß den B-Schülern alles in mundgerechten Häppchen an die Tafel geschrieben werden müsse.

Die erzieherische Standpauke mit mir als Prellbock diente vermutlich eher dazu, uns Rabauken vor der Prüfung munter zu machen. Ich nahm das eigenverantwortliche Üben und die Nachbereitung des Lehrstoffes zumindest ernster, und die anderen auch. Die Mathematiklehrerin hat uns die darauffolgende Stunde das Kürzen von Fakultäten trotzdem gezeigt. :wink:

Ich war auf einer IGS bis zur 10. klasse […] ist das irgendwie vergleichbar?

Es ist die gleiche Idee: Differenzierung. Mehr Gemeinsamkeiten gibt es nicht. In der zehnklassigen Einheitsschule der DDR gab es keine Differenzierung. Weder A noch B. Für alle Schüler zur gleichen Zeit der gleiche Stoff in der gleichen Geschwindigkeit - zumindest fast. :smile: Es gab bestimmte Mechanismen (Ausnahmen), die in der Einheitsschule sicherstellten, daß das Niveau oben blieb. Die DDR war nicht dumm: Gleichmacherei bringt überhaupt nichts.
Deswegen sorgte der Lehrer für den Ausgleich unterschiedlich guter Schüler, indem gemeinsames Lernen und rationeller Unterricht kombiniert wurden.
Die Guten halfen den Schlechten, die Guten wurden weiterführend beschäftigt, so daß sich zeitgleich Freiraum für das Betreuuen der Schlechten auftat. Außerdem erfolgte der Unterricht in der Unterstufe mit 2 Lehrern. Lehrer Nr. 2 war die zuständige Erzieherin im Schulhort - das war nämlich eine ausgebildete Lehrerin, die in Abstimmung mit den unterrichtenden Lehrern am Nachmittag (individuelle) Fördermaßnahmen durchführte. Trick 17. :wink:

Die Guten blieben gut, die Schlechten wurden erheblich besser.

Tschüß :smile:

15 = schlechteste Note; derjenige, der eine erhielt, erntete häufig ein Raunen aus der Klasse. Zensuren hatten eine hohe Bedeutung.

Hallo Reinerlein!
Ich habe deine Ausführungen sehr genossen. Ich habe 1990 das letzte Abitur der DDR geschrieben. Ich habe ebenfals die Berufsausbildung mit Abitur bestritten.
Meine Frau hat 1991 eine Abiturprüfung aus NRW bekommen (wir kommen aus Sachsen). Lehrerschaft und Schüler haben sich köstlich amüsiert. Wir haben festgestellt, dass ein sehr guter 10. Klassenschüler unseres Niveaus das durchaus hätte bestehen können.

Mit dieser Aussage komme ich nicht ganz klar. Könntest du mir das mal erläutern?

Ich halte das noch heute für groben Unfug - 8jähriges,
gemeinsames Lernen ohne Differenzierung und Selektion, und
dann die fähigsten Kinder von der Oberschule auf die höhere
Schule, und nicht 30%, 40% oder noch mehr Prozent zum Abitur
zulassen.

Gruß

Grüß Dich.

Wir haben festgestellt, dass ein sehr guter
10. Klassenschüler unseres Niveaus das durchaus hätte bestehen
können.

Ich halte nicht viel von Übertreibungen und sicherlich war das Niveau an der POS höher als heute in den Sekundarschulen, aber Reifezeugnis und Schulabschluß sind zwei verschiedene Dinge. Die DDR-Schule war keine Wunderschule. :wink:

Und „bestanden“ ist ja nicht Sinn der Reifeprüfung, sondern das Ziel muß immer die 1 sein. Das war die Rhetorik seit der 1. Klasse. :wink:

Mit dieser Aussage komme ich nicht ganz klar. Könntest du mir
das mal erläutern?

Ich halte das noch heute für groben Unfug - 8jähriges,
gemeinsames Lernen ohne Differenzierung und Selektion, und
dann die fähigsten Kinder von der Oberschule auf die höhere
Schule, und nicht 30%, 40% oder noch mehr Prozent zum Abitur
zulassen.

Ja, das war irgendwie nicht eindeutig, wie ich gerade merke.

Ich meinte, daß die Reduzierung der EOS auf 2 Jahre eine der dümmsten Dinge war, die schulpolitisch auf ostdeutschem Boden abgelaufen sind. Das sieht für mich heute noch absolut nach blanker Ideologie von Frau Honecker aus und nicht nach begründeter Schulentwicklung.
Der Übergang von der POS zur 9. Klasse war optimal, d.h. das Reifezeugnis war noch weit weg, die Bewerbung zum Studium war noch weit weg. Die leichten Fluktuationen von Schule zu Schule konnten leicht ausgeglichen werden und die Lehrer hatten mit dem jeweiligen Klassenverband 2 Jahre Vorbereitungszeit bevor es in der 11. Klasse richtig ernst wurde.
Der Wechsel zur 9. Klasse war außerdem nicht so zeitig wie im gegliederten Schulsystem und nicht so spät wie in der sowjetischen Elfjahresschule.

Eine Nachteil gab es allerdings: Ein Schüler, der die Anforderungen trotz leistungsorientierter Delegierung nicht schaffte, was es durchaus gab, hatte keinen Schulabschluß. Am Ende der 10. Klasse mußten wir an der EOS keine Prüfung absolvieren, was natürlich vom Erhalt eines akzeptablen Schulabschlusses ausschließt. Wer an der Abiturstufe scheiterte, wurde mit wertlosen Jahrgangszeugnissen irgendwo in die Berufsausbildung verabschiedet.
Zugegeben, die Abschlußprüfung wäre eine Belastung gewesen, denn die POS hatte in einigen Fächern andere Stundenzahlen und Schwerpunkte (Physik, Chemie etc.), was besonders für A- und C-Zweig eine hohe Hürde bedeutet hätte. Trotzdem hätte ich gerne teilgenommen an der Abschlußprüfung, schon wegen der Sicherheit, die einem in Deutschland eine rechtmäßige Urkunde gibt. Ohne Urkunde bist Du nichts, mit Urkunde bist Du alles – das war auch in der DDR so.

Tschüß :smile:

Da fehlen natürlich noch die Spezialschulen, die in MINT-Fächern vertiefte Inhalte hatte und auch mit dem Abitur abschloß. Leider gibt es das nicht mehr. Auch die UdSSR hatte solche Spezialschulen.

Das Niveau war wirklich schon so hoch, wie viele Abiturprüfungen heute, da das Niveau in den letzten 20 Jahren ständig gesenkt wurde. Irgendwo habe ich mal eine Mathe-Abschlußprüfung der 10. Klasse BRD im Internet gefunden. Das ist pillepalle für echte DDRler.

Auf die Förderung kommt es an. So muß das Bildungsministerium langsam etwas tun, denn seit der PISA-Studie wurde nichts verändert.

Hallo,

Eine Nachteil gab es allerdings: Ein Schüler, der die
Anforderungen trotz leistungsorientierter Delegierung nicht
schaffte, was es durchaus gab, hatte keinen Schulabschluß. Am
Ende der 10. Klasse mußten wir an der EOS keine Prüfung
absolvieren, was natürlich vom Erhalt eines akzeptablen
Schulabschlusses ausschließt. Wer an der Abiturstufe
scheiterte, wurde mit wertlosen Jahrgangszeugnissen irgendwo
in die Berufsausbildung verabschiedet.
Zugegeben, die Abschlußprüfung wäre eine Belastung gewesen,
denn die POS hatte in einigen Fächern andere Stundenzahlen und
Schwerpunkte (Physik, Chemie etc.), was besonders für A- und
C-Zweig eine hohe Hürde bedeutet hätte.

anscheinend wurde irgendwann „zwischendurch“ auch in der DDR diesbezüglich einiges geändert. Wir hatten nämlich eine Abschlußprüfung in der 10.Klasse und diese ABC-Zweige gab es nicht mehr…
Kleine Korrektur am Rande: der Wechsel von der 4jährigen zur zweijährigen EOS erfolgte erst 1981, nicht in den 60er Jahren.
(ich gehörte zum letzten vierjährigen Jahrgang).

Ansonsten ist deinen kompetenten Auführungen zu den Leistungsanforderungen nichts hinzuzufügen :wink:

Ich sage immer meinem Sohn, der über die Abi-Prüfungen stöhnt, wie gut er es doch hat - kann sich die Fächer aussuchen und viel weniger als wir :wink:

Beatrix

AW: offtopic
Grüß Dich, Scotty.

Da fehlen natürlich noch die Spezialschulen, die in MINT-Fächern
vertiefte Inhalte hatte und auch mit dem Abitur abschlossen.
Leider gibt es das nicht mehr.

Von den Russischschulen abgesehen gab es zu meiner Zeit die Spezialschulen noch nicht. Die etablierten sich erst, als nach 1965 mit dem neuen Bildungsgesetz die Differenzierung innerhalb der EOS aufhörte. :smile:

Mit sozialistischem Gruß :wink: :wink:

Grüß Dich.

Anscheinend wurde irgendwann „zwischendurch“ auch in der DDR
diesbezüglich einiges geändert.
Wir hatten nämlich eine Abschlußprüfung in der 10.Klasse und
diese ABC-Zweige gab es nicht mehr.
Kleine Korrektur am Rande: der Wechsel von der 4jährigen zur
zweijährigen EOS erfolgte erst 1981, nicht in den 60er Jahren.

Das ist so eine Geschichte. Laut Gesetz (Wikipedia hat meinem alten Kopf nachgeholfen12) änderte das Bildungsministerium das System in zwei Schritten 1966 und 1968.

Die 4jährige EOS wurde zur 2jährigen EOS + „Vorbereitungsklassen“.
Die Vorbereitungsklassen gliederte man organisatorisch zur POS, auch wenn in der Praxis diese 9. und 10. Klassen an der EOS blieben.
1981 wurde die Übergangsphase zur 2jährigen EOS abgeschlossen und gesetzlich der generelle Übergang nach der 10. Klasse verankert.

Beeinträchtigt war zumindest die parallele berufliche Bildung an den erweiterten Oberschulen, denn das Abitur mit Berufsausbildung, was ich z.B. absolvieren konnte zwischen 1962 und 1966, mußte wegen der Reduzierung auf zwei Jahre abgebrochen werden.

Ich sage immer meinem Sohn, der über die Abi-Prüfungen stöhnt,
wie gut er es doch hat - kann sich die Fächer aussuchen und viel
weniger als wir :wink:

Ja, dieses Gejammere. :wink:
Ich durfte 4 schriftliche und 5 mündliche Prüfungen machen.

Die Jugendlichen kriegen dagegen heute den Zucker in den Arsch Hintern geblasen und denken Wunder, was sie für ein schweres und tolles Abitur absolvierten. :wink:

Viele Grüße

1http://de.wikipedia.org/wiki/Erweiterte_Oberschule
2http://de.wikipedia.org/wiki/Polytechnische_Oberschule

Hi!

Jo, als ich aus der ukrainischen Schule mitten im Schuljahr an die deutsche Grundschule (4. Klasse) gewechselt bin, blieb der Matheunterricht bis zum Ende der 6. Klasse (in Berlin gilt die 6-jährige Grundschule) ein Witz. Ich hatte damals beim Wechsel schon über ein Jahr Vorsprung, im Bänkerücken (Spiel zum Üben des Kopfrechnens) war ich stets unangefochtene Siegerin, und selbst wenn dann mal etwas einigermaßen neues gelehrt wurde, war das Tempo zum Einschlafen. In dieser Zeit habe ich das Lernen verlernt, denn Hausaufgaben ließen sich alle schnell im Unterricht erledigen und auch sonst musste ich nichts lernen, es wurde ja schon absolut alles im Unterricht zigmal vorgekaut. Na ja, zum Glück bin ich dann auf so ein ehemaliges DDR-Spezialgymnasium (Mathe & Naturwissenschaften) gekommen, wo die meisten Lehrer noch aus DDR-Zeiten stammten. Vollständige Induktion, Differentialgleichungen usw. haben wir dort gemacht, und ich hatte nur Mathe-Grundkurs. :smile: Vollständige Induktion gab’s schon in der 10. Klasse, wenn ich mich recht erinnere, aber eben als Zusatzstoff, der nicht zum Lehrplan gehörte. Das Lustige ist, dass dann die Tests und Arbeiten nach normalem Lehrplan geschrieben wurden (bzw. zu den Zusatzmaterialien nur ganz simple Beispiele abgefragt wurden, die man auch ohne besondere Mathebegabung lösen konnte, wenn man den Unterrichtsstoff konsequent nachgearbeitet hatte) und dadurch die Prüfungen im Vergleich zum Unterrichtsstoff ein Witz waren. :smile:

Mal ehrlich, wenn ein Kind von Anfang an in der Grundschule an das Tempo gewöhnt wird, das momentan in Deutschland herrscht, wundert es mich nicht, dass viele gute Schüler beim Übertritt aufs Gymnasium abrutschen. Das Problem ist nicht, dass sie etwa zu dumm dazu wären (das normale Gymnasium zu schaffen ist ja nun wahrlich kein Hexenwerk), sondern dass sie nicht wissen, was „lernen“ ist, wie es funktioniert und das Arbeiten nicht gewohnt sind. Wenn die Anforderungen am Anfang niedrig sind, ist es schwer den älteren Kindern zu vermitteln, warum sie plötzlich anfangen sollen, etwas für die Schule zu tun.

Na ja, lange Rede kurzer Sinn - Mathe und Physik wurden und werden an osteuropäischen (Einheits-)Schulen tatsächlich besser gelehrt als an normalen deutschen Gymnasien. Das sollte einem zu denken geben.

Gruß

Anja

PS: Bei Fremdsprachen sieht es jedoch schon wieder umgekehrt aus: Ich kenne niemanden, der dank dem Fremdsprachenunterricht in Russland eine Sprache erlernt hätte…

Mathe ist nicht das A&O
Tach,

so richtich gut schreim können hallte ich für wichticher.
Die Satzgrammatik und die Rechtschreibregeln sollten FH-Studenten eigentlich beherrschen.

Ich kenne soviele aus der Fachhochschule die nach deutschland
gezogen sind und die meinen, dass der Matheunterricht in
deutschland nen Witz ist. Teilweise kann ich das auch
verstehen bis zum studium hatte ich auch probleme in mathe
aber inzwischen gehts ganz gut.

Pit

Moin,

wobei man fairerweise sagen muss, dass es noch immer nicht „den“ deutschen Unterricht gibt. Es gab schon immer Regionen, in denen mehr Stoff vermittelt wurde und welche, in denen weniger vermittelt wurde. Dass hier durchaus ein Gefälle von 1-2 Jahren herrscht, zeigen ja die regelmäßigen PISA-Studien.

Nebenbei: Du kennst das Ergebnis der PISA-Studie im Ländervergleich:
z.B. 2006: Mathematik: Deutschland Rang 20, Russland Rang 34.
Es ist nicht alles Gold was glänzt. Einzelne Ergebnisse der Spitzenförderung sind kein Hinweis auf besseren Unterricht in Gänze.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,521…

Grüße
Jürgen

Mathe mahnt zur Vorsicht
Hi Pit
Kann dir nur zustimmen!
Interessant ist ja auch, dass in diesen Ländern, wo Mathe auf so hohem Niveau liegen soll bzw. für so wichtig eachtet wird, Demokratie für ein gefährliches Unerfangen ehalten wird. :wink:
In keinem dieser Länder (Russland, Ukraine, DDR, China) hätte ich leben mögen … wenn man von „leben“ hier überhaupt reden kann…
Gruß,
Branden

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Hi,

also das ist das erste Posting, das ich von dir lese, bei dem ich bete, dass es 100% Ironie ist und hoffentlich nur von schlechtem Humor zeugt.

Die Franzi

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